Der Attraktivitätsverlust der dualen Ausbildung ist keine kurzfristige Mode – eher ein stabiler Trend, der sich nicht leicht umkehren lässt, so eine zentrale These des Vortrags. Zudem sei die Medienaffinität vieler Jugendlicher nicht gleichzusetzen mit Medienkompetenz – bei Letzterer sind wir international nur Mittelmaß. Um die Grundlage unserer Produktivität und unserer Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden, sind Eltern, Schulen, Betriebe, Verbände und Politik dringend zum Handeln gefordert.
Angewandte Kognitions- und Medienwissenschaft an der Universität Duisburg_Essen
101121_Digitale Transformation – Quo vadis berufliche Bildung?
1. Impulsvortrag:
Quo Vadis? Herausforderungen und
Perspektiven für die berufliche Bildung
Frank Frick | Director und Leiter des Programms Lernen fürs Leben
Bertelsmann Stiftung
2. Zwei Vorbemerkungen:
1. Angst vor Arbeitslosigkeit durch technischen Fortschritt ist nicht neu
1964
05.10.2021 |
Digitalisierung in der Ausbildung 2
Quelle:
DER
SPIEGEL.
Titelbilder
und
Heftarchive
2019
2016
1978
2. 1978: als ich (/geb. 1964) in einer Schlosserei arbeitete…
3. Agenda
05.10.2021 |
Berufliche Bildung 3
Vier
Herausforderungen
der beruflichen
Bildung
01
Viele zusätzliche
Herausforderungen
durch die
Digitalisierung
02
Lessons
learned
03
4. Agenda
05.10.2021 |
Berufliche Bildung 4
Vier
Herausforderungen
der beruflichen
Bildung
01
Viele zusätzliche
Herausforderungen
durch die
Digitalisierung
02
Lessons
learned
03
5. Der Attraktivitätsverlust der dualen Ausbildung ist keine kurzfristige
„Mode“ – eher ein stabiler Trend
Trotz großem Fachkräfte-Bedarf:
15,1% weniger duale Azubis seit 2005
05.10.2021
Berufliche Bildung 5
-5.60%
-7.40%
-9.20%
-15.10%
-16.00%
-14.00%
-12.00%
-10.00%
-8.00%
-6.00%
-4.00%
-2.00%
0.00%
Rückgang Berufsausbildung in %
Berufsausbildung insgesamt
duale Ausbildung
Rückgang der Berufsausbildung
Veränderung in %
2019 – 2020 2005 - 2020
Parallel Anstieg nicht-dualer Ausbildung
Jede Krise hinterlässt einen Bruch -
2019: 19,4% d. Betriebe bilden noch aus
Akademisierung, Studium „verspricht“
besseren Verdienst, mehr Flexibilität &
Chancen, spätere Berufsentscheidung
FHs bieten maßgeschneidertes „duales
Studium“, einige Betriebe steigen ein/um
Länderwettbewerb beim Ausbau von FHs
– berufliche Neuordnung braucht länger
6. Berufsorientierung:
Je früher, desto besser!
Ab Kl. 7 stetig & integriert !
05.10.2021
Berufliche Bildung 6
Information verbessern
Seit 90ern: Ausbau in Haupt-,
Real- u. Gesamtschulen
Nachholbedarf in Gymnasien -
nach Abi: 25% in Ausbildung
mehr praktische Angebote:
Betriebsbesuche, Praktika,
Schülerfirmen, …
Ausbildungseinstieg: ~19,7 J.
Lösung: Mittelschülern früher
Chancen geben!
7. Angebot an vollwertiger Ausbildung sichern!
3000 Betriebe befragt: über
50% suchen Mitarbeiter
ohne Vollprofil
05.10.2021
Berufliche Bildung 7
In der Metallverarbeitung suchen 77% der Arbeitgeber
Mitarbeiter mit nur ein oder zwei Teilqualifikationen
Wg. Arbeitsteilung und
Spezialisierung bieten immer
weniger Betriebe Einblick in
alle Ausbildungsinhalte
Lösung: mehr Kooperation
von Ausbildungsbetrieben
bzw. überbetriebliche
Ausbildung
8. Berufsschullehrer:
Bestand & Nachwuchs sichern
Studie von 2018: Bis 2030 gehen
die Hälfte der 125.000 BS-Lehrer
in Rente
05.10.2021
Berufliche Bildung
8
Bedarf an 4.000 Lehrern p. a.,
ausgebildet werden nur 2.000
Ab 2030 verschärft sich die Lage:
Bedarf an 6.000 Lehrern p.a.
Lösung: Mehr Studienplätze und
mehr Quereinsteiger, TZ-Kräfte
aufstocken, „Pensionäre“ halten
9. Agenda
05.10.2021 |
Berufliche Bildung 9
Vier
Herausforderungen
der beruflichen
Bildung
01
Viele zusätzliche
Herausforderungen
durch die
Digitalisierung
02
Lessons
learned
03
11. Strukturierungshilfe: „Digitalisierung der Berufsbildung“ auf drei Ebenen
05.10.2021
Berufliche Bildung
Berufsbildung 4.0
Virtual Reality
WLAN für alle
Digital Natives
digitale Transformation
Augmented Reality
Robotik
Social Media
Cloud Computing
Internet der Dinge
KI
Big Data
Digitalpakt
11
Quelle:
Euler,
Severing,
&
Bertelsmann
Stiftung
(2019).
Berufsbildung
für
eine
digitale
Arbeitswelt.
Erst einmal einige Beispiele für den
Handlungsbedarf: …
12. Medienaffinität vieler Jugendlicher bedeutet nicht Medienkompetenz
05.10.2021 |
Berufliche Bildung 12
Schüler*innen: Computer-Kompetenzen:
… international im Mittelfeld
… 30% auf unteren Kompetenzstufen
… nur 2% Leistungsspitze (Stufe V)
Quelle:
Bos
et
al.
