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32  Z.Z.Z 2013
Marco Stacher
Der unzuständige
Schiedsrichter
Zu seiner Stellung in punkto
Rechtsprechungskompetenz und seinem
Rechtsverhältnis zu den Parteien
I.	Einleitung
Ein Schiffsmotor explodierte auf hoher See. Die Explo-
sion verursachte Sachschaden und führte zu einem ICC
Schiedsverfahren. Anlass für diesen Aufsatz ist nicht die
Havarie, sondern das unspektakuläre Ende des Verfah-
rens aus prozessualen Gründen.1
Dies lässt sich wie folgt
zusammenfassen:
Die beklagte Partei bestritt die Existenz einer Schieds-
vereinbarung; sie erhob die Un­zu­stän­dig­keits­einrede
und weigerte sich, ihren Anteil am Kostenvorschuss zu
bezahlen. Der ICC Schiedsgerichtshof setzte der klagen-
den Partei in der Folge eine Frist zur Leistung des vollen
Kostenvorschusses, welche diese verstreichen liess. Der
ICC Schiedsgerichtshof informierte die Parteien des-
halb nach Rücksprache mit dem Schiedsgericht, dass
das Verfahren i.S.v. Art. 36 Abs. 6 ICC Schiedsregeln ab-
geschrieben würde, und traf die entsprechenden Mass-
nahmen. Streitig war letztlich nur noch, ob eine Partei
und – falls ja, welche Partei – einen Anspruch auf Er-
stattung ihrer Parteikosten hatte; diese waren angesichts
der Kürze des Verfahrens nicht übermässig, aber doch
beträchtlich. Beide Parteien hatten dem Einzelschieds-
richter ein entsprechendes Gesuch auf Parteientschädi-
gung unterbreitet.
In ihrer Eingabe zum Thema «Parteientschädigung»
brachte die beklagte Partei u.a. vor, das Verfahren wür-
de zufolge Nichtleistens des Kostenvorschusses beendet,
d.h. ohne dass der Einzelschiedsrichter über ihre Un-
zuständigkeitseinrede befinden würde; deshalb, so die
beklagte Partei, könne er sie nicht zur Leistung einer
Parteientschädigung an die klagende Partei verurteilen.
Ohne Einlassung, resp. Anerkennung oder Feststellung
der Zuständigkeit über die beklagte Partei habe er dazu
keine Grundlage. Umgekehrt würde dies nicht gelten;
	
Dr. Marco Stacher, Rechtsanwalt, LL.M., Walder Wyss AG,
Zürich.
1
	 Der Schiedsspruch ist bis dato unveröffentlicht.
die klagende Partei habe das Schiedsverfahren eingelei-
tet und sich somit der Zuständigkeit des Einzelschieds-
richters unterworfen;2
er könne die klagende Partei
deshalb – im Unterschied zur beklagten Partei – zur
Leistung einer Parteientschädigung verurteilen.
Der Einzelschiedsrichter äusserte sich nicht spezifisch
zu diesem Argument; die beklagte Partei obsiegte aus ei-
nem anderen Grund: Art. 36 Abs. 6 ICC Schiedsregeln3
sieht gemäss «Final Award»4
vor, dass die Klage als zu-
rückgenommen gilt, wenn die klagende Partei auf ent-
sprechende Aufforderung hin nicht den beklagtischen
Anteil am Kostenvorschuss übernimmt. Die klagende
Partei hätte dies unterlassen, was als Klagerückzug und
deshalb als Unterliegen zu werten sei. Die klagende Par-
tei müsse die beklagte Partei deshalb für deren Partei-
kosten entschädigen.
Die interessante Frage ist nun nicht, ob der Einzel-
schiedsrichter in Anwendung der ICC Schiedsordnung
korrekt entschieden hat; es interessiert auch nicht pri-
mär, ob der Ausgang billig ist.5
Interessant ist v.a. das
2
	 Vgl. BGE 128 III 191 E. 6b.
3
	 Art. 36 Abs. 6 ICC Schiedsordnung: «Wenn ein verlangter Kos-
tenvorschuss nicht bezahlt wird, kann der Generalsekretär, nach
Rücksprache mit dem Schiedsgericht, dieses anweisen, seine Ar-
beit auszusetzen und eine Frist von wenigstens 15 Tagen setzen,
nach deren fruchtlosen Ablauf die betroffenen Ansprüche als zu-
rückgenommen gelten…».
4
	 Mit der Bezeichnung als «Award» bringt der Einzelschieds-
richter zutreffend zum Ausdruck, dass Entscheide des
Schiedsgerichts zur Kostenverteilung eigentliche Schieds-
sprüche in der Sache sind (vgl. BGer 4P.67/2003 E. 6.1).
5
	 Dies verneinend das Urteil des Kantonsgerichts Graubünden
vom 15.5.1986, in: ASA Bull. 1988, 66 f. («Ausgangspunkt für
eine angemessene Lösung des Problems ist vielmehr der Um-
stand, dass das Schiedsgerichtsverfahren … wegen der fehlen-
den finanziellen Grundlage eingestellt wird… Die Verteilung
der bereits entstandenen aussergerichtlichen und gerichtlichen
Kosten kann sich deshalb nicht nach dem Ausgang des Verfah-
rens richten; massgeblich ist, wer die nun unnütz gewordenen
Aufwendungen verursacht hat… entscheidend für das Scheitern
des schiedsgerichtlichen Verfahrens ist … das der Schiedsabrede
Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 33
verwendet,8
und das Rechtsverhältnis wird i.a. auftrags-
oder auftragsähnlich qualifiziert.9
Was aber gilt in der
hier interessierenden Konstellation, in welcher (a) zum
einen die beklagte Partei einwirft, es liege keine Schieds-
vereinbarung vor, sie deshalb die Unzuständigkeitsein-
rede erhebt und der Ernennung der als Mitglieder des
Schiedsrichters designierten Personen nicht zustimmt
und (b) in welcher das Schiedsgericht zum anderen das
Schiedsverfahren beendet, ohne seine Zuständigkeit zu
prüfen? Ein eigentlicher Schiedsrichter«vertrag» lässt
sich in diesem Fall mangels Mitwirkens der beklagten
Partei jedenfalls nicht aus dem Ernennungsprozedere
ableiten;10
er lässt sich auch nicht mit der Schiedsver-
einbarung begründen, deren Existenz die beklagte Par-
tei bestreitet und welche das Schiedsgericht nicht prüft.
Was gilt nun? Existiert in einem solchen Fall mangels
Konsenses kein Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrich-
ter und Parteien oder folgt dessen Existenz aus der lex
arbitri? Falls Letzteres, was wäre der Inhalt eines solchen
Rechtsverhältnisses?
Diese Frage hätte sich in einem Punkt auch im be-
reits geschilderten ICC Schiedsverfahren stellen kön-
nen, nämlich wenn der (hälftige) Kostenvorschuss der
klagenden Partei das Honorar des Einzelschiedsrichters
nicht gedeckt hätte. Hätten die beiden Parteien dem
Einzelschiedsrichter diesfalls solidarisch für das Ho-
norar gehaftet, welches er für seine Tätigkeit verdiente?
Eine solche Solidarhaftung wird zwar anerkannt;11
al-
lein, setzt sie einen eigentlichen Vertragsschluss voraus
oder besteht sie auf einer anderen Grundlage, beispiels-
weise der lex arbitri?
Die Unterscheidung zwischen den beiden Aspekten
der Stellung des Schiedsrichters – Rechtsprechungskom-
petenz und Rechtsverhältnis – ist nicht neu: Beispiels-
weise benützt Baumgartner den Begriff des «receptum
8
	 Paul Baumgartner, Die Kosten des Schiedsgerichtsprozesses,
Diss. Zürich 1981, 161; Hoffet (FN 6), 9; vgl. Walther J. Hab-
scheid, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorgani-
sationsrecht, 2. Auflage, Basel/Frankfurt a.M. 1990, Titel vor
Rz. 863; BGE 136 III 597 («Schiedsrichtervertrag (receptum
arbitri)»); Lalive/Poudret/Reymond (FN 5), Titel zu Art. 14
KSG N 3; Jean-François Poudret/Sébastien Besson, Compara-
tive Law of International Arbitration, 2. Auflage, Zürich 2007,
Titel vor Rz. 437; Andreas Bucher, Die neue internationale
Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Basel/Frankfurt a.M.
1989, Rz. 156.
9
	 Vgl. Baumgartner (FN 8), 194 f.; Bernhard Berger, Jederzei-
tiges Kündigungsrecht des Schiedsrichters?, 20 (2002) ASA
Bull. 5 ff., 9; Lalive/Poudret/Reymond (FN 5), Art. 14 KSG
N 3, BSK-Peter/Besson, Art. 179 IPRG N 56; Rüede/Haden-
feldt (Rz.  5), 151; Stefan Vogel, Das öffentlich-rechtliche
Schiedsverfahren, 111 (2010) ZBl 670 ff., 680; Vogt (FN 6),
104; a.M. Inderkum [Vertrag eigener Art] (FN 6), 29, 37 f.;
für die obligationenrechtliche Lehre vgl. Heinrich Honsell,
Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 9. Aufla-
ge, Bern 2010, 315; vgl. dazu S. 46 ff.
10
	 Vgl. dazu S. 43 f.
11
	 Vgl. Art. 403 Abs.  1 OR; A. Bucher (FN  8), Rz. 158; Lali-
ve/Poudret/Reymond (FN  5), Art. 14 KSG N 3; Habscheid
(FN 8), Rz. 864; Poudret/Besson (FN 8), Rz. 443 a.E.; Rüede/
Hadenfeldt (Rz. 5), 223.
Unzuständigkeitsargument der beklagten Partei; d.h.
dass der Einzelschiedsrichter sie nicht zu einer Partei-
entschädigung verurteilen könne, weil er ihre Unzu-
ständigkeitseinrede nicht beurteilt habe und er somit
gar nicht wissen könne, ob er gegenüber der beklagten
Partei zuständig sei. Trifft dies zu? Man ist gewillt, dies
für den Fall mit «nein» zu beantworten, dass die beklag-
te Partei, wie in casu, ein schriftliches Begehren um Par-
teientschädigung unterbreitet. Diesfalls lässt sich prima
facie argumentieren, sie hätte sich in diesem Punkt der
Zuständigkeit des Einzelschiedsrichters unterworfen.
Was aber gilt ganz grundsätzlich, d.h. was würde gelten,
wenn die beklagte Partei auf ein entsprechendes Begeh-
ren verzichtet hätte? Kann ein Schiedsrichter eine be-
klagte Partei in einer solchen Konstellation auch ohne
rechtskräftigen, positiven Zuständigkeitsentscheid zur
Entrichtung einer Parteientschädigung verurteilen?
Diese Frage betrifft (i) einen Aspekt der Stellung des
Schiedsrichters, nämlich ob seine Rechtsprechungs-
kompetenz gänzlich mit der Schiedsvereinbarung ver-
knüpft ist oder ob er über gewisse inhärente, aus der lex
arbitri fliessende Kompetenzen verfügt; wie eben, einen
Kostenentscheid gegen eine seine Zuständigkeit bestrei-
tende Partei zu erlassen. Dieser Aspekt betrifft gerade
auch das Verhältnis zwischen Schiedsrichter und Staat:
Fraglich ist, ob der Staat mittels der lex arbitri unmittel-
bar Rechtsprechungskompetenz gegenüber den Partei-
en auf den Schiedsrichter überträgt, d.h. ob dies – in ge-
wissem Umfang – auch von Gesetzes wegen erfolgt oder
ausnahmslos eine Schiedsvereinbarung voraussetzt.
Ein (ii) anderer hier interessierender Aspekt der
Stellung des Schiedsrichters ist sein Verhältnis zu den
Parteien; dass ein rechtliches Verhältnis existiert und
dass es gewisse Rechte und Pflichten beinhaltet, ist
allgemein anerkannt. Meist wird dieses Verhältnis
als «Schiedsrichtervertrag»6
oder «receptum arbitri»7
bezeichnet. Die Begriffe werden häufig synonym
widersprechende Verhalten des Beklagten»); gl.M. Bernard Ber-
ger/Franz Kellerhals,International and Domestic Arbitration
in Switzerland, 2. Auflage, Bern 2010, Rz. 1454 (FN 5); Pierre
Lalive/Jean-François Poudret/Claude Reymond, Le droit de
l’arbitrage, Lausanne 1989, Art. 30 KSG N 4; Thomas Rüede/
Reimer Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2.
Auflage, Zürich 1993, 227 (jeweils basierend auf der Prämisse,
dass eine Schiedsvereinbarung besteht; vgl. dazu S. 37 f.).
6
	 Vgl. beispielsweise Franz Hoffet, Rechtliche Beziehungen
zwischen Schiedsrichtern und Parteien, Diss. Zürich 1991,
220; Hans-Heinrich Inderkum, Der Schiedsrichtervertrag,
Diss. Fribourg 1988, 2; Stephan A. Vogt, Der Schiedsrichter-
vertrag nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1989, 167
(vgl. immerhin die Einschränkung [«nicht vertragliche[s] Pri-
vatrechtsverhältnis» bei Ernennung des Schiedsrichters durch
den juge d’appui bei Fehlen eines vertraglichen Ernennungs-
regimes] bei 59, 178).
7
	 Eugen Bucher, Noch einmal das Rücktrittsrecht des Schieds-
richters: Zurück zum receptum arbitri, und sodann Rezepte
gegen die Untat böser Buben, 20 (2002) ASA Bull. 413 ff.,
passim; Max Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3.
Auflage, Zürich 1979, 607; ZK-Vischer, Art. 179 IPRG N 2.
Marco Stacher34  Z.Z.Z 2013
mit anderen Worten: Ohne Schiedsvereinbarung keine
Zuständigkeit des Schiedsgerichts zum Sachentscheid.
Dies trifft zu,17
ist aber nur die halbe Wahrheit. Die
Parteien können noch so sehr vereinbaren, dass ein
Schiedsgericht verbindlich entscheiden soll; wenn die
Rechtsordnung die Schiedsgerichtsbarkeit nicht aner-
kennt, bleibt der Vereinbarung die gewünschte Wirkung
versagt;18
es findet dann lediglich obligationenrechtliche
Schiedsgerichtsbarkeit statt. Die Schiedsgerichtsbarkeit
entspricht insoweit der Rechtsfigur des Vertrags: Wenn
das gesetzte Recht einen Vertrag nicht als verbindlich
anerkennt, bleibt dem Vertrag trotz Konsenses die von
den Parteien beabsichtigte Wirkung versagt.19
Der Einwand ist freilich v.a. akademischer Natur:
Die Schweizer Rechtsordnung anerkennt die Schiedsge-
richtsbarkeit als verbindliche Form der Streitentschei-
dung.20
Von den beiden Grundpfeilern der Schiedsge-
tem (particularly, as to the … arbitrability of the dispute...»);
Fouchard/Gaillard/Goldman, International Commercial
Arbitration, Den Haag/Boston/London 1999, Rz. 7, 11 («Ar-
bitration is a device whereby the settlement of a question … is
entrusted to other persons … who derive their powers from a
private agreement, not from the authorities of a state…»); Hof-
fet (FN 6), 45 («Die Privatautonomie ist die rechtliche Grund-
lage privater Schiedsgerichte in der Schweiz»); Lalive/Poudret/
Reymond (FN 5), Art. 176 IPRG N 2 («… l’arbitre est investi,
par l’effet de la convention des parties, du pouvoir de statuer sur
une prétention juridique»); Klaus Lionnet, The Arbitrator’s
Contract, 15 (1999) Arb.Int. 161 ff., 162 f. («… the arbitrator’s
decision making powers … result … from the parties’ arbration
agreement»).
17
	 Die Ausnahme von dieser Regel bilden die Fälle, in welchen
sich die beklagte Partei auf das schiedsgerichtliche Verfahren
einlässt.
