Brelle, Jurack: Urheberrechtsreform: Nutzungsrechte für unbekannte Nutzungsarten
B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
Urheberrechtsreform: Nutzungsrechte
für unbekannte Nutzungsarten
Gesetzesänderung und Auswirkung auf bestehende Verträge
Jens O. Brelle B
Rechts- und Medienanwalt, Hamburg. Dozent an der Hochschule für Angewandte 1.16
Wissenschaften (HAW), am Institut für Kultur- und Medienmanagement (KMM) S. 1
und an der Akademie Mode und Design GmbH (AMD), Hamburg, www.art-
lawyer.de.
Denise Jurack
Jahrgang 1981; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg
seit April 2004.
Inhalt Seite
1. Einleitung 2
2. Die Änderungen des „Zweiten Korbs“ hinsichtlich der
Nutzungsrechte im Überblick 2
3. Was sind unbekannte Nutzungsarten? 3
4. Was ist urheberrechtlich geschützt? 3
4.1 Einfaches Nutzungsrecht 3
4.2 Ausschließliches (exklusives) Nutzungsrecht 3
5. Die neue Rechtslage und ihre Konsequenzen 3
5.1 Verträge nach dem 01.01.2008 4
5.2 Übersicht für Verträge nach dem 01.01.2008 5
5.3 Verträge vor dem 01.01.2008 6
5.4 Übersicht für Verträge vor dem 01.01.2008 7
6. Tipps für einzelne Branchen 8
6.1 Filmbranche 8
6.2 Verlag/Verleger 8
6.3 Bibliotheken 8
7. Fazit 9
8. Ausblick 9
Verträge nach dem 01.01.2008 5
Verträge vor dem 01.01.2008 7
42 Kultur & Recht Juni 2008
B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
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1. Einleitung
Nachdem Ende 2003 der „Erste Korb“ zur Reform des Urheberrechts in der In-
formationsgesellschaft verabschiedet wurde, trat zum 01.01.2008 der „Zweite
Korb“ der Urheberrechtsreform in Kraft. Mit dem „Zweiten Korb“ soll eine An-
passung des Urheberrechts an die Bedürfnisse der sich stets entwickelnden In-
formationsgesellschaft erfolgen. Das Urheberrecht ist und bleibt eine ständige
B Aufgabe für den Gesetzgeber. Ein weiterer „Dritter Korb“ für Bildung und Wis-
1.16 senschaft ist in Bearbeitung.
S. 2
Dieser Beitrag befasst sich mit den Änderungen des „Zweiten Korbs“, insbe-
sondere mit dem Umgang unbekannter Nutzungsarten. Nach einer kurzen Dar-
stellung der Änderungen des „Zweiten Korbs“ hinsichtlich der Nutzungsrechte
und der Erläuterung einzelner Begriffe, soll dann auf die praktische Handha-
bung im Umgang mit den Änderungen im Bereich der unbekannten Nutzungs-
arten gem. § 31 a UrhG, sowie auf die Übergangsregelungen des § 137 l UrhG
eingegangen werden.
2. Die Änderungen des „Zweiten Korbs“
hinsichtlich der Nutzungsrechte
im Überblick
Der § 31 I-III und V UrhG blieb unverändert. Die wesentliche Änderung des
§ 31 UrhG ist durch die Aufhebung des § 31 IV UrhG vorgenommen worden.
Diese Vorschrift wird jetzt durch den angefügten § 31 a UrhG ersetzt. Bislang
war es gem. § 31 IV UrhG unwirksam, Rechte für noch nicht bekannte Nut-
zungsarten einzuräumen1, dies galt auch dann, wenn im Vertrag ausdrücklich
sämtliche Nutzungsrechte übertragen wurden. Durch die Einführung des § 31 a
UrhG hat der Urheber nun die Möglichkeit einem Verwerter auch Nutzungs-
rechte für noch unbekannte Nutzungsarten einzuräumen. Eine Übergangsrege-
lung für alle Nutzungsrechte die zwischen dem 01.01.1966 und dem
01.01.2008 eingeräumt wurden, wurde vom Gesetzgeber durch die Einführung
des § 137 l UrhG geschaffen. Dadurch haben die Verwerter einen erheblichen
Vorteil erlangt, da ihnen nun rückwirkend die Verwertungsrechte an damals
unbekannten Nutzungsarten eingeräumt wurde. Für den Urheber bringt diese
Regelung Vor- und Nachteile. Nachteilig ist, dass die Rechte der Urheber da-
durch erheblich eingeschränkt werden. Als Vorteil für die Urheber kann aber
die Einführung des § 137 l V UrhG betrachtet werden, da diese nun einen An-
spruch auf eine angemessene Vergütung haben, wenn ein Verwerter eine neue
Art der Werknutzung aufnimmt. Die Änderungen im „Zweiten Korb“ hinsicht-
lich der Nutzungsrechte waren notwendig geworden, um die immer schnelleren
technischen Entwicklungen nicht zu hemmen.
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3. Was sind unbekannte Nutzungsarten?
