Keynote von Mike S. Schäfer zur Schweizer Nationalen Konferenz für Wissenschaftskommunikation ScienceComm14, veranstaltet von Science et Cite, 18.9.2014, Beromünster
Schaefer framing theory and methods overview and open questions
Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation
1. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Herausforderungen für die
Wissenschaftskommunikation
Mike S. Schäfer
m.schaefer@ipmz.uzh.ch, Twitter: @mss7676
www.ipmz.uzh.ch/Abteilungen/Wissenschaftskommunikation.html
17.09.2014 Seite 1
2. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
1. Wissenschaftskommunikation ist wichtig!
3. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Fragen …
4. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Fragen, Fragen …
5. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Fragen, Fragen, Fragen …
6. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Fragen, Fragen, Fragen , Fragen …
7. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Fragen, Fragen, Fragen , Fragen , Fragen …
8. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
… und Antworten
9. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
… die kommuniziert werden müssen!
„Ineffective communication can be costly to
science as well as to society”
Baruch Fischhoff & Dietram Scheufele 2013:
The Science of Science Communication, PNAS. S. 14031
10. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
2. Wissenschaftskommunikation wandelt sich!
11. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Das Modell der Popularisierung
12. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Das Modell der Popularisierung
Vermittler bzw. Übersetzer
13. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Wissenschaft im Wandel
big science, steigende
Komplexität, höhere
Kosten
schnellere bench-bedside
transition, drängende
ELSI-Fragen noch ohne
Antworten
14. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Wissenschaft im Wandel
Heffernan, 2010
big science, steigende
Komplexität, höhere
Kosten
schnellere bench-bedside
transition, drängende
ELSI-Fragen noch ohne
Antworten
15. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Wissenschaft im Wandel
big science, steigende
Komplexität, höhere
Kosten
schnellere bench-bedside
transition, drängende
ELSI-Fragen noch ohne
Antworten
20 Minuten, 6.2.14
16. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Wissenschaft im Wandel
big science, steigende
Komplexität, höhere
Kosten
schnellere bench-bedside
transition, drängende
ELSI-Fragen noch ohne
Antworten
17. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Wissenschaft im Wandel
big science, steigende
Komplexität, höhere
Kosten
schnellere bench-bedside
transition, drängende
ELSI-Fragen noch ohne
Antworten
18. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Publikum im Wandel
gebildeter,
kenntnisreicher,
kritischer
differenzierter und
fragmentierter
19. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Publikum im Wandel
gebildeter,
kenntnisreicher,
kritischer
differenzierter und
fragmentierter
20. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Publikum im Wandel
gebildeter,
kenntnisreicher,
kritischer
differenzierter und
fragmentierter
21. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Publikum im Wandel
gebildeter,
kenntnisreicher,
kritischer
differenzierter und
fragmentierter
22. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Kommunikation im Wandel
Vermittler bzw. Übersetzer
Medienkrise und Krise des
Wissenschaftsjournalismus
Professionalisierung und
Erweiterung von PR
Digitalisierung und
Social Media-„Revolution“
Edito 4/2014: 15
23. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Kommunikation im Wandel
Vermittler bzw. Übersetzer
Medienkrise und Krise des
Wissenschaftsjournalismus
Professionalisierung und
Erweiterung von PR
Digitalisierung und
Social Media-„Revolution“ Russ-Mohl (2012)
24. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Kommunikation im Wandel
Vermittler bzw. Übersetzer
Medienkrise und Krise des
Wissenschaftsjournalismus
Professionalisierung und
Erweiterung von PR
Digitalisierung und
Social Media-„Revolution“
25. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Kommunikation im Wandel
Vermittler bzw. Übersetzer
Medienkrise und Krise des
Wissenschaftsjournalismus
Professionalisierung und
Erweiterung von PR
Digitalisierung und
Social Media-„Revolution“
26. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Kommunikation im Wandel
Vermittler bzw. Übersetzer
Medienkrise und Krise des
Wissenschaftsjournalismus
Professionalisierung und
Erweiterung von PR
Digitalisierung und
Social Media-„Revolution“
27. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Kommunikation im Wandel
Vermittler bzw. Übersetzer
Medienkrise und Krise des
Wissenschaftsjournalismus
Professionalisierung und
Erweiterung von PR
Digitalisierung und
Social Media-„Revolution“
„from a logic of journalism towards a logic of corporate
communication[,] from media-led activities towards a
source-driven reportage of science“
Martin W. Bauer & Jane Gregory 2007:
From journalism to corporate communication in post-war Britain.
