Mit den Beiträgen im ‚no goldfish‘ Marketingblog begleiten wir unsere Leser regelmäßig auf der Reise durch die Marketingwelt. Wir erforschen alte und neue Welten, entdecken Ungeheuer, spannen den Bogen zwischen Theorie und Praxis und stellen komplexe Sachverhalte verständlich dar. Es darf gestaunt, geschrien, gegrübelt und gelächelt werden.
In unserem Marketingliteraturexperiment auf Slideshare möchten wir Worte mit Bildern anreichern und das Ganze taschenfreundlich verpacken.
Der Artikel "Schattengewächse in Schubladen" gehört der Kategorie "Alltagsgeschichten" an und befasst sich mit dem Thema "Marketingalltag in großen Unternehmen".
no goldfish Artikel: Schattengewächse in Schubladen
1. no gold!sh | Literatur zum Thema Marketing
Ein Blogartikel bricht aus:
SCHATTENGEWÄCHSE IN
SCHUBLADEN
Kategorie:
Alltagsgeschichten
Thema:
Marketingalltag in großen Unternehmen
3. Endlich geschafft: Der erste Tag in Ihrem neuen Marketingjob. Die Bahn kommt zum
Stehen. Alle Passagiere steigen aus, bis auf einen schlafenden Studenten, an dessen
unzeitgemäßen Bücherberg alle aus Ihrem Abteil vorbei müssen. Auf dem Gleis tanzt
eine Frau in einem bunten Trainingsanzug und summt dabei vor sich hin. Die
Menschenmasse, in der Sie drohen unterzugehen, bewegt sich in eine Richtung. Der
Fußweg zu dem modernen Gebäude in bester Randlage beträgt kaum zehn Minuten.
Ein internationales Unternehmen, tausende von Mitarbeitern, mehrere Geschäfts-sparten,
die Website in zig Sprachen verfügbar. Gut, sie hatte beim Durchklicken
etwas verwirrend gewirkt. Aber ist das nicht normal bei komplexen Strukturen?
Der erste Tag vergeht und auch das Intranet gibt nur Rätsel auf. Und im Verlaufe der
ersten Woche stellt sich heraus: Die fünfköp!ge Marketingabteilung, in der Sie
angefangen haben, ist nicht das, was sie während Ihres Vorstellungsgesprächs
schien. Die Mitglieder: Ein fauler Auszubildender, dessen Dasein ganz eindeutig
einem höheren, noch nicht de!nierten, Zweck dient. Ein Controller und ein Personaler,
die seit einem Jahr geparkt werden, bis bessere Zeiten kommen. Eine introvertierte
Marktforscherin, die lieber Archäologin geworden wäre. Eine ältere Dame, die an
Sophia aus „Golden Girls” erinnert, leider nur äußerlich. Einen Marketingplan hat
man hier noch nie gemacht, der erste und einzige Versuch liegt auf dem Stapel der
toten Ideen. Die Abteilung reagiert spontan auf die gewinnbringenden Anfragen der
Fachabteilungen. Kundenwünsche? Ein Fremdwort.
Sie schauen aus einem Fenster, das man nicht aufmachen kann. Sie wundern sich
nicht mehr über den Sinn und Unsinn von zentralen Steuerungssystemen. Statt-dessen
fragen Sie sich wie man Sie nur so täuschen konnte. Eine denkbare Möglich-keit:
Sie sind der Magie des Großunternehmens verfallen.
Täglich staunen Mitarbeiter in auserwählten Unternehmen: Millionen von Umsatz?
Wie schaffen die das? Ich sehe doch, dass das nicht sein kann. Und doch. Jenseits des
Glamours der Bestenliste gibt es eine Parallelwelt. Ein Großunternehmen kann wie
ein Dschungel sein. Spannend aus der Ferne, furchterregend wenn man von Brüll-affen
umzingelt wird, oder ein Skorpion leise sein Gift injiziert.
Typische Bedrohungen sind nicht immer auf den ersten Blick erkennbar und oft nicht
so schlimm wie sie scheinen.
