L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L6 Film
Verträge für die Filmauswertung
Andrés Heyn
Rechtsanwalt in Hamburg mit Fachanwaltskenntnissen im Urheber- und Medien-
recht. Schwerpunkte: Musik-, Film- und Medienrecht; siehe www.filmkanzlei.de
bzw. www.musikrecht-kanzlei.de
Inhalt Seite
1. Auswertung einer Filmproduktion 2
1.1 Der Kinoverleihvertrag 4
1.2 Videolizenzvertrag 7
1.3 Verträge für die Abruf- und Fernsehauswertung 8
2. Vertragsmuster zur Auswertung einer Kino-Filmproduktion 9
L
6.2
S. 1
51 Kultur & Recht Oktober 2010
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1. Auswertung einer Filmproduktion
Im Rahmen der Filmproduktion werden häufig bereits diverse Auswertungsver-
träge abgeschlossen, die dann der Finanzierung des Films dienen. Sofern die
Finanzierung nicht über derartige Vorverkäufe geschlossen werden muss, können
die Erlöse aus der Auswertung dem Produzenten bzw. den Koproduzenten als
Rückflüsse zukommen. Die Kinoauswertung eines Films ist hierbei die Königs-
disziplin und verschafft dem Film eine besondere Wertigkeit im Zuge der darauf
folgenden Auswertungskaskade. Hierbei führt selbst eine relativ erfolgreiche
Kinoauswertung allein meist bei weitem nicht zu einer Refinanzierung der sog.
Herausbringungskosten (häufig auch Vorkosten oder Print- and Advertising-
Kosten („P & A“) genannt, also Kinokopien und Werbeaufwendungen und schon
gar nicht der Produktionskosten. Vielmehr wirkt sich der Kinostart aufgrund des
(hoffentlich) gesteigerten Bekanntheitsgrades des Films bei einem Erfolg an der
Kinokassepositiv auf die Erlösströme aus den weiteren Auswertungsstufen Video,
Abruf und Fernsehen aus. Die Technik- und Marketingkosten (sog. Herausbrin-
gungskosten) sind dabei oft ganz erheblich und stellen für den Verleiher ein im-
menses Risiko dar. Deshalb sind die Verleiher häufig bestrebt, sich auch die Vi-
deogramm- und Abrufrechte und sogar die Senderechte bzw. eine Beteiligung an
den Fernseherlösen zu sichern. Es soll aber nicht verschwiegen werden, dass die
Mehrzahl der deutschen Filmproduktionen keinen großen Kinostart erfahren,
sondern mangels kommerziellen Potentials nur mit geringem Aufwand gestartet
werden, um den Auflagen der Filmförderung bzw. des Deutschen FilmFörder-
Fonds (DFFF) nachzukommen (s. hierzu die Ausführungen des Präsidenten der
FFA unter www.ffa.de). Noch immer sind viele Produzenten über Jahre mit den
komplexen Fragen der Finanzierung und Produktion voll ausgelastet und verges-
sen darüber die Auswertungsproblematik gleich bei der Produktion mit zu be-
rücksichtigen. Viele durchaus gelungene Produktionen bleiben durch ungenügen-
de Marketingkenntnisse der Produzenten oder mangelnden Einsatz des Verleihs
leider auf der Strecke und erreichen ihr Publikum am Ende nicht.
