Daniel Opper: Fundraising 2.0: Crowdfunding via Internet
1. F 3.15
Fundraising 2.0: Crowdfunding via Internet
Daniel Opper
Revolutioniert das Internet unsere Kulturförderung? In den USA, wo staatliche Kulturförderung
traditionell minimalistisch ist, setzen Kulturschaffende verstärkt auf Online-Fundraising, das soge-
nannte Crowdfunding. Was bis vor wenigen Jahren noch ein Nischenphänomen war, ist sprunghaft
zu einem Multimillionen-Dollar-Markt angewachsen. Der Beitrag zeigt den Prozess, die Erfolgs-
faktoren und Motive von Förderern und Online-Fundraisern.
Gliederung Seite
1. Einleitung 2
1.1 Deutschland 2011: Bleierne Zeit? 2
1.2 USA: Neue Ideen zur Kulturfinanzierung 4
2. Crowdfunding – eine neue Säule der Kulturfinanzierung? 5
2.1 Fundraising 1.0: Die analoge Welt des Fundraisings 5
2.2 Fundraising 2.0: Ein kurze Geschichte des Crowdfunding 7
2.3 Der Prozess im Einzelnen 10
2.4 Crowdfunding – eine neue Säule der Kulturfinanzierung? 11
3. Drei, zwei, eins, Deins! - Motive und Motivation 13
3.1 Motive der Förderer: Philanthropie vs. Belohnung 13
3.2 Motive der Fundraiser: schnell, einfach, billig? 14
3.3 Motive der Vermittler: Nicht ohne Provision 15
4. Perspektiven und Erfolgsfaktoren 16
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2. F 3.15 Finanzierung und Förderung
Private Kulturförderung
1. Einleitung
1.1 Deutschland 2011: Bleierne Zeit?
Während die einzigartige deutsche Kulturlandschaft 2010 das Kultur-
hauptstadtjahr feierte, goss der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft
Wasser in den Wein. Ihm zufolge verringern sich die öffentlichen Zu-
wendungen für Kultur derzeit jährlich um 220 Millionen Euro:
„Das entspricht nach Berechnungen des Arbeitskreises Kulturstatistik
dem Zuschussbedarf von etwa 220 Stadtbibliotheken. Ein Erschrecken
ist angebracht. Noch ist der Kulturstandort Deutschland mit seinem
unschlagbar reichen und vielfältigen Angebot eines der wenigen Seg-
mente, um das uns die Welt beneidet“, sagt Dr. Stephan Frucht, Ge-
schäftsführer des Kulturkreises.
Sparzwang und Die Lage wird zunehmend instabil: Länder und Kommunen, die die
Schuldenbremse Hauptlast der Kulturförderung tragen, müssen sparen; die gesetzlich
verankerte Schuldenbremse wird den Spielraum für freiwillige Leis-
tungen wie die Kulturförderung in Zukunft radikal begrenzen.
Stiftungen können nur Was der öffentliche Fördersektor einspart, kann der private längst
begrenzt kompensieren nicht kompensieren. Zwar nimmt die Zahl der Stiftungen in Deutsch-
land stetig zu, doch ist deren Aktionsradius von den Kapitalerträgen
des Stiftungsvermögens abhängig. Diese Erträge können stark volatil
sein. So fuhren 2009 viele Stiftungen auf dem Höhepunkt der Finanz-
krise ihre Projektförderung vorsorglich zurück, da unklar war, wie viel
der prognostizierten Erträge bis Jahresende tatsächlich erwirtschaftet
werden konnte (Handelsblatt, 14.1.2009).
Einbrüche bei Sponso- Ebenso drückte die Finanzkrise das Volumen des deutschen Sponso-
ring und Spenden ring-Marktes 2009 um cirka 10 %, wie aus der jährlichen Studie
„Sponsor Visions“ hervorgeht (horizont.net, 10.3.2009). Auch die
Spendenbereitschaft der Deutschen schwankt seitdem: Hielt sich die
Spendenbereitschaft zu Beginn der Finanzkrise noch stabil, brach sie
zum Ende 2009 insbesondere im Bereich der Kunst auf den niedrigs-
ten Indexwert 1 überhaupt ein (TNS Spendenmonitor 2009)1. Die
klassischen vier Säulen der Kulturförderung stehen also unter enor-
men Druck.
