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Standortentscheidungen in einer globalen Welt
Inhaltverzeichnis
Einleitung
1. Ziel der Arbeit
2. Entwicklung der Standorttheorien und Ansätze
2.2. Standortstheorie von Weber (1909)
2.3. Standortbestimmungslehre von Behrens (1972)
2.4. Standortsystematik wurde von Hansmann (1984)
2.5. Standortfaktorensystematik von BESTAND (2004)
3. Analyse zur Relevanz von Standortfaktoren
4. Bedeutung von einzelnen Standortsfaktoren
4.2. Produktionsfaktoren
4.3. Wirtschaftsfaktoren
4.4. Rahmenbedingungsfaktoren
4.5. Umgebungsfaktoren
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
Einleitung
Die Standortswahl gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Unternehmens, weil es
sämtliche Produktionsprozesse und Entwicklungschancen stark beeinflussen kann.
„Die Wahl eines neuen Produktionsstandorts wird durch zahlreiche Einflussfaktoren
bestimmt, die sich teilweise im Lauf der Zeit deutlich ändern.“1
Moderne Wirtschaft ist durch die Globalisierungsprozesse geprägt. „Globalisierung
bedeutet also die Zunahme der Intensität und der Reichweite transnationaler
wirtschaftlicher Austauschbeziehungen und dadurch auch die Intensivierung des
Wettbewerbs durch eine Vergrößerung der Märkte bis hin zum Entstehen globaler
Märkte.“2 Es verschwinden Grenzen und Barrieren, die Arbeitskräfte werden immer
1 http://www.mckinsey.de/downloads/publikation/buecher/2006/buecher_hgp_leseprobe.pdf
2 Politik & Unterricht (2003), S.4
2
mobiler und IT-Technologien ermöglichen Distanzen überwinden, das kann
Standortswahl wesentlich beeinflussen.
Eine allgemeine Theorie der Standortswahl fehlt bis heute und wird auch in der
Zukunft weiterhin ausbleiben, weil wirtschaftliche Entwicklungen immer neue
Herausforderungen stehlen. Deswegen ist es wichtig, beurteilen inwieweit klassische
Theorien benutzt werden können und ob es ein Bedarf an einem neuen Ansatz
besteht. „Chancen und Risiken von Auslandsinvestitionen mit dem Zielsystem des
Unternehmens in Einklang zu bringen, die verfügbaren finanziellen und personellen
Ressourcen festzulegen und die Veränderungsfähigkeit des Unternehmens
einzuschätzen, sind wichtige Aufgaben des Topmanagements zu Beginn der
Entwicklung einer Globalisierungsstrategie.“3
1. Ziel der Arbeit
Es gibt verschiedene Ansätze und Modelle, die Standortswahlvorgehen anhand von
unterschiedlichen Faktoren beschreiben. Jede Entwicklungsphase der Wirtschaft
von Agrargesellschaft, Industrialisierung bis E-Business-Gesellschaft hat eigene
Theorien und Modelle für Standortswahl entwickelt. In der vorliegenden Arbeit wird
versucht festzustellen, welche Standortsfaktoren sind maßgebend für moderne
Wirtschaft.
Hierzu werden vorerst die klassischen Ansätze, die bei der Standortswahl relevant
sind, erläutert. Anhand von bestehenden Theorien der Standortswahl wird ihr
Zusammenhang mit der Wirtschaftsentwicklung analysiert und es werden die
wichtigsten Faktoren bestimmt, die moderne Standortswahl beeinflussen können.
Der abschließende Teil befasst sich mit den Schlussfolgerungen.
2. Entwicklung der Standorttheorien und Ansätze
2.1. Standortstheorie von Weber
Die erste Beschreibung des optimalen Standortes wurde 1909 von Alfred Weber
erstellt. „Er betrachtet ein Ein-Betriebs-Unternehmen, das nur ein einziges
homogenes Gut unter Verwendung zweier Rohstoffmaterialien produziert.“4 Er sah
ein Unternehmen als ein dreidimensionales System. Erste Determinante -
3
http://www.mckinsey.de/downloads/publikation/buecher/2006/buecher_hgp_leseprobe.pdf
4 Bathelt/Glückler (2002), S.125
3
Bestimmung der Transportkosten, zweite - Arbeitskosten und dritte -
Agglomerationswirkungen. Dabei wird angenommen, dass:
1. Die Rohstoffstandorte sind bekannt.
2. Die räumliche Konsums Verteilung ist bekannt.
3. Das Transportsystem ist homogen.
4. Die Verteilung von Arbeitskräften ist bekannt, die Arbeitskräfte sind
unbegrenzt verfügbar bei einen bestimmten Lohnhöhe.
5. Die Einheitlichkeit des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Systems
wird unterstellt.5
Als erster Schritt erfolgt die Bestimmung des Transportkostenminimalpunkts, als
Weiteres – eine optimale Betriebsstandortswahl unter Einbezug von Arbeitskosten.
Weber hat darauf hingewiesen, dass es branchentypische Unterschiede bei der
Standortswahl von Bedeutung sind: „ A. Weber weist auf branchenspezifische
Unterschiede in der Bedeutung der Arbeitskosten für die industrielle Standortwahl
hin. Die Ablenkbarkeit eines Industriebetriebes vom Transportkostenminimalpunkt zu
einem Standort niedriger Arbeitskosten wächst mit steigendem Arbeitskoeffizienten“ 6
Bei der Wahl des Standortes nach Weber spielt das Gewinnmotiv eine
entscheidende Rolle. Der Grundsatz der Theorie von Weber besteht daran, ein
optimales Ort zu finden, an dem das Gesamt-Kilometer-Aufkommen minimal ist.
Diese Theorie eignet sich ausschließlich für Produktionsunternehmen. Aus heutiger
Sicht kann diese Theorie nicht mehr konsequent angewendet werden, weil viele
Annahmen nicht mehr gegeben sind. Die Grundannahme von Webers, dass es ein
einheitliches wirtschaftliches und politisches System vorliegt, ist nicht mehr gültig wie
auch unbegrenzte Verfügbarkeit von Arbeitskräften bei bestimmter Lohnhöhe.
„Von grundsätzlicher Natur ist der Einwand, dass die Theorie A.Webers wegen ihrer
unzureichenden Einbindung in die allgemeine Wirtschaftstheorie keine
wirtschaftliche, sondern nur eine technische Standortbestimmung gibt.“7
5 Schätzl (2003), S.38
6 Schätzl (2003), S.45
7 Schätzl (2003), S.47
4
Als Kritikpunkt am Modell von Weber lässt sich nennen, dass hier eine zu einseitige
Betrachtung auf die Kostenseite vorgenommen wird.8 Insbesondere Absatzseite
wurde vernachlässigt.
2.2. Standortbestimmungslehre von Behrens
Aufgrund der Webers Theorie entwickelt Behrens eigenen betriebswirtschaftlichen
Ansatz. Behrens betrachtet Standortsfaktoren als ein System von
mehrdimensionalen Variablen.9 Standortsfaktoren werden in drei Funktionsbereiche
untergeordnet: Beschaffung, Fertigung und Absatz und unter der Berücksichtigung
von Rentabilitätsgrad bewertet, Tabelle 1. Diese Arbeit ist zur empirisch-realistischen
Standorttheorien zu zählen.