4. Interne Marketingde!nition
Nur weil ein Unternehmen eine gewisse Größe erreicht hat, heißt das nicht, dass es
weiß, welches Potential in einem fortschrittlichen Marketingansatz steckt. In manchen
Unternehmen gilt:
„Marketing ist eine Geheimwissenschaft, die sich damit beschäftigt, wie man Leute
dazu bringt, Dinge zu wollen, die sie nicht benötigen. Auf der Ewigenliste der zehn
schlimmsten Übel der Menschheit rangiert Marketing auf dem zweiten Platz.“*
Es verkauft sich von selbst
Marketing bedeutet ein notwendiges Übel, das auf Fragmente seiner selbst reduziert
wird. Und tatsächlich verkaufen sich bestimmte Dinge von selbst, so lange der Kunde
keine Alternative sieht. Dass die Produkte des Unternehmens sich besser verkaufen
könnten, interessiert nicht. Verdrängung durch Konkurrenz scheint unmöglich. Kosten
sparen heißt die Devise, keinesfalls Investition. Wo käme man denn da hin? Na,
vielleicht in eine andere Liga. Manche sind aber durchaus zufrieden, in der untersten
Liga zu spielen. Und daran ist nichts falsch. Nur ist das vielleicht der falsche Ort für
den Marketer.
Die Desintegrationsfalle
Wenn Unternehmen wachsen, ernennt man für die immer größer werdenden Be-reiche
Anführer. Diese bauen Strukturen auf, etablieren ihr Reich und sich selbst.
Jahre vergehen und die Mauern zwischen den Bereichen werden dicker. Diese
Desintegrationsfalle gibt es auf der funktionalen Ebene genauso oft wie auf der
Produktebene. Feudalherren oder Feudaldamen machen es sich bequem. Sie müssen
ihre Stellung noch nicht einmal heftig verteidigen. Da der durchschnittliche CEO,
Geschäftsführer oder Zirkusleiter nur so lange bleibt, wie seine Karriereplanung es
erlaubt, traut er sich selten an wirklich schwierige Fälle heran. Und so verändern sich
unbequeme Zustände kaum. Bis ein Feudalherr einen anderen Bereich übernimmt,
abtritt oder das Unternehmen verkauft wird. Alle Abteilungen funktionieren prima.
Nur leider für sich selbst, nicht für den Kunden.
Death by Administration
Der Kunde erwartet schnelle Reaktionen, aber eingerostete Strukturen und fehlende
Investitionen machen es schwer, dem „neuen Kunden” gerecht zu werden. Agiert ein
5. Mitarbeiter selbständig, ohne die Vorschriften zu beachten und die üblichen Wege zu
gehen, wird er selten dafür gelobt. Viele seiner Kollegen stecken im Sumpf der Ad-ministration
fest und kommen nicht mehr heraus. Der Kunde verliert, und langfristig
das Unternehmen selbst.
Schublade
Je größer ein Unternehmen, desto größer kann die Marketingabteilung werden,
desto mehr Themen werden abgedeckt. Spezialistengruppen entstehen. Aber genau
diese Spezialisten sind immer wieder in Gefahr, in einer Schublade zu landen, aus
der es schwer ist, wieder herauszukommen. Einmal Eventmanager, immer Event-manager.
Falls es ihnen nichts ausmacht, in einer Schublade zu leben, können Sie
diesen Punkt gerne als Vorteil werten, nicht als Gefahr. Schließlich ist alles eine Frage
der Einstellung.
… and Rest of the World
Je nach Ursprungsland des Großunternehmens können sich unterhaltsame und
befremdliche Bräuche einschleichen, die sich nicht nur auf Strukturen, sondern auch
auf das Marketing auswirken. Details zu diesem Thema würden den Rahmen des
Artikels sprengen. Aber es lohnt sich, die Sitten vieler Länder kennenzulernen. Wo-möglich
müssen Sie sich in Ihrer globalen Marketingrolle mit dem Tragen von Waffen
in Krankenhäusern beschäftigen. (Falls das Thema Sie interessiert, lesen Sie ruhig
schon mal den Artikel von ABC News auf Englisch: http://abcn.ws/1zFUD9n.)
Letztendlich hängt das Wohlergehen des Marketingmitarbeiters in einem Großunter-nehmen
von einem einzigen Faktor ab: Dem Menschen selbst. Er entscheidet sich
dafür, ein Schattendasein zu führen oder in einer Schublade zu leben. Er kämpft dafür,
die Chancen wahrzunehmen, die ein Leben mit Giganten bietet und entscheidet
darüber, wann es Zeit ist zu gehen.
* Die Top 3 der schlimmsten Übel der Menschheit:
1. Leadership / 2. Marketing / 3. Satan
Zitat und Liste: Adams, Scott (2011), Best of Dilbert, München, Redline Verlag
6. no-gold!sh.de
Text & Verantwortung
FREIWASSER Marketing
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