18
	 Vgl. Berger/Kellerhals (FN  5), Rz. 9; Guldener (FN 7), 2
(«Recht sprechen, d.h. verbindliche Entscheidungen fällen, kön-
nen die Schiedsgerichte aber nur kraft eines Rechtssatzes, der
ihnen Entscheidungsgewalt verleiht…»); Gary Born, Internati-
onal Commercial Arbitration, 2. Auflage, Austin 2009, 201 f.;
Constantin Calavros, Grundsätzliches zum Rechtsverhältnis
zwischen Schiedsrichtern und Parteien nach griechischem
Recht, in: Lindacher et al. (Hrsg.), Festschrift für Walther J.
Habscheid, Bielefeld 1989, 63 ff., 74; Vogt (FN 6), 14, 27; a.M.
Hoffet (FN 6), 45, 49; Inderkum (FN 6), 9 f.; Hoffet begrün-
det seine Meinung damit, dass die Fähigkeit des Schiedsrich-
ters, einen urteilsgleichen Schiedsspruch zu erlassen, nicht
bloss aufgrund gesetzlicher Anordnung bestehe, sondern in
erster Linie aufgrund rechtsgeschäftlicher Anordnung seitens
der Verfahrensparteien; dies trifft nach der hier vertretenen
Meinung nicht zu: Den Schiedsparteien kommt diese Fähig-
keit nur zu, da das gesetzte Recht die Schiedsgerichtsbarkeit
als verbindliche Form der Streitentscheidung anerkennt;
gemäss Inderkum existiert kein staatliches Rechtsprechungs-
monopol, d.h. das Urteil einer Privatperson kann ohne Dele-
gation von hoheitlicher Gewalt die gleichen Wirkungen wie
ein staatliches Urteil haben; dies erscheint aus dem gleichen
Grund verfehlt.
19
	 BK-Kramer/Schmidlin, Allgemeine Einleitung in das schwei-
zerische OR N 119; Andreas von Tuhr/Hans Peter, Allgemei-
ner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Band I, 3.
Auflage, Zürich 1979, 143.
20
	 Vgl. Art. 387 ZPO («Mit der Eröffnung hat der Schiedsspruch
die Wirkung eines rechtskräftigen und vollstreckbaren gerichtli-
chen Entscheids»; dies gilt auch für die internationale Schieds-
arbitri» als Oberbegriff für beide Aspekte; dieses umfas-
se die Rechtsprechungskompetenz des Schiedsrichters
und, falls zwischen Parteien und Schiedsrichtern ein
Konsens betreffend seiner Tätigkeit stattgefunden habe,
den Schiedsrichtervertrag.12
Die Unterscheidung macht
auch Sinn: Wenger erklärt in seiner Dissertation, dass
sich ein obligationenrechtliches Schiedsverfahren13
in
punkto Rechtsprechungskompetenz von einem regulä-
ren Schiedsverfahren unterscheidet: Das obligationen-
rechtliche Schiedsgericht verfüge über keine eigentli-
che Rechtsprechungskompetenz; dies, weil die Parteien
nicht die verbindliche Streitentscheidung durch eine
Drittperson vereinbaren; sie würden lediglich die ge-
genseitige Pflicht begründen, einen «Schiedsspruch»
zu befolgen.14
Im Übrigen entsprächen sich die beiden
Verfahrensarten:15
Der obligationenrechtliche «Schieds-
richter» regelt das Verfahren ebenfalls, fordert einen
Kostenvorschuss ein, nimmt Beweise ab, wendet das
Recht auf den erstellten Sachverhalt an etc. Die Recht-
sprechungskompetenz kann deshalb durchaus von den
restlichen Aspekten der Stellung des Schiedsrichters ab-
gegrenzt werden.
Im Folgenden werden beide Aspekte der Stellung
des Schiedsrichters – Rechtsprechungskompetenz und
Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter und Parteien
– aufgrund des eingangs geschilderten ICC Schieds-
verfahrens untersucht; dies insbesondere darauf (i) ob
sie die Zustimmung der Parteien voraussetzen oder (ii)
ob sie bereits vollständig oder teilweise aus dem gesetz-
ten Recht folgen. Ein dritter Abschnitt untersucht die
Rechtsnatur der beiden Aspekte.
II.	Rechtsprechungskompetenz
A.	Einleitung
Schiedsgerichtsbarkeit wird bisweilen als «creature» be-
zeichnet «that owes its existence to the will of the parties»;16
12
	 Vgl. Baumgartner (FN 8), 161, 182 ff.; vgl. auch Walter
Gressly, Die Stellung des Schiedsrichters, Diss Bern 1959,
36 f.; Hoffet (FN 6), 16.
13
	 Verstanden als «Kombinationen zwischen Feststellungsgeschäft
und Schiedsgutachtenklausel» (Werner Wenger, Zum obli-
gationenrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen
Recht, Diss. Basel 1968, 15, 172).
14
	 Falls die unterliegende Partei diese Pflicht nicht erfüllt, reicht
die obsiegende Partei bei der staatlichen Gerichtsbarkeit Klage
auf Erfüllung des Schiedsspruchs ein (Wenger [FN 13], 75).
Dieses zweistufige Verfahren ist unnötig aufwendig. Es ist des-
halb gemäss Vertrauensprinzip davon auszugehen, dass zwei
vernünftig handelnde Parteien nicht ein obligationenrechtli-
ches, sondern ein reguläres Schiedsverfahren vereinbaren.
15
	 Vgl. Wenger (FN 13), 176 f.
16
	 Dell Computer Corp. v. Union des consommateurs, 2007
SCC 34, Rz. 51 (Supreme Court of Canada); vgl. auch Pie-
ro Bernardini, The Role of the International Arbitrator, in:
Bredin et al. (Hrsg.), Liber amicorum Claude Reymond, Pa-
ris 2004, 1 ff., Rz. 6 («The arbitrator, as is known, derives its
powers from the will of the parties expressed in the arbitrati-
on agreement, within the limits set by the applicable legal sys-
Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 35
schen den Parteien keine Schiedsvereinbarung besteht».
Diese summarische Prüfung umfasst gemäss Bundes-
gericht «den Bestand, nicht aber Gültigkeit und genaue
Tragweite der Schiedsvereinbarung».22
Der juge d’appui prüft mit anderen Worten nicht mit
voller Kognition, ob eine Person, welche er als Schieds-
richter ernennt, zur Streitentscheidung zuständig ist.
Diese Person kann sich deshalb letztlich, beispielswei-
se zufolge Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung, als
unzuständig erweisen. Dies legt nahe, als «Schiedsrich-
ter» nicht eine Person zu bezeichnen, welche gestützt
auf eine Schiedsvereinbarung zuständigerweise Recht
spricht; gemäss Art 179 Abs. 3 IPRG genügen für die
Stellung als Schiedsrichter vielmehr Anhaltspunkte,dass
die entsprechende Person auf einer solchen Grundlage
tätig wird. Diese zweite Hürde ist beträchtlich niedriger
als die erste: Die Stellung als Schiedsrichter setzt unter
diesem Kriterium nicht die Zuständigkeit des Schieds-
richters, sondern nur den Anschein23
seiner Zuständig-
keit voraus.
Im erwähnten ICC Schiedsverfahren zwischen den
beiden Technologiegesellschaften wäre der Partei-
schiedsrichter der beklagten Partei deshalb (vermutlich)
auch ohne deren Beteiligung ernannt worden;24
dass die
Parteien identische, schriftliche Schiedsvereinbarungen
austauschen,25
steht im Rahmen einer summarischen
Prüfung i.S.v. Art. 179 Abs. 3 IPRG dem Schluss im
Wege, dass keine Schiedsvereinbarung existiert.
Weitere Bestimmungen des 12. Kapitels des IPRG
sprechen jedenfalls nicht gegen die Geltung der von
Art. 179  Abs. 3 IPRG inspirierten niedrigeren Hürde,
nämlich dass für die Stellung als Schiedsrichter nur der
Anschein der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit er-
forderlich ist: Für den Erlass von vorsorglichen Mass-
nahmen ist nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts,
sondern lediglich dessen prima facie Zuständigkeit er-
22
	 BGE 118 IA 20 E. 5b; ZR 109 (2010) Nr. 17 E. 2a. Nach zutref-
fender Lehrmeinung sind Fragen der Tragweite der Schieds-
vereinbarung indessen bei einer summarischen Prüfung i.S.v.
Art. 179 Abs. 3 IPRG ausser Acht zu lassen; sie ist darauf zu
beschränken, ob eine Vereinbarung zu bestehen scheint, wel-
che das Texterfordernis erfüllt (Berger/Kellerhals [FN  5]
Rz. 769; BSK-Peter/Legler, Art. 179 IPRG N 41; Gabrielle
Kaufmann-Kohler/Antonio Rigozzi, Arbitrage international,
2. Auflage, Bern 2010, Rz. 340).
23
	 ZR 109 (2010) Nr. 17 E. 2a.
24
	 In casu wäre die Beteiligung des juge d’appui indessen ange-
sichts der Zuständigkeit des ICC Schiedsgerichtshofs gemäss
Art. 12 Abs. 4 ICC Schiedsregeln nicht erforderlich, resp. –
zumindest nicht als erstes – erhältlich gewesen (vgl. ZR 104
[2005] Nr. 19 E. 4; Berger/Kellerhals [FN 5], Rz. 750).
25
	 Zur Formwahrung gemäss Art. 178 Abs. 1 IPRG genügt, dass
«aus der Gesamtheit der in Textform nachgewiesenen Äusse-
rungen aller Vertragspartner die Zustimmung zur Schiedsver-
einbarung hervorgeht» (BSK-Wenger/Müller, Art. 178 IPRG
N 16). Es ist mit anderen Worten nicht erforderlich, dass
die Parteien der Schiedsvereinbarung in derselben Urkun-
de schriftlich zustimmen; der schriftliche Austausch über-
einstimmender Schiedsvereinbarungen begründet deshalb
den Anschein der Existenz einer Schiedsvereinbarung i.S.v.
Art. 179 Abs. 3 IPRG.
richtsbarkeit – Parteivereinbarung und Anerkennung
durch den Rechtsstaat – steht deshalb regelmässig nur
der erste zur Debatte. Dies beispielsweise in einem ICC
Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz, in welchem
sich zwei Technologiegesellschaften gegenüberstanden:
Das Verfahren drehte sich um die Frage, ob die Par-
teien ihre Streitigkeit mittels Vergleichs bereinigt hat-
ten; die eine Gesellschaft behauptete dies und klagte
auf Erfüllung des Vergleichs; die Zuständigkeit des ICC
Schiedsgerichts begründete sie mit der Schiedsvereinba-
rung, welche der Vergleichsentwurf enthielt; im Unter-
schied zum Inhalt des Vergleichs war diese in den letzten
ausgetauschten Entwürfen unverändert geblieben. Frag-
lich war nun u.a., ob ein Konsens in punkto Schiedsver-
einbarungerzieltwordenwar.DiebeklagteParteibestritt
dies; der Abschluss der Schiedsvereinbarung bedürfe,
gleich wie der Vergleichsschluss selbst, der Unterzeich-
nung der Vergleichsurkunde in der in ihr vorgesehenen
Form; diese Voraussetzung sei nicht erfüllt worden. Die
beklagte Partei erhob deshalb die Unzuständigkeitsein-
rede und bestritt, dass eine Schiedsvereinbarung – oder
gar ein Vergleich – geschlossen worden war; die Partei-
en hätten lediglich Gegenangebote ausgetauscht. In der
Folge spielte sich das ICC Verfahren nach den üblichen
Regeln ab: Die Parteien bestellten das Schiedsgericht,
reichten Rechtsschriften, witness statements und Rechts-
gutachten ein, stellten Editionsbegehren, hielten eine
Zeugenverhandlung ab etc. Letztlich verglichen sich die
Parteien kurz vor der Eröffnung des Schiedsspruchs.
Was wäre nun, wenn das Schiedsgericht entschieden
hätte, es sei mangels Schiedsvereinbarung unzuständig?
Hätte diesfalls gar kein Schiedsverfahren stattgefunden?
Bei der These «kein Schiedsverfahren ohne Schiedsver-
einbarung» müsste diese Frage bejahend beantwortet
werden. Dies ist indessen keineswegs zwingend, was
gerade das 12. Kapitel des IPRG21
als lex arbitri für in-
ternationale Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz
aufzeigt:
B.	 Funktionaler Ansatz des 12. Kapitels
des IPRG
Art. 179 Abs. 3 IPRG sieht vor, dass der juge d’appui ei-
nem Begehren um Schiedsrichterernennung stattgibt,
«es sei denn, eine summarische Prüfung ergebe, dass zwi-
gerichtsbarkeit [Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 9, 1494a; BSK-
Berti/Schnyder, Art. 190 IPRG N 7; BSK-Girsberger, Art. 387
ZPO N 1]); der Schiedsspruch ist deshalb auch definitiver
Rechtsöffnungstitel i.S.v. Art. 80 SchKG (BSK-Staehelin,
Art. 80 SchKG N 16 f.) und Arrestgrund i.S.v. Art. 271 Abs. 1
Ziff. 6 SchKG (BGer 5A_355/2012 E. 4; vgl. Michael Lazopou-
los, Arrestrecht – die wesentlichen Änderungen im Zusam-
menhang mit dem revidierten LugÜ und der Schweizerischen
ZPO, 2011 AJP/PJA 2011 608 ff., 610 f.).
21
	 Für die Binnenschiedsgerichtsbarkeit folgt Analoges aus
dem 3. Teil der ZPO. Da die Bedeutung der internationalen
Schiedsgerichtsbarkeit ungleich grösser als diejenige der Bin-
nenschiedsgerichtsbarkeit ist, orientieren sich die folgenden
Ausführungen an der für erstere geltenden lex arbitri.
Marco Stacher36  Z.Z.Z 2013
Das 12. Kapitel des IPRG behandelt Zuständigkeits-
entscheide somit unabhängig von der Existenz einer
Schiedsvereinbarung als Schiedssprüche. Dies (i) im
Unterschied zu Lehrmeinungen, welche es als «Wider-
spruch in sich» betrachten, den (zutreffenden) Unzu-
ständigkeitsentscheid eines Schiedsgerichts als Schieds-
spruch zu bezeichnen,31
und (ii) zu Recht:
Die Schiedsbeschwerde in solchen Fällen zuzulas-
sen, schafft Rechtssicherheit durch einen verbindlichen
staatlichen Entscheid. Zudem leitet sich die Recht-
sprechungskompetenz, wie erwähnt,32
in keinem Fall
ursprünglich aus einer Parteivereinbarung ab. Voraus-
gesetzt ist stets, dass das gesetzte Recht die in der Partei-
vereinbarung vorgesehenen Wirkungen anerkennt. Das
gesetzte Recht ist deshalb zur Beantwortung der Frage,
ob in casu ein Schiedsverfahren stattfindet, das bessere
Kriterium als die Schiedsvereinbarung.
Dies führt zu folgendem Schluss: Wenn die Zustän-
digkeit, resp. die Existenz einer auf den Streitgegenstand
anwendbaren Schiedsvereinbarung, nicht Vorausset-
zung für die Anwendung von ganz grundsätzlichen
Normen des 12. Kapitels des IPRG ist – Art. 179 Abs. 3,
177, 184 ff., 190 Abs. 2 Bst. b IPRG –33
so besteht die
Folge der Unzuständigkeit darin, dass das Schiedsgericht
unzuständig ist, und nicht darin, dass kein Schiedsgericht
vorliegt. Gleiches gilt für die Schiedsfähigkeit des An-
spruchs34
. Auch die fehlende Schiedsfähigkeit bewirkt
nicht, dass eine Person nicht als Schiedsrichter tätig
wird, sondern lediglich, dass sie nicht zur Streitentschei-
dung zuständig sein kann.
