Poser: Rechtsprechungsübersicht zu Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten...
Ahlberg: Kommentar zu den Leistungsschutzrechten – Teil 1. Entwicklung, Systematik, rechtliche Qualität
1. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B2 Verwandte Schutzrechte
Kommentar zu den
Leistungsschutzrechten – Teil 1
Entwicklung, Systematik, rechtliche Qualität
Prof Dr. Hartwig Ahlberg B
Rechtsanwalt und vereidigter Buchprüfer, Partner bei SCHLARMANNvonGEY- 2.3
SO, Hamburg; Honorarprofessor an der Universität Lüneburg; Mitherausgeber S. 1
des Urheberrechtskommentars Möhring/Nicolini; Vorsitzender des Urheberfach-
ausschusses für Urheber- und Medienrecht bei der Rechtsanwaltskammer Ham-
burg
Inhalt Seite
1. Entwicklung der Leistungsschutzrechte 2
1.1 Die Regelung nach dem Literatururheberrechtsgesetz von 1901 2
1.2 Die Regelung nach dem Urheberrechtsgesetz von 1965 2
1.3 Abschließende Regelung der Leistungsschutzrechte 4
1.4 Kritik der Urheber 5
2. Gesetzessystematik 6
2.1 Systematik nach der Gesetzesbegründung 6
2.2 Einbeziehung urheberrechtlicher Vorschriften in die
Leistungsschutzrechte 6
3. Rechtliche Qualität der Leistungsschutzrechte 8
3.1 Geborene Rechte 8
3.2 Absolute Rechte 8
3.3 Wertigkeit der Leistungsschutzrechte 9
3.4 Die geistige Leistung und die Investition als Leistungsschutzrechte 10
3.5 Die Personengruppen 10
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2. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B2 Verwandte Schutzrechte
1. Entwicklung der Leistungsschutzrechte
1.1 Die Regelung nach dem Literatururheberrechtsgesetz
von 1901
Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrech-
te vom 9. September 1965 (UrhG) waren Leistungsschutzrechte unbekannt. Das
B Literatururheberrechtsgesetz von 1901 (LUG) kannte nämlich nur den Schutz des
2.3 Urhebers. Mit Aufkommen der Schallplatte und Sendung bekam die Interpretati-
S. 2 on aber eine ganz andere Dimension. Die persönliche Darbietung eines ausüben-
den Künstlers konnte nunmehr unmittelbar oder durch Sendung auf Schallplatte
aufgenommen und damit vervielfältigt werden. Da das LUG weder dem aus-
übenden Künstler noch dem Tonträgerhersteller einen Schutz gewährte, bestand
die grundsätzliche Gefahr, dass Dritte Schallplatten ohne Einwilligung der aus-
übenden Künstler und der Tonträgerhersteller vermarkten konnten, ohne hierfür
rechtlich in Anspruch genommen werden zu können. Einen gewissen mittelbaren
Schutz erlangten sie dann, wenn das auf Tonträger eingespielte Werk nach dem
LUG geschützt war. Der Urheber konnte daher gegen jede ohne seine Einwilli-
gung vorgenommenen Vervielfältigung und Verbreitung seines Werkes Unterlas-
sungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Da diese Rechte übertrag-
bar waren, konnte der Urheber die aus seinem Urheberrecht fließenden Verbots-
rechte auch auf den Tonträgerhersteller übertragen. War das Werk allerdings nicht
oder nicht mehr geschützt, konnte einer Produktpiraterie urheberrechtlich aber
kein Einhalt geboten werden. Ein Schutz des Tonträgerherstellers war jedoch in
Anbetracht der zur Herstellung einer Schallplatte erforderlichen zum Teil sehr
hohen Investitionen unabweislich. Die Rechtsprechung löste dieses Problem,
indem sie dem ausübenden Künstler ein fiktives Bearbeiterurheberecht zuerkann-
te, das dieser regelmäßig auf den Tonträgerhersteller übertrug (BGHZ 8, 88 –
Magnetophon).
