Chinesen, Franzosen und Deutsche "ticken" anders, und zwar jenseits von Linguistik und Co. Wer unterschiedliche kulturelle Prägungen in der Kommunikation proaktiv berücksichtigt, verbessert die Zielgruppenansprache.
Globales Branding funktioniert am besten, wenn es sich lokal anfühlt.
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am Ende gedacht. Dabei wird das ohne-
hin schon viel zu national konzipierte
Material oft einfach Wort für Wort über-
setzt. Wenig zielführend ist darüber hi-
naus die gängige Praxis, den zielsprach-
lichen Text durch Nicht-Muttersprachler
oder Muttersprachler ohne professionel-
le Textkompetenz bearbeiten zu lassen.
Unter dem Strich bleibt die zuneh-
mend zentral gesteuerte internationale
HR-Kommunikation nicht nur hinter ih-
ren Möglichkeiten, sondern auch hinter
den Notwendigkeiten zurück. Vielleicht
ist das auch ein Grund dafür, dass laut
einer KPMG-Studie nur gerade ein Vier-
tel der befragten 418 Führungskräfte den
Personalern für die Rekrutierung auslän-
discher Talente Top-Noten gibt – obschon
das Thema direkt nach der Mitarbeiter-
bindung höchste HR-Priorität genießt. Da
die meisten Defizite in professionellen
Übersetzungen subtiler Natur sind, blei-
ben sie unter der Auslöseschwelle von
Lektoren und Korrektoren. Trotzdem ha-
ben sie einen starken Einfluss auf den
Erfolg von Kommunikation.
Werfen mit BHs ist in China tabu
Nachvollziehbarerweise spricht kaum
ein Unternehmen gerne öffentlich über
suboptimale Kommunikation oder gar
kommunikative Pannen. Daher zeigen
wir hier ein Beispiel eines Kunden, der
Fehlkommunikation vorausschauend
vermieden hat: Evonik Industries. Das
Unternehmen beauftragte unsere Adap-
tionsagentur, Anzeigenkonzepte in den
Regionen Japan, China, USA, Brasilien
und im spanischsprachigen Südamerika
auf kulturelle Kompatibilität zu prüfen.
Unsere aus Lektoren, Textern und Adap-
tionsprofis zusammengesetzten Teams
setzten sich in den Regionen mit den
Anzeigenmotiven auseinander. Bei die-
ser Prüfung konnten wir Motive identi-
fizieren, die in der Zielregion werblich
nur schlecht funktioniert oder gar das
Firmenimage beschädigt hätten. Diese
wurden in einem nächsten Schritt teils
modifiziert, teils in der betreffenden
Region nicht geschaltet. Ein Beispiel: In
einem Motiv zeigte Evonik einen Chemi-
ker, der etwas verdutzt im Rampenlicht
steht und mit Blumen, Teddybären und
einem BH beworfen wird (siehe Abbil-
dung auf Seite 16). Die Headline lautete:
„Nicht jede Idee unserer Kunststoffspe-
zialisten ist gut. Viele sind auch sehr
gut.“ Die augenzwinkernde Überhö-
hung des Chemikers zum Rockstar kam
im Westen samt BH gut an. In China ent-
spräche das Bewerfen mit Unterwäsche
aber eher dem deutschen Ausbuhen.
Und das bedeutete „Licht aus!“ für die
Anzeige. In einem anderen Fall wurden
wir erst kurz vor dem Schaltungstermin
personalmagazin: Was müssen deutsche
Personalabteilungen bei Stellenanzeigen
im Ausland beachten?
Pier-Paolo Perrone: Zunächst einmal muss
der rechtliche Rahmen eingehalten wer-
den: Wer beispielsweise in der Türkei
für Deutschland rekrutieren möchte,
braucht eine Erlaubnis des türkischen
Konsulats. In Frankreich müssen Sie
Stellenanzeigen unter bestimmten Vor–
aussetzungen in der Landessprache ver-
öffentlichen und in Österreich müssen
Sie ein Gehalt angeben. Zudem gibt es
sprachliche Barrieren.
personalmagazin: Wie können Unterneh-
men diese sprachlichen Barrieren zum
einen erkennen, zum anderen aber auch
überwinden?
Perrone: Wir empfehlen, Anzeigen in der
Landessprache zu schalten. Das erfor-
dert einen guten Übersetzer. Und: Bei
der Ansprache müssen Unternehmen
die Tonalität des Landes treffen.
personalmagazin: Gibt es dazu ein Beispiel
aus ihrer Beratungspraxis?
Perrone: Einem Unternehmen aus dem
Ausland, das seine Marke als sehr hip
inszenierte, haben wir geraten, auf dem
deutschen Markt bei der Bewerberan-
sprache etwas konservativer aufzu-
treten. Hierzulande ist Zurückhaltung
gefordert.
