Lena Vizy: Audience Development durch Junge Freundeskreise
1. Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit H 2.4
Marketingkonzepte
Audience Development durch
Junge Freundeskreise
Junges Kulturpublikum interessieren und binden
durch neue Formen der Kulturvermittlung
Lena Vizy
Kulturinstitutionen stehen heute vor der Herausforderung ihr Publikum ganzheitlich anzusprechen.
Ein gezieltes Audience Development spielt im Hinblick auf das junge Publikum eine wichtige Rol-
le. Das Konzept des Jungen Freundeskreises bietet Kulturbetrieben eine erste und einfach umsetz-
bare Möglichkeit, das Besuchersegment der 18- bis 30-Jährigen gezielt anzusprechen. Mit diesem
Ansatz werden zwei wichtige Bereiche kombiniert, die Besucherbindung und die Kulturvermitt-
lung. Diese Chance wird von Kulturinstitutionen noch zu wenig genutzt.
Die folgende Studie besteht aus zwei Befragungen und untersucht am Beispiel Junger Opernfreun-
deskreise deren Effektivität im Hinblick auf eine mögliche Besucherbindung sowie die Motivation
der jungen Mitglieder einem Freundeskreis beizutreten.
Gliederung Seite
1. Kulturinstitutionen und junges Publikum 2
2. Was sind Junge Freundeskreise? 3
3. Studie zu Jungen Opernfreundeskreisen 4
3.1 Bestandsaufnahme – Junge Opernfreundeskreise in Deutschland 4
3.2 Befragung der Apollos – der Jungen Freunde der Staatsoper Berlin 8
3.3 Tabellarische Auswertung der Interviews und Recherche 11
4. Chancen Junger Opernfreundeskreise 13
5. Probleme Junger Opernfreundeskreise 14
6. Handlungsempfehlungen 15
6.1 Leitbild und Ziele 15
6.2 Aufbauorganisation 16
6.3 Mitgliedergewinnung 17
6.4 Angebote und Service 19
6.5 Werbung und Öffentlichkeitsarbeit 20
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2. H 2.4 Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Marketingkonzepte
1. Kulturinstitutionen und junges Publikum
Viele Kulturinstitutionen, vor allem Operhäuser, leiden unter rückläu-
figen Besucherzahlen junger Menschen. Dieses Problem hat eine be-
sondere Brisanz, denn es handelt sich um das Stammpublikum von
morgen.
Verlust junger Besucher Aus Sicht des Kulturmanagers lassen sich verschiedene Gründe für
das Fernbleiben junger Besucher ermitteln:
• Kulturbetriebe sprechen ihr junges Publikum oft nicht gezielt oder
unzeitgemäß an.
• Die Defizite einer künstlerischen Erziehung in Schulen und Eltern-
häusern erschweren jungen Menschen den Zugang zu künstleri-
schen Produkten.
• In den letzten Jahren werden zwar verstärkt Angebote für Kinder
entwickelt. Selten lässt sich aber eine Ansprache von Jugendlichen
oder jungen Erwachsenen finden.
Klassische Kulturinstitutionen und deren künstlerische Produkte sind
für junge Menschen oft nicht so sehr von Interesse oder sogar mit ne-
gativen Vorurteilen besetzt.
Es bedarf eines neuen Umgangs von Seiten der Kulturbetriebe mit
dem jungen, zukünftigen Publikum. Zeitgemäße Wege der Ansprache
und speziell auf die jungen Besucher ausgerichtete Angebote müssen
entwickelt werden. Neues Interesse und eine langfristige Bindung
sollten aufgebaut werden.
„Entweder-oder“ in der Die Ansprache junger Besucher durch große Kulturbetriebe ist heute
Angebotsstrukturierung von einem „Entweder-Oder“ geprägt:
Entweder Oder
Große Kulturinstitutionen sprechen Das junge Besuchersegment wird
durch ihre pädagogischen Abtei- von der Marketingabteilung oder
lungen junges Publikum an. Die Öffentlichkeitsarbeit meist nur
Angebote sind erfolgreich in der durch Studentenabonnements an-
Kulturvermittlung und richten sich gesprochen. Dieses bezieht sich
durch ihren oft spielerischen Work- alleinig auf eine vergünstigende
shop-Charakter meist an Kinder Preispolitik und hat keine kultur-
und Teenager. vermittelnde Funktion
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3. Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit H 2.4
Marketingkonzepte
Eine Verbindung von Kulturvermittlung und Besucherbindung lässt
sich bisher nur selten finden.