Es wird im Filmmarkt typischerweise zwischen Filmen, die „Made for Cinema“,
„Direct to Video“ und „Made for TV“ sind, differenziert. „Made for Cinema“
bzw. „for TV“ sind Filmproduktionen, die ihren Ersteinsatz im Kino bzw. im TV
haben. Eine interessante, aber von diversen Regisseuren kritisierte Entwicklung
sind sog. Amphibische Produktionen. Dies sind Kinofilme, aus denen auch ein
verlängerter Mehrteiler für das Fernsehen hergestellt wird. „Direct to Video“ sind
solche Veröffentlichungen, die nicht fürs Kino oder Fernsehen produziert werden
und umfasst auch den Bereich der Musikvideos und sog. Special Interest-Titel
L (zum Beispiel Hobby-, Fitness- und Umweltthemen). Die bei Fernsehfilmen
6.2 übliche Auftragsproduktion wurde bereits unter L6 behandelt. Der deutsche Ki-
S. 2 nomarkt hatte laut der von der Filmförderungsanstalt (www.ffa.de) veröffentlich-
ten Zahlen im Jahr 2009 ein Volumen von 976 Mio. Euro. Der deutsche Video-
markt (DVD und Blu-Ray-Disc) hatte 2009 einen Marktwert von 1,3 Milliarden,
wovon 1,1 Milliarden auf den sog. Kaufvideo-Markt und ca. 200 Mio. Euro auf
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den Verleih-Markt entfielen (Quelle: GfK Panel Services Deutschland). Im Jahr
2009 hat auch das sog. 3-D Kino den Durchbruch geschafft. Nicht vorangekom-
men ist die Filmförderungsanstalt mit ihren Bemühungen, eine branchenweite
Lösung für die Digitalisierung der Kinos zu erreichen. Die Kinofilmauswertung
unterteilt sich typischerweise in verschiedene Auswertungsphasen, oft auch
„Fenster“, „Holdbacks“ oder „Windows“ genannt:
Ab Kinostart gelten folgende Sperrfristen:
- Video: zur Zeit nach dem Filmförderungsgesetz 6 Monate
- Abruf: zur Zeit 9 Monate und
- Fernsehen: Pay TV 12 Monate und Free TV 18 Monate.
Für die Auswertung außerhalb des deutschsprachigen Europas wird zudem häufig
ein sog. Weltvertriebsvertrag mit einem sog. Weltvertrieb abgeschlossen. Bei
größeren Projekten sind für den Produzenten auch lukrative Auswertungen in den
Bereichen Soundtrack, „Buch zum Film“ und durch sonstige Merchandisingrech-
te möglich. Bei diesen Verträgen sind die zum Teil sehr langen Vorlaufzeiten für
die Beteiligten zu beachten. Beispiele sind etwa die „7 Zwerge“-Figuren in den
Überraschungseiern von Ferrero oder die Plüschtiere zu den „Keinohrhasen“. Es
ist für den Produzenten von großer Bedeutung, die Verträge mit den verschiede-
nen Auswertenden in zeitlicher, inhaltlicher und räumlicher Hinsicht eindeutig
voneinander abzugrenzen, damit keine Überschneidungen bei der Rechtsübertra-
gung entstehen. In Deutschland werden die meisten Filme mit öffentlichen Gel-
dern der Filmförderung hergestellt. Besonders wichtig ist hierbei die Unterstüt-
zung durch die regionalen Filmförderungen (etwa das Medienboard Berlin-
Brandenburg, Filmstiftung Nordrhein-Westfalen, FFF in Bayern, Hamburg/
Schlewig-Holstein) die Filmförderungsanstalt und den Deutschen FilmFörder-
Fonds. Es wird nicht nur die Filmproduktion, sondern auch der sog. Filmabsatz,
also die Kinoherausbringung und auch der Videogrammvertrieb gefördert. Eine
Darstellung des Filmförderungsrechts würde den hier gesetzten Rahmen spren-
gen. Eine gelungene Auflistung über die kulturwirtschaftliche Förderung der
FFA, des Bundes und der Länder findet sich auf der Seite der FFA (www.ffa.de,
FFA-Info vom 09.02.2010). Das Fördervolumen lag 2009 insgesamt bei über 300
Mio. Euro. Es sei erwähnt, dass die Vergabe dieser Gelder an den Produzenten an
die Erfüllung einer Vielzahl von Bedingungen und Auflagen geknüpft werden
und im Falle der Nichteinhaltung der Förderverträge eine Rückzahlungspflicht
des Produzenten besteht. Insbesondere sind die meisten Zahlungen an eine späte-
re Kinoherausbringung geknüpft. Die zahlreichen Bestimmungen des Filmförde-
rungsrechts haben einen erheblichen Einfluss auf die Vertragsgestaltung aller L
verschiedenen Auswertungsstufen und sind vom Produzenten, sozusagen als 6.2
grober Bauplan, stets penibel einzuhalten. Im Folgenden kann aus Platzgründen S. 3
nur ein Kinoverleihvertrag erläutert und eine Checkliste für einen Videolizenzver-
trag wieder gegeben werden.