In Bauer & Bucchi: Science, Journalism and Society. S. 33.
28. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Kommunikation im Wandel
Vermittler bzw. Übersetzer
Medienkrise und Krise des
Wissenschaftsjournalismus
Professionalisierung und
Erweiterung von PR
Digitalisierung und
Social Media-„Revolution“
„from a logic of journalism towards a logic of corporate
communication[,] from media-led activities towards a
source-driven reportage of science“
Martin W. Bauer & Jane Gregory 2007:
From journalism to corporate communication in post-war Britain.
In Bauer & Bucchi: Science, Journalism and Society. S. 33.
29. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Kommunikation im Wandel
Vermittler bzw. Übersetzer
Medienkrise und Krise des
Wissenschaftsjournalismus
Professionalisierung und
Erweiterung von PR
Digitalisierung und
Social Media-„Revolution“
„from a logic of journalism towards a logic of corporate
communication[,] from media-led activities towards a
source-driven reportage of science“
Martin W. Bauer & Jane Gregory 2007:
From journalism to corporate communication in post-war Britain.
In Bauer & Bucchi: Science, Journalism and Society. S. 33.
30. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Kommunikation im Wandel
Vermittler bzw. Übersetzer
Medienkrise und Krise des
Wissenschaftsjournalismus
Professionalisierung und
Erweiterung von PR
Digitalisierung und
Social Media-„Revolution“
„from a logic of journalism towards a logic of corporate
communication[,] from media-led activities towards a
source-driven reportage of science“
Martin W. Bauer & Jane Gregory 2007:
From journalism to corporate communication in post-war Britain.
In Bauer & Bucchi: Science, Journalism and Society. S. 33.
31. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
3. Daraus resultieren Herausforderungen …
32. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Man kann nicht (mehr) nicht kommunizieren!
33. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Man kann nicht (mehr) nicht kommunizieren!
34. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Man kann nicht (mehr) nicht kommunizieren!
35. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Orientierung ist nötiger denn je!
36. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Orientierung ist nötiger denn je!
37. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Orientierung ist nötiger denn je!
38. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Orientierung ist nötiger denn je!
39. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Orientierung ist nötiger denn je!
40. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Know How und Erfolg brauchen Training und Zeit!
41. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Know How und Erfolg brauchen Training und Zeit!
42. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Know How und Erfolg brauchen Training und Zeit!
43. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Know How und Erfolg brauchen Training und Zeit!
44. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Das Publikum erreichen – ist schwer!
45. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Das Publikum erreichen – ist schwer!
46. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Das Publikum erreichen – ist schwer!
47. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Prüfen wir unsere normativen Grundlagen!
48. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Prüfen wir unsere normativen Grundlagen!
49. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Prüfen wir unsere normativen Grundlagen!
50. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Prüfen wir unsere normativen Grundlagen!
„Is the appropriate role of science
communication to persuade an audience
to accept views about science or
to clarify understanding and engage a
wider public in a more vigorous debate?”
National Academy of the Sciences 2014:
The Science of Science Communication II. S. 61.
51. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation
52. IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung
Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation
Mike S. Schäfer
m.schaefer@ipmz.uzh.ch, Twitter: @mss7676
www.ipmz.uzh.ch/Abteilungen/Wissenschaftskommunikation.html
Hinweis der Redaktion
Warum reden wir eigentlich über Wissenschaftskommunikation?
Wir reden darüber – und sollten das tun - weil wir Alle von klein auf und zeitlebens Aufgaben bewältigen, Probleme lösen und Fragen beantworten müssen– kleinere und grössere.
Junge Eltern müssen sich beispielsweise entscheiden, ob und ab wann sie ihre Kinder in eine Krippe geben wollen,
Erkrankte müssen sich überlegen, ob sie die Risiken einer Operation auf sich nehmen wollen,
Reisende stehen vor der Entscheidung, ob sie vor ihrem Tropen-Urlaub die Malaria-Prophylaxe wirklich benötigen,
Unternehmen müssen entscheiden, ob sie Investments in französische Staatsanleihen tätigen wollen, und
politische Entscheider müssen abwägen, was der beste Weg zur Gewinnung erneuerbarer Energien ist.
All das sind wichtige Fragen mit unterschiedlichen Antworten, deren Vor- und Nachteile abzuwägen sind. Und für sie alle steht wissenschaftliches Wissen zur Verfügung, das beim Abwägen herangezogen werden kann.