So, d.h. mit der Erkenntnis, dass Zuständigkeits-
entscheide unabhängig von der Zuständigkeit des
Schiedsgerichts Schiedssprüche sind, lässt sich auch
erklären, dass der negative Zuständigkeitsentscheid ei-
nes Schiedsgerichts rechtskraftähnliche Wirkung haben
soll, d.h. dass ein später angerufenes staatliches Gericht
oder Schiedsgericht die Existenz und Gültigkeit der
Schiedsvereinbarung nicht erneut prüfen können soll.35
Entscheidend ist somit die Funktion, welche der
Spruchkörper ausübt; wenn das Verfahren einem
Schiedsverfahren entspricht und eine Schiedsvereinba-
rung vorliegen kann, ist der Spruchkörper unabhängig
davon ein Schiedsgericht, ob er letztlich keine schieds-
gerichtliche Zuständigkeit hat. «If it looks like a duck,
swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably
is a duck».36
Die Stellung als Schiedsrichter mit Rechtspre-
chungskompetenz hängt somit nicht vollumfänglich
von der Schiedsvereinbarung ab.37
Vielmehr behandelt
31
	 Mezger (FN 29), 178.
32
	 Vgl. S. 34.
33
	 Vgl. S. 35 ff.
34
	 a.M.Vogt (FN 6), 117.
35
	 Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 677.
36
	 James Whitcomb Riley.
37
	 Vgl. auch Hoffet (FN 6), 82 f., welcher die Schiedsverein-
barung als Voraussetzung für die Stellung als Schiedsrichter
betrachtet, aber festhält, dass widrigenfalls, «nämlich dann,
forderlich.26
Gleichermassen setzt die Mitwirkung des
staatlichen Richters (Art. 184 Abs. 2 IPRG27
und Art. 185
IPRG) nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts vo-
raus. Diese Voraussetzung wäre insbesondere in den
Fällen sachfremd, in welchen das Schiedsgericht wegen
einer Unzuständigkeitseinrede zu Sachverhaltsfragen
Beweise abnehmen muss und Rechtshilfe benötigt, wel-
che für seinen Zuständigkeitsentscheid relevant sind.
Art. 183 und Art. 184 f. IPRG stehen deshalb mit der
These im Einklang, dass die Schiedsrichterstellung bloss
den Anschein einer Schiedsvereinbarung i.S.v. Art. 179
Abs. 3 IPRG voraussetzt.
Des Weiteren entscheidet auch das eigentlich unzu-
ständige Schiedsgericht als «Schiedsgericht» über seine
Zuständigkeit; die relative28
Kompetenzkompetenz ge-
mäss Art. 186 Abs. 1 IPRG setzt gerade nicht die Zu-
ständigkeit des Schiedsgerichts voraus, sondern weist
Spruchinstanzen, die Schiedsgerichte sein können, an,
ihre Zuständigkeit selbst zu prüfen.29
Es kommt hinzu,
(i) dass dieser Entscheid der Schiedsbeschwerde i.S.v.
Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG untersteht und (ii) dass dies
gerade auch für (korrekte) Unzuständigkeitsentscheide
sowie (falsche), die Zuständigkeit bejahende, Entschei-
de gilt: Sie sind auch dann beschwerdefähig, wenn das
Schiedsverfahren nicht aufgrund einer Schiedsverein-
barung eingeleitet wurde, mit welcher die Parteien dem
Schiedsgericht Rechtsprechungskompetenz übertru-
gen.30
26
	 Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 1143; Georg von Segesser,Vor-
sorgliche Massnahmen im Internationalen Schiedsprozess, 25
(2007) ASA Bull. 473 ff., 477.
27
	 Rüede/Hadenfeldt (Rz.  5), 266; BSK-Schneider, Art. 184
N 62; Marcel Schneider, Funktionen des staatlichen Rich-
ters am Sitz des internationalen Schiedsgerichts gemäss 12.
Kapitel des IPRG, Diss. St. Gallen 2009, 59; a.M. Gerhard
Walter/Wolfgang Bosch/Jürgen Brönnimann, Internationa-
le Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Bern 1991, 165 in
punkto «wirksam[er]» «Schiedsvertrag».
28
	 Das Schiedsgericht verfügt über Kompetenzkompetenz (BGE
118 IA 20 E. 5b); diese ist indessen nur relativ, da der Zustän-
digkeitsentscheid des Schiedsgerichts der Kontrolle durch die
staatliche Gerichtsbarkeit gemäss Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG
untersteht (BSK-Wenger/Schott, Art. 186 IPRG N 2).
29
	 Vgl. aber Ernst Mezger, Zur Zwischenentscheidung der
Schiedsrichter über ihre eigene Unzuständigkeit, in: Lindach-
er et al. (Hrsg.), Festschrift für Walther J. Habscheid, Biele-
feld, 1989, 177 ff., 178 a.E., gemäss welchem ein negativer
Zuständigkeitsentscheid «[a]uf keinen Fall … als echter
Schiedsspruch im deutschen Sinne angesehen werden [kann]».
30
	 Vgl. auch Cesare Jermini, Die Anfechtung der Schieds-
sprüche im internationalen Privatrecht, Diss. Zürich 1997,
Rz. 812: Jermini erklärt, dass die zivilprozessrechtliche Lehre
ein Nichturteil annimmt, wenn es von einer Person erlassen
werde, der keine Gerichtsgewalt zukommt. In der Schiedsge-
richtsbarkeit führe dieser Fall indessen nicht zur Nichtigkeit,
sondern, wie Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG explizit festhält, zur
Anfechtbarkeit des Schiedsspruchs mangels Existenz einer
Schiedsvereinbarung/fehlender Schiedsfähigkeit und somit
zufolge fehlender Zuständigkeit. Folglich liegt bei fehlender
Zuständigkeit ein – wenn auch anfechtbarer – Schiedsspruch
und kein Nichtschiedsspruch vor.
Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 37
C.	 Umfang der im 12. Kapitel des IPRG inhä­
renten schiedsrichterlichen Zuständigkeit
a)	 Schiedsrichterliche Prozesskompetenz
Die bisherigen Ausführungen ergeben, dass die lex arbi-
tri einen unzuständigen Schiedsrichter als eigentlichen
Schiedsrichter mit Entscheidkompetenz betrachtet.
Ein Aspekt dieser im 12. Kapitel des IPRG inhären-
ten Kompetenz folgt aus Art. 186 IPRG: Der Schieds-
richter ist unabhängig von seiner Zuständigkeit in der
Sache zum Zuständigkeitsentscheid berufen. Der als
Schiedsgericht fungierende Spruchkörper ist deshalb
von Gesetzes wegen insoweit zur Verfahrensleitung
und Entscheidfindung ermächtigt, als dies mit seinem
Zuständigkeitsentscheid, und somit mit der positiven
Kompetenzkompetenz verknüpft ist: Er regelt das zum
Zuständigkeitsentscheid führende Verfahren,43
holt in-
soweit erforderlich Rechtshilfe ein und erlässt den Zu-
ständigkeitsentscheid. Letzteres beinhaltet auch die
Kompetenz zur Verteilung der Verfahrenskosten und die
Kompetenz, im Zusammenhang mit dem Zuständig-
keitsentscheid über eine allfällige Parteientschädigung
zu befinden:44
Erstens ist der Kostenentscheid im Falle eines Un-
zuständigkeitsentscheids einzig mit dem Zuständig-
keitsentscheid, für welchen das 12. Kapitel des IPRG
eine inhärente Zuständigkeit begründet, und nicht mit
dem Entscheid in der Sache verknüpft, welcher eine
Schiedsvereinbarung voraussetzt.45
Zweitens ist die
Schiedsgerichtsbarkeit i.S. des 12. Kapitels des IPRG
in die Schweizer Rechtsordnung eingebettet; in dieser
Rechtsordnung treffen unzuständige staatliche Gerichte
Kostenentscheide;46
dass Schiedsgerichte dieselbe Funk-
tion wie staatliche Gerichte ausüben47
– die verbindliche
43
	 Beispielsweise ist ein Schiedsrichter zur Anordnung einer
Prozesskostensicherheit auch dann ermächtigt, «if ultimate-
ly it determines that it has no jurisdiction» (Berger/Kellerhals
(FN 5), Rz. 1464a). Daraus folgt vice versa, dass das Schieds-
gericht mit seinem Entscheid über den Antrag auf Prozess-
kostensicherheit nicht implizit über seine Zuständigkeit i.S.v.
Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG entscheidet.
44
	 Vgl. K.P. Berger (FN  40), 361; Berger/Kellerhals (FN  5),
Rz. 1464a; BSK-Wenger/Schott, Art. 186 IPRG N 65; a.M.
Hans Fasching, Der Kostenersatzanspruch des Beklagten
bei Unzuständigkeit des Schiedsgerichts, in: Lindacher et al.
(Hrsg.), Festschrift für Walther J. Habscheid, Bielefeld 1989,
93 ff., 95, welcher dem unzuständigen Schiedsgericht die
Kompetenz versagt, über einen Kostenersatzanspruch der be-
klagten Partei zu entscheiden; Laschet (FN 40), 187 (FN 71).
45
	 Ein Begehren um Parteientschädigung ist zwar ein eigent-
liches Rechtsbegehren und führt im Unterschied zur Un-
zuständigkeitseinrede, welche einen Prozessentscheid nach
sich zieht, zu einem Schiedsspruch in der Sache (vgl. BGer
4P.67/2003 E. 6.1). Im Falle eines Unzuständigkeitsentschei-
des ergeben sich die für den Kostenschiedsspruch wesentli-
chen Gesichtspunkten indessen aus prozessualen Überlegun-
gen (insbesondere dem Obsiegen im Zuständigkeitsstreit).
46
	 Vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO; BK-Sterchi, Art. 104 ZPO N 1.
47
	 Vgl. beispielsweise Inderkum (FN 6), 6; Gustav Real, Der
Schiedsrichtervertrag, Diss. Köln 1983, 66, 75; Cassani
(FN 42), Art. 309 StGB N 15.
die lex arbitri den unzuständigen Schiedsrichter in ei-
nem beschränkten Bereich gleich wie den zuständigen
Schiedsrichter.38
Insbesondere ist sein Zuständigkeits-
entscheid i.S.v. Art. 186 Abs. 1 IPRG ein eigentlicher
Schiedsspruch; dies, wie erwähnt,39
wenn nur schon der
Anschein der Existenz einer Schiedsvereinbarung i.S.v.
Art. 179 Abs. 3 IPRG besteht.40
Dies gilt ganz allgemein
und ist nicht auf das 12. Kapitel des IPRG beschränkt.41
So ist auch die Tätigkeit eines letztlich unzuständigen
Schiedsrichters i.S.v. Art. 21 Abs. 2 Ziff. 29 MwStG von
der MwSt ausgenommen und die falsche Zeugenaus-
sage vor einem unzuständigen Schiedsgericht ist i.S.v.
Art. 307 i.V.m. 309 StGB strafbar.42
wenn die Schiedsrichter über Kompetenz-Kompetenz verfügen»
ein «vorübergehendes Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter
und Streitparteien entstehen [kann]».
38
	 Für die positive Kompetenzkompetenz vgl. Fouchard/Gail-
lard/Goldman (FN  16), 400 («The competence-competence
principle also allows arbitrators to determine that an arbitra-
tion agreement is invalid and to make an award declaring they
lack jurisdiction without contradicting themselves. Of course,
neither of these effects results from the arbitration agreement…
the basis for the competence-competence principle lies not in the
arbitration agreement, but in the arbitration laws…»).
39
	 Vgl. S. 35.
40
	 Vgl. Klaus Peter Berger, International Economic Arbitrati-
on, Deventer/Boston 1993, 360 f.; a.M. wohl Walter/Bosch/
Brönnimann (FN 27), 196 («Weist das Schiedsgericht die Klage
als unzulässig zurück, weil kein wirksamer Schiedsvertrag vor-
liege, so liegt kein Schiedsspruch vor, da das Schiedsgericht eine
sachliche Entscheidung ablehnt»); E. Bucher, ASA Bull. 2002
(FN 7), 417 («Befugnis des Schiedsrichters, sein Amt auszu-
üben, … durch die Schiedsabrede zur Entstehung [gelangt]»);
Berger (FN 9), 13 («Die Einsetzung eines Schiedsrichters be-
ruht … auf einer vertraglichen Einigung zwischen den Partei-
en und dem Schiedsrichter…»); Mezger (FN 29), 178 («Wi-
derspruch in sich»); Franz Florian Laschet, Rechtsmittel
gegen Prozess-, Vorab- oder Zwischenentscheidungen eines
Schiedsgerichts oder einer Schiedsgerichtsorganisation, in:
Habscheid/Schwab (Hrsg.), Beiträge zum Internationalen
Verfahrensrecht und zur Schiedsgerichtsbarkeit, Festschrift
für Heinrich Nagel, Münster 1987, 167 ff., 187 (FN 71).
41
	 Vgl. auch Art. V Abs. 2 Bst. a des New Yorker Übereinkom-
mens (NYÜ; SR 0.277.12). Gemäss dieser Bestimmung ist die
mangelnde Schiedsfähigkeit ein Grund zur Vollstreckungs-
verweigerung; sie führt indessen nicht zur Nichtigkeit des
Schiedsspruchs und somit nicht dazu, dass aus der Perspek-
tive des NYÜ kein Schiedsspruch besteht (vgl. Christian Josi,
Die Anerkennung und Vollstreckung der Schiedssprüche in
der Schweiz, Diss. Bern 2005, 84).
42
	 Vgl. dazu BSK-Delnon/Rüdy, Art. 309 StGB N 4 f.; gemäss
Cassani erfordert die Strafbarkeit indessen, dass das gesetz-
te Recht den Schiedsrichter ermächtigt, Zeugenbefragungen
durchzuführen, und sie sieht in Art. 184 IPRG zu Unrecht
keine Grundlage für ein solches Vorgehen (Ursula Cassani,
in: Martin Schubarth, Commentaire du droit pénal suisse,
Bd. 9, Bern 1996,Art. 309 StGB N 16 f.; gl.M. Günter Straten-
werth/Felix Bommer, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer
Teil II, 6. Auflage, Bern 2008, § 54 N 6).
Marco Stacher38  Z.Z.Z 2013
bei einer Unzuständigkeitseinrede51
der beklagten Partei
leiten und es aus prozessualen Gründen beenden; dies
gilt ganz allgemein und betrifft nicht nur die Zuständig-
keit, sondern auch die übrigen Prozessvoraussetzungen;
der Schiedsrichter ist beispielsweise auch dann ermäch-
tigt, das Verfahren mangels Prozessfähigkeit einer Partei
mittels Nichteintretensentscheid zu beenden, wenn es
zuvor nicht über seine Zuständigkeit entschieden hat.
Solche Nichteintretensentscheide, insbesondere
negative Zuständigkeitsentscheide, sind, wie bereits
erwähnt,52
eigentliche Schiedssprüche; dies folgt aus ih-
rer Beschwerdefähigkeit53
und der Tatsache, dass sie die
Rechtshängigkeit vor dem Schiedsgericht gleich wie ein
Schiedsspruch in der Sache beenden.54
Der unzustän-
dige Schiedsrichter verfügt deshalb über eigentliche –
wenn auch beschränkte – Rechtsprechungskompetenz.
Zu betonen ist, dass die schiedsrichterliche Kompe-
tenz in jedem Fall – auch bei rechtskräftig festgestellter
Zuständigkeit – auf Rechtsprechung und Verfahrenslei-
tung beschränkt ist; der Schiedsrichter ist keinesfalls zur
Vollstreckung seines Schiedsspruchs ermächtigt. Wenn
das Schiedsgericht am Ende des Verfahrens Rechnung
über die Verwendung der Kostenvorschüsse legt, und
feststellt, dass diese zu hoch angesetzt wurden, kann es
deshalb den Überschuss insbesondere nicht proportio-
nal zum Ausgang des Verfahrens verteilen; das Schieds-
gericht würde ansonsten seinen eigenen Schiedsspruch
vollstrecken.55
Vielmehr retourniert es deshalb den
Überschuss in dem Verhältnis an die Parteien, in wel-
chem sie sich am Vorschuss beteiligt haben.
b)	 Auf den Kostenentscheid des unzuständigen
Schiedsrichters anwendbare Regeln
Die Gleichschaltung von Schiedsrichter und staatli-
chem Richter in punkto Kompetenz zum Erlass eines
Kostenentscheids gegen beide Parteien folgt, wie bereits
51
	 Bei einer die Schiedsvereinbarung ersetzenden Einlassung
erübrigt sich freilich die Frage, ob das Schiedsgericht ohne
Schiedsvereinbarung über Rechtsprechungskompetenz ver-
fügt.