Gerade die kontinuierliche Ansprache des Besuchersegments der 18- 18- bis 30-jährige sind
bis 30-Jährigen ist von besonderer Bedeutung: Wie eine 2006 veröf- entscheidende
fentlichte Studie des Netzwerkes Opera Europa herausstellt, muss bis Zielgruppe
zum 35. Lebensjahr Interesse für die Oper geweckt worden sein. Ge-
schieht dies nicht, so ist der potentielle Besucher der Oper verloren
gegangen.
Jugendliche und junge Erwachsene sind daran gewöhnt von der Frei-
zeitindustrie gezielt angesprochen zu werden. Kulturinstitutionen soll-
ten sie ebenfalls als eine Zielgruppe mit eigenen Wünschen und Be-
dürfnissen anerkennen.
2. Was sind Junge Freundeskreise?
Das Konzept des „Jungen Freundeskreises“ enthält einen neuen An-
satz des Audience Development für Kulturinstitutionen.
Ziel eines Jungen Freundeskreises ist es, den Zugang zur jeweiligen
Kunstform und zum Kulturbetrieb für junge Erwachsene bis 30 Jahre
attraktiver zu gestalten. Ausgangspunkt ist es, junge Besucher als
Stammbesucher zu gewinnen. Durch kontinuierliche Angebote soll ein
langfristiger Kontakt und Dialog zum Besuchersegment aufgebaut
werden.
Wo liegt der Unterschied zum allgemeinen Förderverein?
Allgemeine Fördervereine verfolgen vorrangig das Ziel der finanziel- Kulturvermittlung statt
len Unterstützung der Kulturinstitution. Dies steht im Gegensatz zu Fundraising
den Zielen Junger Freundeskreise, die vor allem kulturvermittelnd
wirken. Jungen Leuten soll eine gemeinsame Auseinandersetzung und
ein Austausch über Kunst ermöglicht werden – fern einer schulischen
Pflichtveranstaltung oder eines passiven Kulturbesuchs.
Zudem ist der Altersdurchschnitt der Mitglieder in deutschen Förder- Hoher Altersdurch-
vereinen aus Sicht junger Erwachsener hoch. 87 % der Mitglieder sind schnitt in allgemeinen
über 35 Jahre alt. So sind eine Mitgliedschaft sowie die Angebote Fördervereinen
allgemeiner Fördervereine für junge Erwachsene eher unattraktiv.
Das Konzept des Jungen Freundeskreises steckt noch in den Kinder-
schuhen. In den letzten 10 Jahren kam es in Deutschland in den ver-
schiedenen Sparten zu ersten Gründungen einiger Junger Freundes-
kreise.
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4. H 2.4 Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Marketingkonzepte
Zu nennen sind hier
• die Bundesinitiative Junge Freunde der Kunstmuseen
(www.jungefreundekunstmuseen.de),
• die deutschen Mitglieder von Juvenilia, der europäischen Vereini-
gung Junger Opernfreundeskreise (www.juvenilia.org ) und
• im Bereich des Theaters der Theaterclub des Thaliatheaters, Ham-
burg (www.thalia-theater.de).
3. Studie zu Jungen Opernfreundeskreisen
Die Autorin hat die Ziel der Studie war es, erstmalig einen umfassenden Überblick zur
Arbeit junger Arbeit und Effektivität Junger Freundeskreise am Beispiel der Oper zu
Opernfreundeskreise erhalten.
näher untersucht
1. Es wurde eine Bestandsaufnahme zu Arbeit und Zielen der fünf in
Deutschland bestehenden Jungen Opernfreundeskreise erarbeitet.
Hier wurden mit allen Initiatoren der Vereinigungen qualitative In-
terviews geführt.
2. Es wurden die Mitglieder eines Jungen Freundeskreises exempla-
risch zu Motivation und Gründen ihrer Mitgliedschaft befragt.
3.1 Bestandsaufnahme – Junge Opernfreundeskreise
in Deutschland
Zum Zeitpunkt der Untersuchung gibt es fünf junge Opernfreundes-
kreise in Deutschland, die alle Mitglieder bei Juvenilia, dem Netzwerk
europäischer Opernfreundeskreise, sind:
1. Nürnberger Jugendopernclub – Orpheus
2. JOM – Junge Opernfreunde München e. V.
3. Junge Freunde der Staatsoper Berlin – Apollos
4. Rheingold e. V. – Junges Forum der Deutschen Oper am Rhein
5. Semperoper-Jugendclub
Der Semperoper-Jugendclub wird in der folgenden Analyse nicht wei-
ter berücksichtigt, da es sich hierbei um ein Angebot der Musikthea-
terpädagogik handelt, das eher den Charakter einer wöchentlichen
Theatergruppe hat und somit schwer vergleichbar mit den anderen
Vereinigungen ist.
Zusatzservice
Auf der CD-ROM finden Sie die Steckbriefe und Gesprächsprotokolle
der untersuchten Jungen Opernfreundeskreise in Deutschland.
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