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3. Finanzierung und Förderung F 3.15
Private Kulturförderung
Abb. F 3.15-1 Die vier Säulen der Kulturförderung
Auf der anderen Seite, und das ist eigentlich paradox, blühen kulturel- Wachstum im
le Aktivitäten in Deutschland seit Jahren auf: Neue Museen und Thea- Kulturbereich
ter werden eingeweiht, Kreativparks entstehen und Bürgerinitiativen
kämpfen auf breiter Front für den Erhalt von Kulturzonen. Kulturwirt-
schaftsberichte zeigen, dass der Kreativsektor im Vergleich zu anderen
Wirtschaftssektoren kontinuierlich wächst – Kultur wird zum Stand-
ortfaktor in einem Land, dessen Rohstoffe immateriell sind.
Weiterhin sind aber die meisten Künstler und Künste auf Zuschüsse Wachsende Konkurrenz
angewiesen. Nur ein kleiner Teil der Kreativwirtschaft arbeitet profit- um knappe Fördermittel
orientiert und profitabel. Und hier entsteht das Problem: Immer mehr
Kulturschaffende streiten sich um die knappen Kulturfördertöpfe.
Während 2006 beispielsweise rund 120 Anträge von Hamburger Kul-
turschaffenden bei der Hamburgischen Kulturstiftung eingingen, wa-
ren es 2010 bereits über 250 Anträge. Das deutet zum einen auf einen
größeren Bedarf bei Künstlern und Kulturschaffenden hin, zum ande-
ren aber auch auf eine Professionalisierung des Fundraisings in der
freien Kulturszene. Da längst nicht mehr alle Anträge bedient werden
können, droht die neue Energie der freien Szene zu verpuffen, wäh-
rend etablierte Kulturinstitutionen gleichzeitig immer vehementer um
ihre Existenzberechtigung streiten müssen.
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4. F 3.15 Finanzierung und Förderung
Private Kulturförderung
1.2 USA: Neue Ideen zur Kulturfinanzierung
Chris Young ist Filmemacher. Über 30 Filme hat er in den letzten 20
Jahren gedreht. Nun sollte es zum ersten Mal ein Film in 3D sein:
Dead of Nowhere – ein kleiner Horrorstreifen, der in der Wüste spielt.
Die Banken gaben ihm kein Geld, also fragte er Freunde. Über Twitter
und Facebook verbreitete er den Plot und viele seiner Fans waren be-
geistert. Innerhalb von acht Wochen schmissen 92 Leute insgesamt
11.350 US-Dollar zusammen und Young drehte seinen Actionfilm.
Online-Fundraising- Seine Geschichte ist eine von zahlreichen „Crowdfunding“-
Plattformen Geschichten. Denn um das Geld zu sammeln, nutzte Young eine Onli-
ne-Fundraising-Plattform. Crowdfunding steht für eine neue Sammel-
praxis von Geldern, geschöpft aus der (anonymen) Masse der Inter-
netnutzer, die in den letzten Jahren vor allem in Amerika populär ge-
worden ist. Aus der Not, dass die staatliche Kulturförderung in den
USA traditionell minimal ist und Stiftungen und private Geldgeber
ihre Etats in der Wirtschafts- und Immobilienkrise kürzten, haben
Kreative neue Wege entwickelt, um die Umsetzung ihrer Ideen zu
finanzieren. Was als Nischenphänomen begann, ist in den letzten zwei
bis drei Jahren sprunghaft zu einem Multimillionenmarkt gewachsen.
Auf der größten Plattform dieser Art, kickstarter.com, wurden im letz-
ten Jahr knapp 20 Millionen Euro umgesetzt und fast 4.000 Kulturpro-
jekte finanziert. Darunter sind Projekte aus allen Sparten: Theaterfes-
tivals, Computerspiele, Literatur, (Kurz-)Filme – Tausende Ideen, die
online Fans und Finanziers finden.
Angebote in Seit 2010 ist Crowdfunding in Deutschland angekommen: Plattformen
Deutschland wie Startnext.de, Inkubato.com, mysherpas.de und pling.de bieten nun
auch der hiesigen Kulturszene die Möglichkeit, online Fundraising zu
betreiben. Handelt es sich dabei um ein Nischenphänomen für „Com-
puternerds“ oder bietet Crowdfunding mittelfristig das Potenzial, eine
neuartige Säule der Kulturfinanzierung zu werden?
Abschnitt 2 stellt das Prinzip des Crowdfundings vor und soll die Fra-
ge klären, inwieweit sich Crowdfunding definitorisch von herkömmli-
chen Formen der Kulturfinanzierung abgrenzt. In Abschnitt 3 sollen
Motive und Motivationen von Online-Fundraisern und -Förderern
diskutiert werden. In Abschnitt 4 sollen schließlich die Erfolgsfakto-
ren dieser neuen Kulturförderform zusammengefasst werden.
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