Gütereinsatz / Beschaffung
Beschaffungspotential:
Betriebsraum
Anlagegüter
Arbeitsleistungen
Fremddienste
Materialien und Waren
Kredit
Leistungen des staatlichen
Verbandes
Beschaffungskontakte
Transformation/Fertigung
Geologische Bedingungen
Klimatische Verhältnisse
Technische Agglomeration
Absatz
Absatzpotential:
Bedarf
Kaufkraft
Absatzkonkurrenz
Absatzagglomeration
Herkunfts-Goodwill
Staatliche Absatzhilfen
Absatzkontakte
Tabelle 1: Standortsfaktoren nach Behrens10
2.3. Standortsystematik von Hansmann
Eine moderne Standortsystematik wurde von Hansmann erstellt, Tabelle 2. Er teilte
Standortfaktoren auf qualitative und quantitative. Quantitative Standortsfaktoren
können direkt als Beitrag zum Unternehmenserfolg betrachtet werden, qualitative
8 vgl. Bankhofen (2001)
9
vgl. Bea et al. (2004)
10 Jaeck (1972), S.210
5
Standortsfaktoren im Gegenteil müssen von den Entscheidungsträgern subjektiv
geschätzt werden.11 Damit betrachtet Hansmann nicht nur die Faktoren, die
feststehen, sondern solche, die für jeden Entscheidungsträger unterschiedlich
ausfallen.
Alle oben genannten Ansätze haben ihre Schwachstellen, sie beschränken sich
hauptsächlich auf den Umfeldfaktoren und vernachlässigen
unternehmensspezifische Prozesse und Netzwerkbedarf.
Tabelle 2: Standortfaktoren nach Hansmann12
Quantitative Standortfaktoren Qualitative Standortfaktoren
- Transportkosten der Produkte vom
Standort zu den Absatzmärkten
- Anschaffungsauszahlungen für
Grundstück einschließlich
Erschließung
- Anschaffungsauszahlung für die
Errichtung des Gebäudes
- Standortsabhängige
Personalauszahlungen
- Beschaffungsauszahlungen für
Materialien
- Standortsabhängige
Finanzierungsauszahlungen
- Regionale Förderungsmaßnahmen
der öffentlichen Hand
(Investitionszuschüsse,
Sonderabschreibungen,
Finanzierungshilfen)
- Grund- und Gewerbesteuer
- Gewinnsteuer
- Grundstück
(Lage, Form, Bodenbeschaffenheit,
Erweiterungsmöglichkeiten,
Umweltauflagen, etc.)
- Verkehrslage des Grünstücks
(Verbindung zum Personen-und
Güterverkehrsnetz)
- Arbeitskräftebeschaffung
(Bevölkerungsstruktur und
Ausbildung, Arbeitskraftreserven,
Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt)
- Absatzbereich (Kaufkraft der Region,
Konkurrenzverhältnisse)
- Allgemeine Infrastruktur des
Standorts (Bankverbindungen,
Wohnraum, Bildungs- und
Kultureinrichtungen, landschaftliche
Lage).
11 vgl. Hansmann (1974)
12 vgl. Hansmann (1974)
6
2.4. Standortfaktorensystematik von BESTAND
Die Arbeitsgruppe BESTAND entwickelt eine weitere Standortfaktorensystematik, die
obengenannte Sachgebiete berücksichtigen kann. „Hier wird unterstellt, dass es nicht
möglich ist, nur aufgrund der Produktions- und Marktfaktoren einen Standort richtig
zu bewerten.“13
Die Performancefaktoren bezeichnen die wichtigsten Punkte, die für Erreichung der
strategischen Ziele des Unternehmens von besonderer Bedeutung sind. Die
bestehenden und benötigten Netzwerke und Kooperationen werden unter Kategorie
„Netzwerkbedarf“ aufgelistet. Diese Kategorie zeigt, welcher Aufwand zum Ausbau
der Netzwerke zu leisten ist.
Abbildung 1: Standortfaktorensystematik nach BESTAND 14
„Systematiken zu den Standortfaktoren geben Hinweise, welche
Standorteigenschaften möglicherweise in die taktische Standortplanung einbeziehen
sind.“15
13 http://www.rueckverlagerung.de/Standortfaktorensystematiken.html
14 Kinkel (2004), S.53
15 Zäpfel (2004), S.146
7
3. Analyse zur Relevanz von Standortfaktoren
Mit der zunehmenden Entwicklung der Informations- und
Kommunikationstechnologie verlieren viele Standortsfaktoren an ihre Bedeutung.
Besonders geografische Lage und Entfernung spielen immer geringere Rolle. „..die
Geschwindigkeit des Wandels der Wirtschafts- und Wettbewerbsstrukturen hat sich
deutlich erhöht: weltweit fallen Handelsbarrieren, große Handelszonen entstehen,
Güterströme verlaufen global und orientieren sich weniger an nationalstaatlichen
Grenzen.“16 Steigender Datenverkehr fördert die Globalisierung der Wirtschaft.
Standortswahl in der vernetzten Welt wird nicht mehr nur durch traditionelle
Standortsfaktoren bestimmt, obwohl sie auch infolge der historischen Entwicklung
ihre Einflüsse haben. „Die Qualität der Infrastruktur, die Verfügbarkeit von Kapital
oder die Qualifikation und Flexibilität von Arbeitnehmer ist von je her wichtigen
Attributen eines Standortes.“ 17 Aber die Entwicklung der IT-Technologien ist nicht
der wichtigste Grund, die der modernen Standortswahl beeinflusst. In den 80-en
Jahren wurden mehrere Unternehmen ins Ausland verlagert wegen niedriger
Lohnkosten und unternehmensfreundliche Umgebung. Es entstanden inzwischen
hoch spezialisierte Produktionsballungsgebiete. Die Produktionsanlagen für
Elektrotechnik und Maschinenbau in Asien (Korea, Malaysia, Taiwan, Philippinen)
haben einen spezifischen Arbeitsmarkt mit dem hoch differenzierten
Qualifikationsangebot ausgebildet. Es entstanden Wirtschaftsstandorte mit stärkerer
räumlicher Konzentration. “So konzentriert sich das Banken- und
Versicherungssegment auf wenige westeuropäische Städte wie London, Frankfurt
am Main und Paris. In den USA ist das Silicon Valley als Wachstumsregion mit hoher
Dynamik bekannt.“18 Es verdeutlicht, dass internationale Arbeitsteilung auf den
technischen Fortschritt baut.
Moderne IT-Technologie ermöglicht Dienstleistungen, die in der Vergangenheit nicht
international handelbar waren jetzt global anbieten. „Solche Tätigkeiten, die nun oft
aus dem traditionellen Wertschöpfungsgefüge ausgegliedert werden, sind
beispielsweise Ticket-Services, einfache Texterfassungstätigkeiten, Callcenter-
Aufgaben, Übersetzungen und das Erstellen von Bauzeichnungen oder
16 Heng et al (2002), S.3
17 Heng et al (2002), S.4
18 Heng et al (2002), S.4
8
Computergrafiken.“19 Das hilft neue unternehmerische Tätigkeitsfelder zu
erschließen und früher vernachlässigte Wirtschaftsstandorte wieder interessant zu
machen. Bei der Verlagerung von Produktionsstandorten ist ein weiterer
Standortsfaktor wie „Enabling Technologies” wichtig. Er zeigt, ob die technische
Entwicklung den Anforderungen des Unternehmens entspricht. Vor allem technische
Infrastruktur soll auf gutem Niveau sein und die Qualifikation der Arbeitnehmer den
Mindestanforderungen entsprechen.
Die Entwicklungsstufe einer Region spielt als Standortsfaktor oft eine entscheidende
Rolle. Dabei sind gute Rahmenbedingungen und Infrastruktur auch von großer
Bedeutung. „In der jüngeren Vergangenheit haben manche Unternehmen ihre
Buchhaltungen, das Setzen und Layouten von Zeitschriften und die Datenerfassung
(z.B. die Schreibarbeiten beim Erstellen von Telefonbüchern) in großem Umfang aus
den Industrieländern nach Indien, China oder Osteuropa ausgelagert.“20
Schwellenländer, die früher aus wirtschaftlicher Sicht wegen ihrer rückständigen
Entwicklung uninteressant erscheinen, können jetzt ihre Chancen verbessern. Als
Hindernis für ökonomischen Entwicklungsprozess werden die institutionellen
Rahmen gesehen, die nur durch langwierige gesellschaftliche und politische
Reformen zu beseitigen sind.