52
	 Vgl. S. 35 ff.
53
	 Entscheide zu Zuständigkeit, Prozessfähigkeit und Parteiver-
tretung sind gestützt auf Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG anfecht-
bar (vgl. BGer 4A_538/2012 E. 4.3.3; 4A_414/2012 E. 1.2;
4A_50/2012 E. 3.2; 4A_428/2008 E. 3.1); die frühere res iudi-
cata (BGer 4A_490/2009 E. 2.1; 4P.98/2005 E. 5; vgl. BGE 127
III 279 E. 2b) und die rechtsmissbräuchliche Klageerhebung
(a.M. 4A_444/2009 E. 4.2.1) ist mittels Art. 190 Abs. 2 Bst. e
IPRG geltend zu machen; vgl. zur Thematik auch Marco Sta-
cher, Rechtsprechung des Bundesgerichts in Schiedssachen
(2011 und 2012), 22 (2013) AJP/PJA 102 ff., Rz. 67 ff.
54
	 Vgl. für staatliche Verfahren BK-Berger-Steiner, Art. 62 ZPO
N 42.
55
	 BSK-ZPO-Habegger, Art. 378 ZPO N 31; Andreas Reiner,
ICC Schiedsgerichtsbarkeit, Wien 1989, 285; a.M. KuKo-Das-
ser,Art. 378 ZPO N 7; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 225, gemäss
welchen sich das Schiedsgericht nur aus dem Vorschuss der
obsiegenden Partei bezahlt macht, wenn der Vorschuss der
unterliegenden Partei nicht ausreicht.
Rechtsprechung –, legt nahe, dass auch unzuständige
Schiedsgerichte Kosten verteilen können. Die Kompe-
tenz, Unzuständigkeitsentscheide, mit einem Kosten-
entscheid zu verbinden, leitet sich somit mittelbar aus
dem 12. Kapitel des IPRG ab, nämlich aus der dort im-
plizierten Funktion des Schiedsrichters, gleich wie ein
staatlicher Richter Recht zu sprechen. Die Kompetenz
gilt deshalb wie in der staatlichen Gerichtsbarkeit ge-
genüber beiden Parteien, d.h. auch gegenüber einer
beklagten Partei, welche mit ihrer Unzuständigkeits-
einrede obsiegt. A maiore minus gilt dasselbe, wenn das
Verfahren ohne Zuständigkeitsentscheid abgeschrieben
wird.
Zusätzlich zur Kompetenz zum Erlass von Nichtein-
tretens- und Kostenentscheiden ergeben sich aus dem
12. Kapitel des IPRG weitere inhärente Kompetenzen
des Schiedsgerichts; dazu zählt namentlich die bereits
erwähnte Kompetenz des (letztlich) unzuständigen
Schiedsrichters, vorsorgliche Massnahmen zu erlassen.48
Jenseits der Grenze der gesetzlichen Kompetenzen
des Schiedsrichters liegt der Entscheid in der Sache.
Dieser setzt die Zuständigkeit des Schiedsgerichts und
somit eine gültige Schiedsvereinbarung voraus.49
Die
Kompetenzen, welche das 12. Kapitel des IPRG einer als
Schiedsrichter handelnden Person überträgt, können
die Schiedsvereinbarung nicht ersetzen. Dies schliesst
nicht aus, dass diese Person das Verfahren so weit führt,
dass sie den Sachentscheid treffen könnte; dies wenn der
Entscheid zur Zuständigkeit und zur Sache im Wesent-
lichen von den gleichen Sachverhaltsfragen abhängen.
Ein Beispiel dafür bildet das erwähnte ICC Verfahren
zwischen den beiden Technologiegesellschaften; sowohl
für die Zuständigkeits- als auch für den Sachentscheid
war entscheidend, ob aufgrund bestimmter Handlun-
gen ein Konsens (Vergleich/Schiedsvereinbarung) ge-
schlossen worden war. Einen Zwischenentscheid zur
Zuständigkeit i.S.v.Art. 186 Abs. 3 IPRG zu treffen, wäre
in dieser Konstellation wenig sinnvoll gewesen.50
Der Schiedsrichter wird somit direkt durch die lex ar-
bitri zu gewissen prozessualen Entscheiden und zur Ver-
fahrensleitung ermächtigt. Es handelt sich dabei zwar
nicht um «das Fleisch am Knochen», den Schiedsspruch
zum Streitgegenstand, aber immerhin um das Gerippe
oder prozessuale Gerüst: Wer – angesichts des Mass-
stabs von Art. 179 Abs. 3 IPRG – vernünftigerweise als
Schiedsrichter handelt, kann das Schiedsverfahren auch
48
	 Vgl. S. 35 f.
49
	 Dies gilt auch für den Fall des Klagerückzugs: Ihm kommt
nur vor einem zuständigen Schiedsgericht res iudicata Wir-
kung zu. Sogar für den Fall der Zuständigkeit besteht eine
Einschränkung: Falls (i) die beklagte Partei (zu Unrecht)
die Unzuständigkeitseinrede erhebt, (ii) die klagende Partei
deshalb die Schiedsklage zurückzieht und (iii) Klage vor ei-
nem staatlichen Gericht erhebt, so ist der beklagten Partei im
staatlichen Verfahren die Einrede der res iudicata verwehrt.
Die Einrede wäre widersprüchlich zum beklagten Verhalten
im Schiedsverfahren und somit rechtsmissbräuchlich.
50
	 Vgl. BSK-Wenger/Schott, Art. 186 IPRG N 63.
Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 39
stellung eines Konsenses zu deren Anwendung – grund-
sätzlich verwehrt.61
Das Schiedsgericht identifiziert dann gestützt auf die
lex arbitri die angemessene Lösung. Grossen Stellenwert
hat dabei – gleich wie in der staatlichen Gerichtsbarkeit
– das Obsiegen;62
zusätzlich dazu kann das Schiedsge-
richt das Parteiverhalten berücksichtigen; insbesondere
hat eine Partei von ihr unnötig verursachte Kosten zu
tragen. Im Allgemeinen ist aber davon auszugehen, dass
ein Schiedsgericht mangels spezieller Umstände oder
der Geltung von Spezialabreden in einem Unzustän-
digkeitsentscheid (i) die beklagte Partei als Gewinnerin
betrachtet und (ii) die Kosten deshalb der klagenden
Partei auferlegt.
Die Macht des Faktischen bewirkt freilich häufig,
dass ICC Schiedsverfahren, wie das erwähnte, letztlich
im Einklang mit den ICC Schiedsregeln beendet wer-
den, inklusive deren Regeln zur Kostenverteilung. Weil
ICC Schiedsgerichte mit Sitz in der Schweiz oftmals die
erwähnten Kriterien berücksichtigen, entspricht das Er-
gebnis indessen regelmässig einer von den ICC Schieds-
regeln losgelösten Kostenverteilung.63
Die Zwickmühle
eines ICC Schiedsrichters, welcher einerseits nicht weiss,
ob die Parteien die ICC Schiedsregeln gewählt haben,
und dem die ICC andererseits vorgibt, ihre Regeln an-
zuwenden, ist deshalb vornehmlich theoretisch: Erstens
räumen ihm die ICC Schiedsregeln und die lex arbitri
Ermessen ein, sodass er unter beiden Regelwerken zu
demselben Ergebnis kommen kann. Zweitens, selbst
wenn die ICC Schiedsregeln nachweisbar von der lex ar-
bitri abwichen,beträfe dies lediglich den Entscheid in der
(Kosten-)Sache64
und nicht die Zuständigkeit zur Kos-
tenverteilung; der Entscheid unterläge deshalb nicht der
Schiedsbeschwerde gemäss Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG.
D.	Fazit
Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zum Entscheid in
der Sache setzt eine Schiedsvereinbarung zwischen den
Parteien voraus. Dies gilt nicht (i) für die Zuständigkeit
zum Erlass eines Nichteintretensentscheides und der
damit verknüpften Entscheide, insbesondere des Ent-
scheids zur Verteilung der Verfahrens- und Parteikosten,
sowie (ii) für die zu diesem Entscheid führende Verfah-
61
	 Ein Grenzfall liegt vor, wenn die beklagte Partei zwar nicht
die Existenz der Schiedsvereinbarung, aber immerhin die
Anwendbarkeit der Schiedsvereinbarung auf den konkreten
Streitgegenstand verneint. Auch hier liegt indessen kein Kon-
sens vor, die institutionellen Schiedsregeln auf das Schieds-
verfahren zur Anwendung zu bringen.
62
	 Vgl. BGer 4A_288/2008 E. 4; Bernhard Berger, Prozesskos-
tensicherheit (cautio iudicatum solvi) im Schiedsverfahren,
22 (2004) ASA Bull 4 ff., 14; BSK-Habegger, Art. 379 ZPO
N 7; BSK-Wirth, Art. 189 IPRG N 65.
63
	 Vgl. Yves Derains/Eric Schwartz, A Guide to the ICC Rules
of Arbitration, 2. Auflage, Den Haag 2005, 373 f. («national
biases»).
64
	 Entscheide zur Kostenverteilung sind eigentliche Schieds-
sprüche in der Sache (vgl. BGer 4P.67/2003 E. 6.1).
erwähnt,56
aus ihrer Gleichschaltung in punkto Funk-
tion (Rechtsprechung). Diese Gleichschaltung zieht
indessen nicht nach sich, dass sich der schiedsrichter-
liche Entscheid zur Kostenverteilung nach den zivilpro-
zessualen Regeln von Art. 104 ff. ZPO richtet. Er richtet
sich im Allgemeinen, d.h. wenn die Zuständigkeitsfrage
nicht zur Debatte steht, nach den von den Parteien ge-
wählten Regeln, bzw. mangels Spezialvereinbarung nach
den Regeln, welche der Schiedsrichter in casu für ange-
bracht hält, und somit regelmässig nach dem Verfahren-
sausgang.57
Unklar ist die Situation in punkto Obsiegen in der
eingangs geschilderten Situation, in welcher die beklag-
te Partei die Unzuständigkeitseinrede erhebt und das
Verfahren wegen Nichtleistens des Kostenvorschusses
beendet wird; jedenfalls hätte der Einzelschiedsrichter
grundsätzlich auch die beklagte Partei zum Bezahlen ei-
ner Parteientschädigung anhalten können:58
Zum einen
ermächtigt ihn die lex arbitri, einen Kostenentscheid
auch gegen die beklagte Partei zu erlassen, welche sei-
ne Zuständigkeit bestreitet. Zum anderen verfügt das
Schiedsgericht bei der Verteilung der Verfahrenskosten
regelmässig über Ermessen und kann das Verhalten der
Parteien berücksichtigen;59
es fällt dann in Betracht,
dass die beklagte Partei das Verfahrensende verursachte;
dies würde ein Vorgehen zugunsten der klagenden Par-
tei ermöglichen, welches zu Recht Zuspruch in Recht-
sprechung und Lehre findet.60
Der Teufel steckt allerdings im Detail: Soll der
Schiedsrichter die Kostenverteilung anhand der in der
lex arbitri inhärenten Regeln vornehmen oder soll er
auf die Regeln abstellen, auf welche die Schiedsverein-
barung verweist, von welchen aber unklar ist, ob sie die
Parteien tatsächlich gewählt haben? Der Einzelschieds-
richter im eingangs geschilderten Verfahren entschied
sich für die zweite Alternative und nahm auf die ICC
Schiedsregeln Rückgriff; dies ist angebracht, wenn beide
Parteien zur Kostenfrage unter den ICC Schiedsregeln
argumentieren und somit ein impliziter Konsens zu ih-
rer Anwendung in dieser Frage vorliegt. Andernfalls ist
das Abstellen auf die ICC Schiedsregeln mangels positi-
ven Zuständigkeitsentscheids – und somit mangels Fest-
56
	 Vgl. S. 37 f.
57
	 Vgl. BSK-Wirth, Art. 189 IPRG N 65.
58
	 Vgl. N 27. Eine Ausnahme gilt immerhin, wenn die Schieds-
ordnung, gemäss welcher die klagende Partei das Verfahren
einleitet und die sie somit als anwendbar akzeptiert, in einer
solchen Situation eine für die klagende Partei nachteilige Re-
gelung enthält.
59
	 Vgl. beispielsweise. Art. 40 Abs. 2 Swiss Rules; Micha Bühler,
Awarding Costs in International Commercial Arbitration:
an Overview, 22 (2004) ASA Bull. 249 ff., 265 f.; BSK-Wirth,
Art. 189 IPRG N 65.
60
	 Vgl. Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 15.5.1986,
in: ASA Bull. 1988, 66 f.; Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 1454
(Fn. 25); Lalive/Poudret/Reymond (FN 5), Art. 30 KSG N 4;
Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 227 (jeweils basierend auf der Prä-
misse, dass eine Schiedsvereinbarung besteht).
Marco Stacher40  Z.Z.Z 2013
hältnis.67
Dieses Prozessrechtsverhältnis ist ein eigent-
liches Rechtsverhältnis,68
d.h. ein «rechtlich geregeltes
Lebensverhältnis».69
Zum einen ist der Prozess ein Le-
bensverhältnis: Er ist eine gesellschaftliche Wirklichkeit
und zwischen den am Prozess Beteiligten entstehen fak-
tische Beziehungen;70
zum anderen ist dieses Lebensver-
hältnis durch das Prozessrecht rechtlich geregelt.71
Das Prozessrechtsverhältnis umfasst «die sämtlichen
prozessualen Rechtsbeziehungen zwischen dem Gericht
und den Parteien».72
Es besteht somit als Dreiecksver-
hältnis unter den Parteien sowie zwischen den Partei-
en und dem staatlichem Gericht. Inhaltlich gebietet das
Prozessrechtsverhältnis vorab – ganz allgemein – ein
loyales Handeln nach Treu und Glauben.73
Das Prozessrechtsverhältnis entspricht dem Verwal-
tungsrechtsverhältnis74
des Verwaltungsrechts und ver-
deutlicht zusammen mit diesem, dass das Institut des
Rechtsverhältnisses nicht auf das Privatrecht beschränkt
ist.75
67
	 Wolfgang Brehm, in: Stein/Jonas (Hrsg.), ZPO, 22. Auflage,
Tübingen 2003, vor § 1 N 205; BK-Zingg, Art. 59 ZPO N 4;
vgl. zum Prozessrechtsverhältnis auch François Bohnet/Ste-
phen V. Berti, Le lien d‘ Instance (Prozessrechtsverhältnis) ou
l’essence du procès civil suisse, 7 (2011 SZZP) 75 ff.; a.M. Os-
kar Bülow, Die Lehre von den Prozesseinreden, Giessen 1868
(Neudruck Aalen 1969), 8.
68
	 Bohnet/Berti (FN 67), 77; Habscheid (FN 8), Rz. 26; Josef
Kohler, Der Prozess als Rechtsverhältnis, Mannheim 1888,
1 f.; Gerhard Lüke in: Lüke/Walchshöfer (Hrsg.), Münchener
Kommentar, Zivilprozessordnung, Bd. I, München 1992, Ein-
leitung N 27; Bülow (FN 68), 1; Adolf Wach, Handbuch des
deutschen Civilprozessrechts, Leipzig 1885, 34.
69
	 Vgl. Habscheid (FN 8), Rz. 26; BK-Schönenberger/Jäggi, Vor-
bemerkungen vor Art. 1 OR N 109 ff.
70
	 Vgl. Kohler (FN 68), 1.
71
	 Vgl. BK-Schönenberger/Jäggi, Vorbemerkungen vor Art. 1
OR N 111.
