[28.07.2011] In einer digitalisierten Welt steigt die Bedeutung von Online-Kommunikation. Dieser sich beschleunigende Veränderungsprozess wird nach Überzeugung der metafinanz in den nächsten Jahren verstärkt Einfluss auf Kundenbewegungen in der Versicherungsbranche haben.
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Es wird ein Umdenken stattfinden
1. Strategie _Social Media
„Es wird ein Umdenken
stattfinden“
Prof. Dr. Klemens Skibicki fordert ein neues Kommunikationsverhalten
für erfolgreiches Social Media
Dramatisieren Sie nicht zu sehr, werden Ver-
In einer digitalisierten Welt steigt die Bedeutung von sicherungsunternehmen, Banken und Spar-
Online-Kommunikation. Dieser sich beschleunigende Ver- kassen wirklich untergehen, wenn sie Social
änderungsprozess wird nach Überzeugung der metafinanz Media nicht verstehen?
in den nächsten Jahren verstärkt Einfluss auf Kundenbewe- Ich dramatisiere keineswegs, ich erkläre nur den Kern des
gungen in der Versicherungsbranche haben. Social Webs, in dem es neben viel Belanglosem vor allem
eben um Kommunikation mit Menschen, die einem wichtig
sind und denen man vertraut, geht. Kombiniert mit dem rasan-
Versicherer sind gefordert, sich strategisch so aufzustellen, ten Wachstum des Smartphone Marktes, schneller mobiler
dass sich Online-Kommunikation und klassische Kommuni- Datenübertragungsraten und niedrigen Flatrates führt dies
kation miteinander verzahnen. Selfservices, Consumerization, in die neuen marketlichen Rahmenbedingungen des Social
aktive Produkt-Mitgestaltung und Echzeit-Transparenz auf Commerce, in die alle Branchen eingebettet sind. Es gilt das
den Status der Vertrags- und Leistungssituation sind aus Sicht Geschäftsmodell und die DNA der Unternehmensstruktur
der metafinanz zentrale Erfolgsfaktoren für eine attraktive, und -kultur an diese neue Kommunikationswelt anzupassen.
zeitgemäße Interaktion mit einer wachsenden Gruppe von Bei Social Commerce geht es nicht um etwas im Internet,
aktiven Online/Social Media Kunden. sondern darum, dass Menschen aufgrund sozialer Netzwerke
Der Einstieg in Social Media bietet Versicherungen vielfältige und mobiler Endgeräte in Zukunft immer und überall Zugriff
Potenziale, deckt aber auch schonungslos Schwächen in der haben auf Informationen und Meinungen von Menschen,
Kommunikation und Organisation auf. Bei Social Media geht denen Sie mehr vertrauen als den Anbietern, Werbung oder
es um eine neue Kommunikationsarchitektur, die nachhaltig Massenmedien. Wem würden Sie denn eher vertrauen: einem
und authentisch nur von innen nach außen aufgebaut werden Freund, der sich in einem Thema gut auskennt oder der Wer-
kann. Daher fokussiert metafinanz derzeit darauf, ihre Kunden bung des Anbieters? Klassische Kommunikation verpufft hier
im Hinblick auf den Aufbau interner auf Social Media basie- im Nichts – ein Indiz sind die gigantischen Werbebudgets
render Kommunikationsarchitekturen zu beraten, Prozesse gerade der FDL-Branche, denen nahezu lächerliche Unter-
zu definieren, geeignete Tools auszuwählen und Nutzungs- stützer in Sozialen Netzwerken gegenüberstehen. Das ist eine
richtlinien zur klaren Abgrenzung der Systeme untereinander glatte Fehlallokation unvorstellbaren Ausmaßes. Man muss
zu entwickeln. Darüber unterhielt sich diese Zeitschrift mit nicht fragen, was Social Media bringt, sondern was klassische
Prof. Dr. Klemens Skibicki auf der Kundenveranstaltung von Kommunikation bringt, wenn es die neuen Alternativen gibt.
metafinanz in München. Der Mitbegründer der Beratungs-
agentur Brain Injection zeigte sich dabei meinungsstark und Multikanal-Ansprache ist weder für Versiche-
kontrovers. rer noch für Banken etwas wirklich Neues, es
gibt auch Stimmen die sagen, Facebook und
Co. sind nur ein weiterer Kanal, der bedient
Das Web 2.0 verändert die Kommunikation werden mag. Wieso also die Lautsprecherei?
der Welt von Grund auf. Wie reagiert die Wer dies so betrachtet outet sich als jemand, der Social Media
deutsche FDL-Industrie darauf? nicht verstanden hat. Aufgrund der offenen API von Facebook,
Skibicki: Bisher reagieren sie meiner Meinung nach mit recht Twitter & Co ist das Web 2.0 eben kein „Multi-Irgendwas“,
blindem Aktionismus, da wird „Irgendetwas“ auf Facebook hier ist alles mit allem verknüpft. Aber selbst wenn „Kanal“
oder Twitter „gemacht“. Fragt man jedoch nach einer konkre- die Sache treffen würde, funktioniert dieser grundlegend
ten Strategie mit Zielen und Erfolgskennziffern, so merkt man anders als alle anderen, denn das ist keine „Sendemaschine“
leider schnell, dass die Bedeutung des Wandels vor allem in in der man Menschen bombardiert wie in klassischen Medien.
den Führungsetagen leider noch in keinster Weise begriffen ist Wenn man dies im Social Web macht, hören die einem einfach
– anders wären diese Alibi-Aktivitäten kaum zu erklären. Da nicht zu. Jemand redet dort wirklich nur mit ihnen oder hört
steht die FDL-Branche jedoch leider nicht alleine da. zu, wenn sie einen Mehrwert in seinen Augen bieten. Weil u.a.