Die verbreitete Annahme, dass für IT-Unternehmen Standortswahl weniger
bedeutend ist, wird nicht durch empirische Daten belegt. „Die meisten Bereiche der
IuK-Technik und der IuK-Dienstleistungen in Deutschland weisen eine relativ hohe
Beschäftigungskonzentration auf. Gut 70% der IuK-Beschäftigten arbeiten in den
zwanzig größten deutschen Ballungsräumen wie München, Berlin, Rhein-Main,
Köln/Bonn oder Stuttgart.“21
Es bestehen zweifelslos Gründe, die moderne Standortswahl starker beeinflussen
als traditionelle Faktoren, wie natürliche Ressourcen und Kapital.
Als wichtigste Voraussetzung für erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit wird
zunehmend Personalfaktor gesehen. Menschliche Ressourcen spielen immer
wichtigere Rolle. Es soll eine Auswahl von entsprechend ausgebildetem Personal auf
19 Heng et al (2002), S.6
20 Heng et al (2002), S.6
21 Heng et al (2002), S.8
9
dem Arbeitsmarkt vorhanden sein, um steigende Bedarf des Arbeitsgebers zu
decken.
Ein weiterer Faktor ist, das Fachpersonal einen flexiblen Arbeitsmarkt sucht, dass
Alternativen bieten. Deswegen ziehen Arbeitskräfte in die spezialisierten
Ballungsgebiete.
Universitäten sind zu einem wichtigen Standortfaktor geworden, weil sie nachhaltig
ein hoch qualifiziertes Personal bieten, wie auch günstige Start-ups Beschäftigungen.
Aspekten der Lebensqualität, wie Kultur und Sportangebot spielen bei der
Standortswahl auch eine wichtige Rolle. In moderner Welt bilden Freizeit- und
Vergnügungsmöglichkeiten ein bedeutender Entscheidungsfaktor für junge und
kreative Menschen. „Die Brookings Institution hat für die USA einen starken
Zusammenhang zwischen dem Erfolg städtischer Regionen im Hightech-Sektor und
dem Toleranzgrad des Umfeldes festgestellt.“22 Die Vorteile der Ballungsgebiete
überwiegen bei der Ortswahl oft die Nachteile, wie überlastete Infrastruktur und etc.
Bei der Wahl des Standortes wird auch die Etablierung des Unternehmens
berücksichtigt. Die gut etablierten Unternehmen stellen andere Voraussetzungen als
Start-ups. Die Standortswahl für ein etabliertes Unternehmen ist oft mit dem
Kostsenkungsfaktor verbunden, es können z.B. steuerliche Vorteile sein. Nur wenn
Standortswechsel erhebliche Kostenersparnisse bieten kann, werden enormen
Umzugskosten aufgewogen. Deswegen sind gut etablierte Unternehmen weniger
standortswechselbereit. Start-up-Unternehmen im Gegenteil sind mit Steuer nicht
überbelastet und können sich für eine Standortswahl frei entscheiden.
4. Bedeutung von einzelnen Standortsfaktoren
4.1. Produktionsfaktoren
„Zu den Produktionsfaktoren zählen in erster Linie sämtliche für die Produktion
anfallenden Kosten z.B. für Löhne und Energie, die Infrastruktur, das Humankapital
und der benötigte Arbeitsraum.“23 Menschliche Ressourcen spielen eine zentrale
Rolle in vielen Modellen, aber wenn für die ersten Modelle (Agrargesellschaft,
22 Heng et al (2002), S.8
23 Bodenmann (2005), S.43
10
Industriegesellschaft) die Quantität zählte, ist aktuell Qualität von höchster
Bedeutung.
4.2. Wirtschaftsfaktoren
Wirtschaftliches Umfeld kann für Unternehmen sehr große Bedeutung haben. „In der
heutigen Forschung zur regionalen Mikroökonomie und Standorttheorie spielen die
Ansätze zu den Agglomerationsvorteilen, räumliche Cluster und dem Milieuansatz
eine zunehmend wichtige Rolle.“24 Die Agglomerationseffekte geben den
Unternehmen die Möglichkeit externe und interne Ersparnisse zu bekommen. Die
Stückkosten pro Produktionseinheit können in diese Weise gesenkt werden.
Deswegen suchen insbesondere neu gegründete Unternehmen Regionen mit hoher
Konzentration an ökonomischen Aktivitäten. „Damit können unter anderem Kosten
für die Beschaffung, Absatz, Forschung und Entwicklung minimiert werden.“ 25
Die Agglomerationseffekte werden in den ökonomischen Strukturanalysen
berücksichtigt, z.B. in Shift-Share-Analyse. In der Tabelle 3 wird die Bedeutung von
Agglomeration für verschiedene Unternehmen der Dienstleistungsbranche
dargestellt.
Tabelle 3 : Agglomerationsvorteile im Dienstleistungsbranche26
24 Frey et al (2002), S.74
25 Bodenmann (2005), S.46
26 Bodenmann (2005), S.49
11
Wenn man die Ergebnisse der Analyse von Tank (sehe Tabelle 3) näher betrachtet,
wird deutlich, dass Agglomerationsbedarf besonders stark bei den regional
orientierten Unternehmen besteht, während international orientierte Unternehmen in
ihrer Standortswahl frei sind. „Zudem hängt der Agglomerationsbedarf von
Unternehmen, und somit der Stellenwert der entsprechenden Standortfaktoren –
stark von der Größe, der Produktion und dem Spezialisierungs- bzw.
Diversifizierungsgrad der Unternehmung ab.“ 27
Auch E-Bussiness Unternehmen sind an wirtschaftliche Agglomerationen gebunden,
es bestätigen die Forschungsergebnisse von Henderson (2003), Rosenthal und
Strange (2003).
Mit der zunehmenden Verbreitung von Internet stellt sich die Frage, ob die
Bedeutung von Distanz mit der Zeit abnehmen wird. „Dohse et al. (2005) führten
hierzu eine empirische Untersuchung in Deutschland durch und stellten fest, dass
eine Marginalisierung der räumlichen Distanz kaum zu erwarten ist.“28
Die sinkenden Infrastrukturkosten bewirken aber räumliche Verlagerung.
• Dienstleistungsunternehmen, die sich mit digitaler Datenverarbeitung
beschäftigen, sind standortsunabhängiger geworden und verlagern ihre
Aktivitäten aus Kostengrunden in billigere Produktionsstandorte, wie China
und Indien.
• High-Tech-Unternehmen sind im Gegenteil an hochentwickelte Industrieorte
gebunden.
Der Einfluss von Distanz wird sich somit verändern – aber nicht bedeutungslos
werden. „Der Einfluss der räumlichen Lage bestehender Netzwerke bezüglich
Lieferanten, Kunden und Beschäftigte wird im Standortwahlverhalten von bereits
bestehenden Firmen gut sichtbar: neue Standorte sind in der Regel nicht allzu weit
vom bestehenden Standort entfernt.“ (Lutter,1980; Sedlacek, 1994 und Pellenbarg,
2005).29
4.3. Rahmenbedingungen
Staatlichen Einfluss auf das Standortverhalten ist sehr bedeutend. Siebert (2000)
nennt in seiner Arbeit zwei Faktoren, die bei der Standortswahl wichtig sein können:
27 Bodenmann (2005), S.48
28 Bodenmann (2005), S.51
29 Bodenmann (2005), S.52
12
Steuern und Gesetzgebung. Mehrere wissenschaftliche Studien bestätigen die
Bedeutung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. „Aus der Auswertung von 1025
Rückmeldung lässt sich schließen, dass für Ostschweizer KMUs der Einfluss von
gesetzlichen Rahmenbedingungen, die administrativen Verfahren sowie die
fiskalischen Belastungen am wichtigsten bewertet werden.“ 30
4.4. Umgebungsfaktoren
Es sind Entscheidungsfaktoren, die neulich sehr bedeutsam geworden sind.