72
	 Bohnet/Berti (FN 67), 77; Stein/Jonas-Brehm (FN 67), vor
§ 1 N 204; Bülow (FN 67), 1 ff.; Habscheid (FN 8), Rz. 22;
Hans-Joachim Musielak, Zivilprozessordnung, 10. Auflage,
München 2013, Einl. N 55; Lüke (FN 68), Einleitung N 27 f.;
Max Vollkommer in: Zöller (Hrsg.), ZPO, 29. Auflage, Köln
2012, Einleitung N 52; Wach (FN 69), 39; a.M. Baumbach et
al., Zivilprozessordnung, 71. Auflage, München 2013, Grdz
§ 128 D-ZPO N 6 [Verhältnis zwischen den Parteien]; Kohler
(FN 69), 6, 11 (…Kampfverhältnis» zwischen den Parteien).
73
	 Vgl. beispielsweise BGE 130 III 396 E. 1.2.3; BK-Hurni,
Art. 52 ZPO N 10; Zöller-Vollkommer (FN 72), Einleitung
N 56 f.
74
	 Vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allge-
meines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, Zürich/St. Gallen 2010,
Rz. 738a; Pierre Tschannen, Systeme des Allgemeinen Verwal-
tungsrechts, Bern 2008, Rz. 174 ff. («[Das Verwaltungsrechts-
verhältnis ist die] von verwaltungsrechtlichen Befugnissen und
Verpflichtungen geprägte Beziehung zwischen einem Verwal-
tungsträger auf der einen Seite und Privaten … auf der anderen
Seite aus Anlass und zum Zweck der unmittelbaren Erfüllung
von Verwaltungsaufgaben»).
75
	 Gleiches gilt für vertragliche Pflichten; sie sind nicht auf das
Privatrecht beschränkt: Gerade die Schiedsvereinbarung als
Prozessvertrag begründet verschiedene prozessuale Pflich-
ten; auf diese sind mangels abweichender Regelung im Pro-
zessrecht analogieweise die Regeln zu den privatrechtlichen
Pflichten im Obligationenrecht anwendbar (vgl. Marco Sta-
rensleitung; die entsprechende Zuständigkeit folgt di-
rekt aus dem 12. Kapitel des IPRG.
Auch der Unzuständigkeitsentscheid eines Schieds-
gerichts mit Sitz in der Schweiz ist deshalb ein eigent-
licher Schiedsspruch und die Stellung als Schiedsrichter
ergibt sich insoweit unmittelbar aus der lex arbitri. Das
gesetzte Recht überträgt dem Schiedsrichter somit in –
beschränktem Umfang – unabhängig von der Existenz
einer Schiedsvereinbarung Rechtsprechungskompetenz.
Dies setzt einzig voraus, dass nicht bereits «eine summa-
rische Prüfung ergebe, dass zwischen den Parteien keine
Schiedsvereinbarung besteht».65
Dieser Schluss, dass die
Stellung als Schiedsrichter im Sinne des 12. Kapitels
nicht die Existenz einer Schiedsvereinbarung voraus-
setzt, ist auch für den weiteren Gang der Untersuchung
zentral.
III.	 Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrich­
ter und Parteien
A.	Einleitung
Die bisherigen Ausführungen befassten sich mit dem
Verhältnis zwischen Zuständigkeit und Schiedsverein-
barung, d.h. damit, ob das 12. Kapitel des IPRG einem
Schiedsrichter unabhängig von einer Schiedsvereinba-
rung gewisse Kompetenzen einräumt; für die Schritte
und Entscheide, welche für seinen Zuständigkeitsent-
scheid erforderlich sind, ist dies zu bejahen. Die schieds-
richterliche Tätigkeit ist insoweit nicht an Schiedsver-
einbarung und Schiedsfähigkeit66
gekoppelt, welche die
Zuständigkeit zum Entscheid in der Sache begründen.
Im Folgenden interessiert nun, ob und, falls ja, wes-
halb die Parteien den Schiedsrichtern solidarisch für
deren Honorar haften. Die Beantwortung dieser Frage
erfordert, das Verhältnis zwischen Schiedsrichter und
Parteien zu untersuchen; dabei interessiert wiederum
die Stellung des unzuständigen Schiedsrichters; insbe-
sondere, in einem ersten Schritt, ob zwischen Schieds-
richter und Parteien auch für den Fall ein Rechtsverhält-
nis entsteht, dass keine Schiedsvereinbarung existiert
und der Schiedsrichter somit nicht zum Entscheid über
den hängigen Streitgegenstand zuständig ist. Falls diese
Frage zu bejahen ist, ist in einem zweiten Schritt der In-
halt dieses Rechtsverhältnisses zu untersuchen.
B.	 Prozessrechtsverhältnis zwischen Schieds­
richter und Parteien
a)	 Existenz eines Prozessrechtsverhältnisses auch
bei Unzuständigkeit des Schiedsrichters
Vor staatlichen Gerichten entsteht auch bei Fehlen ei-
ner Prozessvoraussetzung ein sog. Prozessrechtsver-
65
	 Art. 179 Abs. 3 IPRG.
66
	 Vgl. N 22; a.M.Vogt (FN 6), 117.
Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 41
ren wehrt, erfolgt dies lediglich (i) durch die klagende
Partei, welche das Schiedsverfahren einleitet, und (ii)
durch den Schiedsrichter, welcher sein Amt annimmt;
die beklagte Partei wird demgegenüber gegen ihren Wil-
len in das Prozessrechtsverhältnis einbezogen.
b)	 Teilgehalte des Prozessrechtsverhältnisses
Die Krux besteht in der Konkretisierung des Prozess-
rechtsverhältnisses. Es entsteht zwar mittels der lex ar-
bitri; das 12. Kapitel des IPRG hält sich aber bezüglich
seines Inhaltes bedeckt und ist beispielsweise weniger
explizit als die kantonalen Notariatsgesetze, welche
Amtspflichten und Gebührenanspruch der nicht amtli-
chen Urkundspersonen statuieren.83
Immerhin enthält die lex arbitri implizit verschiedene
Anhaltspunkte: Sie sieht für ein idealtypisches Schieds-
verfahren Handlungen von Parteien und Schiedsrich-
tern vor: Die Parteien reichen Rechtsbegehren ein,84
während das Schiedsgericht das Verfahren leitet, Bewei-
se abnimmt, auf den erstellten Sachverhalt Recht oder
Billigkeit anwendet und über seine Zuständigkeit sowie
die Rechtsbegehren entscheidet.85
Relevant ist nun als
erstes Zwischenergebnis, dass das 12. Kapitel des IPRG
dem Schiedsrichter die gerade eben erwähnten Hand-
lungen auferlegt. Er soll als Schiedsrichter tätig werden.
Dies gilt, zumindest wenn ein Anschein der Zuständig-
keit i.S.v. Art. 179 Abs. 3 IPRG besteht, auch für den un-
zuständigen Schiedsrichter.
Dem in der lex arbitri inhärenten Handlungsgebot
steht ein Honoraranspruch des Schiedsrichters gegen-
über. Die gegenleistungslose Leistung bildet die Aus-
nahme und sie ist auch für die Schiedsgerichtsbarkeit
nicht anzunehmen;86
der Schiedsrichter verfolgt mit
seiner Tätigkeit als Schiedsrichter eigene (Erwerbs-)In-
teressen und Art. 378 ZPO sieht gerade als Normalfall
vor, dass der Schiedsrichter ein Honorar verdient und
sich dieses durch einen Kostenvorschuss sicherstellen
lässt. Anspruchsbelastet sind dabei die Parteien; die Ho-
norierung erfolgt insbesondere nicht durch den Staat.
Art. 380 ZPO bestätigt diese Regeln, indem er vorsieht,
dass die unentgeltliche Rechtspflege in der Schiedsge-
richtsbarkeit nicht erhältlich ist.
Die lex arbitri auferlegt demnach Schiedsrichter und
Parteien Gebote, welche im Interesse der jeweils anderen
Seite bestehen; dem Gebot, das Verfahren im Einklang
mit den Vorgaben der lex arbitri zu leiten und zu voll-
enden, steht das Gebot gegenüber, den Schiedsrichter
zu honorieren. Diese Gebote sind als Pflichten zu qua-
lifizieren: Die gegenseitigen Ansprüche werden mangels
einvernehmlicher vertraglicher Regelung (i) durch die
lex arbitri begründet und (ii) das gesetzte Recht regelt
83
	 Vgl. beispielsweise § 13 ff., 28 des Zuger kantonalen Gesetzes
über die öffentliche Beurkundung und die Beglaubigung in
Zivilsachen (BGS 223.1).
84
	 Art. 181 IPRG.
85
	 Art. 184, 187 IPRG.
86
	 Baumgartner (FN 8), 145, 211.
Ein Prozessrechtsverhältnis existiert auch in der
Schiedsgerichtsbarkeit: (i) Erstens üben Schiedsrichter
und staatliche Richter dieselbe Funktion aus;76
sie spre-
chen verbindlich Recht.Diese Gleichschaltung legt nahe,
dass zumindest zwischen einem zuständigen Schieds-
richter und den Parteien ein Prozessrechtsverhältnis
besteht; dieser Schluss steht auch im Einklang mit den
etlichen Lehrmeinungen, welche zumindest in diesem
Fall ein Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter und
Parteien – in der Form eines Schiedsrichtervertrags oder
receptum arbitri – bejahen.77
Ein Prozessrechtsverhältnis
existiert (ii) zweitens aber auch bei Unzuständigkeit des
Schiedsrichters:
Auch in diesem Fall ernennt der juge d‘appui eine
Person als Schiedsrichter, wenn zumindest der Anschein
einer Schiedsvereinbarung besteht.78
Wenn diese Vor-
aussetzung erfüllt ist, unterscheidet das gesetzte Recht
mit anderen Worten nicht zwischen zuständigen und
(möglicherweise) unzuständigen Schiedsrichtern; ent-
scheidend ist einzig, ob der Schiedsrichter zuständig
sein kann.79
(a) Das gesetzte Recht behandelt das Ver-
fahren somit unabhängig von der letztlichen Zuständig-
keit als Schiedsverfahren und (b) dieses Schiedsverfah-
ren erfüllt die Definition des Rechtsverhältnisses: Das
Schiedsverfahren begründet faktische Beziehungen zwi-
schen Parteien und Schiedsrichter (Lebensverhältnis),
welche – auch bei Unzuständigkeit des Schiedsrichters
–80
durch die lex arbitri rechtlich geregelt werden. Das
Prozessrechtsverhältnis entsteht mit anderen Worten
auch ohne Zustimmung der beklagten Partei.81
Das Prozessrechtsverhältnis gleicht somit der Ge-
schäftsführung ohne Auftrag oder der letztwilligen Ver-
fügung; es stellt wie diese Institute eine Ausnahme von
der Regel dar, dass rechtliche Sonderverhältnisse durch
gegenseitige Willensbekundungen begründet werden.82
Im hier interessierenden Fall, in welchem sich die be-
klagte Partei mit allen Mitteln gegen das Schiedsverfah-
cher, Die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung, Diss. St. Gal-
len 2007, Rz. 55 ff., 64 ff., 415[v]).
76
	 Vgl. beispielsweise Inderkum (FN 6), 6; Cassani (FN  42),
Art. 309 StGB N 15; Real (FN 47), 66, 75.
77
	 Vgl. S. 33.
78
	 Art. 179 Abs. 3 IPRG.
79
	 Vgl. S. 36.
80
	 Vgl. S. 35 ff.
81
	 Für einen Ausschnitt des Prozessrechtsverhältnisses, das
Verhältnis zwischen Schiedsrichter und Parteien, bestätigt
dies ein Teil der Lehre: Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 155; gl.M.
Poudret/Besson (FN 8), Rz. 442; Peter Schlosser, Das Recht
der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufla-
ge, Tübingen 1989, Rz. 492; a.M. wohl Walther J. Habscheid,
Grundsätzliches zur Dogmatik des Schiedsrichtervertrages
im schweizerischen Recht, in: Holzhammer/Jelinek/Böhm
(Hrsg.), Festschrift für Hans W. Fasching, Wien 1988, 195 ff.,
197; Real (FN  47), 164. Rüede/Hadenfeldt (Rz.  5), 166
schränken dies zu Unrecht insoweit ein, als das rechtskräf-
tige Feststellen der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts den
Schiedsrichtervertrag erlöschen lasse.
82
	 Vgl. BK-Schönenberger/Jäggi, Vorbemerkungen vor Art. 1
OR N 121.
Marco Stacher42  Z.Z.Z 2013
sönlichkeit und die Schiedsrichter sind nicht vertraglich
verbunden; sie erbringen ihre Dienstleistung als Einzel-
personen und bilden auch keine einfache Gesellschaft;
es fehlt am animus societatis.91
Die Existenz von Pflichten der Parteien gegenüber
den einzelnen Schiedsrichtern zeigt deshalb auf, dass
das Prozessrechtsverhältnis quasi als Rahmenverhältnis
verschiedene Rechtsverhältnisse umfasst; insbesondere
je ein Rechtsverhältnis zwischen (jedem) Schiedsrichter
und den Parteien.92
Im Falle eines Dreierschiedsgerichts
existieren somit drei getrennte Rechtsverhältnisse, wel-
che (i) von Gesetzes wegen und (ii) unabhängig von
der Zustimmung aller Parteien bestimmte Obligatio-
nen beinhalten.93
Insoweit bestehen Parallelen mit der
Willensvollstreckung: Der Willensvollstrecker hat einen
zwingenden gesetzlichen Anspruch auf Vergütung,94
der
Inhalt seines Rechtsverhältnisses zu den Erben folgt aus
dem Bundesrecht und es existiert unabhängig davon, ob
einzelne Erben die Absetzung des Willensvollstreckers
wünschen. Im Gegenteil: Auch Erben, welche sich gegen
den Willensvollstrecker aussprechen, haften zusammen
mit dem Nachlass für die Vergütung des Willensvollstre-
ckers und den Ersatz seiner Aufwendungen.95
C.	 Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter
und Parteien als Vertrag oder gesetzliches
Schuldverhältnis?
a)	 Grundsätzliche Qualifikation des Rechts­
verhältnisses
Die bis jetzt identifizierten Puzzlesteine des Rechtsver-
hältnisses zwischen Schiedsrichter und Parteien zei-
91
	 Dies schlägt auch auf die gesetzliche Regelung durch: Der ide-
altypische Ausschluss eines Schiedsrichters erfolgt – im Un-
terschied zur einfachen Gesellschaft, bei welcher ein Antrag
aller übrigen Gesellschafter erforderlich ist (Art. 577 OR), –
durch das Ablehnungsbegehren einer Partei (Art. 180 IPRG).
92
	 Habscheid (FN 8), Rz. 864; Hoffet (FN 6), 98; Inderkum
(FN 6), 40; Lionnet (FN 16), 164; Poudret/Besson (FN 8),
Rz. 438; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 152;Vogt (FN 6), 43, wel-
cher jedoch für institutionelle Schiedsgerichte festhält, dass
diesfalls keine Rechtsbeziehung zwischen Schiedsrichter und
Parteien bestehe, sondern lediglich je ein Rechtsverhältnis (i)
zwischen Schiedsrichter und Institution i.S. eines Vertrags
zugunsten Dritter (der Parteien) sowie (ii) zwischen Parteien
und Institution (77 ff.).
93
	 Vgl. Hoffet (FN 6), 82 f., welcher zwar als Regel festhält, «dass
das receptum arbitri von der Schiedsabrede abhängig ist», aber
für den Fall eine Ausnahme macht, dass der Schiedsrichter
über Kompetenzkompetenz verfügt; diesfalls entstehe ein
«vorübergehendes Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter und
Streitparteien»; gleichermassen Vogt (FN 6), welcher für den
Fall der richterlichen Ernennung eines Schiedsrichters kraft
Gesetzes die Auffassung vertritt, dass «kein Schiedsrichterver-
trag zustande kommt, [was aber nicht ausschliesst], dass trotz-
dem eine Rechtsbeziehung zwischen den Streitparteien und dem
Schiedsrichter entstehen kann» (59); dieses qualifiziert er als
«nichtvertragliches Privatrechtsverhältnis» (178).
94
	 BSK-Karrer/Vogt/Leu, Art. 517 ZGB N 27 f.