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2. FDL dies aber nicht verstanden haben, wie es dort geht, haben einhämmern, was die Menschen zu denken haben. Wenn
sie enttäuschende Fanzahlen – ich meine echte, nicht durch Menschen in Sozialen Netzwerken, denen Sie mehr vertrauen
Gewinnspiele oder sonst einen Blödsinn gekaufte. als der Werbung, ein Produkt nicht empfehlen, wird es schwer.
Es wird ein Umdenken stattfinden, weg von Reichweite und
Werden sich die klassischen Kommunikati- Werbedruck hin zu echtem Überzeugen von Menschen, die
onsmodelle ändern und wenn ja, wie sehen dafür einstehen und ihren Bekannten empfehlen. Gerade bei
die nachkommenden aus ... Finanzprodukten spielt Vertrauen eine große Rolle – wem
Sie sind bereits geändert! Die klassischen Kommunikations- würden Sie vertrauen?
modelle hatten eine einseitige Sender-Empfänger-Struktur.
Unternehmen bezahlten die klassischen Massenmedien dafür, Sie greifen aus einer Forrester Research
dass sie sendeten. Ein Rückkanal war praktisch nicht vorhan- Untersuchung die Begrifflichkeit „Social
den, somit zählte Reichweite derer, die man mit gigantischen Commerce“ auf, ...
Streuverlusten „bombardiert“ hatte. Das Web 2.0 hat jeden Hatte ich oben schon erklärt: es geht nicht um E-Commerce
Internetnutzer zum Massenmedium gemacht – YouTube ist mit ein paar Kundenmeinungen, dies wird oft massiv falsch
mein eigener Fernsehkanal, mein Blog meine Zeitung, Twitter verstanden! Durch die Mobilität des Social Webs haben
mein Newsticker und in Facebook läuft dies alles zusammen. Menschen immer und überall Zugriffe auf Menschen denen
Jeder einzelne bestimmt, was er „senden“ möchte und was ihn sie mehr vertrauen als der Werbung. Dies bedeutet jegliche
erreicht, er kontrolliert völlig allein die Filter der Information Geschäftsprozesse werden sozialisiert oder anders gesagt:
und zwar über die Menschen, deren Kanäle er in den Sozialen Nur Menschen verkaufen und zwar durch ihre Empfehlungen
Medien folgt. Diese Hoheit werden sich die Menschen nicht oder Warnungen. Im Kleinen war dies immer schon so, aber
mehr nehmen lassen. Dies bedeutet für die klassischen Kanäle, früher hatte man nur in ganz wenigen Entscheidungen Zugriff
dass sie immer noch senden können, aber für die Bewertung auf solche Informationen, in Zukunft jedoch bei allen Ent-
dieser Information oder die Entscheidung, ob mich diese scheidungen. Wir hatten den Begriff schon 2007 in dem Buch
Information überhaupt erreicht, hat jeder einzelne Mensch „Verkaufsweg Social Commerce“ verwendet, aber dass die
heute die eigene Entscheidung. Entwicklung so schnell und so rasant kommt, hätten wir uns
damals nicht träumen lassen.
... mit welchen Auswirkungen auf die Finanz-
dienstleistungsindustrie? Sie propagieren das Ende der klassischen
Platt gesagt, die gigantischen Werbebudgets verpuffen zuneh- Werbung, aber benötigen Menschen, Konsu-
mend, man kann nicht mehr lügen oder lauter, schneller, öfter menten, Kunden nicht gerade jetzt in unüber-
Web 2.0?
„Bisher reagiert die FDL-Industrie mit blindem Aktionismus, da
wird „Irgendetwas“ auf Facebook oder Twitter „gemacht“.
Fragt man jedoch nach einer konkreten Strategie..., ... so merkt
man leider schnell, dass die Bedeutung des Wandels noch in
keinster Weise begriffen ist.“
Prof. Dr. Klemens Skibicki
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3. Strategie _Social Media
Sicherheit im Sozialen Netz?