Und wissenschaftliches Wissen ist nicht nur schön anzusehen und geordnet – wie sie auf diesem Bild aus dem Trinity College in Dublin sehen.
Es hat auch eine Reihe von weiteren – und sicherlich wichtigeren - Vorteilen:
es ist systematisch produziert
methodisch kontrolliert
und intersubjektiv nachvollziehbar gewonnen
- und damit vergleichsweise verlässlich.
Natürlich ist es nicht immer richtig - und selbst in Fällen, wo sich wissenschaftliches Wissen als „richtig“ erweist, ist es oftmals „work in progress“, kommt es mit Unsicherheiten, spezifischen Geltungsbereichen und Wahrscheinlichkeitsmaßen daher.
Aber dennoch produziert Wissenschaft das beste Wissen, das uns individuell, institutionell und gesellschaftlich als Entscheidungsgrundlage zur Verfügung steht – und es wäre unverantwortlich, dieses Wissen nicht in unsere Abwägungen mit einzubeziehen.
Allerdings ist wissenschaftliches Wissen für Andere nicht einfach zu verstehen – das können wissenschaftliche Laien sein, gilt aber nicht selten sogar für die Forscherkolleginnen und -kollegen aus der Nachbardisziplin oder vielleicht sogar aus dem Nachbarbüro.
Entsprechend wichtig ist Wissenschaftskommunikation.
Misslingt Wissenschaftskommunikation, dann fehlt der Gesellschaft eine zentrale Wissensressource.
Und misslingende Wissenschaftskommunikation ist auch problematisch für die Wissenschaft selbst: Sie riskiert den Verlust ihrer gesellschaftlichen Legitimation.
Wir brauchen also Wissenschaftskommunikation – aber wie sieht diese heute aus?
Lange hat man sich das so vorgestellt: als Modell der Popularisierung von Wissenschaft
Entstanden Mitte der 1980er in Grossbritannien. Dort förderte ein Bericht der Royal Society zu Tage, dass die britische Bevölkerung wenig über Wissenschaft wisse, sich auch nicht sonderlich für selbige interessiere und sie obendrein für wenig unterstützenswert halte
Das war ein Problem, und die Wirkungsvermutung war eine einfache: Man nahm an, dass das mangelnde Wissen der Bevölkerung über Wissenschaft kausal mit deren Akzeptanzdefizit zusammenhänge – das „deficit model“ der Wissenschaftskommunikation war geboren, aus dem man ableitete, dass eine Verbesserung der „scientific literacy“ auch für mehr Akzeptanz sorgen müsse.
In der Folge wurde in Grossbritannien, bald darauf aber auch in anderen Ländern Programme zur Vermittlung und Popularisierung von Wissenschaft aufgelegt. Diese zielten teilweise auf eine Förderung nicht-medialer Formen der Wissenschaftskommunikation, von denen viele bis heute betrieben werden: Tage der offenen Tür in wissenschaftlichen Einrichtungen, Kinder-Universitäten usw.
Als zentrale Instanz für die Steigerung wissenschaftlichen Wissens wurden aber die Massenmedien – also Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen – ausgemacht. Diese schienen besonders geeignet, um Wissen effizient an ein großes Publikum zu vermitteln. Diese Vermittlung stellte man sich recht simpel vor, als Transport von Informationen oder allenfalls vereinfachende Übersetzung.
Einerseits ist dieses Modell in sich vielfach kritisiert worden und hat klare Limitierungen: Bspw. ist heute klar, dass Wissensgewinn beileibe nicht bei allen Menschen zu einem Zuwachs an Akzeptanz führt.
Andererseits hat sich die Landschaft der Wissenschaftskommunikation aber auch verändert, neu konfiguriert – und zwar in allen hier abgebildeten Facetten: Wissenschaft, Kommunikationskanäle und auch das Publikum.