95
	 BSK-Karrer/Vogt/Leu, Art. 517 ZGB N 33.
die Anspruchsbegründung typischerweise mittels des
Instrumentes der Pflicht; dies gilt nicht nur für den Ver-
trag, sondern insbesondere auch dann, wenn das gesetz-
te Recht unabhängig vom Parteiwillen Ansprüche kre-
iert, beispielsweise im Falle einer unerlaubten Handlung
i.S.v. Art. 41 OR, einer ungerechtfertigten Bereicherung
i.S.v. Art. 62 ff. OR oder einer Geschäftsführung ohne
Auftrag i.S.v. Art. 419 ff. OR.87
Die Qualifikation als Pflicht, respektive Obligation,
sprengt auch nicht den Rahmen des Prozessrechtsver-
hältnisses; dieses kann sowohl Lasten als auch Pflichten
beinhalten.88
Die Qualifikation ist zudem sachgerecht:
Wenn die Geschäftsführung ohne Auftrag, bei welcher
der Geschäftsführer ohne Kenntnis des Geschäftsherrn
vorgeht, Forderungen entstehen lässt, muss dies a ma-
iore minus auch für das Prozessrechtsverhältnis gelten,
welches sich gerade dadurch auszeichnet, dass sich beide
Seiten – Parteien und Schiedsrichtern – ihre jeweiligen
Handlungen zur Kenntnis bringen.89
Spätestens jetzt zeigt sich, dass das Prozessrechtsver-
hältnis für die Schiedsgerichtsbarkeit zwar eine wert-
volle Inspirationsquelle ist; es lässt den Schluss zu, dass
auch zwischen einem unzuständigen Schiedsrichter und
einer Partei ein Rechtsverhältnis besteht; und für einen
Einzelschiedsrichter lässt sich das Prozessrechtsverhält-
nis auch mit den zwischen Schiedsrichtern und Parteien
bestehenden Obligationen in Einklang bringen. Für den
Fall eines Dreierschiedsgerichtes ist die Konstruktion in-
dessen zu wenig präzise: Die Honorarschuld einer Partei
besteht nicht gegenüber dem Schiedsgericht als Einheit,
sondern gegenüber den einzelnen Schiedsrichtern:90
Das Schiedsgericht verfügt über keine eigene Rechtsper-
87
	 Vgl. auch ZK-Schönenberger/Jäggi, Vorbemerkungen vor
Art. 1 OR N 124.
88
	 Stein/Jonas-Brehm (FN 67), vor § 1 N 213 ff.; Musielak
(FN 72), Einleitung N 56; Zöller-Vollkommer (FN 72), Ein-
leitung N 57a; Wach (FN 68), 34. Dass beim Prozessrechts-
verhältnis – gerade beim Zivilprozess – Lasten und nicht
Pflichten der Parteien im Vordergrund stehen, steht der
Qualifikation als Rechtsverhältnis nicht im Wege (Habscheid
[FN 8], Rz. 26). Das unterschiedliche Hauptinstrument im
Privat- und Prozessrecht (Pflicht, resp. Last) rührt vielmehr
aus deren unterschiedlicher Funktion: Das Privatrecht lässt
die Rechte und Pflichten der Parteien entstehen; dafür ist
dieses Instrument zentral; das Prozessrecht dient demge-
genüber der Umsetzung der Rechte und Pflichten; dafür ist
die Last das effizientere Mittel als die Pflicht. Die Last ordnet
einem Fehlverhalten im (Prozess-)Ablauf eine automatische
Rechtsfolge zu, während die Erfüllung der Pflicht jeweils im
Einzelfall erwirkt werden müsste; dies ist unpassend, was sich
auch im materiellen Recht zeigt. So trifft den Käufer nicht
die Pflicht, Mängel zu rügen, sondern er verwirkt seine Sach-
gewährleistungsrechte, wenn er die Mängelrüge unterlässt.
Auch im materiellen Recht regeln deshalb Lasten/Obliegen-
heiten gewisse nach Entstehung der Pflichten stattfindende
Abläufe. Ein solcher Ablauf ist auch der Prozess.
89
	 Vgl. insbesondere Art. 182 Abs. 3 IPRG.
90
	 Vgl. BSK-Habegger, Art. 378 ZPO N 6; Lalive/Poudret/Rey-
mond (FN 5),Art. 30 KSG N 2; ZK-Müller,Art. 378 ZPO N 4;
Rüede/Hadenfeldt (Rz.  5), 222; SHK-Zenhäusern, Art. 378
ZPO N 3.
Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 43
stimmung kann weder über eine Schiedsvereinbarung,
in welche die Vollmacht zum Abschluss eines Schieds-
richtervertrags interpretiert werden kann,104
noch über
den späteren Abschluss eines Schiedsrichtervertrags
konstruiert werden.105
Die verbreitete Qualifikation des Rechtsverhält-
nisses zwischen Schiedsrichter und Parteien als
Schiedsrichtervertrag»106
blendet diese Fälle aus, in
welchen kein Vertragsschluss i.S.v. Art. 1 ff. OR statt-
findet.107
Die gegenseitigen Rechte und Pflichten entste-
hen deshalb alleine durch die lex arbitri,108
welche das
gesetzliche Schuldverhältnis begründet, und können/
müssen nicht auf den Willen einer (allenfalls) reniten-
ten Schiedspartei zurückgeführt werden.109
Die Auffas-
sung, dass der Schiedsrichter «[d]urch den Abschluss des
Schiedsrichtervertrags … seine besonderen Rechte und
Pflichten in bezug auf das Schiedsverfahren [erlangt]»,110
trifft deshalb nicht zu.Er erlangt seine Rechtsprechungs-
kompetenz111
zumindest teilweise von Gesetzes wegen
und tritt von Gesetzes wegen in ein Rechtsverhältnis zu
den Parteien.112
104
	 Vgl. Habscheid (FN 8), Rz. 864; Hoffet (FN 6), 81, 94 f.; In-
derkum (FN 6), 5, 40 f., 51 ff.; Lionnet (FN 16), 165 f.; Vogt
(FN 6), 45 ff.; a.M. E. Bucher, FS Schlosser (FN 103), 103 f.;
Berger/Kellerhals (FN  5), Rz. 892, welche eine gültige
Schiedsvereinbarung nicht als Ausgangspunkt für einen Kon-
sens i.S. eines Schiedsrichtervertrages betrachten und so im-
plizit die Auffassung ablehnen, eine gültige Schiedsvereinba-
rung enthalte die Vollmacht, den Schiedsrichter mit Wirkung
für beide Parteien zu ernennen (gl.M. E. Bucher, FS Schlosser
[FN 103], 103 f.); vgl. auch Calavros (FN 18), 68 ff., welcher
diese Konstruktion für «gekünstelt» hält; diese Beurteilung
mag zu weit gehen; jedenfalls ist die Konstruktion aber, wie
sogleich gezeigt wird, nicht erforderlich. Dies beseitigt das im
Konstrukt der Vollmachterteilung inhärente Problem, näm-
lich dass die Vollmacht jederzeit widerrufen werden kann
(Art. 34 Abs. 2 OR; vgl. immerhin Art. 34 Abs. 3 OR).
105
	 a.M. Bucher, der die Position des Schiedsrichters als «Phä-
nomen eigener Art» versteht und sie von einem allfälligen
Vertragsschluss losgelöst betrachtet (E. Bucher, FS Schlosser
[FN 103], 111 f.); zur Kritik an der Vertragstheorie vgl. auch
Calavros (FN 18), 65 ff., 68.
106
	 Vgl. beispielsweise BGE 111 Ia 72 E. 2c; Born (FN 18), 1603;
Gressly (FN 12), 37; Lionnet (FN 16), 162 f.; Hoffet (FN 6),
220; Real (FN 47), 65; BSK-Peter/Besson,Art. 179 IPRG N 56;
Poudret/Besson (FN 8), 437; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 151;
ZK-Vischer, Art. 179 IPRG N 2; vgl. auch Calavros (FN 18),
67, welcher erklärt, dass die Wurzeln der Vertragstheorie in
der deutschen CPO von 1877 liegen, welche «in § 1033 Ziffer
1 … erstmals von einem ‹mit dem Schiedsrichter geschlossenen
Vertrag› [spricht]».
107
	 Vgl. Hoffet (FN 6), 83 ff.; Inderkum (FN 6), 2 («Wenn Par-
teien … übereinkommen, den Rechtsstreit einem Schiedsrichter
zur Entscheidung zu unterbreiten, so kommt zwischen ihnen
und dem Schiedsrichter eine Rechtsbeziehung zustande»), 22.
108
	 Vgl. S. 41.
109
	 Vgl. Alfred Koller, Schweizerischen Obligationenrecht, All-
gemeiner Teil, 3. Auflage, Bern 2009, § 2 N 104 («… auch das
Gesetz lässt zahlreiche Obligationen entstehen»).
110
	 Real (FN 47), 65.
111
	 Vgl. S. 35, 36 f.
112
	 Beides unter der Voraussetzung, dass der Anschein einer
Schiedsvereinbarung besteht (vgl. S. 35 ff., 10).
gen Folgendes: Die lex arbitri begründet (i) auch ohne
Zustimmung aller Parteien (ii) gewisse Rechte und
Pflichten von Parteien und Schiedsrichtern.96
Das Pro-
zessrechtsverhältnis ist deshalb, in diesem Umfang und
gleich wie die Geschäftsführung ohne Auftrag,97
ein ge-
setzliches Schuldverhältnis:98
Erforderlich ist einzig,dass
prima facie eine Schiedsvereinbarung besteht. In diesem
Fall existiert ein Schiedsverfahren i.S. des 12. Kapitels
des IPRG, amtet die entsprechende Person als Schieds-
richter 99
und entsteht das gesetzliche Schuldverhältnis.
Im Folgenden interessiert einzig dieser Ausschnitt des
Prozessrechtsverhältnisses, d.h. das zwischen jedem100
Schiedsrichter und den Parteien bestehende gesetzliche
Schuldverhältnis, welches sich mit der Beziehung zwi-
schen Schiedsrichter und Parteien befasst; (i) dies im
Unterschied zum zwischen den Parteien bestehenden
Ausschnitt und (ii) zu den allgemeinen Pflichten und
Lasten, welche aus dem Prozessrechtsverhältnis folgen,
wie beispielsweise das verfahrensrechtliche Gebot, im
Schiedsverfahren nach Treu und Glauben zu handeln.101
Sie betreffen nicht das Rechtsverhältnis zwischen
Schiedsrichter und Parteien, sondern sind auf das Ver-
halten im Verfahren selbst gerichtet.
b)	 Vertragliche Qualifikation des Rechts­
verhältnisses?
Zwischen Schiedsrichter und Parteien entsteht von Ge-
setzes wegen ein Schuldverhältnis;102
dieses Rechtsver-
hältnis kann ein vertragliches Schuldverhältnis sein,
ist es aber nicht in jedem Fall: Wenn keine Schieds-
vereinbarung existiert, die beklagte Partei gegen das
Schiedsverfahren opponiert und der Ernennung eines
Schiedsrichters nicht zustimmt, liegt auf ihrer Seite
keine zustimmende Willensäusserung vor, wie sie zum
Abschluss eines Vertrages erforderlich ist:103
Ihre Zu-
96
	 Vgl. S. 41 f.
97
	 ZK-Schmid, Art. 422 OR N 33 ff.
98
	 Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 893; a.M. Calavros (FN 18),
75 ff. [Amtsträger]; Habscheid (FN 8), Rz. 864 f. [Vertrags-
verhältnis des Obligationenrechts] («das grundsätzlich aus-
serhalb [der lex arbitri] angesiedelt ist»); Hoffet (FN 6), 17
[Vertragsverhältnis] (… dürfte es allgemein anerkannt sein,
dass das Verhältnis zwischen Schiedsrichtern und Parteien
(zumindest auch) durch einen Vertrag geregelt wird); Inder-
kum (FN 6), 29 [Schuldvertrag]; vgl. auch Guldener (FN 7),
607 («An einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis … fehlt es
dann, wenn der Schiedsrichter obrigkeitlich ernannt wird»);
zur entsprechenden Qualifikation der Willensvollstreckung
vgl. Marc’Antonio Iten, Die zivilrechtliche Verantwortlich-
keit des Willensvollstreckers, Diss. Luzern 2012, Rz. 28 ff.;
vgl. auch zur Geschäftsführung ohne Auftrag ZK-Schmid,
Art. 422 OR N 33 ff.
99
	 Vgl. S. 35 ff.
100
	 Vgl. S. 42.
101
	 Vgl. dazu Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 1044.
102
	 Vgl. S. 41 f.
103
	 Vgl. Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 891; Eugen Bucher, Was
macht den Schiedsrichter?, in: Bachmann et al. (Hrsg.),
Grenzüberschreitungen, Festschrift für Peter Schlosser, Tü-
bingen 2005, 97 ff., 102 f.
Marco Stacher44  Z.Z.Z 2013
richtervertrag zwischen den einzelnen Schiedsrichtern
und den Parteien.116
Diese Konstruktion ist dogmatisch vertretbar, er-
scheint aber praktisch wenig bedeutsam: (i) Erstens
kann das Rechtsverhältnis unter diesem Ansatz nicht
vom Beginn des Schiedsverfahrens an, sondern erst
nach festgestellter oder anerkannter Zuständigkeit
­vertraglich qualifiziert werden. (ii) Zweitens beinhaltet
«[d]er Schiedsrichtervertrag … die obligatorischen As-
pekte117
des receptum arbitri», d.h. der «Summe aller
Rechtsbeziehungen zwischen den Schiedsgerichtsparteien
und dem Schiedsrichter».118
Wie zu zeigen sein wird, ent-
spricht der direkt aus dem 12. Kapitel des IPRG fliessen-
de obligatorische Inhalt des Prozessrechtsverhältnis im
Wesentlichen119
dem gemeinhin anerkannten Inhalt des
Schiedsrichtervertrags; dies wenn die vertragliche Rege-
lung keine abweichenden Spezialabreden enthält.120
Der
Rückgriff auf die Vertragsnatur des Rechtsverhältnisses
ist deshalb entbehrlich.
D.	 Inhalt des Rechtsverhältnisses zwischen
Schiedsrichter und Parteien
a)	 Zur Inhaltsbestimmung verwendbare
Kriterien
Der Inhalt eines Vertrags richtet sich mangels feststell-
barem übereinstimmenden Willens nach dem Vertrau-
ensprinzip; derjenige eines gesetzlichen Schuldverhält-
nisseswirdanhanddesPrinzipsderVerhältnismässigkeit
festgestellt: Den Beteiligten werden angemessene Rechte
116
	 Habscheid (FN 8), Rz. 864; Hoffet (FN 6), 98; Inderkum
(FN 6), 40; Poudret/Besson (FN 8), Rz. 438; Rüede/Haden-
feldt (Rz. 5), 152; Vogt (FN 6), 43. Dasselbe gilt für den Fall,
dass der juge d’appui anstelle einer renitenten Schiedspartei
deren Parteischiedsrichter ernennt, resp., mangels Einigung
der Parteischiedsrichter in diesem Punkt, den Obmann (a.M.
Baumgartner [FN 84], 165 f.); vorausgesetzt ist einzig die
Zuständigkeit des ernannten Schiedsrichters. Der Schieds-
richtervertrag wird diesfalls mittels der Ernennung und auf
Grundlage der Schiedsvereinbarung geschlossen; andernfalls
entsteht (immerhin) zufolge der lex arbitri das gesetzliche
Schuldverhältnis zwischen Schiedsrichter und Parteien.
117
	 Daraus folgt für Baumgartner, dass receptum arbitri und
Schiedsrichtervertrag nicht deckungsgleich sind: Die Recht-
sprechungskompetenz bildet bloss Teil des receptum arbit-
ri, nicht aber des Schiedsrichtervertrags (vgl. Baumgartner
[FN 8], 161, 171, 175, 182 ff.).
118
	 Baumgartner (FN 8), 145, 169, 171.
