2. Inhalt
Das Verhältnis von Mensch und Farben
Phraseologismen
Phrasenbildung
Herkunft
Verwendung
Die symbolische Mehrdeutigkeit der
Farbwörter
Äquivalenttypen
Zum Schluss
3. Das Verhältnis von Mensch
und Farben
Die Farben ein “altertümliches
Bedürfnis” der Menschheit
Der Mensch ist ein
farbengenießendes und
farbenproduzierendes Wesen
J.W. Goethe als erster
„Farbenpsychologe“
Farben bringen entscheidende
und bedeutsame Wirkung hervor
Farbbezeichnungen und
Assoziationen als Ausgangspunkt
für die Entstehung von
Phraseologismen
4. Phraseologismen (1.)
Eine konfrontative Analyse mit
Farbkomponenten des Deutschen, Russischen
und Ungarischen von rund 700
Phraseologismen
Korpus der Untersuchung die durch eine
bestimmten Grad an Idiomatizität, Stabilität
und Reproduzierbarkeit
Die Untersuchungsobjekt stellt hinsichtlich der
Struktur und Semantik der phraseologischen
Wendungen eine heterogene Gruppe dar.
5. Phraseologismen (2.)
In der Untersuchung die folgende
Bemerkungen seien gemacht:
1. Die braune Farbe wurde hier nicht angeführt, mit dieser
Komponente relativ wenig Phraseologismen exzerpiert
werden konnten
2. Unberücksichtigt wurden auch kuriosen Pseudo-
Farbwörter z.B. Blümerant(=weißliches Blau). „Mir wird
ganz blümerant vor den Augen“ – Schwindling
3. Man ausklammerte durch Mischung entstandenen
zusammengesetzten Farben
4. Ausgeschlossen wurden die Adjektive, die den
Farbwörtern zwar nahe stehen, aber keine solchen sind
(golden, bunt...)
6. Phraseologismen (3.)
5. Auf die Volksetymologie musste geachtet werden; die
vermeintliche Farbkonstituente bei der etymologischen
Analyse nicht als Farbwort erwiesen sich (russ. Krasnyj, –
heute „rot“ – geht auf krasivyj – „schön“ zurück)
6. Es erschien aufschlussreich, dass die von uns
behandelten Sprachen nicht genau über dieselben
Farbbezeichnungen verfügen. Blau setzt sich
beispielweise im Russischen aus zwei Farbadjektiven:
„goluboj“ und „sinij“, oder dt. Rot im Ungarischem
„piros“ und „vörös“
Die Wissenschaft hat eine Hierarchie der
Lexikalisierung der Grundfarben erarbeitet die auch
für unsere Belange nicht ohne Relevanz sind.
7. Phrasenbildung
Bei den Prozess können neben
metaphorischen und symbolischen Faktoren
auch andere Aspekte eine nicht zu
unterschätzende Rolle spielen:
1. Der Kontext zur Verstärkung z.B. „der grüne Neid“, Grün
mit einem negative Emotionen bezeichnenden
Substantive auftritt
2. Phonetische Motive – Alliteration, z.B. „Jn. grün und
gelb / braun und blau schlagen“
3. Phraseologisierung mit Kultur- bzw. landeskundlichen
Konventionen zu erklären: „blauer Brief“ – Kündigung
schreiben
8. Herkunft
Ausdrücke mit biblischer oder mythologischer Herkunft –
z.B.: „Das rote Pferd“, in der Offenbarung des Johannes
(6.4.) wurde später auch zum Symbol der bürgerliche
Kriege
Phraseologismen lassen sich auf geschichtliche Ereignisse ,
historische Personen oder auf lokale Sitten und Brauche
zurückführen – z.B.: dt. „graue Eminenz“ – russ. „seryj
kardinal“ – ung. „szürke eminenciás“ (der Kapuziner P.
Joseph, der engste Berater Richelius)
Die Weltliteratur trägt effektiv zur Herausbildung solcher
Phraseologismen, z.B.: dt. „der blaue Vogel“ – russ. „sinjaja
ptica“ – ung. „kék madár“
Farbkomponenten sind ziemlich vielen Neologismen oder
kreativ, innovative sprachspielerische Verwendungen, z.B.:
dt. „braunes Schaf“ – russ. „koricnevaja Cuma“ – ung.
„barna pestis“ (Mitläufer der NSDAP)
9. Verwendung
Die metaphorischen, symbolischen und allegorischen
Bedeutungen der Farben können vielfach zu
phraseologischen Verwendungsweisen führen.
1. Natürlichen Phraseologismen – bei denen die
Beziehungen zwischen die Farbe und der bezeichneten
Sache, bzw. dem Inhalt des Phraseologismus klar ist. Z.B.:
dt. „weiss wie Schnee“ – russ. „belyj kak sneg“ – ung.
„fehér mint a hó“
2. Allegorische Phraseologismen – In dem uns erst der Sinn
des Zeichens überliefert werden muss, ehe wir wissen, was
es bedeuten soll. Z.B.: „mit der grünen Farbe verhält, die
man der Hoffnung zugeteilt hat.