2014
ICILS-Studie – “PISA für Computer-Kompetenzen”
Lösung: frühzeitig in Familie, Schule,
Ausbildung entwickeln – für alle!
Schwerpunkte: Umgang mit Information,
berufl. Fachwissen, „Transversale
Kompetenzen“ (soziale Kompetenzen,
kritisches Denken, Kreativität)
Wissen erschließen & Umgang mit
Informationen wird immer wichtiger!
13. Der Geist ist willig,
… das WLAN schwach
… die Digitalpaktgelder in Berlin
…
05.10.2021 |
Berufliche Bildung 13
Quelle:
Schmid
et
al.
2016
Aber…
DGB 2020: Die Qualität des
Corona-Homeschooling-Unterrichts
in Berufsschulen bewerten 47,1%
als gut o. sehr gut, nur 18,7% als
ausreichend o. mangelhaft
Woran das liegt? …
14. Berufsschullehrer:innen sind
engagierte digitale Autodidakt:innen
05.10.2021 |
Berufliche Bildung 14
Quelle:
Schmid
et
al.
2016
Digitale Technologien erzeugen nicht
automatisch didaktischen Mehrwert: Ist
es dadurch anschaulicher, motivierender,
interaktiver, individueller, aktueller?
Kompetenzerwerb bei digitalen Medien
derzeit primär durch Selbststudium und
kollegialer Austausch - auch bei
Ausbilder:innen
Lösungen:
- in Aus- & Weiterbildung integrieren
- stärkere Lernortkooperation, gem. Projekte
- gemeinsame Qualifizierung
15. 05.10.2021 |
Berufliche Bildung 15
Digitalisierung: Bleibt alles - nur anders? Oder entstehen neue Qualitäten?
Nutzungsreichweite / -intensität
Substitution analoger Technologien
Anreicherung des
Ausbildungsprozesses
Re-Design des
Ausbildungsprozesses
Beispiele
• Overhead-Folien Präsentationstools (z.B. ppt)
• Printtexte eBook; PDF-Kopien
• Lernvideos, DVDs "YouTube"-Videos
• Erweiterungstechnologien (z.B. Internet; Assist.syst.)
• Kommunikationstechnologien (z.B. Foren; Blogs)
• Selbstlerntechnologien (z.B. Lern-Apps; Simulationen)
• Blended Learning Arrangements
• Eigenproduktion von digitalem Content durch Lernende
• Self-Assessment zur Steuerung von Lernwegen
16. Agenda
05.10.2021 |
Berufliche Bildung 16
Vier
Herausforderungen
der beruflichen
Bildung
01
Vier zusätzliche
Herausforderungen
durch die
Digitalisierung
02
“Lessons
learned”:
03
17. Technologische Ausstattung sicherstellen
(Gemeinsame) Qualifizierung des Lehr- und
Ausbildungspersonals
Kooperation innerhalb und zwischen Lernorten stärken
Beschulung in der Fläche sicherstellen
05.10.2021
Berufliche Bildung
„Digital Literacy“ für alle Jugendlichen sicherstellen
Erschließung neuen Wissens ermöglichen
Stärkung der Kompetenzen, die schwer durch Maschinen
ersetzt werden können
Didaktischen Mehrwert prüfen
Berufsprofile (schneller) anpassen
Anpassung Prüfungssystem (begleitende digitale Tests)
Weiterbildung bereits in der Ausbildung anlegen und
– auch institutionell – verbinden
17
Quelle:
Bertelsmann
Stiftung
(2020).
Digitalisierung
in
der
beruflichen
Bildung
–
drängender
denn
je!
Thesen
aus
der
Initiative
"Chance
Ausbildung"
Digitalisierung – unsere
„lessons learned“
18. Attraktivitätsverlust der dualen Ausbildung - hier sind Eltern, Schulen, Betriebe,
Verbände und Politik gefordert – es geht um unserer Wettbewerbsfähigkeit.
Berufsorientierung – je früher und praktischer, desto besser (auch in Gymnasien).
Ausbildungsangebot und vollwertige Ausbildung (trotz Spezialisierung) durch
Kooperation gewährleisten.
Ausbilder & Berufsschullehrer: unterschätzt und unersetzlich! Nachwuchs sichern!
05.10.2021
Berufliche Bildung 18
Zur dualen Ausbildung: „Lessons learned“:
19. www.bertelsmann-stiftung.de
Besuchen Sie uns auch auf
Frank Frick
Director
+49 5241 81-81253
frank.frick@bertelsmann-stiftung.de
Website: www.chance-ausbildung.de
Newsletter: www.b-sti.org/ausbildung
Blog: www.blog.aus-und-weiterbildung.eu
„Die Grundlage eines jeden Staates ist die Ausbildung seiner Jugend.“
zugeschrieben Diogenes von Sinope (um 400 - 323 v. Chr.),
griechischer Philosoph
20. Wie wird sich die Arbeitswelt entwickeln?
Drei (sehr unterschiedliche) Szenarien:
05.10.2021 |
Berufliche Bildung 20
Substitution Upgrading Polarisierung
Eine begrenzte Zahl neuer
komplexer Tätigkeiten und
viele einfache Tätigkeiten
entstehen, während die
Nachfrage nach mittlerer
Qualifikation schwindet.
Durch Automatisierung
werden gering qualifizierte,
routinehafte Tätigkeiten
verschwinden.
Durch Assistenzsysteme
unterstützt werden
Qualifikationen insgesamt
aufgewertet.
Qualifikationsniveau
hoch mittel niedrig
Quelle:
basierend
auf
IMU
Institut
2017