Hat sich die Wissenschaft verändert
ressourcenintensivere big science - wie das Bild des Large Hadron Collider am CERN veranschaulicht
Dazu gibt es eine Reihe eindrucksvoller Indikatoren:
Wissenschaftsforscher de Solla Price beschrieb schon in 1960ern, wie Zahl der Wissenschaftler, der Journals, des Outputs exponenziell steigt
mehr gemeinsame Projekte
und mehr Co-Autorenschaften (Bsp. Genom-Autoren)
mehr kollaborative und mehr internationale Forschung
Mehr interdisziplinäre Forschung
Damit zusammenhängend auch eine steigende wiss. Komplexität – über viele Fragen hat man bereits so viel Wissen angesammelt, dass man sie nicht mehr aus nur einer engen disziplinären Perspektive beantworten kann
Illustration: Klimamodelle des britischen Hadley-Centers aus Nature
Und die Kosten steigen: für wissenschaftliche Innovation werden zunehmend mehr Investititionen nötig -- neuer CERN-Ring
schnellere bench-bedside transition
Schnellere Übersetzung von Ergebnissen in Anwendungen, auch wirtschaftlich getrieben
Teils zu einem Zeitpunkt, an dem ELSI-Fragen noch offen sind: ethische, rechtliche und soziale Fragen noch unklar
Denken Sie an die Stammzellforschung – man redet über Anwendungen, ohne viele dieser ELSI-Implikationen bereits genauer abschätzen zu können
Anders ausgedrückt, mit den Worten des WissPhilosophen Jerome Ravetz:
Immer mehr Bereiche der Wissenschaft sind „postnormal science“ – in denen Fakten noch nicht gesichert, zugrunde liegende Werte umstritten, die Einsätze hoch und Entscheidungen dringlich sind
Auch das Publikum hat sich verändert
Es ist gebildeter geworden – wie man an der Expansion formaler Bildung sieht, die man bspw. an den Maturitätsquoten in der CH zeigen kann
Es hat aber auch einen anderen Zugang zu Wissenschaft als früher: geschult an kritischen Debatten der letzten Jahrzehnte
Grenzen des Wachstums, Atomkraft, Waldsterben, GMOs, genetische Tests, Klimawandel
Ergebnis: weniger unhinterfragtes Urvertrauen in Wissenschaft
Allgemeine Differenzierung:
Weniger klare sozialstrukturelle Lagen und dadurch determinierte Werte und Verhaltensweisen
Herausbildung von differenzierten Milieus und Lebensstilen
Aber auch bezogen auf Wissenschaft sehr unterschiedliche Haltungen
Fragmentierter im Interesse
fragmentierter in den Einstellungen
Exemplarisch: Global Warmings Six Americas
Und die Wege der Vermittlung ändern sich!
Klassische Massenmedien – der Nachrichtenjournalismus - unter Druck:
lt. Branchenmagazin EDITO „zunehmende Konzentration bei den Besitzverhältnissen, Stellenabbau in den Redaktionen, Qualitätsverlust, gefährdete Versorgung in bestimmten Regionen“ (04/2014: 6)
Umsätze, Gewinne und Reichweiten schrumpfen allenhalben
Debatte um EMEK-Empfehlungen
Krise betrifft WissJourn besonders:
In den breitenwirksamen Medien:
war immer „das verspätete Ressort“, keines der Kernressorts
Und gerät jetzt als eines der ersten unter Druck
bei der „Basler Zeitung“ etwa eingestampft
Betrifft auch die Fachpresse:
Auflagen von Wissenschaftsmagazinen wie PM, Bild der Wissenschaft usw. sinken allenthalben
Zugleich Professionalisierung von PR-Infrastrukturen
Ausbau und Professionalisierung institutioneller PR allenthalben
Oben sehen sie, wie der PR-Output des MPI-M in Hamburg in den letzten 12 Jahren gestiegen ist – und das sieht bei anderen Institutionen ähnlich aus
Was man vielleicht gut finden mag im Fall wissenschaftlicher Institutionen
wobei man auch darüber streiten kann, wie Michael Furger-Artikel zeigt
aber problematischer im Fall von partikular interessierten Stakeholdern wie Unternehmen oder bestimmten politischen Institutionen
Mehrere AutorInnen sehen hier eine Verschiebung des Kräfteverhältnisses zwischen Wissenschafts-Journalismus und Wissenschafts-PR zugunsten letzerer
Und nicht zuletzt und verwoben damit spielt die Digitalisierung von Kommunikation eine zentrale Rolle:
Online können sie prinzipiell eine fast unbegrenze Menge an Informationen über enorme Zahl von Themen, die ohne grossen Aufwand dauerhaft genutzt werden kann