119
	 Vgl. Baumgartner (FN 8), 161, 171; Abweichungen in ein-
zelnen Punkten liegen in der Natur der Sache; sie folgen
indessen nicht daraus, dass das Bejahen der Vertragsnatur
logischerweise zu anderen Schlüssen bezüglich Existenz, In-
halt und Umsetzung einzelner Pflichten führen würde; die
teils unterschiedlichen Auffassung zu gewissen Aspekten,
beispielsweise zur Zulässigkeit einer Klage auf Erfüllung der
schiedsrichterlichen Tätigkeit, resultieren vielmehr aus Mei-
nungsverschiedenheiten, die von der Rechtsnatur des Rechts-
verhältnisses losgelöst sind (vgl. S. 47).
120
	 Vgl. S. 48 ff.
Parteien und Schiedsrichtern steht es natürlich frei,
das gesetzliche Schuldverhältnis in einen eigentlichen
Vertrag zu transformieren. Dazu ist einzig erforderlich,
dass der Schiedsrichter mit Zustimmung beider Parteien
tätig wird, und diese Voraussetzung ist auch regelmässig
erfüllt: Dies bei Zuständigkeit des Schiedsgerichts, über
die Schiedsvereinbarung,113
und selbst dann, wenn die
beklagte Partei die Unzuständigkeitseinrede erhebt und
der Schiedsrichter unzuständig ist; nämlich dann, wenn
die beklagte Partei den Schiedsrichter nicht ablehnt
oder abberufen will. Die beklagte Partei opponiert hier
nicht gegen die Tätigkeit einer Person als Schiedsrichter,
sondern stimmt deren Tätigkeit durch ihre Teilnahme
am Verfahren konkludent zu.
Fraglich kann letztlich sein, ob der zuständige
Schiedsrichter mit seiner Ernennung eo ipso in ein Ver-
tragsverhältnis zu beiden Parteien tritt, beispielsweise
auch bei Säumnis der beklagten Partei. In solch einem
Fall lässt sich argumentieren, die Schiedsvereinbarung
bevollmächtige (i) die Parteien, ihren Schiedsrichter
auch mit Wirkung für die andere Partei bestellen zu
können,114
und (ii) die Mitschiedsrichter, den Obmann
für die Parteien zu wählen; bei vertraglich vereinbarten
Ernennungsmodellen wirkt die Ernennung durch den
designierten Ernennenden (Partei, Mitschiedsrichter,
Ernennungsinstanz) gemäss diesem Modell jeweils für
beide Parteien.115
Es entstünde dann (je) ein Schieds-
113
	 Vgl. S. 43.
114
	 Vgl. Habscheid (FN 8), Rz. 864; Hoffet (FN 6), 81, 94 f. («Be-
deutend für das Zustandekommen des Schiedsrichtervertrages
ist vor allem auch die Feststellung, dass die Streitparteien eine
Schiedsverfahrensgesellschaft bilden und bei der Ernennung der
Schiedsrichter jeweils im Namen dieser Schiedsverfahrensgesell-
schaft handeln»); gl.M. Inderkum (FN 6), 5, 40 f., 51 ff.; Lion-
net (FN 16), 165 f.; Vogt (FN 6), 45 ff.; a.M. Berger/Keller-
hals (FN 5), Rz. 892; E. Bucher, FS Schlosser (FN 103), 103 f.
Die Qualifikation der Schiedsvereinbarung als Verfahrens-
gesellschaft ist indessen abzulehnen (Stacher, Diss. (FN 75),
Rz. 421): Sie erklärt die mit Abschluss der Schiedsvereinba-
rung eintretende Zuständigkeitsordnung nicht; zudem man-
gelt es den Parteien an der affectio societatis (vgl. Markus
Knellwolf, Zur materiellrechtlichen Bedeutung der Schieds-
vereinbarung, in: Berti et al. [Hrsg.], Beiträge zu Grenzfragen
des Prozessrechts, Zürich 1991, 45 ff, 54); sie teilen zwar das
Ziel, Streitigkeiten auf eine bestimmte Art und Weise ent-
scheiden zu lassen. Sie schliessen die Schiedsvereinbarung
aber gerade im Hinblick auf einen Konflikt ab; ihr Verhältnis
kann deshalb nicht als «Schicksalsgemeinschaft» charakteri-
siert werden (vgl. SPR-VIII/1-von Steiger, 350).
115
	 Baumgartner (FN 8), 157 f., 162 ff.; Lionnet (FN 16), 165 ff.;
Vogt (FN 6), 45 ff.; 49 ff., 57. Der juge d’appui, welcher an-
stelle einer renitenten Schiedspartei deren Parteischiedsrich-
ter ernennt, handelt demgegenüber nicht gestützt auf eine in
der Schiedsvereinbarung enthaltene Vollmacht (Vogt [FN 6],
59),sondern weil er bei Erfüllen des Tatbestandes von Art. 179
Abs. 3 IPRG dazu verpflichtet ist (Baumgartner [FN 8], 154 f.,
165); gemäss anderer Meinung kommt indessen auch in sol-
chen Fällen ein eigentlicher Vertrag zustande (Habscheid, FS
Fasching [FN 81], 198 und geht «die Legitimation des Gerichts
[zur] Ernennung (zumindest auch) von beiden Streitparteien
aus» (Hoffet [FN 6], 95; Lionnet [FN 16], 166 f.).
Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 45
des Vertrags spezifiziert wird, beispielsweise in punkto
Honorar, dass sie davon ausgehen darf und muss, dass
ihr Vertrag mit den Parteien den normalerweise gemäss
lex arbitri anwendbaren Massstäben entspricht.
b)	 Pflichten des Schiedsrichters
Die Amtsannahme durch den Schiedsrichter lässt das
gesetzliche Schuldverhältnis, allenfalls den Schiedsrich-
tervertrag entstehen und begründet die persönliche124
Pflicht des Schiedsrichters, bei der Verfahrensleitung
und bis zur Streitentscheidung mitzuwirken;125
das 12.
Kapitel des IPRG sieht diese Handlungen vor126
und
spricht dem Schiedsrichter – im Unterschied zu einem
Beauftragen – nicht expressis verbis ein jederzeitiges
Rücktrittsrecht zu. Ein solches Rücktrittsrecht passt
auch nicht und lässt sich nicht aus dem 12. Kapitel des
IPRG ableiten. Ein Rücktritt kommt deshalb wie bei an-
deren auf Dauer angelegten Rechtsverhältnissen nur aus
wichtigem Grund in Betracht.127
Ein solcher Grund liegt
beispielsweise bei schwerer Krankheit, nicht aber bei all-
gemeiner Arbeitsüberlastung des Schiedsrichters vor.
Aus dem 12. Kapitel des IPRG folgt,128
dass der Schieds-
richter seine Aufgabe sorgfältig, treu und zeitgerecht129
124
	 Inderkum (FN 6), 116 f.; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 155;Vogt
(FN 6), 129 ff.
125
	 Vgl. BGE 111 Ia 72 E. 2c; Berger/Kellerhals (FN  5),
Rz. 901 ff.; Guldener (FN 7), 607; Hoffet (FN 6), 182; Inder-
kum (FN 6), 85; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 155; Vogt (FN 6),
123 ff.
126
	 Vgl. Art. 182, 184, 187 IPRG.
127
	 Habscheid, FS Fasching (FN 81), 201; Inderkum (FN 6),
193 ff.; BSK-Peter/Besson, Art. 179 IPRG N 58; Poudret/
Besson (FN 8), Rz. 444; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 170; ZK-
Vischer, Art. 179 IPRG N 3; vgl. Lalive/Poudret/Reymond
(FN 5), Art. 179 IPRG N 8; a.M. Vogt (FN 6) [Anwendbar-
keit von Art. 404 OR], 107 f., 171 ff., welcher seine Auffassung
damit begründet, dass die «die betreffende Partei … durch
Art. 404 Abs. 2 OR, wonach sie von dem zur Unzeit – und ohne
wichtigen Grund – widerrufenden … Vertragspartner Schaden-
ersatz verlangen kann, genügend geschützt [wird]». Dies trifft
indessen angesichts des Zeitverlustes zufolge eines weiteren
Ernennungsverfahrens und allenfalls zu wiederholender Pro-
zesshandlungen nicht zu; es kommt hinzu, dass nur schon die
Bestimmung des Schadens zu erheblichen Problemen führen
kann, resp. Aufwand erfordert. Diese monetär schwer mess-
baren Nachteile verbieten die Meinung, dass die Nachteile ei-
ner ungerechtfertigten Kündigung ohne weiteres durch Scha-
denersatz ausgeglichen werden können.
128
	 Vgl. Hoffet (FN 6), 191 ff.; Inderkum (FN 6), 30 ff., 95 ff.
129
	 A. Bucher (FN  8), Rz. 156; Inderkum (FN 6), 117 f.; Rüe-
de/Hadenfeldt (Rz.  5), 156; Vogt (FN  6), 126. Das Über-
schreiten einer in der Schiedsvereinbarung zum Erlass des
Schiedsspruchs vorgesehenen Frist, resp. einer vorbestimm-
ten Amtsdauer, führt indessen vermutungsweise nicht zur
Anfechtbarkeit des Schiedsspruchs (Poudret/Besson (FN 8),
Rz. 454; a.M. Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 917 [Unzustän-
digkeit ratione temporis]): Eine zeitliche Beschränkung der
Zuständigkeit oder der Amtsdauer kompliziert das Verfahren;
Konsequenz wäre, dass die Schiedsrichter nach Eintritt der
Rechtshängigkeit ausgewechselt werden müssten; dies stünde
im Widerspruch zum Ziel der Amtsdauerbeschränkung, eine
effiziente Verfahrensgestaltung zu erreichen. Die Befristung
und Pflichten zugeordnet.121
Es gelangt somit je nach
Konstellation ein anderes Kriterium zur Anwendung.
Für den Fall, dass ein Schiedsrichter in einem ad hoc
Verfahren auf vertraglicher Grundlage tätig wird, ohne
dass der Inhalt seines Rechtsverhältnisses zu den Par-
teien thematisiert oder konkretisiert wird, ist nach dem
einen Kriterium zu prüfen, von welchem Inhalt ausge-
gangen werden durfte und musste; falls kein Konsens
erfolgt, ist nach dem anderen Kriterium der sachgerech-
te Inhalt zu bestimmen. Dass die beiden Kriterien im
Einzelfall zu einem unterschiedlichen Ergebnis führen,
ist indessen nicht zu erwarten:
Beide Kriterien sind wertungsbasiert und streben
nach einer passenden Lösung; und was passend ist, ist
für beide Kriterien anhand der im 12. Kapitel des IPRG
skizzierten Funktion des Schiedsrichters zu messen;122
dies ergibt sich für das gesetzliche Schuldverhältnis
ohne weiteres daraus, dass es gerade aus dem Gesetz ab-
geleitet wird. Das 12. Kapitel des IPRG ist aber auch für
den Schiedsrichtervertrag der entscheidende Gradmes-
ser: Zwar stellt das Vertrauensprinzip auf die Auslegung
der einzelnen Willenserklärungen ab; was eine Partei
erwarten durfte und musste, ist aber auch anhand der
konkreten Umstände zu messen; dem Erklärungsemp-
fänger obliegt, sich «in zumutbarem Mass darum zu be-
mühen, den Geschäftswillen des Erklärenden ausfindig zu
machen… Andererseits ist der Erklärende im Sinne einer
Obliegenheit gehalten, sich so auszudrücken, dass sich der
Erklärungsempfänger auf den erweckten Schein verlassen
darf».123
Dies bedeutet für eine Person, der ein Schieds-
richtermandat angetragen wird, ohne dass der Inhalt
121
	 ZK-Schönenberger/Jäggi, Vorbemerkungen vor Art. 1 OR
N 111.
122
	 Vgl. Baumgartner (FN 8), 172 («Schiedsrichtervertrag … von
prozessrechtlichen Aspekten beinflusst sein kann»); Berger/Kel-
lerhals (FN 5), Rz. 895 f. («The rights and obligations of the ar-
bitrators arise primarily from the applicable arbitration law»);
Born (FN 18), 1605 («… the contractual relationship between
the parties and the arbitrators occurs in an area where impor-
tant public policies and mandatory rules apply. These rules and
policies … dictate in a mandatory fashion … essential aspects
of the relationship...»); A. Bucher (FN 8), Rz. 156; Calavros
(FN 18), 75; Habscheid (FN 8), Rz. 865 («das [receptum ar-
bitri] ist … mit dem Recht des Schiedsverfahrens durchsetzt»);
Hoffet (FN 6), 55, («Andererseits enthalten Konkordat und
IPRG Bestimmungen prozessrechtlichen Charakters, die direkt
auf die vertraglichen Beziehungen zwischen Schiedsrichtern
und Parteien einwirken…»), 223 («Als Richtschnur … muss
dabei der Kernbereich der zwingenden … Normen von IPRG
und Konkordat dienen»); Inderkum (FN 6), 30 ff. («Das ‹Amt›
des Schiedsrichters ist m.a.W. … als‚ ‹ein durch das Gesetz …
definiertes› zu verstehen»), 39 («primär im Verfahrensrecht …
geregelt»); Lalive/Poudret/Reymond (FN 5), Art. 14 KSG N 3
(«… les règles du droit privé sont complétées … par celles du
concordat»); BSK-Peter/Besson, Art. 179 IPRG N 56 («Mass-
gebend für die Rechte und Pflichten ist primär das Schiedsstatut
[Art. 176 Abs. 1]»); ZK-Vischer,Art. 179 IPRG N 2 («ist für die
Rechte und Pflichten in erster Linie das Schiedsstatut massge-
bend»); a.M. E. Bucher, ASA Bull. 2002 (FN 7), 418, welcher
die Rechte und Pflichten des Schiedsrichters nicht in der lex
arbitri, sondern in der Schiedsvereinbarung begründet sieht.
123
	 Koller (FN 109), § 3 N 167 f.
Marco Stacher46  Z.Z.Z 2013
führung ohne Auftrag, welche kein Honorar, sondern
lediglich einen Aufwendungsersatz vorsehen, nicht an-
wendbar: Der Schiedsrichter, auch der unzuständige,141
hat gesetzliche und somit rechtserhebliche Veranlassung
für seine Tätigkeit.142
Die lex arbitri weist ihn auch im
Falle der Unzuständigkeit zur Verfahrensführung an;
er ist deshalb nicht ohne Auftrag tätig, sodass die in
Art. 394 Abs. 3 OR kodifizierte Regel passender ist.143
d)	 Relevanz des Auftragsrechts
Art. 394 Abs. 3 OR ist für das Rechtsverhältnis zwischen
Schiedsrichter und Parteien in punkto Honorar sachge-
recht; Gleiches gilt für die Sorgfaltspflichten des Beauf-
tragen gemäss Art. 398 OR. Die in diesen beiden Punk-
ten existierende gedankliche Nähe des Schiedsrichters
zum Beauftragten darf indessen nicht dazu verleiten,
das Rechtsverhältnis primär anhand der Art. 394 ff. OR
zu konkretisieren:144
Bei der Entgeltlichkeit der Tätigkeit
und dem Gebot der sorgfältigen Tätigkeit handelt es
sich um Selbstverständlichkeiten,145
welche für sich al-
leine keine Unterstellung unter das Auftragsrecht recht-
fertigen.
Dies schliesst nicht aus, das Auftragsrecht soweit pas-
send, analogieweise anzuwenden.146
Ob es passend ist,
ist anhand der Art. 176 ff. IPRG zu prüfen.147
Dabei er-
gibt sich aus einer Analyse, die nicht auf die im Rechts-
verhältnis enthaltenen Pflichten beschränkt ist, dass die
Qualifikation des Rechtsverhältnisses, bzw. eines allen-
falls geschlossenen Schiedsrichtervertrags, als Auftrag,
Vogt (FN 6), 149 ff.; Die Parteien stellen das Honorar des
Schiedsrichters durch einen Kostenvorschuss sicher (Inder-
kum (FN 6), 155 ff.). Zusätzlich zum Honoraranspruch hat
der Schiedsrichter eine Forderung auf Auslagenersatz (Hof-
fet [FN 6], 241; Vogt (FN 6), 160 f.).