1.2 Die Regelung nach dem Urheberrechtsgesetz von 1965
Das UrhG machte aber mit diesem fiktiven Bearbeiterurheberrecht in der Er-
kenntnis Schluss, dass die Bearbeitung nach § 3 eine schöpferische Leistung
voraussetzt.
Die künstlerische Darbietung ist aber keine schöpferische Leistung. Sie ist ledig-
lich nachschaffend. Der Gesetzgeber kreierte deshalb zugunsten des ausübenden
Künstlers stattdessen ein eigenes originäres Leistungsschutzrecht, das mit und
aufgrund seiner künstlerischen Darbietung entsteht.
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3. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B2 Verwandte Schutzrechte
Das Leistungsschutzrecht der ausübenden Künstler
Damit wurde die Rechtsstellung des ausübenden Künstlers zweifelsohne gestärkt.
Denn dieses Leistungsschutzrecht war nicht mehr nur Hilfsmittel, um dem Ton-
trägerhersteller zu ermöglichen, gegen eine rechtswidrige Vervielfältigung seiner
Schallplatten vorgehen zu können. Vielmehr handelt es sich um ein selbständiges
Recht, das der ausübende Künstler auch gegen jedermann geltend machen kann,
der dessen künstlerische Darbietungen ohne seine Zustimmung nutzt, insbesonde- B
re heimlich auf Tonträger aufnimmt (sog. Bootlegging). 2.3
S. 3
Mit der gesetzlichen Zuerkennung eines Leistungsschutzrechts zugunsten des
ausübenden Künstlers wären an sich zugleich auch die Interessen des Tonträger-
herstellers gesichert. Denn das aus der Darbietung des ausübenden Künstlers
fließende Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht gemäß § 77 ist nach § 79
übertragbar. Der Tonträgerhersteller wäre daher aus abgeleitetem Recht in der
Lage, gegen jede illegale Vervielfältigung und Verbreitung rechtlich vorzugehen.
Das Leistungsschutzrecht der Tonträgerhersteller
Aber die Beschränkung auf ein bloßes abgeleitetes Recht hätte für den Tonträger-
hersteller durchaus Nachteile. Der Gesetzgeber (Amtl. Begr. BT IV/270 S. 95)
hatte die Nachteile darin gesehen, dass die ausübenden Künstler sich weitgehend
zu Verwertungsgesellschaften zusammengeschlossen hätten, die ihre Rechte an
Tonträgern wahrnehmen sollen. Dadurch könne dem Tonträgerhersteller der
Erwerb dieser Rechte erschwert werden. Außerdem wirkten bei der Herstellung
eines Tonträgers nicht immer ausübende Künstler mit, z. B. dann nicht, wenn
Tierstimmen oder andere Naturlaute auf Tonträger aufgenommen würden.
Diese Begründung ist indessen wenig überzeugend. Gleichzeitig mit dem UrhG
war das Gesetz zur Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutz-
rechten (Urheberwahrnehmungsgesetz) vom 9. September 1965 In Kraft getreten,
nach dessen § 11 die Verwertungsgesellschaften verpflichtet sind, jedermann auf
Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen. Die
Erschwerung eines Rechteerwerbs bestand daher von vornherein nicht. Auch die
Gefahr einer illegalen Verwertung von Tonträgern mit Tierstimmen oder sonsti-
gen Naturlauten überzeugt nicht. Denn die Gefahr einer illegalen Auswertung
solcher Tonträger besteht mangels eines entsprechenden Interesses in tatsächli-
cher Hinsicht nicht. Gleichwohl war es richtig, dem Tonträgerhersteller ein eige-
nes Leistungsschutzrecht zu zuerkennen. Im Konfliktfall müsste dieser nämlich
den Nachweis erbringen, dass ihm die Rechte vom ausübenden Künstler auch
tatsächlich übertragen worden sind und dass diese Rechtsübertragung wirksam
ist. Gerade im internationalen Geschäft ist dieser Nachweis jedoch nur sehr
schwer zu erbringen.