Besonders in den letzten Jahren berücksichtigen die Arbeitskräfte neben
Lohnvorteile auch Wohnortsfaktoren. Eine gute Wohnqualität ist besonders für
hochqualifizierte Arbeitnehmer wichtig.
5. Zusammenfassung
Mit der Entwicklung der Informationsgesellschaft verschiebt sich zunehmend die
Bedeutung von klassischen Standortsfaktoren. Wenn im 19. Jahrhundert sprachen
die niedrigen Transportkosten und Verfügbarkeit von Produktionsressourcen für eine
Standortswahl, sind es heute vielmehr menschliche Ressourcen, die im Mittelpunkt
stehen und Entwicklungsstand im jeweiligen Gebiet. Es ist nicht abzusehen, dass
viele Unternehmen nutzen vorhandene Niedriglohnangebote, aber besonders
innovative und komplizierte Arbeitsprozesse werden in naher Zukunft nicht in
Richtung Schwellenländer mit niedrigen Kosten verlegt, sondern werden sich an
bestehenden Ballungszentren konzentrieren. „Insbesondere wissensintensive,
komplexe Wirtschaftsprozesse, die auf intensive Abstimmung der einzelnen
Arbeitsprozesse bauen, werden sich mittelfristig sogar noch stärker als bisher in den
Zentren der hochentwickelten Industrieregionen ballen.“31
Also niedrige Lohkosten sind keines Falls ein entscheidender Faktor bei der Wahl
des Standortes, aber wenn wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Infrastruktur und
menschliche Ressource vorhanden sind, kann es durchaus gute Voraussetzungen
für eine Standortswahl versprechen. „Gleichwohl besteht für fortschrittsfreundliche
Schwellenländer mit einem vertrauenswürdigen institutionellen System und guter
30 Bodenmann (2005), S.54
31 Heng et al (2002), S.11
13
technischer Infrastruktur die Chance, rasch näher an hoch entwickelte
Industrieregionen heranzukommen.“32
Eine wesentliche Voraussetzung bei der Standortsplanung ist die Tätigkeit des
Unternehmens. Je komplizierter und rohstoffabhängiger ist Produktion, desto
beschränkter wird die Standortswahl. Im Gegenteil weniger anspruchsvolle
Tätigkeiten können bei der Standortswahl fast weltweites Angebot nutzen. „Vor allem
bei weniger komplexen Prozessen, die über geografische Distanzen hinweg einfach
zu koordinieren sind, ermöglichen moderne IuK-Technologien im
Herstellungsprozess weltweite Lohndifferenziale besser zu nutzen.“ 33
Die Tabelle 4 zeigt die wichtigsten Theorien und Modellen zur Standortwahl von
Unternehmen.
Tabelle 4: Einflussgrößen der Standortswahl von Unternehmen34
Während sich die ersten Theorien noch mit einigen wenigen wichtigen
Standortfaktoren wie Ressourcen, Transportkosten, Markt beschäftigten, zeigen
moderne Ansätze ein strukturiertes Vorgehen. „Seit den Anfängen der
32 Heng et al (2002), S.11
33 Heng et al (2002), S.11
34
Bodenmann (2005), S.36
14
Standorttheorie lassen sich verschiedene untersuchte Einflussbereiche der
Standortwahl bezeichnen: i) die Produktionsfaktoren (inkl. Lage- bzw. Grundrente,
Bodenpreis, Humankapital, Produktionskosten und somit der Preis des
Endproduktes), ii) das wirtschaftliche Umfeld (Zentralität, Erreichbarkeit, interne und
externe Agglomerationseffekte), iii) staatliche Eingriffe sowie iv) die Umwelt bzw. die
Wohnqualität.“35 Allgemein ist festzustellen, dass die Einflussfaktoren je nach
wirtschaftlichem Entwicklungsstand und Wirtschaftsgebiet unterschiedlich gewichtet
werden. Es werden zunehmen auch neue Faktoren berücksichtigt, wie Umwelt und
Wohnqualität. Zusammenfassend können alle beschriebenen Faktoren in vier
Gruppen aufgeteilt werden:
• Produktionsfaktoren (Produktionskosten, Ressourcen)
• Wirtschaftsfaktoren (Agglomeration, Infrastruktur)
• Rahmenbedingungen (Recht, Politik)
• Umgebungsfaktoren (Wohnqualität, Umwelt)
Um alle wesentlichen Standortsfaktoren berücksichtigen zu können, werden
entsprechende Variablen und Indikatoren angesetzt, sehe Tabelle 5.
Standortsfaktor Variable Indikator
Produktionsfaktoren Lohnkosten
Ressourcen
Umsatzkosten
Durchschnittliche Einkommen
Rohstoffkosten
Marktpreis
Wirtschaftsfaktoren Infrastruktur
Agglomeration
Entwicklungsstand
Transportkosten
Bevölkerungsdichte
Patentenzahl
Raumbedingungsfaktoren Steuer
Gesetz
Steuersatz
Behandlung Verfahren
Umgebungsfaktoren Wohnqualität
Umweltqualität
Immobilienpreise, Miete
Lärmschutz, etc.
Tabelle 5: Standortsfaktoren, Variablen, Indikatoren
35 Bodenmann (2005), S.35
15
Lieteraturverzeichnis
Bankhofen, U. (2001): Industrielles Standortmanagement. Aufgabenbereiche, Entwicklungstendenzen
und problemorientierte Lösungsansätze, Deutscher-Universitäts-Verlag, Wiesbaden
Bathelt, H., Glückler, J. (2002): Wirtschaftsgeographie. 2. Auflage, Stuttgart
Bea, F. X. et al. (2004): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre 1. Grundfragen. 9. Aufl., Lucius und
Lucius, Stuttgart
Bodenmann, B. (2005): Modelle zur Standortwahl von Unternehmen. Arbeitsbericht Verkehrs- und
Raumplanung 336, Zürich
Frey, R.L. und S. Schaltegger (2002): AREA Access to Regional Economic Approaches.
Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum WWZ, UNI Basel, Basel
Hansmann, K.-W. (1974): Entscheidungsmodelle zur Standortplanung der Industrieunternehmen.
Gabler Verlag, Wiesbaden
Heng, S., Schaaf J. (2002): Economics. Standortwahl in der vernetzten Welt - kein Ende der Distanz,
Deutsche Bank Research, Jg.30, Frankfurt am Main
Jaeck H.-J. (1972): Marketing und Regional Science. Betriebswirtschaftliche Schriften, Heft 58,
Dunckler&Humbolt, Berlin
Kinkel, S. (2004): Erfolgskritische Standortfaktoren ableiten – eine erfahrungsbasierte Auswahlhilfe.
In: Kinkel, Steffen (Hg): Erfolgsfaktor Standortplanung. In- und ausländische Standorte richtig
bewerten, Berlin
Politik & Unterricht (2003): Globalisierung. Aspekte einer Welt ohne Grenze. Jg.29, Villingen-
Schwenningen
Schätzl, Ludwig (2003): Wirtschaftsgeographie 1 Theorie, 9. Auflage, Paderborn
Zäpfel, G. (2004): Taktisches Produktions-Management , 2 Auflage, Oldenburg Wissenschaftsverlag,
Oldenbourg
Internetquellen:
http://www.rueckverlagerung.de/Standortfaktorensystematiken.html. Stand: 22.12.12
http://www.mckinsey.de/downloads/publikation/buecher/2006/buecher_hgp_leseprobe.pdf.