Nach der Rechtsprechung ist eine Nutzungsart nicht schon dann bekannt, wenn
lediglich die technischen Möglichkeiten für die betreffende Nutzungsart vorlie-
gen, sondern dann, wenn sie auch wirtschaftlich bedeutsam und verwertbar ge-
worden ist.2 Nutzungsarten die im Zeitpunkt der Herstellung eines Werkes noch
unbekannt waren, sind also unvorhersehbar und verschaffen den Rechteverwer-
tern ein enormes Umsatzpotenzial. Dass davon auch die Urheber der Werke profi- B
tieren, wird durch § 32 UrhG gewährleistet. 1.16
S. 3
4. Was ist urheberrechtlich geschützt?
Das Urheberrechtsgesetz schützt gem. § 1 UrhG Werke der Literatur, Wissen-
schaft und Kunst. Was ein Werk ist, ist in § 2 I UrhG festgelegt. Eine weitere
Vorraussetzung ist, dass es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handelt,
vgl. § 2 II UrhG. Ein Werk entsteht folglich durch Schöpfung, der Schöpfer des
Werks wird dadurch zum Urheber. Der Urheber kann sein Urheberrecht nicht
veräußern, verschenken usw., er darf aber sein Verwertungsrecht auf andere
übertragen. Dies kann durch die Übertragung eines einfachen oder ausschließli-
chen Nutzungsrechts erfolgen.
4.1 Einfaches Nutzungsrecht
Das einfache Nutzungsrecht kann mehr als einmal vergeben werden.
4.2 Ausschließliches (exklusives) Nutzungsrecht
Ein ausschließliches (exklusives) Nutzungsrecht kann nur einmal vergeben
werden. In der Regel werden hier auch alle so genannten Nebenrechte mit über-
tragen.
5. Die neue Rechtslage
und ihre Konsequenzen
Die Vorschrift des § 31 IV UrhG wurde gestrichen und durch drei neue Vorschrif-
ten ersetzt. § 31 a UrhG regelt nun unter welchen Voraussetzungen Verträge über
unbekannte Nutzungsarten wirksam geschlossen werden können. Durch die Ein-
führung von § 32 c UrhG hat der Urheber heute auch einen Anspruch auf eine
gesonderte angemessene Vergütung, wenn der Vertragspartner eine neue Nut-
zungsart aufnimmt. Mit der Einführung des § 137 l UrhG wurden die Übergangs-
regelungen festgelegt.
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Problem: angemessene Vergütung
Gem. § 32 UrhG hat jeder Urheber einen Anspruch auf angemessene Vergütung.
Was eine angemessene Vergütung ist, ist gesetzlich nicht klar definiert. Im Gesetz
heißt es: eine Vergütung ist angemessen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertrags-
schlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der
eingeräumten Nutzungsmöglichkeiten, insbesondere nach Dauer und Zeitpunkt
der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherwei-
B se zu leisten ist. Wie eine solche angemessene Vergütung zu ermitteln ist, lässt
1.16 sich nicht pauschal sagen. Können sich die Parteien nicht auf eine angemessene
Vergütung verständigen, so bleibt hier wohl nur der Weg zu den Gerichten offen.
S. 4
Einigen sich die Vertragspartner auf eine solche angemessene Vergütung, so
entfällt auch das Widerrufsrecht für den Urheber (§ 31 a II UrhG).
5.1 Verträge nach dem 01.01.2008
Für Neuverträge, die ab dem 01.01.2008 geschlossen werden, können der Urhe-
ber und der Verwerter die Übertragung von Rechten an unbekannten Nutzungsar-
ten vereinbaren.
Gem. § 31 a I UrhG bedarf ein solcher Vertrag der Schriftform, es sei denn, der
Urheber räumt ein unentgeltliches einfaches Nutzungsrecht für jedermann ein.
Gem. § 126 BGB bedeutet Schriftform, dass beide Vertragspartner eigenhändig
auf der Urkunde unterschreiben müssen.
Dem Urheber steht für die Rechtseinräumung bzw. Verpflichtung ein nicht ab-
dingbares Widerrufsrecht zu. Dafür vorgesehen ist jedoch eine zeitliche Be-
schränkung. Das Widerrufsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten, nachdem
der andere die Mitteilung über die beabsichtigte Aufnahme der neuen Art der
Werknutzung an den Urheber abgesendet hat. Ausreichend ist hierfür die ihm
zuletzt bekannte Anschrift. Auf den Zugang der Mitteilung kommt es nicht an. Es
genügt also, dem Urheber die beabsichtigte Nutzung per Einschreiben mit Rück-
schein mitzuteilen. Stellt man dabei fest, dass der Urheber unbekannt verzogen
ist, so hat man dem Erfordernis jedoch genüge getan. Dem Urheber ist daher
anzuraten, den Verwerter seiner Rechte Änderungen seiner Anschrift mitzuteilen.
Der Urheber kann der neuen Nutzungsart ausdrücklich zustimmen, aber auch ein
Schweigen des Urhebers ist als Einverständnis zu werten. Der Rechteverwerter
ist dann zur Nutzung der neuen Art berechtigt. Das Widerrufsrecht erlischt mit
dem Tod des Urhebers. Der Verwerter hat dem Urheber eine gesonderte angemes-
sene Vergütung hinsichtlich der neuen Nutzungsart zu zahlen. Die Frage der
Angemessenheit soll sich dabei nach denselben Regelungen bestimmen, wie der
zwingende Anspruch des Urhebers auf angemessene Vergütung.3 Der Rechtever-
werter hat auch die Pflicht, den Urheber zu informieren, wenn die neue Nut-
zungsart aufgenommen wurde. Zu beachten ist hier, dass diese Informations-
pflicht auch gegenüber den Erben des Urhebers gilt.
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