Obwohl bei Ingenieuren meist nicht sonderlich beliebt sehen viele Unternehmensführungen das Konfigurationsmanagement heute als wichtigen Baustein für Qualität, Effektivität und Effizienz
von Jan-Henning Dose, Wirtschaftsberater und Hauke Thun, PM Firefighters
Schluss mit kostspieligen Überraschungen im Detail – welche Rolle ein professionelles Konfigurationsmanagement für den Unternehmenserfolg spielt
1. Schluss mit kostspieligen Überraschungen im Detail – welche Rolle ein
professionelles Konfigurationsmanagement für den Unternehmenserfolg spielt
Obwohl bei Ingenieuren meist nicht sonderlich beliebt sehen viele
Unternehmensführungen das Konfigurationsmanagement heute als wichtigen
Baustein für Qualität, Effektivität und Effizienz
von Jan-Henning Dose, Wirtschaftsberater und Hauke Thun, PM Firefighters
Projektmanagement – damit verbinden die Führungskräfte in den meisten Unternehmen in
erster Linie die Planung und Kontrolle von Projektzielen, Meilensteinen und Budgets. Aber es
gehört ein weiteres wichtiges Aufgabenfeld dazu, dass oft aus der Optik gerät und ein
Schattendasein fristet: das Konfigurationsmanagement. Es befasst sich mit den
Komponenten eines Produktes, ihrer Beschaffenheit und Anordnung untereinander. Einem
Arbeitsbereich also, der im Laufe eines teilweise mehrjährigen Entwicklungsprozesses
unzähligen Veränderungen und Optimierungsschritten unterworfen ist. Dass dabei der
Überblick schnell verloren geht, leuchtet ein. Dennoch verhält es sich mit dem
Konfigurationsmanagement wie mit dem Zähneputzen: Es bringt zunächst einmal keinen
spürbaren Mehrwert. Aber es zu unterlassen führt zu schmerzlichen Konsequenzen.
Zu allem Überfluss gibt es ein professionelles Konfigurationsmanagement nicht umsonst.
Hier angelegtes Geld aber ist gut investiert. Vor allem, wenn man den Aufwand in Beziehung
setzt zu den „Costs of Non-Quality“ – den Kosten für Nachbesserungen, Garantie- und
Schadensersatzleistungen und ein ramponiertes Image, die unausgereifte Produkte zur
Folge haben. Das Beispiel Toyota macht sofort deutlich, in welche astronomischen
Dimensionen das führen kann.
In vielen Branchen ist aber gar nicht die Frage, ob es ein Konfigurationsmanagement gibt
oder nicht – sondern nur, wie weitreichend es angelegt ist. Denn in sicherheitsrelevanten
Industrien wie im Luft- und Raumfahrtbereich, im Automotive-Sektor, der Medizintechnik
oder der Chemie- und der Pharmabranche sind derartige Steuerungsprozesse zwingend
vorgeschrieben, wenn die Produkte die regulatorischen Vorgaben erfüllen sollen. Ganz
generell gilt die Faustformel: Je höher die Zulassungsanforderungen an das Produkt und die
Komplexität des Projekts ausfallen, desto notwendiger ist ein konsequent angelegtes
Konfigurationsmanagement. Wenig überraschend also, dass Versäumnisse im
Konfigurationsmanagement in der Kleinserienfertigung deutlich häufiger auftreten als in der
Großserienproduktion. Einen der höchsten Reifegrade weist diesbezüglich die
Luftfahrtbranche auf: Hier wird während des gesamten Lebenszyklus‘ jedes Bauteil, jede
Ersatzkomponente und jede Wartung fein säuberlich dokumentiert, so dass Pannen in
einzelnen Subsystemen schnell aufgespürt und bei Bedarf innerhalb der gesamten Flotte
behoben werden können.
Ein Grund, warum es ein verlässliches Konfigurationsmanagement vielerorts nicht gibt, sind
mögliche Konflikte, die es mit sich bringt. Denn dieses Steuerungsfeld, für das der
Projektmanager (oder, bei komplexeren Projekten, der Konfigurationsmanager) zuständig ist,
greift in die Arbeitsabläufe und Zuständigkeiten der Entwicklungsingenieure ein. Und die
legen in der Regel größten Wert darauf, dass sich ihr Experimentiertrieb frei entfalten kann
und ihre ganze Aufmerksamkeit dem Produkt gilt statt dem unliebsamen „Papierkram“.
Dadurch entsteht mitunter ein buntes Eigenleben, bei dem zum Beispiel Restbestände aus
dem Baukasten zum Einsatz kommen, die längst aus der freigegebenen Konfiguration
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2. gestrichen wurden. Auch fällt bei Entwicklungen nach dem Trial and Error-Prinzip die
Dokumentation der einzelnen Schritte mitunter recht dürftig aus. Der Projektmanager muss
deshalb einen Kompromiss suchen aus einem notwendigen Mindestmaß an Steuerung und
Kontrolle einerseits und der Vermeidung von innovationshemmendem Formalismus
andererseits.