3. Konventioneller Phraseologismus – Z.B.: dt. „eine weiße
Maus“ (Verkehrspolizist) – russ. „krasnaja sapka“ (unter die
rote Mütze gehen = zur Armee gehen) – ung. „vörös
ördög“ (roter Teufel = Husar). Die symbolische bzw.
allegorische Bedeutung der Farben (Farbensymbolik) weist
aber national-kulturelle Unterschiede auf.
10. Die symbolische Mehrdeutigkeit
der Farbwörter (1.)
Die unbunten Farben Schwarz und Weiß, sowie das
„chromatische“ Rot zeigen in allen drei Sprachen die
höchste phraseologische Beteiligung
Schwarz und Weiß waren die ersten Farben, mit
denen sich der Mensch auseinandersetzte. Die weiße
Farbe symbolisiert die Sauberkeit, den moralischen
Wert. Dementgegen wirkst Schwarz umgekehrt die
Farbe des Pessimismus, der Trauer, des Zornes, der
Gewissenlosigkeit, des Unerlaubten. Z.B.: dt. „die
schwarze Magie“ – russ. „cernaja magija“ – ung.
„fekete mágia“. In allen drei Sprachen kann aber
Weiß u.a. Übelkeit, Blasswerden ausdrücken. Z.B.: dt.
„weiß wie eine Kalk Wand“ – russ. „belyj kak stena“ –
ung. „olyan fehér, mint a fal“
11. Die symbolische Mehrdeutigkeit
der Farbwörter (2.)
Rot ist die älteste produktive Farbe. Bei den primitiven
Völkern hat es eine wichtige Rolle gespielt. Es war die Farbe
der Zauberei und wurde ihm magische Kraft zugesprochen.
Rot wurde zur Farbe des Krieges und der Gerichtsbarkeit
wie auch der Gefahr. Im Mittelalter schloss sich dazu seine
Liebessymbolik an. Später wurde es zum Symbol für Kraft,
Revolution, Freiheit und Lebensfreude.
Das Grün ist zum Symbol der Jugend, des Wachstums, der
Wiedergeburt, sowie der (geistige) Unreife geworden.
Besonders im Ungarischen und im Deutschen sind mehrere
Neologismen vor allem in Bezug auf die Landwirtschaft, die
Natur. Z.B.: dt. „grüne Land“ (staatliches Programm für die
Landwirtschaft). Neubildung, die allen drei Sprachen eigen
ist, z.B.: dt. „grünes Licht geben“ – russ. „zelenuju ulicu“ –
ung. „zöld utat ad“. Grün ist eigentlich eine Mischung von
Gelb und Blau, hat die symbolisch-phraseologische
Verwendung dieser Farbe beeinflusst. Z.B.: dt. „sich grün
und gelb ärgern“ (sich unwahrscheinlich ärgern)
12. Die symbolische Mehrdeutigkeit
der Farbwörter (3.)
Blau soll nach den allgemeinen Glauben
Sehnsüchte und Träume wecken. Es wurde
auch zur Lieblingsfarbe der Romantik. Z.B.: dt.
„blaue Blume“ – russ. „goluboj cvetok“ - ung.
„kék virág“ (Symbol für die romantische
Dichtung nach dem Roman von Novalis
„Heinrich von Ofterdingen“. Blau galt
ursprünglich auch als Sinnbild der Treue. Mit
den Volksglauben zusammenhängt, dass es
die Farbe der Hölle eines blaues
Schwefelmeer sei. Bei Blau bietet das
Deutsche des umfangreichste empirische
Sprechmaterial: vgl. „einen blauen Montag
machen“ (nicht zur Arbeit gehen) „blauen“
13. Die symbolische Mehrdeutigkeit
der Farbwörter (4.)
Die unbunte Farbe Grau – als Übergang zwischen
Schwarz und Weiß – hatte zuerst „feindliche,
gespenstische“ oder im allgemeinen „böse“
Bedeutung. Es spiegelt vorwiegend Langweile
Unverständlichkeit, Pessimismus und Unsicherheit
wieder; vgl. „grauer Passagier“.
Unter den Grundfarben ist Gelb die hellste und
macht – nach Goethe – einen warmen und
behaglichen Eindruck auf unser inneres
Empfinden. Trotzdem hat das Farbwort in der
traditionellen Symbolik eine Abwertung erfahren.
Es steht demnach für Neid, Eifersucht, Misstrauen
und Feigheit: vgl. dt. „der gelbe Neid“ – russ.
„zeltaja zavist“ – ung. „sárga irigység“
14. Äquivalenttypen (1.)