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1.1 Der Kinoverleihvertrag
Die Kinoauswertung ist nach wie vor die „Lokomotive“ bei der Spielfilmauswer-
tung und die Gretchenfrage „Ist das was fürs Kino oder doch nur Video/TV-Ware ?“
muss sich jeder Film stellen lassen. Das Kinogeschäft hat sich im Jahr 2009 trotz
der Bedrohung durch illegale Streamings und Downloads insbesondere mithilfe
der Durchsetzung der 3D-Technik als erstaunlich stabil erwiesen. Es gibt laut der
Erhebungen der Filmförderungsanstalt bundesweit 1.744 Kinos und 4.734 Kino-
säle. Der Gesamtdurchschnittspreis für eine Kinokarte lag bei 6,67 Euro. Im Jahr
2009 sind 513 Filme in den deutschen Kinos angelaufen, wobei der deutsche
Film einen beachtlichen Marktanteil von ca. 27 % erreicht hat. Nachdem sich der
Filmproduzent sämtliche am Film entstehenden Nutzungsrechte gesichert hat,
wird er diese Rechte an dem Film in Form einer Lizenz, also einer zumeist exklu-
siven Rechtseinräumung, in seiner Funktion als Lizenzgeber an verschiedene
Lizenznehmer zur Auswertung übertragen (§§ 31 ff. UrhG). Hierbei findet die
sog. Zweckübertragungstheorie Anwendung und es gelten die Besonderheiten der
§§ 88 ff UrhG, die die Stellung des Filmproduzenten stärken und ungehinderte
Auswertung des Filmwerks sichern sollen (s. hierzu im Einzelnen auch den Teil
B1 3.1., 4.1. und B1 5.1.). Dem Filmproduzenten wird in diesem Abschnitt des
Urheberrechts der Rechtserwerb durch diverse Vermutungen erleichtert, er erhält
ein eigenes Leistungsschutzrecht zum Schutz seiner erheblichen Investitionen
und diverse Rechte der an der Filmherstellung Beteiligten werden eingeschränkt.
Der Verleihvertrag mit einem Filmverleih wird meist schon vor Drehbeginn ge-
schlossen, denn der gesicherte Kinostart ist den Filmförderern als Voraussetzung
für eine Auszahlung der Fördermittel an den Produzenten nachzuweisen. Neben
den sog. großen Hollywood-Studios (Warner Bros., Sony Pictures, 20th Century
Fox, Universal, Paramount, Buena Vista (Walt Disney)), sind auch diverse kleine-
re Verleiher im Markt aktiv (allen voran Constantin, aber auch Senator Film,
Universum, Majestic, Kinowelt, Prokino, Concorde, X Verleih, NFP u.a.).Wegen
des erheblichen Investitionsrisikos des Verleihers ist es nicht unüblich, dass sich
der Verleih das Recht vorbehält, das Vorliegen sämtlicher Rechtsübertragungen
durch Vorlage aller Verträge mit allen an der Produktion Beteiligten („Cast and
Crew, Drehbuchautor, Filmkomponisten, Markenrechte usw.) nachweisen zu
lassen (sog. „chain of title“ Prüfung). Wie die Gerichtsverfahren zu den Filmen
„Der Baader Meinhof Komplex“, „Peanuts – Die Bank zahlt alles“, „Der Kanni-
bale von Rothenburg“ oder zum TV-Zweiteiler „Contergan“ zeigen, kann die
Verfilmung von tatsächlichen Geschehnissen wegen der zu beachtenden Persön-
lichkeitsrechte weitere, erhebliche, rechtliche Risiken für den Filmproduzenten
L und die Auswertenden mit sich bringen.
6.2
S. 4 Im Rahmen eines Verleihvertrages sind die für die Kinotheaterauswertung gel-
tenden Regeln zu bestimmen. Hierbei ist es üblich, dass der Verleih sämtliche
Kosten der Herausbringung (auch „Vorkosten“ oder „P & A-Kosten„ genannt)
und eine etwa geleistete sog. Minimum-Garantie (also eine nicht rückzahlbare,
aber mit der Umsatzbeteiligung des Lizenzgebers verrechenbare Vorauszahlung)
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