Online-Quellen werden zunehmend als Quelle für Wissenschaft genutzt und sind in den USA schon wichtiger als alle anderen Einzelmedien
Bieten neue Möglichkeiten in Interaktivität und Multimodalität
Und lassen Kommunikation jenseits der oft kritisierten Massenmedien zu – gerade über Soziale Medien, die viele Wissenschaftler ja auch nutzen
Und für dieses Art der Kommunikation bieten sich viele Changen – Matthew Nisbet spricht vom „golden age of popularization“ – die von teils hervorragenden Angebote genutzt werden
Die Seite KlimafolgenOnline des PIK, auf der man selbst Klimamodelle konfigurieren und simulieren kann
Das Online-Tagebuch des Molekularbiologen Florian Kohn über seine Teilnahme an einer Weltraummission und seine Experimente dort – mit wissenschaftlicher Substanz, viel persönlichem Flair und: vielen Nutzern
Oder der Datenblog des Tagesanzeigers, der big data-Analysen und v.a. –Visualisierungen dafür nutzt, drängende Fragen verständlich zu beantworten
Aber Online-Kommunikation hat natürlich auch ihre Fallstricke - und damit sind wir bei den Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation
Man kann nicht nicht kommunizieren
Watzlawicks Motto ist ein alter Hut
Aber er gewinnt Online noch einmal an Bedeutung
Denn auch wenn Sie sich Twitter, Facebook, LinkedIn, ResearchGate usw. entziehen:
suchen Sie einmal online nach Ihrer Institution, Ihrer Forschung oder Ihrem Namen und Sie werden sehen:
Jede Wissenschaft, jede Institution, jeder Wissenschaftler hat ohnehin schon eine Online-Präsenz
Und wenn Sie sowieso eine solche Präsenz haben, dann könnten Sie sie genauso gut pflegen!
So wie viele Institutionen das vermehrt und immer professionalisierter tun – hier meine, die UZH
Man sollte auch kommunizieren, denn Orientierung ist notwendiger denn je!
Es gibt eine Informationsflut, eine
„Vervielfältigung der Vermittlungsmedien und Orte[,] an denen Wissenschaft und Öffentlichkeit einander begegnen: Noch nie zuvor wurde eine solche Fülle an Bildern von Wissenschaft transportiert, noch nie zuvor schienen die Zugangsmöglichkeiten zu wissenschaftlichen Erkenntnissen so groß“Ulrike Felt u.a. 1995: Wissenschaftsforschung. Frankfurt: Campus. S. 244
Direkterer Zugang zu Wissenschaft selbst möglich
arXiv
PubMed Central
SSOAR
Hinzu jede Menge Web-Angebote, die Wissenschaftlern zur Verfügung stehen
Um Paper und Präsentationen zu teilen
Oder auch um ihre Forschung selbst für ein grösseres Publikum darzustellen
Und die auch intensiv genutzt werden
Beispiel: unsere Analyse der Twitter-Kommunikation über den Klimawandel mit mehr als einer halben Million Tweets innerhalb 1 Monats
und natürlich gibt es im Netz: Pseudo-Wissenschaft und Wissenschafts-Skeptiker, die wissenschaftlich abweichenden Meinungen vertreten
Es gibt also eine Informationsflut mit vielen Quellen, die für Laien schwer einzuschätzen sind – und zugleich weniger guten Wissenschaftsjournalismus
Ergebnis: Orientierung ist nötiger denn je!
Aber wenn man kommuniziert, muss man wissen wie - und dafür Kosten und Zeit investieren
Es gibt zwar einfache, leicht zugängliche Varianten der WissKomm wie Twitter
Aber selbst dort muss man kontinuierlich dran bleiben
Und selbst dort ist Zeitmangel eine Hürde – s. Nature Survey
anspruchsvolle Nutzung von Medien und sozialen Medien braucht dann ohnehin Know How und Übung
Etwa wenn man
Interaktive Möglichkeiten optimal ausnutzen will
visualisieren will (wie in diesem Tornadomodell),
Filme produzieren will o.ä.
Was man aber deutlich machen muss, ist: das kann sich auch für die Wissenschaft auszahlen
mehr Zitationen und vielleicht sogar entsprechende Reputation in der Wissenschaft
Sichtbarkeit bei potenziellen Geldgebern
Input aus der Gesellschaft,
Publikum erreichen
Es ist recht leicht, Interessierte zu erreichen – und für diese bricht in der Tat ein goldenes Zeitalter an
Aber es ist sehr schwer, mit online-Kommunikation Personen zu erreichen, die sich nicht sowieso schon für das Thema interessieren. Das sollte man im Blick behalten und auch berücksichtigen, wenn die eigenen Page Hits, Klicks, Follower, Likes oder Retweets zählt.