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Standortentscheidungen in einer globalen welt

  • 1. 1 Standortentscheidungen in einer globalen Welt Inhaltverzeichnis Einleitung 1. Ziel der Arbeit 2. Entwicklung der Standorttheorien und Ansätze 2.2. Standortstheorie von Weber (1909) 2.3. Standortbestimmungslehre von Behrens (1972) 2.4. Standortsystematik wurde von Hansmann (1984) 2.5. Standortfaktorensystematik von BESTAND (2004) 3. Analyse zur Relevanz von Standortfaktoren 4. Bedeutung von einzelnen Standortsfaktoren 4.2. Produktionsfaktoren 4.3. Wirtschaftsfaktoren 4.4. Rahmenbedingungsfaktoren 4.5. Umgebungsfaktoren 5. Fazit 6. Literaturverzeichnis Einleitung Die Standortswahl gehört zu den wichtigsten Aufgaben des Unternehmens, weil es sämtliche Produktionsprozesse und Entwicklungschancen stark beeinflussen kann. „Die Wahl eines neuen Produktionsstandorts wird durch zahlreiche Einflussfaktoren bestimmt, die sich teilweise im Lauf der Zeit deutlich ändern.“1 Moderne Wirtschaft ist durch die Globalisierungsprozesse geprägt. „Globalisierung bedeutet also die Zunahme der Intensität und der Reichweite transnationaler wirtschaftlicher Austauschbeziehungen und dadurch auch die Intensivierung des Wettbewerbs durch eine Vergrößerung der Märkte bis hin zum Entstehen globaler Märkte.“2 Es verschwinden Grenzen und Barrieren, die Arbeitskräfte werden immer 1 http://www.mckinsey.de/downloads/publikation/buecher/2006/buecher_hgp_leseprobe.pdf 2 Politik & Unterricht (2003), S.4
  • 2. 2 mobiler und IT-Technologien ermöglichen Distanzen überwinden, das kann Standortswahl wesentlich beeinflussen. Eine allgemeine Theorie der Standortswahl fehlt bis heute und wird auch in der Zukunft weiterhin ausbleiben, weil wirtschaftliche Entwicklungen immer neue Herausforderungen stehlen. Deswegen ist es wichtig, beurteilen inwieweit klassische Theorien benutzt werden können und ob es ein Bedarf an einem neuen Ansatz besteht. „Chancen und Risiken von Auslandsinvestitionen mit dem Zielsystem des Unternehmens in Einklang zu bringen, die verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen festzulegen und die Veränderungsfähigkeit des Unternehmens einzuschätzen, sind wichtige Aufgaben des Topmanagements zu Beginn der Entwicklung einer Globalisierungsstrategie.“3 1. Ziel der Arbeit Es gibt verschiedene Ansätze und Modelle, die Standortswahlvorgehen anhand von unterschiedlichen Faktoren beschreiben. Jede Entwicklungsphase der Wirtschaft von Agrargesellschaft, Industrialisierung bis E-Business-Gesellschaft hat eigene Theorien und Modelle für Standortswahl entwickelt. In der vorliegenden Arbeit wird versucht festzustellen, welche Standortsfaktoren sind maßgebend für moderne Wirtschaft. Hierzu werden vorerst die klassischen Ansätze, die bei der Standortswahl relevant sind, erläutert. Anhand von bestehenden Theorien der Standortswahl wird ihr Zusammenhang mit der Wirtschaftsentwicklung analysiert und es werden die wichtigsten Faktoren bestimmt, die moderne Standortswahl beeinflussen können. Der abschließende Teil befasst sich mit den Schlussfolgerungen. 2. Entwicklung der Standorttheorien und Ansätze 2.1. Standortstheorie von Weber Die erste Beschreibung des optimalen Standortes wurde 1909 von Alfred Weber erstellt. „Er betrachtet ein Ein-Betriebs-Unternehmen, das nur ein einziges homogenes Gut unter Verwendung zweier Rohstoffmaterialien produziert.“4 Er sah ein Unternehmen als ein dreidimensionales System. Erste Determinante - 3 http://www.mckinsey.de/downloads/publikation/buecher/2006/buecher_hgp_leseprobe.pdf 4 Bathelt/Glückler (2002), S.125
  • 3. 3 Bestimmung der Transportkosten, zweite - Arbeitskosten und dritte - Agglomerationswirkungen. Dabei wird angenommen, dass: 1. Die Rohstoffstandorte sind bekannt. 2. Die räumliche Konsums Verteilung ist bekannt. 3. Das Transportsystem ist homogen. 4. Die Verteilung von Arbeitskräften ist bekannt, die Arbeitskräfte sind unbegrenzt verfügbar bei einen bestimmten Lohnhöhe. 5. Die Einheitlichkeit des wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Systems wird unterstellt.5 Als erster Schritt erfolgt die Bestimmung des Transportkostenminimalpunkts, als Weiteres – eine optimale Betriebsstandortswahl unter Einbezug von Arbeitskosten. Weber hat darauf hingewiesen, dass es branchentypische Unterschiede bei der Standortswahl von Bedeutung sind: „ A. Weber weist auf branchenspezifische Unterschiede in der Bedeutung der Arbeitskosten für die industrielle Standortwahl hin. Die Ablenkbarkeit eines Industriebetriebes vom Transportkostenminimalpunkt zu einem Standort niedriger Arbeitskosten wächst mit steigendem Arbeitskoeffizienten“ 6 Bei der Wahl des Standortes nach Weber spielt das Gewinnmotiv eine entscheidende Rolle. Der Grundsatz der Theorie von Weber besteht daran, ein optimales Ort zu finden, an dem das Gesamt-Kilometer-Aufkommen minimal ist. Diese Theorie eignet sich ausschließlich für Produktionsunternehmen. Aus heutiger Sicht kann diese Theorie nicht mehr konsequent angewendet werden, weil viele Annahmen nicht mehr gegeben sind. Die Grundannahme von Webers, dass es ein einheitliches wirtschaftliches und politisches System vorliegt, ist nicht mehr gültig wie auch unbegrenzte Verfügbarkeit von Arbeitskräften bei bestimmter Lohnhöhe. „Von grundsätzlicher Natur ist der Einwand, dass die Theorie A.Webers wegen ihrer unzureichenden Einbindung in die allgemeine Wirtschaftstheorie keine wirtschaftliche, sondern nur eine technische Standortbestimmung gibt.“7 5 Schätzl (2003), S.38 6 Schätzl (2003), S.45 7 Schätzl (2003), S.47
  • 4. 4 Als Kritikpunkt am Modell von Weber lässt sich nennen, dass hier eine zu einseitige Betrachtung auf die Kostenseite vorgenommen wird.8 Insbesondere Absatzseite wurde vernachlässigt. 2.2. Standortbestimmungslehre von Behrens Aufgrund der Webers Theorie entwickelt Behrens eigenen betriebswirtschaftlichen Ansatz. Behrens betrachtet Standortsfaktoren als ein System von mehrdimensionalen Variablen.9 Standortsfaktoren werden in drei Funktionsbereiche untergeordnet: Beschaffung, Fertigung und Absatz und unter der Berücksichtigung von Rentabilitätsgrad bewertet, Tabelle 1. Diese Arbeit ist zur empirisch-realistischen Standorttheorien zu zählen. Gütereinsatz / Beschaffung Beschaffungspotential: Betriebsraum Anlagegüter Arbeitsleistungen Fremddienste Materialien und Waren Kredit Leistungen des staatlichen Verbandes Beschaffungskontakte Transformation/Fertigung Geologische Bedingungen Klimatische Verhältnisse Technische Agglomeration Absatz Absatzpotential: Bedarf Kaufkraft Absatzkonkurrenz Absatzagglomeration Herkunfts-Goodwill Staatliche Absatzhilfen Absatzkontakte Tabelle 1: Standortsfaktoren nach Behrens10 2.3. Standortsystematik von Hansmann Eine moderne Standortsystematik wurde von Hansmann erstellt, Tabelle 2. Er teilte Standortfaktoren auf qualitative und quantitative. Quantitative Standortsfaktoren können direkt als Beitrag zum Unternehmenserfolg betrachtet werden, qualitative 8 vgl. Bankhofen (2001) 9 vgl. Bea et al. (2004) 10 Jaeck (1972), S.210