Fragen von Sicherheit, Qualität und gesetzlichen Vorschriften sind aber nur eine Seite der
Medaille. Auf der anderen Seite steht das Konfigurationsmanagement als wichtiger Effizienz-
und Effektivitätsfaktor, der den Ressourceneinsatz fokussiert und für zügige Prozesse sorgt
ebenso wie für vorzeigbare Ergebnisse. Und auch, wenn hier hauptsächlich von der
Entwicklung von Produkten die Rede ist: Konfigurationsmanagement hört nicht auf, wenn
diese ihre Serienreife erlangt haben. Vielmehr geht die Verantwortung in diesem Moment
vom Projektmanager auf den Produktmanager über, der das Konfigurationsmanagement im
Rahmen der Produktpflege und des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) für die
gesamte Lebensdauer des Artikels fortführt. Das ist eine entscheidende Voraussetzung,
wenn es später etwa um Updates (im Software-Bereich), Kundendienstleistungen und
zusätzliche Verkaufs-Maßnahmen geht.
Welche Kernaufgaben schließt das Konfigurationsmanagement mit ein?
Am Anfang steht im Rahmen der Projektplanung der Identifikationsprozess: Hier geht es
darum, innerhalb des Gesamtprodukts sinnvolle Sub-Einheiten zu definieren, auf denen
das Konfigurationsmanagement aufsetzt. Dabei legen Projektmanager, Systemarchitekt
und Konfigurationsmanager fest, welche Eigenschaften das Produkt in welcher
Entwicklungsversion haben soll.
Im Rahmen der sogenannten „Änderungslenkung“ werden notwendige
Konfigurationsänderungen gesteuert, die sich im Laufe des Entwicklungsprozesses als
notwendig erweisen. Diese Aufgabe liegt ebenfalls in der Hand des Projektmanagers, der
zusammen mit seinem „Konfigurationsgremium“, dem Fachvertreter aller relevanten
Abteilungen angehören, über die Änderungen entscheidet.
Aufgabe des „Konfigurationsnachweises” ist die lückenlose Dokumentation sämtlicher
Konfigurationen der eingesetzten Komponenten – auch solcher, die es nicht bis in die
Serienfertigung schaffen.
Eine ganz besonders wichtige Rolle genießen Konfigurationsprüfungen. Im Rahmen von
Audits wird überprüft, ob die tatsächliche Konfiguration der Entwicklungsprodukte zu
festgelegten Zeitpunkten den vereinbarten Planungsvorgaben entspricht. Die Praxis
zeigt, dass dies allzu häufig nicht der Fall ist und immer wieder mit zum Teil kostspieligen
Überraschungen im Detail zu rechnen ist. Deshalb gilt hier das Credo: Fail early, fail
cheap!
Fazit
Unternehmen, die mit komplexen technischen Produkten befasst sind, die mit hohem
Entwicklungsaufwand und in großer Stückzahl gefertigt werden, ist die Bedeutung eines
umfassenden Konfigurationsmanagements vertraut. Ihre Herausforderung liegt darin, die
Einhaltung der geltenden Standards auf Dauer zu gewährleisten und sie stetig weiter zu
entwickeln. Anders sieht es in Unternehmen aus, die von einem stärker manufakturartigen
Entwicklungs- und Produktionsprozess geprägt sind. Für sie geht es darum, alle Beteiligten
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3. von der Notwendigkeit des Konfigurationsmanagements zu überzeugen und es zu einem
verlässlichen Bestandteil der Arbeitsroutinen zu machen. Beide Seiten profitieren am Ende
von mehr Effizienz und Produktivität, besseren Produkten und einer wachsenden
Entwicklungsintelligenz, die sich langfristig bezahlt macht.
Hamburg, 20. April 2010
Die Autoren
Jan-Henning Dose ist selbständiger Consultant und IPMA Level C zertifizierter Project
Manager mit den fachlichen Schwerpunkten strategische Unternehmensführung,
Qualitätsmanagement, Organisation sowie Projektmanagement. Im Rahmen von CMMI
basierten Prozessverbesserungsprojekten in multinationalen Entwicklungsumfeldern
hat sich der Dipl.-Oec. intensiv mit dem Thema Konfigurationsmanagement für Hard-
und Software auseinander gesetzt. Der gebürtige Bremer war u. a. für die PM
Firefighters (Project Manager) als auch für die PMFX Consulting (Mitgründer und
Managing Director) tätig und ist heute als Associate im Netzwerk beider Firmen aktiv.
Hauke Thun ist Gründer und Inhaber von PM Firefighters (www.pm-firefighters.eu).
Vor der Gründung seines Unternehmens im Jahr 2003 war der Dipl.-Ing. der
Technischen Informatik 18 Jahre in unterschiedlichen Funktionen in den Bereichen
Software-Entwicklung, Projektmanagement und Unternehmensführung tätig. Zu seinen
Stationen gehören die IDM Inc., G+J EMS GmbH, HTC Babelsberg GmbH, e-dict
GmbH (Geschäftsführer), 7d AG (Vorstand), divine GmbH (Director Quality
Management). Thun verfügt über Zertifizierungen nach GPM / IPMA Level D und PMI /
PMP. Er engagiert sich außerdem international, so etwa als Assessor für den
International Project Excellence Award (IPMA).
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