An wissenschaftlichen Themen im engeren Sinne interessiert sind aber nicht viele Menschen – das wissen wir aus Surveys.
Und nicht-Interessierte können wissenschaftliche Themen – denen sie in traditionellen Massenmedien wenigstens am Rande noch begegnen könnten – online einfach gänzlich vermeiden (Bubela et al. 2009, S. 514, 517).
Formen algorithmischer Selektion, bei denen Online-Medien auf Basis vergangener Nutzerpräferenzen nur noch Inhalte offerieren, die den Nutzer-Interessen entsprechen, können dies noch verstärken (Scheufele und Nisbet 2012).
Google schlägt ihnen Such-Begriffe vor.
Facebook empfiehlt Seiten, die Ihre Freunde auch mögen.
Und Twitter highlighted diejenigen Tweets, von denen es glaubt, sie passten am besten zu ihnen.
Selbst wenn man dies für unproblematisch hält, solange es um die Vermittlung lebensweltferneren wissenschaftlichen Wissens geht, so wird es brisanter, sobald es um kontroverse Wissenschaftsthemen geht: Bei Themen wie der Evolutionstheorie, Klimawandel oder auch der Wirksamkeit bestimmter Therapien oder Medikamente wäre denkbar, dass Online-Umgebungen Einzelner zu Echo Chambers (Sunstein 2001, 2009) werden, in denen Informationen, die der eigenen Sichtweise entgegen laufen, nicht mehr aufscheinen (Brossard und Scheufele 2013, S. 41).
Die Welt denkt blau, grün, orange, rot und gelb über das Thema Impfen
Aber ihre Online-Medien zeigen Ihnen nur noch blaue Meinungen
Führen kann dies zu einer wachsenden Zugangs-, Nutzungs- und Wissenskluft zwischen Wissenschaftsinteressierten und Nicht-Interessierten.
Es bedarf einer neuerlichen und anhaltenden Reflexion über die wünschenswerten Ziele und angemessenen Mittel von Wissenschaftskommunikation.
Darauf deuten eine Reihe von Wortmeldungen der letzten Jahre hin:
Der Physiker Hans von Storch und der Ethnologe Werner Krauss weisen in ihrem Buch „Die Klimafalle“ darauf hin, dass die alarmistische Kommunikation einiger prominenter Klimaforscher mittelfristig die Glaubwürdigkeit der Disziplin verspiele. Auch der Politikwissenschaftler Roger Pielke, der Kommunikationswissenschaftler Hans Peter Peters oder AAAS-Präsident Alan Leshner betonen die mittel- und langfristigen Fallstricke kurzfristig erfolgreicher Kommunikationsstrategien.
Umgekehrt zeigen Matthew Nisbet und Chris Mooney, dass sich wissenschaftliche Themen auch in polarisierten Debatten erfolgreich kommunizieren lassen. Man kann Menschen auf die entsprechenden Themen besser aufmerksam machen und ihnen Handlungsnotwendigkeiten aufzeigen, wenn man diese Themen strategisch rahmt.
Wenn man also Aspekte gezielt in den Vordergrund stellt, von denen man weiss, dass sie verfangen
Die Frage ist: soll man das tun?
Hier stehen sich dezisionistische und konsequenzialistische Positionen gegenüber:
Sollen sich Wissenschaftler auf das Feld ihrer Expertise zurück ziehen und zu diesem Feld im Wesentlichen sachliche Informationen zur Verfügung stellen, unabhängig davon, wer diese anschließend in welcher Form verwendet?
Oder heiligt der Zweck die Mittel, sind auch Zuspitzungen legitim, wenn man Menschen damit die Dringlichkeit von Themen so deutlich machen kann, wie man es selbst empfindet?
Darüber ist eine Verständigung vonnöten, die mit einem Sonderheft der Zeitschrift „Science Communication“ und der Thematisierung ethischer Fragen auf dem Sackler Colloquium zur „Science of Science Communication“ in den USA begonnen hat.
Aber längst nicht abgeschlossen ist
Es gibt also eine Reihe von Herausforderungen, die anzugehen sind – die man, die wir angehen müssen.
Ich freue mich darauf, dass wir in den nächsten 2 Tagen eine Reihe von Projekten sehen werden, die eine oder mehrere dieser Herausforderungen angehen.
Ich bin sehr gespannt darauf, danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen ein erfolgreiche ScienceComm14!