  • 5. 5 Standortsfaktoren im Gegenteil müssen von den Entscheidungsträgern subjektiv geschätzt werden.11 Damit betrachtet Hansmann nicht nur die Faktoren, die feststehen, sondern solche, die für jeden Entscheidungsträger unterschiedlich ausfallen. Alle oben genannten Ansätze haben ihre Schwachstellen, sie beschränken sich hauptsächlich auf den Umfeldfaktoren und vernachlässigen unternehmensspezifische Prozesse und Netzwerkbedarf. Tabelle 2: Standortfaktoren nach Hansmann12 Quantitative Standortfaktoren Qualitative Standortfaktoren - Transportkosten der Produkte vom Standort zu den Absatzmärkten - Anschaffungsauszahlungen für Grundstück einschließlich Erschließung - Anschaffungsauszahlung für die Errichtung des Gebäudes - Standortsabhängige Personalauszahlungen - Beschaffungsauszahlungen für Materialien - Standortsabhängige Finanzierungsauszahlungen - Regionale Förderungsmaßnahmen der öffentlichen Hand (Investitionszuschüsse, Sonderabschreibungen, Finanzierungshilfen) - Grund- und Gewerbesteuer - Gewinnsteuer - Grundstück (Lage, Form, Bodenbeschaffenheit, Erweiterungsmöglichkeiten, Umweltauflagen, etc.) - Verkehrslage des Grünstücks (Verbindung zum Personen-und Güterverkehrsnetz) - Arbeitskräftebeschaffung (Bevölkerungsstruktur und Ausbildung, Arbeitskraftreserven, Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt) - Absatzbereich (Kaufkraft der Region, Konkurrenzverhältnisse) - Allgemeine Infrastruktur des Standorts (Bankverbindungen, Wohnraum, Bildungs- und Kultureinrichtungen, landschaftliche Lage). 11 vgl. Hansmann (1974) 12 vgl. Hansmann (1974)
  • 6. 6 2.4. Standortfaktorensystematik von BESTAND Die Arbeitsgruppe BESTAND entwickelt eine weitere Standortfaktorensystematik, die obengenannte Sachgebiete berücksichtigen kann. „Hier wird unterstellt, dass es nicht möglich ist, nur aufgrund der Produktions- und Marktfaktoren einen Standort richtig zu bewerten.“13 Die Performancefaktoren bezeichnen die wichtigsten Punkte, die für Erreichung der strategischen Ziele des Unternehmens von besonderer Bedeutung sind. Die bestehenden und benötigten Netzwerke und Kooperationen werden unter Kategorie „Netzwerkbedarf“ aufgelistet. Diese Kategorie zeigt, welcher Aufwand zum Ausbau der Netzwerke zu leisten ist. Abbildung 1: Standortfaktorensystematik nach BESTAND 14 „Systematiken zu den Standortfaktoren geben Hinweise, welche Standorteigenschaften möglicherweise in die taktische Standortplanung einbeziehen sind.“15 13 http://www.rueckverlagerung.de/Standortfaktorensystematiken.html 14 Kinkel (2004), S.53 15 Zäpfel (2004), S.146
  • 7. 7 3. Analyse zur Relevanz von Standortfaktoren Mit der zunehmenden Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie verlieren viele Standortsfaktoren an ihre Bedeutung. Besonders geografische Lage und Entfernung spielen immer geringere Rolle. „..die Geschwindigkeit des Wandels der Wirtschafts- und Wettbewerbsstrukturen hat sich deutlich erhöht: weltweit fallen Handelsbarrieren, große Handelszonen entstehen, Güterströme verlaufen global und orientieren sich weniger an nationalstaatlichen Grenzen.“16 Steigender Datenverkehr fördert die Globalisierung der Wirtschaft. Standortswahl in der vernetzten Welt wird nicht mehr nur durch traditionelle Standortsfaktoren bestimmt, obwohl sie auch infolge der historischen Entwicklung ihre Einflüsse haben. „Die Qualität der Infrastruktur, die Verfügbarkeit von Kapital oder die Qualifikation und Flexibilität von Arbeitnehmer ist von je her wichtigen Attributen eines Standortes.“ 17 Aber die Entwicklung der IT-Technologien ist nicht der wichtigste Grund, die der modernen Standortswahl beeinflusst. In den 80-en Jahren wurden mehrere Unternehmen ins Ausland verlagert wegen niedriger Lohnkosten und unternehmensfreundliche Umgebung. Es entstanden inzwischen hoch spezialisierte Produktionsballungsgebiete. Die Produktionsanlagen für Elektrotechnik und Maschinenbau in Asien (Korea, Malaysia, Taiwan, Philippinen) haben einen spezifischen Arbeitsmarkt mit dem hoch differenzierten Qualifikationsangebot ausgebildet. Es entstanden Wirtschaftsstandorte mit stärkerer räumlicher Konzentration. “So konzentriert sich das Banken- und Versicherungssegment auf wenige westeuropäische Städte wie London, Frankfurt am Main und Paris. In den USA ist das Silicon Valley als Wachstumsregion mit hoher Dynamik bekannt.“18 Es verdeutlicht, dass internationale Arbeitsteilung auf den technischen Fortschritt baut. Moderne IT-Technologie ermöglicht Dienstleistungen, die in der Vergangenheit nicht international handelbar waren jetzt global anbieten. „Solche Tätigkeiten, die nun oft aus dem traditionellen Wertschöpfungsgefüge ausgegliedert werden, sind beispielsweise Ticket-Services, einfache Texterfassungstätigkeiten, Callcenter- Aufgaben, Übersetzungen und das Erstellen von Bauzeichnungen oder 16 Heng et al (2002), S.3 17 Heng et al (2002), S.4 18 Heng et al (2002), S.4
  • 8. 8 Computergrafiken.“19 Das hilft neue unternehmerische Tätigkeitsfelder zu erschließen und früher vernachlässigte Wirtschaftsstandorte wieder interessant zu machen. Bei der Verlagerung von Produktionsstandorten ist ein weiterer Standortsfaktor wie „Enabling Technologies” wichtig. Er zeigt, ob die technische Entwicklung den Anforderungen des Unternehmens entspricht. Vor allem technische Infrastruktur soll auf gutem Niveau sein und die Qualifikation der Arbeitnehmer den Mindestanforderungen entsprechen. Die Entwicklungsstufe einer Region spielt als Standortsfaktor oft eine entscheidende Rolle. Dabei sind gute Rahmenbedingungen und Infrastruktur auch von großer Bedeutung. „In der jüngeren Vergangenheit haben manche Unternehmen ihre Buchhaltungen, das Setzen und Layouten von Zeitschriften und die Datenerfassung (z.B. die Schreibarbeiten beim Erstellen von Telefonbüchern) in großem Umfang aus den Industrieländern nach Indien, China oder Osteuropa ausgelagert.