Benclowitz: Abmahnung im Orchester. Voraussetzungen, Formulierungen und Verfahren
1. D Arbeits- und Personalrecht
D3 Arbeitsverhältnisse
Abmahnung im Orchester
Voraussetzungen, Formulierungen und Verfahren
Joachim Benclowitz
Seit 1986 Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht mit den weiteren Schwer-
punkten Urheber- und Medienrecht; seit 1991 Geschäftsführer und Syndikus des
Landesverbandes Nord im Deutschen Bühnenverein mit Sitz in Hamburg; Dozent
an der Hochschule für darstellende Kunst und Musik, Hamburg
Inhalt Seite
D
1. Einleitung zur Abmahnung 2 3.4
1.1 Abmahnung ist Missbilligung 3
S. 1
1.2 Warnung und Androhung 5
1.3 Nur der Weisungsbefugte darf abmahnen 6
1.4 Inhalt und Form der Abmahnung 7
2. Das Verfahren bei Abmahnung 9
2.1 Erklärungsfrist der Abmahnung 10
2.2 Wirkungsdauer der Abmahnung 11
2.3 Abmahnung: Ohne Zugang keine Wirksamkeit 12
2.4 Die Rechte der Musiker gegen die Abmahnung 14
3. Exkurs Orchestervorstand: Tarifvertragliches
Ordnungsrecht bei Orchestermusikern 15
4. Notwendige Inhalte Ihrer Abmahnung 16
Beispielhafte Formulierung 8
Beispielhafte Formulierung 8
Checkliste: Notwendige Inhalte einer Abmahnung 16
39 Kultur & Recht November 2007
2. D Arbeits- und Personalrecht
D3 Arbeitsverhältnisse
1. Einleitung zur Abmahnung
Abmahnungen sind bei Pflichtverletzungen auch im Orchesterbereich oft der
erste Schritt sich von einem Orchestermusiker zu trennen. Deshalb sind sie ein
Mittel, mit dem Sie sehr sorgfältig und vorsichtig umgehen sollten. Schließlich
soll die Abmahnung Ihrem Orchestermusiker verdeutlichen, dass es seine letzte
Chance ist, seinen Arbeitsplatz zu behalten. Wichtig für Sie als Arbeitgeber ist
daher, dass Sie die allgemeinen Grundregeln der Abmahnung beherrschen.
Orchestermusiker, die unzuverlässig oder ständig aufmüpfig sind, spielen mit
ihrem Job. Aber vor einer Kündigung ist in der Regel eine Abmahnung – die
„gelbe Karte“ des Arbeitsrechts – notwendig.
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3.4 Beispiel: Mehrfach zu spät zu Proben
S. 2 Ihr Cellist, Herr Richter, ist in den letzten Wochen mehrfach un-
entschuldigt zu spät gekommen. Trotz wiederholter Aufforderun-
gen hat er Ihnen bis jetzt keine plausible Entschuldigung hierfür
mitgeteilt.
Konsequenz: In einem solchen Fall können Sie eine Abmahnung erteilen. Aber
wie soll so ein Abmahnungsschreiben eigentlich aussehen? Müs-
sen Sie vielleicht bestimmte Formalien berücksichtigen? Oder be-
stimmte Fristen? Können Sie eigentlich gleich nach der ersten
Abmahnung eine Kündigung aussprechen, wenn Herr Richter
wieder unentschuldigt fehlt?
Mit einem Fehlverhalten eines Orchestermusikers sind also eine ganze Reihe von
Fragen verbunden. Dies zumal in einem Bereich des Arbeitsrechts, in welchen
das gegenseitige Pflichtengefüge weitgehend tarifvertraglich in Gestalt des Tarif-
vertrages für Orchestermusiker (TVK) geregelt ist. Fehlverhalten bedeutet in der
Regel, dass der Orchestermusiker sein Verhalten positiv ändern kann (sogenann-
ter steuerbarer Teil des Verhaltens).
Beispiel: Der korrekte Trompeter
Ihr Trompeter, Herr Tamm, ist nach langjähriger Tätigkeit in Ihrem
Orchester aus personenbedingten Gründen (krankheitsbedingt)
nicht mehr in der Lage, die Töne wie bisher zu blasen.
Konsequenz: Hier kommt keine Abmahnung in Betracht, da eine krankheitsbe-
dingte Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit vorliegt.