Die ermittelten Äquivalenttypen können
folgenderweise zusammengefasst werden:
1. Phraseologische Entsprechung
1.1. Vollständige (totale) Äquivalenz, d.h. gleiche denotative
und konnotative Gesamtbedeutung, völlige Kongruenz in
der Komponentenkette, identisches Bild als Grundlage. Z.B.:
dt. „schwarzes Gold“ – russ. „cernoe zoloto“ – ung. „fekete
arany“
1.2. Teilweise (partielle) Äquivalenz
Lexikalische Variabilität, bzw. strukturelle Synonymie, d.h.
völlige Gleichheit der Gesamtbedeutung und des
syntaktischen Modells bei nicht genauer
Übereinstimmung im Komponenten bestand. Z.B. dt.
„grünes Licht“ – rus. „zelenaja ulica“ – ung. „zöld út“
Ideografische Synonymie, d.h. keine vollkommene
Identität der signifikanten phraseologischen Bedeutung.
Vgl. dt. „Schwarzarbeit“ – russ. „cernaja rabota“. Aber
der deutsche Ausdruck auf eine Lohnarbeit entgegen
den gesetzlichen Bestimmungen bezieht, wahrend die
gleichartige Wortgruppe des Russischen schmutzige
grobe Arbeit bezeichnet.
15. Äquivalenttypen (2.)
Hypero-Hyponymie, d.h. unvollständige Äquivalenz der
signifikativen Gesamtbedeutung durch das Vorhandensein von
zusätzlichen Semen bei einem der zu vergleichenden
Phraseologismen. Z.B.: dt. „ein weißer Raabe“ – russ. „belaja
vorona“ – nur Menschen zu Charakterisieren; ung. „fehér holló“
sowohl Lebewesen als auch Nicht-Lebewesen umschreiben
kann.
Stilistische Synonymie, d.h. unvollständige Äquivalenz der
Gesamtbedeutung auf Kosten eines Unterschiedes auf der
Stilebene. Z.B.: dt. „die blaue Ferne“ - ist
umgangssprachlich, wohingegen ung. „kék messzesség“ vor
allem im literarischen Stil gebraucht wird.
1.3. Funktionale Bedeutungsäquivalenz, d.h. die typologische Identität
der Phraseologismen zeigt sich nur in der Übereinstimmung der
logisch-semantischen Formen der Realisierung, hier unterscheidet
sich die konkrete bildhafte Grundlage der Wendungen. Z.B.: dt.
„due grüne Minna“ – so nennt man im Deutschen den
Polizeiwagen zum Gefangenentransport, wahrend die russische
Entsprechung „cernyj voron“ – „schwarze Raabe“ heißt.
16. Äquivalenttypen (3.)
2. Lexikalische Entsprechung
Der phraseologischen Wendung der einen Sprache
steht in der anderen Einwortlexem gegenüber: vgl. dt.
„schwarze Liste“ – russ. „cernyj spisok“ – aber ung.
„fekete lista“. Das Ungarische zeichnet sich im
allgemeinen durch eine gewisse Tendenz zur Bildung
von Nominal – und Adverbialkomposita aus.
3. Nulläquivalenz
Sie tritt auf, wenn aufgrund sprachlicher oder
außersprachlicher Faktoren bestimmten Phraseologismen
der einen Sprache keine entsprechenden Redensarten in
den anderen Sprache gegenüberstehen. Z.B.: der
deutschen Wendung dt. „gelbe Suppe“ (Bezeichnung für
ein üppiges Leben) im Russischen und Ungarischen kein
lexikalisches oder phraseologisches Sprachzeichen
zugeordnet werden.
17. Äquivalenttypen (4.)
4. Pseudo-Äquivalenz
Das Phänomen der Zwischensprachlichen
phraseologischen Homonymie. Z.B.: dt. „weißes Gold“
das Porzellan – ung. „fehér arany“ das Aluminium – russ.
„beloe zoloto“ die Baumwolle paraphrasiert.
18. Zum Schluss
Bezüglich der quantitativen Auswertung der Ergebnisse
kam zum Ausdruck das sich (im Vergleich zu den
Sprachenpaaren Deutsch-Russisch und insbesondere
Russisch-Ungarisch) vor allem die Relation Deutsch-
Ungarisch durch den höchsten Grad an phraseologischer
Äquivalenz auszeichnet. Zum anderen konnte festgestellt
werden, dass es im Russischen und Ungarischen sehr
wenige Entsprechungen gibt.
Zum Schluss sei die absolute Zahl der äquivalentlosen
Wendungen dieser phraseologischen Subgruppe
hinsichtlich der drei Sprachenpaare erwähnt; Deutsch-
Russisch: 352, Deutsch-Ungarisch: 344 und Russisch-
Ungarisch: 254.
Weitere wertvolle qualitativ neue Erkenntnisse ließen sich
gewinnen, wenn auch die textuelle Einbettung bzw. der
Kontext dieser Phraseologismen berücksichtigt würden.
Europhras 90. Akten der internationalen Tagung zur germanistischen
Phraseologieforschung. Aske/Schweden 12-15. Juni 1990. Hrsg: von Christine Palm. Acta
Universitatis Upsaliensis. Studia Germanistica Upsaliensia 32, Uppsala1991.