“20 Schwellenländer, die früher aus wirtschaftlicher Sicht wegen ihrer rückständigen Entwicklung uninteressant erscheinen, können jetzt ihre Chancen verbessern. Als Hindernis für ökonomischen Entwicklungsprozess werden die institutionellen Rahmen gesehen, die nur durch langwierige gesellschaftliche und politische Reformen zu beseitigen sind. Die verbreitete Annahme, dass für IT-Unternehmen Standortswahl weniger bedeutend ist, wird nicht durch empirische Daten belegt. „Die meisten Bereiche der IuK-Technik und der IuK-Dienstleistungen in Deutschland weisen eine relativ hohe Beschäftigungskonzentration auf. Gut 70% der IuK-Beschäftigten arbeiten in den zwanzig größten deutschen Ballungsräumen wie München, Berlin, Rhein-Main, Köln/Bonn oder Stuttgart.“21 Es bestehen zweifelslos Gründe, die moderne Standortswahl starker beeinflussen als traditionelle Faktoren, wie natürliche Ressourcen und Kapital. Als wichtigste Voraussetzung für erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit wird zunehmend Personalfaktor gesehen. Menschliche Ressourcen spielen immer wichtigere Rolle. Es soll eine Auswahl von entsprechend ausgebildetem Personal auf 19 Heng et al (2002), S.6 20 Heng et al (2002), S.6 21 Heng et al (2002), S.8
  • 9. 9 dem Arbeitsmarkt vorhanden sein, um steigende Bedarf des Arbeitsgebers zu decken. Ein weiterer Faktor ist, das Fachpersonal einen flexiblen Arbeitsmarkt sucht, dass Alternativen bieten. Deswegen ziehen Arbeitskräfte in die spezialisierten Ballungsgebiete. Universitäten sind zu einem wichtigen Standortfaktor geworden, weil sie nachhaltig ein hoch qualifiziertes Personal bieten, wie auch günstige Start-ups Beschäftigungen. Aspekten der Lebensqualität, wie Kultur und Sportangebot spielen bei der Standortswahl auch eine wichtige Rolle. In moderner Welt bilden Freizeit- und Vergnügungsmöglichkeiten ein bedeutender Entscheidungsfaktor für junge und kreative Menschen. „Die Brookings Institution hat für die USA einen starken Zusammenhang zwischen dem Erfolg städtischer Regionen im Hightech-Sektor und dem Toleranzgrad des Umfeldes festgestellt.“22 Die Vorteile der Ballungsgebiete überwiegen bei der Ortswahl oft die Nachteile, wie überlastete Infrastruktur und etc. Bei der Wahl des Standortes wird auch die Etablierung des Unternehmens berücksichtigt. Die gut etablierten Unternehmen stellen andere Voraussetzungen als Start-ups. Die Standortswahl für ein etabliertes Unternehmen ist oft mit dem Kostsenkungsfaktor verbunden, es können z.B. steuerliche Vorteile sein. Nur wenn Standortswechsel erhebliche Kostenersparnisse bieten kann, werden enormen Umzugskosten aufgewogen. Deswegen sind gut etablierte Unternehmen weniger standortswechselbereit. Start-up-Unternehmen im Gegenteil sind mit Steuer nicht überbelastet und können sich für eine Standortswahl frei entscheiden. 4. Bedeutung von einzelnen Standortsfaktoren 4.1. Produktionsfaktoren „Zu den Produktionsfaktoren zählen in erster Linie sämtliche für die Produktion anfallenden Kosten z.B. für Löhne und Energie, die Infrastruktur, das Humankapital und der benötigte Arbeitsraum.“23 Menschliche Ressourcen spielen eine zentrale Rolle in vielen Modellen, aber wenn für die ersten Modelle (Agrargesellschaft, 22 Heng et al (2002), S.8 23 Bodenmann (2005), S.43
  • 10. 10 Industriegesellschaft) die Quantität zählte, ist aktuell Qualität von höchster Bedeutung. 4.2. Wirtschaftsfaktoren Wirtschaftliches Umfeld kann für Unternehmen sehr große Bedeutung haben. „In der heutigen Forschung zur regionalen Mikroökonomie und Standorttheorie spielen die Ansätze zu den Agglomerationsvorteilen, räumliche Cluster und dem Milieuansatz eine zunehmend wichtige Rolle.“24 Die Agglomerationseffekte geben den Unternehmen die Möglichkeit externe und interne Ersparnisse zu bekommen. Die Stückkosten pro Produktionseinheit können in diese Weise gesenkt werden. Deswegen suchen insbesondere neu gegründete Unternehmen Regionen mit hoher Konzentration an ökonomischen Aktivitäten. „Damit können unter anderem Kosten für die Beschaffung, Absatz, Forschung und Entwicklung minimiert werden.“ 25 Die Agglomerationseffekte werden in den ökonomischen Strukturanalysen berücksichtigt, z.B. in Shift-Share-Analyse. In der Tabelle 3 wird die Bedeutung von Agglomeration für verschiedene Unternehmen der Dienstleistungsbranche dargestellt. Tabelle 3 : Agglomerationsvorteile im Dienstleistungsbranche26 24 Frey et al (2002), S.74 25 Bodenmann (2005), S.46 26 Bodenmann (2005), S.49
  • 11. 11 Wenn man die Ergebnisse der Analyse von Tank (sehe Tabelle 3) näher betrachtet, wird deutlich, dass Agglomerationsbedarf besonders stark bei den regional orientierten Unternehmen besteht, während international orientierte Unternehmen in ihrer Standortswahl frei sind. „Zudem hängt der Agglomerationsbedarf von Unternehmen, und somit der Stellenwert der entsprechenden Standortfaktoren – stark von der Größe, der Produktion und dem Spezialisierungs- bzw. Diversifizierungsgrad der Unternehmung ab.“ 27 Auch E-Bussiness Unternehmen sind an wirtschaftliche Agglomerationen gebunden, es bestätigen die Forschungsergebnisse von Henderson (2003), Rosenthal und Strange (2003). Mit der zunehmenden Verbreitung von Internet stellt sich die Frage, ob die Bedeutung von Distanz mit der Zeit abnehmen wird. „Dohse et al. (2005) führten hierzu eine empirische Untersuchung in Deutschland durch und stellten fest, dass eine Marginalisierung der räumlichen Distanz kaum zu erwarten ist.“28 Die sinkenden Infrastrukturkosten bewirken aber räumliche Verlagerung. • Dienstleistungsunternehmen, die sich mit digitaler Datenverarbeitung beschäftigen, sind standortsunabhängiger geworden und verlagern ihre Aktivitäten aus Kostengrunden in billigere Produktionsstandorte, wie China und Indien. • High-Tech-Unternehmen sind im Gegenteil an hochentwickelte Industrieorte gebunden. Der Einfluss von Distanz wird sich somit verändern – aber nicht bedeutungslos werden. „Der Einfluss der räumlichen Lage bestehender Netzwerke bezüglich Lieferanten, Kunden und Beschäftigte wird im Standortwahlverhalten von bereits bestehenden Firmen gut sichtbar: neue Standorte sind in der Regel nicht allzu weit vom bestehenden Standort entfernt.“ (Lutter,1980; Sedlacek, 1994 und Pellenbarg, 2005).29 4.3. Rahmenbedingungen Staatlichen Einfluss auf das Standortverhalten ist sehr bedeutend. Siebert (2000) nennt in seiner Arbeit zwei Faktoren, die bei der Standortswahl wichtig sein können: 27 Bodenmann (2005), S.48 28 Bodenmann (2005), S.51 29 Bodenmann (2005), S.52