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3. D Arbeits- und Personalrecht
D3 Arbeitsverhältnisse
Im Regelfall muss ansonsten zunächst aber immer eine Abmahnung ausgespro-
chen werden. Erst wenn diese keinen Erfolg zeigt, der Arbeitnehmer sich also
erneut fehl verhält, können Sie kündigen. Wie bei Kündigungen ist die Rechts-
sprechung auch bei Abmahnungen sehr streng. Als Arbeitgeber müssen Sie daher
auch beim Abfassen einer Abmahnung bestimmte Regeln beachten, um erfolg-
reich sein zu können. Was Sie zu beachten haben, erfahren Sie in diesem Beitrag.
1.1 Abmahnung ist Missbilligung
Mit der Abmahnung geben Sie als Arbeitgeber zum Ausdruck, dass Sie ein be-
stimmtes Verhalten Ihres Musikers missbilligen, verbunden mit dem Hinweis,
dass im Wiederholungsfall der Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet ist.
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3.4
Beispiel: Arbeitsverweigerung
S. 3
In Ihrem Orchester ist Frau Möller als Harfenistin beschäftigt. Da
sich der Dirigent über „Misstöne“ beschwert hat, fordern Sie sie
auf, die Saiten der von ihr benutzten Harfe zu stimmen. Frau Möl-
ler antwortet Ihnen, dass sie etwas Besseres zu tun habe und zu-
dem hierfür nicht verantwortlich sei. Dies sei Aufgabe der Orches-
terwarte.
Konsequenz: In diesem Fall können Sie eine Abmahnung aussprechen, da Frau
Möller ihre Arbeit verweigert hat. Zu ihren Aufgaben gehört auch,
dass sie das von ihr gebrauchte Instrument in einem tadellosen und
spielfertigen Zustand benutzt. Der Arbeitgeber hat bei Kulturor-
chestermusikern hierbei aber das Instrument zu stellen und die er-
forderlichen Instandsetzungskosten zu tragen, § 12 Tarifvertrag für
Orchestermusiker (TVK). Für die Abnutzung wird ein Instrumen-
tengeld nach Maßgabe des Tarifvertrages über Instrumentengeld
sowie Rohr-, Blatt- und Saitengeld gezahlt.
Eine Abmahnung können Sie bei Verstößen Ihres Mitarbeiters gegen Haupt- und
Nebenpflichten aus seinem Arbeitsvertrag aussprechen.
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4. D Arbeits- und Personalrecht
D3 Arbeitsverhältnisse
Beispiel: Fehlende Anzeige einer Nebentätigkeit
In einem anderen Fall stellen Sie zum wiederholten fest, dass Herr
Mugge eine Nebentätigkeit in einem anderen Orchester Ihnen ge-
genüber nicht angezeigt hat. Ausdrücklich hatten Sie darauf hin-
gewiesen, dass Sie auf die Einhaltung der tarifvertraglich veran-
kerten Anzeigepflicht bei Nebentätigkeiten strengsten Wert legen
und die Einhaltung kontrollieren wollten.
Konsequenz: Auch hier können Sie gegenüber Herrn Mugge eine Abmahnung
aussprechen. Nach § 9 S. 1 TVK muss der Kulturorchestermusiker
jede entgeltliche Nebenbeschäftigung dem Arbeitgeber rechtzeitig
vor Ausübung anzeigen. Zu seinen arbeitsvertraglichen Neben-
D pflichten gehört es auch, die Nebentätigkeitsgebote einzuhalten.
3.4 Allerdings kann der Arbeitgeber die Nebentätigkeit nur dann un-
tersagen, wenn sie die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten
S. 4
des Musikers oder sonstige berechtigte Interessen des Arbeitgebers
beeinträchtigt. Die Untersagung hat dann schriftlich zu erfolgen
(§ 9 S. 2 TVK).
Darüber hinaus ist eine Abmahnung auch bei Verstößen gegen die kollektive
Ordnung in Ihrem Orchesterbetrieb möglich.
Beispiel: Verstoß gegen vorzeitiges Erscheinen vor Konzertbeginn
In Ihrem Orchester ist tarifvertraglich geregelt, dass Musiker strikt
10 Minuten vor Konzertbeginn anwesend sein müssen. Mehrfach
haben Sie darauf hingewiesen, dass diese Regel unbedingt einzu-
halten sei. Ihre Harfenistin, Frau Möller, setzt sich über diese Re-
gel hinweg.
Konsequenz: In diesem Fall ist eine Abmahnung berechtigt, da sich Frau Möller
über die betriebliche Ordnung hinweggesetzt hat. § 15 Abs. 6 TVK
sieht für Musiker, die unter diesen Tarifvertrag fallen, eine ent-
sprechende Regelung vor, d. h., der Kulturorchestermusiker muss
sich hier spätestens zehn Minuten vor Beginn des Dienstes in der
Aufführungsstätte einfinden und spätestens fünf Minuten vorher
seinen Platz im Orchester einnehmen.
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