„Vor allem die alten IT-Dinos horten alles im eigenen Unterneh-
men. Es führt nichts an der Cloud vorbei. Das Sicherheitsthema
ist wichtig und es muss gelöst werden.“
Prof. Dr. Klemens Skibicki
sichtlichen Zeiten strukturierte Markenkom- müssen erarbeitet werden. Dabei braucht man heute Strategi-
munikation. Gehen nicht viel zu viele gute sche Berater, die die Wertschöpfungskette analysieren, keine
Produktideen unter, weil sie unbemerkt sind. Online-Agenturen. Da das Thema nicht verstanden ist können
Greifen Social-Gurus wie Sie nicht allzu leicht zur Zeit Agenturen den Unternehmen unglaubliches andrehen
auf die allseits bekannten Erfolgsgeschich- – dies ist ein Fehler. Sie brauchen zuerst den Architekten, bevor
ten? sie den Bauarbeiter holen. Die klassischen Beratungsagenturen
Ganz klares Nein, das ist Wunschdenken der ehemals Mäch- hingegen sind noch überhaupt nicht in der Thematik angekom-
tigen Gatekeeper, die der dummen Masse erklären musste, men. Diese Lücke zwischen den großen Beratungen einerseits
was sie hören, sehen und glauben sollte. YouTube, Facebook und Agenturen andererseits können derzeit erst eine Handvoll
und Twitter funktionieren auch ohne Fernsehansager oder Leute schließen, dies merke ich jeden Tag in unserem Geschäft.
Moderatoren, die wie in den klassischen Medien die Masse Aber Berater und vor allem Agenturen können nur bedingt für
der Informationen vorselektieren musste. Dies war nötig, Social Media eingesetzt werden, schließlich geht es ja gerade
weil diese Kanäle eng waren und eine möglichst große Masse um authentische Direktkommunikation genau ohne solche
angesprochen werden sollte. Im Social Web findet sich jedoch Stellvertreter – wenn man das nicht begreift können im Unter-
jede Nische selbst und kann parallel existieren. Es fällt den nehmen keine Werte geschaffen werden. Leider ist dies erst
ehemals Mächtigen einfach schwer zu akzeptieren, dass Men- ganz wenigen Unternehmen klar.
schen offensichtlich in der Lage sind, selbst zu bestimmen,
was sie interessiert. Die Filter stellen dabei zunehmend die Sehen Sie dabei IT-Friktionen – Stichwort
eigenen Bekannten in den Sozialen Netzwerken dar, die über Sicherheit?
ihre Statusmeldungen die Bekannten darüber informieren, was Ja. Vor allem die alten IT-Dinos horten gerne alles im eigenen
sie interessant finden. Jeder dieser Empfänger kann selbst ent- Unternehmen. Es führt aber nichts an der Cloud vorbei. Das
scheiden, ob er lieber diesen von den Experten unter den eige- Sicherheitsthema ist wichtig und es muss gelöst werden. Letzt-
nen Bekannten gefilterten Informationen zuhört oder denen endlich ist dies aber genauso eine Ausrede, sich nicht einge-
der Werbespezies – wem würden Sie zuhören? hend mit der „Neuen Welt“ beschäftigen zu müssen wie es der
Datenschutz bei Social Networks ist. Letztendlich wird es bei
Raten Sie einem Kommunikationsverant- den Unternehmen aber genauso enden wie in der Politik: die
wortlichen: wie soll er die notwendigen Nutzer werden dies einfach entscheiden, egal, was die Unter-
Anpassungsprozesse initiieren? nehmen lieber hätten. Als unsere Verbraucherschutzministerin
Am Anfang muss vor allem die Top-Ebene abgeholt werden. jeden vor Facebook als Datenschutz-Übel warnte und im Juni
Die meisten Entscheidungsträger sind jenseits der 40 und damit 2010 austrat war die Hoffnung auf die Wende der Dinos auch
in einer Kommunikationswelt groß geworden, die das Social da. Was ist aber passiert? Die Zahl der deutschen Facebook-
Web schwer verstehen lässt. Erst wenn die Top-Ebene auf einen Nutzer stieg seitdem von 10 auf 20 Millionen. Ich nenne das
Denkstand gebracht wurde, kann das Thema als das strategi- Demokratie oder eine Politik, die so etwas von offensichtlich
sche Change-Thema eingeordnet werden, das es ist. Nochmal: an den Menschen vorbei geht, dass es nicht mehr klarer sein
es geht nicht darum eine Facebook-Strategie zu basteln, son- könnte. Unternehmen müssen heute genauso mehr denn je
dern darum die DNA des Unternehmens an die neuen Rahmen- aufpassen, dass sie nicht mehr an den Kunden vorbei agieren
bedingungen des Social Commerce Zeitalters anzupassen – es können. Das war zwar immer schon Marketing-Gequatsche,
gilt Werte zu schaffen, nicht mit ein paar Leuten im Web zu heute wird es aber Realität, weil die Menschen die Macht dazu
plappern. Anschließend muss eine profunde Analyse von Sta- haben. Die Daten gehören im Übrigen den Menschen, nicht
keholdern und der eigenen Social Media Readiness erfolgen. den Unternehmen – Firmen, die dies nicht achten, werden
Da wird meist gespart, deswegen kommt da bisher auch nix gerade durch das Social Web diese neue Kundenmacht bald
heraus. Vernünftige Ziele, Erfolgskennziffern, Roadmaps etc. zu spüren bekommen.
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