1. Kultur und Management A 2.2
Kulturmanagement im internationalen Vergleich
Kulturmanagement in den USA
Sonja Ostendorf-Rupp
Kulturinstitutionen in den USA sind Katalysatoren an der Schnittstelle von Gesellschaft, Wirtschaft
und Politik und leisten wesentliche kulturpädagogische Arbeit. Aufgabe eines Kulturmanagers an
einer US-amerikanischen Kultureinrichtung ist es, die Institution betriebswirtschaftlich zu leiten
und innovative Programme einer größtmöglichen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dieser
Beitrag beschreibt traditionelle, rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen, unter denen
Kulturmanager in den USA zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur vermitteln.
Gliederung Seite
1. Kultur und Management 2
2. Kulturmanagement und Philanthropie 3
3. Kulturverständnis 4
4. Kultur und Politik 4
5. Rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen 5
6. Ehrenamtliches Engagement 9
7. Einnahmen von Kulturinstitutionen 10
8. Development 13
9. Ausblick 17
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Kulturmanagement im internationalen Vergleich
1. Kultur und Management
Die Tradition von Non-Profit-Organisationen geht in den USA bis zur
Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika zurück. Die Kulturfi-
nanzierung stützt sich traditionell im Wesentlichen auf Einnahmen aus
dem Geschäftsbetrieb und privater Förderung. Eine staatliche Förde-
rung von Kunst und Kultur wurde erst im 20. Jahrhundert eingerichtet.
Historie des US- Aufgrund dieser Geschichte leiten sich Theorie und Praxis im Kultur-
amerikanischen Kultur- management der USA von betriebswirtschaftlichen Strukturen ab. War
managements im 19. und bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ein elitärer Zirkel von
Bildungsbürgern für die Förderung und oftmals Leitung von Kulturin-
stitutionen verantwortlich, fand in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun-
derts aufgrund eines sich gesellschaftlich und politisch veränderten
Umfeldes für Kulturinstitutionen ein Umdenken und Reorganisieren
statt. Minderheiten wollten in allen gesellschaftlichen und politischen
Bereichen partizipieren. Die Gründung staatlicher Kulturstiftungen
und die daraus rührende öffentliche Kulturfinanzierung führten zu der
Gründung von einer Vielzahl von Kulturinstitutionen. Betriebswirt-
schaftlich geschultes Personal ergänzte geisteswissenschaftlich ausge-
bildetes Personal, um den Umgang mit knappen Ressourcen zu opti-
mieren.
Umdenken in NPOs Die zunehmende Interaktion von Kulturinstitution mit den Märkten
wird heute begleitet von Änderungen der internen Abläufe und Be-
triebskulturen von Non-Profit-Unternehmen. Neben der stärkeren
Hinwendung zu marktorientierten Lösungen spiegeln sich diese Ände-
rungen auf vielfältige Weise wieder in einer neuen Betonung von pro-
fessionellem Management, der Verwendung von marktwirtschaftli-
chen Begriffen, Methoden und Praktiken sowie einem Wechsel von
dem Fokus auf ausschließlich gemeinnützige Ziele hin zu gleichbe-
rechtigt betriebswirtschaftlichen Zielsetzungen.
Begleitend vom Wechsel zu professionellem Management (in den
USA wird zwischen „non profit management“, „business manage-
ment“ und „public administration“ unterschieden) verwenden Non-
Profit-Organisationen nun Begriffe, Konzepte und Methoden, die die-
ser Sparte vor 20 Jahren noch völlig fremd waren. Beispiele sind
„Entrepreneurship”, „Marketing“, „Franchising“, „Strategische Pla-
nung“, „Leistungsanreize“, „Geschäftspläne“ und andere marktwirt-
schaftliche Konzepte.
USA-Bild in Deutschland Es bestätigt sich keineswegs die in Deutschland verbreitete Annahme,
dass US-amerikanische Kultureinrichtungen in markt- und betriebs-
wirtschaftlichen Dingen sehr viel weiter entwickelt seien.
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Auch in den USA beginnen Non-Profit-Organisationen erst damit,
über Cost-Center und Profit-Center nachzudenken. Erst allmählich
organisieren sie ihre Finanzbuchhaltung so, dass sie den Einfluss der
verschiedenen Organisationsbereiche sowohl auf die Erfüllung der
kulturellen Aufgabenstellung als auch der wirtschaftlichen Ziele beur-
teilen können. Diese Ideen und Methoden werden inzwischen von
einem großen Teil des Non-profit Segmentes verfolgt und angewen-
det, eine Entwicklung, die sich nicht nur in der Verwendung der jewei-
ligen Fachbegriffe äußert, sondern vor allen Dingen in dem Bestreben,
die gesetzte kulturelle Mission effizienter zu erfüllen.
Gleichzeitig führt dieser Wandel dazu, dass die Unterschiede zwischen Unterschiede zwischen
Non-Profit- und Profit-Organisationen zunehmend schwinden. Die NPO und PO schwinden
sich verändernden Anforderungen an Non-Profit-Unternehmen führen
auch dazu, dass vermehrt Mitarbeiter aus nicht traditionell kulturellen
Berufen (z. B. Juristen, Steuerberater, Soziologen) im kulturellen Be-
reich tätig sind.