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4. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B2 Verwandte Schutzrechte
Das Leistungsschutzrecht weiterer
Leistungsschutzberechtigter
Mit der Anerkennung eines eigenen Leistungsschutzrechts zugunsten der aus-
übenden Künstler und der Tonträgerhersteller war in Anerkennung des verfas-
sungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes die Brücke geschlagen, weiteren
Personen Leistungsschutzrechte zu gewähren, die nach der Gesetzesbegründung
B (Amtl. Begr. BT IV/270 S. 86) „zwar nicht als schöpferisch anzusehen, wohl aber
2.3 der schöpferischen Leistung des Urhebers ähnlich sind oder im Zusammenhang
S. 4 mit den Werken der Urheber erbracht werden.“ Das sind neben den ausübenden
Künstlern (§ 73) und Tonträgerherstellern (§ 85) die Herausgeber wissenschaftli-
cher Ausgaben (§ 70) und nachgelassener Werke (§ 71), Konzertveranstalter
(§ 81), Sendeunternehmen (§ 87), Hersteller von Datenbanken (§§ 87 a), Film-
hersteller (§ 94) und die Hersteller von Laufbildern (§ 95).
1.3 Abschließende Regelung der Leistungsschutzrechte
Die Rechte der Leistungsschutzberechtigten sind im UrhG abschließend geregelt.
Dadurch unterscheiden sich die Leistungsschutzrechte von dem Recht der Urhe-
ber. Denn zu den geschützten Werken des § 2 Abs. 1 gehören „insbesondere“ die
in Nr. 1 bis 7 aufgeführten Werke. Der Verleger ist daher nicht Inhaber eines
eigenen Leistungsschutzrechtes, obwohl er genauso Werkmittler ist wie bei-
spielsweise der Tonträgerhersteller. Zwar erwirbt er nach § 8 VerlG durch den
Verlagsvertrag ein ausschließliches Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht.
Dieses Recht ist qualitativ aber nicht mit den Rechten der im UrhG geregelten
Leistungsschutzrechten vergleichbar, denn es ist ein vom Urheber abgeleitetes
Recht. Dagegen sind die Leistungsschutzrechte originäre Rechte, die entstehen,
sobald die entsprechende Leistung erbracht wird. Das Verlagsrecht ist also ein
von dem Urheber abhängiges Recht – mit allen sich daraus für den Verleger erge-
benden Risiken, wie beispielsweise, dass der Verlagsvertrag nicht wirksam ist.
Zwischen Verleger und Autor besteht also ein Abhängigkeitsverhältnis, das der
Gesetzgeber des UrhG aus guten Gründen im Verhältnis zwischen Tonträgerher-
steller und ausübendem Künstler gerade beseitigt hat.
Dieser Unterschied in der rechtlichen Behandlung von Verlegern und Leistungs-
schutzberechtigten liegt daran, dass der Gesetzgeber keine Notwendigkeit für
eine Änderung des Verlagsgesetzes sah, da dieses sich „im wesentlichen bewährt“
hätte (Amtl. Begr. BT/ 270 S. 27). Diese Auffassung gehört im Hinblick auf die
weiterentwickelten Übertragungstechniken jedoch auf den Prüfstand. Denn die
Verleger pflegen heutzutage Sprachwerke auch auf Tonträgern zu verbreiten. Sind
diese von ihnen selbst hergestellt worden, sind sie Tonträgerhersteller gemäß § 85
UrhG und damit mit einem originären Leistungsschutzrecht ausgestattet. Auf der
anderen Seite kann das Verlagsgesetz, das von Haus aus nur das sog. Papierge-
schäft zum Gegenstand hat, entsprechend auch auf Hörbücher angewendet wer-
den. Denn materiell-rechtlich besteht zwischen einem Buch im herkömmlichen
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