„Stellenanzeigen sind neuralgisch“
interview
Das Jobportal Monster bietet multilinguale Anzeigenformate und berät Unternehmen
bei Auslandsrekrutierungen. Pier-Paolo Perrone erklärt, worauf deutsche Unternehmen
besonders achten müssen, wenn sie Stellenanzeigen im Ausland schalten wollen.
personalmagazin: Was sollten deutsche Fir-
men sonst noch berücksichtigen, wenn
sie Mitarbeiter aus dem Ausland nach
Deutschland holen wollen?
Perrone: Deutsche Firmen, die auslän-
dische Arbeitnehmer anwerben, sollten
sich vorbereiten, etwa mit Relocation-
Programmen. Die Anzeige sollte wider-
spiegeln, dass die Familie des Bewerbers
mitkommen kann und die Firma beim
Umzug hilft. Das macht es attraktiver,
das Land zu wechseln. Stellenanzeigen
sind nur vermeintlich ein kleiner Punkt
in der Rekrutierung – in Wahrheit sind
sie neuralgisch.
Pier-Paolo Per-
rone ist Regional
International Manager
DACH (Deutsch-
land, Österreich und
Schweiz) beim Jobpor-
tal Monster.
Das Interview führte Andrea Kraß.
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Detailtiefe unserer Kommunikation
erstaunt.
Unternehmenspersönlichkeit muss
in die Kommunikation einfließen
Wichtig ist es auch, Determinanten
wie Unternehmenspersönlichkeit,
Markt- und Produktpositionierung
zu beachten. Diese sind keinesfalls
so global wie häufig angenommen:
Die Vorstellungen, die ein Deutscher
mit seinem Unternehmen verknüpft,
sind nicht unbedingt deckungs-
gleich mit denen eines Chinesen
oder Inders desselben Unterneh-
mens. Hier muss unter Umständen
weiter ausgeholt werden, um einen
lokal geringeren Bekanntheitsgrad
oder weniger klare Vorstellungen
von Unternehmenskultur, Image,
Standort und Umfeld auszugleichen.
Solche Informationen sollten je nach
Sachlage in die Adaption eingebun-
den werden.
Der Königsweg ist es, bei der Er-
arbeitung international tragfähiger
Konzepte und Kampagnen frühzeitig
kulturelle Aspekte zu berücksichti-
gen, Zielgruppen- und Zielmarkt-
forschung einzubringen, das lokale
Werbeumfeld und die Kommunikati-
on von Mitwettbewerbern zu sichten
(nicht jede kreative Idee ist überall
gleich frisch), die kulturspezifischen
Dos and Don’ts zu definieren und
schlussendlich das Textmaterial
kompetent zu adaptieren.
Eine solche kulturspezifische
Adaption von Kommunikationsmit-
teln ist natürlich primär Mittel zum
Zweck. Sie setzt aber auch ein sicht-
bares Signal, dass das Unternehmen
die umworbenen Fachkräfte, ihre
Lebensbedingungen und die da-
raus resultierenden Anforderungen
kennt, versteht und respektiert. Und
es ernst meint mit der viel apostro-
phierten Diversität.
Mike Münch ist Managing Partner
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Sinn einer Adaption ist nicht eine möglichst nahe Übersetzung, sondern ein identi-
fikationsstiftender Text in der Zielsprache. Was Sie dabei beachten sollten.
• Selektieren Sie die populären Kommunikationskanäle im lokalen Markt. Das setzt
voraus, dass Sie die im Zielmarkt angesagten Trends kennen.
• Wählen Sie Ihren Adaptionsexperten kritisch aus. Muttersprachlichkeit und ein
Übersetzerdiplom reichen als Qualifikation nicht aus. Achten Sie auch auf Referen-
zen, Erfahrungen als Texter – und lassen Sie sich Textproben vorlegen.
• Binden Sie den Adaptionsexperten möglichst früh in die Kommunikation ein.
• Achten Sie darauf, die Arbeitgebermarke nicht zu beschädigen. Verstoßen Sie des-
halb nie gegen die religiösen Befindlichkeiten der Zielmärkte, deren Political Cor-
rectness oder Wertesysteme. Sie können vorbeugen, indem Sie die Textansprache
kulturell anpassen. Sie sollten außerdem Symbole, Farben und Bilder vermeiden,
die bei anders sozialisierten Kandidaten negativ belegt oder tabu sind.
• Berücksichtigen Sie die verschobene Marktposition und Wahrnehmung des Unter-
nehmens im Ausland in Ihrer Kommunikation.
• Stellen Sie Ihrem Adaptionsexperten ein volles Texterbriefing einschließlich
Bildwelten bereit, damit dieser unternehmensspezifische Bezüge aufgreifen und
Text-/Bildbezüge herstellen kann.
• Formulieren Sie Änderungswünsche und Korrekturen möglichst in Form von Kom-
mentaren, nicht in Gegenentwürfen, um eine geschlossene Tonalität zu sichern.
• Sorgen Sie dafür, dass die Adaption mehrere Redaktionsstufen durchläuft – vor
allem, wenn das Material ohne Abstimmung mit den Märkten veröffentlicht wird.
Texte erfolgreich adaptieren
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