  • 12. 12 Steuern und Gesetzgebung. Mehrere wissenschaftliche Studien bestätigen die Bedeutung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. „Aus der Auswertung von 1025 Rückmeldung lässt sich schließen, dass für Ostschweizer KMUs der Einfluss von gesetzlichen Rahmenbedingungen, die administrativen Verfahren sowie die fiskalischen Belastungen am wichtigsten bewertet werden.“ 30 4.4. Umgebungsfaktoren Es sind Entscheidungsfaktoren, die neulich sehr bedeutsam geworden sind. Besonders in den letzten Jahren berücksichtigen die Arbeitskräfte neben Lohnvorteile auch Wohnortsfaktoren. Eine gute Wohnqualität ist besonders für hochqualifizierte Arbeitnehmer wichtig. 5. Zusammenfassung Mit der Entwicklung der Informationsgesellschaft verschiebt sich zunehmend die Bedeutung von klassischen Standortsfaktoren. Wenn im 19. Jahrhundert sprachen die niedrigen Transportkosten und Verfügbarkeit von Produktionsressourcen für eine Standortswahl, sind es heute vielmehr menschliche Ressourcen, die im Mittelpunkt stehen und Entwicklungsstand im jeweiligen Gebiet. Es ist nicht abzusehen, dass viele Unternehmen nutzen vorhandene Niedriglohnangebote, aber besonders innovative und komplizierte Arbeitsprozesse werden in naher Zukunft nicht in Richtung Schwellenländer mit niedrigen Kosten verlegt, sondern werden sich an bestehenden Ballungszentren konzentrieren. „Insbesondere wissensintensive, komplexe Wirtschaftsprozesse, die auf intensive Abstimmung der einzelnen Arbeitsprozesse bauen, werden sich mittelfristig sogar noch stärker als bisher in den Zentren der hochentwickelten Industrieregionen ballen.“31 Also niedrige Lohkosten sind keines Falls ein entscheidender Faktor bei der Wahl des Standortes, aber wenn wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Infrastruktur und menschliche Ressource vorhanden sind, kann es durchaus gute Voraussetzungen für eine Standortswahl versprechen. „Gleichwohl besteht für fortschrittsfreundliche Schwellenländer mit einem vertrauenswürdigen institutionellen System und guter 30 Bodenmann (2005), S.54 31 Heng et al (2002), S.11
  • 13. 13 technischer Infrastruktur die Chance, rasch näher an hoch entwickelte Industrieregionen heranzukommen.“32 Eine wesentliche Voraussetzung bei der Standortsplanung ist die Tätigkeit des Unternehmens. Je komplizierter und rohstoffabhängiger ist Produktion, desto beschränkter wird die Standortswahl. Im Gegenteil weniger anspruchsvolle Tätigkeiten können bei der Standortswahl fast weltweites Angebot nutzen. „Vor allem bei weniger komplexen Prozessen, die über geografische Distanzen hinweg einfach zu koordinieren sind, ermöglichen moderne IuK-Technologien im Herstellungsprozess weltweite Lohndifferenziale besser zu nutzen.“ 33 Die Tabelle 4 zeigt die wichtigsten Theorien und Modellen zur Standortwahl von Unternehmen. Tabelle 4: Einflussgrößen der Standortswahl von Unternehmen34 Während sich die ersten Theorien noch mit einigen wenigen wichtigen Standortfaktoren wie Ressourcen, Transportkosten, Markt beschäftigten, zeigen moderne Ansätze ein strukturiertes Vorgehen. „Seit den Anfängen der 32 Heng et al (2002), S.11 33 Heng et al (2002), S.11 34 Bodenmann (2005), S.36
  • 14. 14 Standorttheorie lassen sich verschiedene untersuchte Einflussbereiche der Standortwahl bezeichnen: i) die Produktionsfaktoren (inkl. Lage- bzw. Grundrente, Bodenpreis, Humankapital, Produktionskosten und somit der Preis des Endproduktes), ii) das wirtschaftliche Umfeld (Zentralität, Erreichbarkeit, interne und externe Agglomerationseffekte), iii) staatliche Eingriffe sowie iv) die Umwelt bzw. die Wohnqualität.“35 Allgemein ist festzustellen, dass die Einflussfaktoren je nach wirtschaftlichem Entwicklungsstand und Wirtschaftsgebiet unterschiedlich gewichtet werden. Es werden zunehmen auch neue Faktoren berücksichtigt, wie Umwelt und Wohnqualität. Zusammenfassend können alle beschriebenen Faktoren in vier Gruppen aufgeteilt werden: • Produktionsfaktoren (Produktionskosten, Ressourcen) • Wirtschaftsfaktoren (Agglomeration, Infrastruktur) • Rahmenbedingungen (Recht, Politik) • Umgebungsfaktoren (Wohnqualität, Umwelt) Um alle wesentlichen Standortsfaktoren berücksichtigen zu können, werden entsprechende Variablen und Indikatoren angesetzt, sehe Tabelle 5. Standortsfaktor Variable Indikator Produktionsfaktoren Lohnkosten Ressourcen Umsatzkosten Durchschnittliche Einkommen Rohstoffkosten Marktpreis Wirtschaftsfaktoren Infrastruktur Agglomeration Entwicklungsstand Transportkosten Bevölkerungsdichte Patentenzahl Raumbedingungsfaktoren Steuer Gesetz Steuersatz Behandlung Verfahren Umgebungsfaktoren Wohnqualität Umweltqualität Immobilienpreise, Miete Lärmschutz, etc. Tabelle 5: Standortsfaktoren, Variablen, Indikatoren 35 Bodenmann (2005), S.35
  • 15. 15 Lieteraturverzeichnis Bankhofen, U. (2001): Industrielles Standortmanagement. Aufgabenbereiche, Entwicklungstendenzen und problemorientierte Lösungsansätze, Deutscher-Universitäts-Verlag, Wiesbaden Bathelt, H., Glückler, J. (2002): Wirtschaftsgeographie. 2. Auflage, Stuttgart Bea, F. X. et al. (2004): Allgemeine Betriebswirtschaftslehre 1. Grundfragen. 9. Aufl., Lucius und Lucius, Stuttgart Bodenmann, B. (2005): Modelle zur Standortwahl von Unternehmen. Arbeitsbericht Verkehrs- und Raumplanung 336, Zürich Frey, R.L. und S. Schaltegger (2002): AREA Access to Regional Economic Approaches. Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum WWZ, UNI Basel, Basel Hansmann, K.-W. (1974): Entscheidungsmodelle zur Standortplanung der Industrieunternehmen. Gabler Verlag, Wiesbaden Heng, S., Schaaf J. (2002): Economics. Standortwahl in der vernetzten Welt - kein Ende der Distanz, Deutsche Bank Research, Jg.30, Frankfurt am Main Jaeck H.-J. (1972): Marketing und Regional Science. Betriebswirtschaftliche Schriften, Heft 58, Dunckler&Humbolt, Berlin Kinkel, S. (2004): Erfolgskritische Standortfaktoren ableiten – eine erfahrungsbasierte Auswahlhilfe. In: Kinkel, Steffen (Hg): Erfolgsfaktor Standortplanung. In- und ausländische Standorte richtig bewerten, Berlin Politik & Unterricht (2003): Globalisierung. Aspekte einer Welt ohne Grenze. Jg.29, Villingen- Schwenningen Schätzl, Ludwig (2003): Wirtschaftsgeographie 1 Theorie, 9. Auflage, Paderborn Zäpfel, G. (2004): Taktisches Produktions-Management , 2 Auflage, Oldenburg Wissenschaftsverlag, Oldenbourg Internetquellen: http://www.rueckverlagerung.de/Standortfaktorensystematiken.html. Stand: 22.12.12 http://www.mckinsey.de/downloads/publikation/buecher/2006/buecher_hgp_leseprobe.pdf.