2. Kulturmanagement und Philanthropie
Amerikanisches Kulturmanagement ist eng verknüpft mit der Traditi-
on der Philanthropie, da Kulturinstitutionen im Wesentlichen von der
privaten Kulturförderung durch Spenden und das ehrenamtliche En-
gagement der Bürger leben. Diese Tradition ist in Praxis und Theorie1
in der Geschichte der USA, aber auch im Selbstverständnis des ameri-
kanischen Kapitalismus verankert, in dem Kapitalisten ihren unabhän-
gigen Status gegenüber dem Staat beweisen.
Der bedeutendste US-amerikanische Familienfeiertag Thanksgiving
erinnert an die Begegnung von Indianern und Siedlern, bei der die
Ureinwohner den Siedlern mit Nahrung über den ersten Winter halfen,
und damit an den ersten im Bewusstsein der Nation verankerten ge-
meinnützigen Akt. Gemeinnützigkeit war fest im Glauben der purita-
nischen Siedler verankert2 und war zukunftsweisend für das Selbstver-
ständnis der amerikanischen Gesellschaft. In dieser Tradition stehen
die im 18. und 19. Jahrhundert gegründeten sozialen Vereinigungen,
die zunächst sowohl soziale als auch kulturelle Dienste leisteten, z. B.
Daughters of the American Revolution.
Da es in den Vereinigten Staaten keine die Kultur initiierende Monar- Privates Engagement
chie gab, an deren Stelle in Europa im 20. Jahrhundert der Staat als
Verwalter trat, geht die Gründung der ersten Kulturinstitutionen in den
USA auf private Initiativen zurück, deren Vormachtstellung bis heute
von der Gesellschaft gefordert und vom Staat legitimiert werden. Die-
ses private Engagement im Sinne der Kulturinstitutionen durch ver-
schiedenste Formen der Teilnahme (Besuch, Spenden, ehrenamtliches
Engagement) zu nutzen, ist wesentliche Aufgabe der Kulturmanager.
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Kulturmanagement im internationalen Vergleich
3. Kulturverständnis
Kultur soll gleichermaßen unterhaltend und bildend sein, um Bestand
im Alltag der Bürger zu haben, von denen wenige mit einem vergeis-
tigten Kulturbegriff, wie er in der europäischen Kulturgeschichte über-
liefert ist, vertraut sind. Kultur im amerikanischen Verständnis umfasst
(Geistes-)Kultur und Zivilisation3, Esskultur
und Hochkultur. Verschiedene kulturelle Aus-
drucksformen haben gleichwertige Funktio-
nen in der Gesellschaft.
outreach program Die Mehrheit der amerikanischen Schüler
kommt das erste Mal durch outreach pro-
Zukünftiges Publikum grams, initiiert von Kulturinstitutionen, mit
70 % aller Konzertbesucher in den USA haben einem Kulturprogramm in Kontakt. 70 %
als Kinder ein Instrument erlernt oder im Chor aller Konzertbesucher in den USA haben als
gesungen. Deshalb versuchen Kulturinstitutio- Kinder ein Instrument erlernt oder im Chor
nen, ihr zukünftiges Publikum durch pädagogi- gesungen4. Deshalb versuchen Kulturinstitu-
sche Programme an sich zu binden. tionen, zukünftiges Publikum durch pädago-
gische Programme für die Kultur zu begeis-
tern und auch an die Institution zu binden.
Besucher aller Altersklassen und sozialen Schichten über die Bühne
oder den Ausstellungsraum hinaus zu ereichen, ist das Ziel von outreach
programs, die wesentlicher Bestandteil der Kulturpädagogik sind.
4. Kultur und Politik
Im Unterschied zu Deutschland leistet der US-amerikanische Staat
keine Kultursubventionen, die die Grundversorgung oder den Fortbe-
stand einer Kultureinrichtung sichern. Erst in der zweiten Hälfte des
20. Jahrhunderts wurden zwei staatliche Stiftungen, der National En-
dowment of the Arts (1965) und der National Endowment of The Hu-
manities mit dem Ziel der Kulturförderung gegründet .
Arts Councils In den Achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde eine Vielzahl von
indirekten staatlichen Förderungen durch regionale Arts Councils in-
stalliert. Diese Arts Councils vergeben keine kontinuierlichen Subven-
tionen an die Kulturinstitutionen, sondern betreiben im Wesentlichen
Projektförderung. Eine Wende in der staatlichen Kulturförderung
durch Steuerabzüge fand 1981 unter der Präsidentschaft Ronald Rea-
gans durch den Economic Recovery Act statt. Dieser reduzierte Steu-
ern, aber auch Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen und
Privatpersonen. Die Museen sahen sich mit der Herausforderung kon-
frontiert, vorhandene Ressourcen effektiver und effizienter zu mana-
gen, neue Märkte zu erschließen und Zielgruppen inhaltlich und fi-
nanziell stärker an sich zu binden.
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