141
	 Vgl. Peter Schlosser, in: Stein/Jonas (Hrsg.), ZPO, 22. Auf-
lage, Tübingen 2003, Vorbemerkungen vor § 1025 D-ZPO
N 10, der indessen zu Unrecht präzisiert, dass dies nicht ge-
genüber einer Partei gelte, welche die Unzuständigkeit gel-
tend macht und sich gegen die Ernennung des Schiedsrich-
ters zur Wehr setzt.
142
	 Vgl. ZK-Schmid, Art. 419 OR N 67.
143
	 Baumgartner (FN 8), 211; Hoffet (FN 6), 242; Inderkum
(FN 6), 148; Vogt (FN 6), 150. Für den häufigen Fall, dass
die Schiedsvereinbarung auf die Regeln einer Schiedsinstitu-
tion verweist, bestimmen deren Regeln und Tarife das Hono-
rar des Schiedsrichters sowie dessen Festsetzung (vgl. N 75;
Anhang III zu den ICC Schiedsregeln; Appendix B der Swiss
Rules).
144
	 Die Qualifikation als Mandat ist gemäss E. Bucher «verfehlt»
und «traditionswidrig»; sie erkläre sich «aus dem Fehlen der
Figur des receptum arbitri in den modernen Kodifikationen»
und «bedeutet Vergewaltigung und Verfälschung der Verhält-
nisse» (E. Bucher, ASA Bull. 2002 (FN 7), 416; s. auch E.
Bucher (FN 103), FS Schlosser, 109 ff.).
145
	 Vgl. beispielsweise für das Arbeitsvertragsrecht Art. 321a, 322
OR.
146
	 Baumgartner (FN 8), 197.
147
	 Vgl. S. 44 f. und die Nachweise bei FN 123.
auszuüben hat:130
Er soll insbesondere (i) bei fehlender
Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit nicht tätig wer-
den, (ii) den Parteien das rechtliche Gehör gewähren,
(iii) Beweise selbst abnehmen und (iv) bei seinem Sach-
entscheid den ordre public respektieren.131
Neben die-
sen im 12. Kapitel des IPRG erwähnten Ausprägungen
seiner Sorgfaltspflicht ergeben sich weitere Aspekte aus
seiner Funktion als Schiedsrichter; beispielsweise soll er
Aspekte offenlegen, welche den Anschein der Befangen-
heit begründen können.132
Nebenpflichten133
sind ins-
besondere die schiedsrichterliche Verschwiegenheits-134
und Abrechnungspflicht; und hat am Ende des Verfah-
rens über die Verwendung der Kostenvorschüsse Rech-
nung zu legen.135
Der Schiedsrichter ist in der Ausübung seiner Tä-
tigkeit und somit in der Erfüllung seiner Pflichten
weisungsgebunden;136
gemeinsame Anweisungen aller
Streitparteien binden den Schiedsrichter bei der Ver-
fahrensgestaltung.137
Die Parteien können dem Schieds-
richter beispielsweise aufgeben, einen vorgängigen Zwi-
schenschiedsspruch zu seiner Zuständigkeit zu erlassen,
obwohl der Schiedsrichter dies nicht als angemessen
erachtet. Die Grenze des Weisungsrechts bildet zum ei-
nen das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Schieds-
richter und Parteien; die Parteien können dieses, sobald
es einmal entstanden ist, nicht einseitig ändern;138
zum
anderen ist eine Weisung der Parteien unbeachtlich,
wenn sie gegen die zwingenden Normen der lex arbitri
verstösst, insbesondere gegen die zwingenden Verfah-
rensrechte der Parteien gemäss Art. 182 Abs. 3 IPRG.139
c)	 Rechte des Schiedsrichters
Der Schiedsrichter verdient für seine Tätigkeit ein
Honorar;140
insbesondere sind die Regeln zur Geschäfts-
der Amtsdauer ist deshalb im Regelfall lediglich als Auftrag an
das Schiedsgericht zu interpretieren, das Verfahren innert ei-
ner gewissen Frist zu beenden. Das Schiedsgericht bleibt nach
Ablauf der Frist zuständig und ist weiterhin vorschriftsmässig
besetzt (DIKE-Stacher, Art. 366 ZPO N 3 ff.).
130
	 Vgl. Guldener (FN 7), 607; Hoffet (FN 6), 227 f.; Inderkum
(FN 6), 118 f.; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 156; Vogt (FN 6),
130 ff., 138 ff.
131
	 Vgl. Art. 180, 182 Abs. 3, 184 Abs. 1, 190 Abs. 2 Bst. e IPRG.
132
	 Berger/Kellerhals (FN  5), Rz. 897 ff.; BSK-Peter/Besson,
Art. 179 IPRG N 57.
133
	 Vgl. zu den Nebenpflichten auch Inderkum (FN 6), 138 ff.
134
	 A. Bucher (FN  8), Rz. 156; Hoffet (FN 6), 233; Inderkum
(FN 6), 142 f.; BSK-Peter/Besson, Art. 179 IPRG N 57; Rüede/
Hadenfeldt (Rz. 5), 156 f.; Vogt (FN 6), 131 ff.
135
	 KuKo-Dasser, Art. 378 ZPO N 7; BSK-Habegger, Art. 378
ZPO N 31; Hoffet (FN 6), 237 f.; ZK-Müller, Art. 378 ZPO
N 16; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 225; Vogt (FN 6), 135 ff.;
Art. 41 Abs. 5 Swiss Rules.
136
	 Vgl. Art. 182 Abs. 1 IPRG.
137
	 Art. 182 Abs. 1 IPRG.
138
	 Rüede/Hadenfeldt (Rz.  5), 224; SHK-Zenhäusern, Art. 378
ZPO N 5.
139
	 Vgl. S. 49 f.
140
	 Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 911 ff.; Hoffet (FN 6), 242 ff.;
Inderkum (FN 6), 146 ff.; Poudret/Besson (FN 8), Rz. 443;
Zum unzuständigen Schiedsrichter
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Zum unzuständigen Schiedsrichter

  • 1. 32  Z.Z.Z 2013 Marco Stacher Der unzuständige Schiedsrichter Zu seiner Stellung in punkto Rechtsprechungskompetenz und seinem Rechtsverhältnis zu den Parteien I. Einleitung Ein Schiffsmotor explodierte auf hoher See. Die Explo- sion verursachte Sachschaden und führte zu einem ICC Schiedsverfahren. Anlass für diesen Aufsatz ist nicht die Havarie, sondern das unspektakuläre Ende des Verfah- rens aus prozessualen Gründen.1 Dies lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die beklagte Partei bestritt die Existenz einer Schieds- vereinbarung; sie erhob die Un­zu­stän­dig­keits­einrede und weigerte sich, ihren Anteil am Kostenvorschuss zu bezahlen. Der ICC Schiedsgerichtshof setzte der klagen- den Partei in der Folge eine Frist zur Leistung des vollen Kostenvorschusses, welche diese verstreichen liess. Der ICC Schiedsgerichtshof informierte die Parteien des- halb nach Rücksprache mit dem Schiedsgericht, dass das Verfahren i.S.v. Art. 36 Abs. 6 ICC Schiedsregeln ab- geschrieben würde, und traf die entsprechenden Mass- nahmen. Streitig war letztlich nur noch, ob eine Partei und – falls ja, welche Partei – einen Anspruch auf Er- stattung ihrer Parteikosten hatte; diese waren angesichts der Kürze des Verfahrens nicht übermässig, aber doch beträchtlich. Beide Parteien hatten dem Einzelschieds- richter ein entsprechendes Gesuch auf Parteientschädi- gung unterbreitet. In ihrer Eingabe zum Thema «Parteientschädigung» brachte die beklagte Partei u.a. vor, das Verfahren wür- de zufolge Nichtleistens des Kostenvorschusses beendet, d.h. ohne dass der Einzelschiedsrichter über ihre Un- zuständigkeitseinrede befinden würde; deshalb, so die beklagte Partei, könne er sie nicht zur Leistung einer Parteientschädigung an die klagende Partei verurteilen. Ohne Einlassung, resp. Anerkennung oder Feststellung der Zuständigkeit über die beklagte Partei habe er dazu keine Grundlage. Umgekehrt würde dies nicht gelten; Dr. Marco Stacher, Rechtsanwalt, LL.M., Walder Wyss AG, Zürich. 1 Der Schiedsspruch ist bis dato unveröffentlicht. die klagende Partei habe das Schiedsverfahren eingelei- tet und sich somit der Zuständigkeit des Einzelschieds- richters unterworfen;2 er könne die klagende Partei deshalb – im Unterschied zur beklagten Partei – zur Leistung einer Parteientschädigung verurteilen. Der Einzelschiedsrichter äusserte sich nicht spezifisch zu diesem Argument; die beklagte Partei obsiegte aus ei- nem anderen Grund: Art. 36 Abs. 6 ICC Schiedsregeln3 sieht gemäss «Final Award»4 vor, dass die Klage als zu- rückgenommen gilt, wenn die klagende Partei auf ent- sprechende Aufforderung hin nicht den beklagtischen Anteil am Kostenvorschuss übernimmt. Die klagende Partei hätte dies unterlassen, was als Klagerückzug und deshalb als Unterliegen zu werten sei. Die klagende Par- tei müsse die beklagte Partei deshalb für deren Partei- kosten entschädigen. Die interessante Frage ist nun nicht, ob der Einzel- schiedsrichter in Anwendung der ICC Schiedsordnung korrekt entschieden hat; es interessiert auch nicht pri- mär, ob der Ausgang billig ist.5 Interessant ist v.a. das 2 Vgl. BGE 128 III 191 E. 6b. 3 Art. 36 Abs. 6 ICC Schiedsordnung: «Wenn ein verlangter Kos- tenvorschuss nicht bezahlt wird, kann der Generalsekretär, nach Rücksprache mit dem Schiedsgericht, dieses anweisen, seine Ar- beit auszusetzen und eine Frist von wenigstens 15 Tagen setzen, nach deren fruchtlosen Ablauf die betroffenen Ansprüche als zu- rückgenommen gelten…». 4 Mit der Bezeichnung als «Award» bringt der Einzelschieds- richter zutreffend zum Ausdruck, dass Entscheide des Schiedsgerichts zur Kostenverteilung eigentliche Schieds- sprüche in der Sache sind (vgl. BGer 4P.67/2003 E. 6.1). 5 Dies verneinend das Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 15.5.1986, in: ASA Bull. 1988, 66 f. («Ausgangspunkt für eine angemessene Lösung des Problems ist vielmehr der Um- stand, dass das Schiedsgerichtsverfahren … wegen der fehlen- den finanziellen Grundlage eingestellt wird… Die Verteilung der bereits entstandenen aussergerichtlichen und gerichtlichen Kosten kann sich deshalb nicht nach dem Ausgang des Verfah- rens richten; massgeblich ist, wer die nun unnütz gewordenen Aufwendungen verursacht hat… entscheidend für das Scheitern des schiedsgerichtlichen Verfahrens ist … das der Schiedsabrede
  • 2. Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 33 verwendet,8 und das Rechtsverhältnis wird i.a. auftrags- oder auftragsähnlich qualifiziert.9 Was aber gilt in der hier interessierenden Konstellation, in welcher (a) zum einen die beklagte Partei einwirft, es liege keine Schieds- vereinbarung vor, sie deshalb die Unzuständigkeitsein- rede erhebt und der Ernennung der als Mitglieder des Schiedsrichters designierten Personen nicht zustimmt und (b) in welcher das Schiedsgericht zum anderen das Schiedsverfahren beendet, ohne seine Zuständigkeit zu prüfen? Ein eigentlicher Schiedsrichter«vertrag» lässt sich in diesem Fall mangels Mitwirkens der beklagten Partei jedenfalls nicht aus dem Ernennungsprozedere ableiten;10 er lässt sich auch nicht mit der Schiedsver- einbarung begründen, deren Existenz die beklagte Par- tei bestreitet und welche das Schiedsgericht nicht prüft. Was gilt nun? Existiert in einem solchen Fall mangels Konsenses kein Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrich- ter und Parteien oder folgt dessen Existenz aus der lex arbitri? Falls Letzteres, was wäre der Inhalt eines solchen Rechtsverhältnisses? Diese Frage hätte sich in einem Punkt auch im be- reits geschilderten ICC Schiedsverfahren stellen kön- nen, nämlich wenn der (hälftige) Kostenvorschuss der klagenden Partei das Honorar des Einzelschiedsrichters nicht gedeckt hätte. Hätten die beiden Parteien dem Einzelschiedsrichter diesfalls solidarisch für das Ho- norar gehaftet, welches er für seine Tätigkeit verdiente? Eine solche Solidarhaftung wird zwar anerkannt;11 al- lein, setzt sie einen eigentlichen Vertragsschluss voraus oder besteht sie auf einer anderen Grundlage, beispiels- weise der lex arbitri? Die Unterscheidung zwischen den beiden Aspekten der Stellung des Schiedsrichters – Rechtsprechungskom- petenz und Rechtsverhältnis – ist nicht neu: Beispiels- weise benützt Baumgartner den Begriff des «receptum 8 Paul Baumgartner, Die Kosten des Schiedsgerichtsprozesses, Diss. Zürich 1981, 161; Hoffet (FN 6), 9; vgl. Walther J. Hab- scheid, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorgani- sationsrecht, 2. Auflage, Basel/Frankfurt a.M. 1990, Titel vor Rz. 863; BGE 136 III 597 («Schiedsrichtervertrag (receptum arbitri)»); Lalive/Poudret/Reymond (FN 5), Titel zu Art. 14 KSG N 3; Jean-François Poudret/Sébastien Besson, Compara- tive Law of International Arbitration, 2. Auflage, Zürich 2007, Titel vor Rz. 437; Andreas Bucher, Die neue internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Basel/Frankfurt a.M. 1989, Rz. 156. 9 Vgl. Baumgartner (FN 8), 194 f.; Bernhard Berger, Jederzei- tiges Kündigungsrecht des Schiedsrichters?, 20 (2002) ASA Bull. 5 ff., 9; Lalive/Poudret/Reymond (FN 5), Art. 14 KSG N 3, BSK-Peter/Besson, Art. 179 IPRG N 56; Rüede/Haden- feldt (Rz.  5), 151; Stefan Vogel, Das öffentlich-rechtliche Schiedsverfahren, 111 (2010) ZBl 670 ff., 680; Vogt (FN 6), 104; a.M. Inderkum [Vertrag eigener Art] (FN 6), 29, 37 f.; für die obligationenrechtliche Lehre vgl. Heinrich Honsell, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 9. Aufla- ge, Bern 2010, 315; vgl. dazu S. 46 ff. 10 Vgl. dazu S. 43 f. 11 Vgl. Art. 403 Abs.  1 OR; A. Bucher (FN  8), Rz. 158; Lali- ve/Poudret/Reymond (FN  5), Art. 14 KSG N 3; Habscheid (FN 8), Rz. 864; Poudret/Besson (FN 8), Rz. 443 a.E.; Rüede/ Hadenfeldt (Rz. 5), 223. Unzuständigkeitsargument der beklagten Partei; d.h. dass der Einzelschiedsrichter sie nicht zu einer Partei- entschädigung verurteilen könne, weil er ihre Unzu- ständigkeitseinrede nicht beurteilt habe und er somit gar nicht wissen könne, ob er gegenüber der beklagten Partei zuständig sei. Trifft dies zu? Man ist gewillt, dies für den Fall mit «nein» zu beantworten, dass die beklag- te Partei, wie in casu, ein schriftliches Begehren um Par- teientschädigung unterbreitet. Diesfalls lässt sich prima facie argumentieren, sie hätte sich in diesem Punkt der Zuständigkeit des Einzelschiedsrichters unterworfen. Was aber gilt ganz grundsätzlich, d.h. was würde gelten, wenn die beklagte Partei auf ein entsprechendes Begeh- ren verzichtet hätte? Kann ein Schiedsrichter eine be- klagte Partei in einer solchen Konstellation auch ohne rechtskräftigen, positiven Zuständigkeitsentscheid zur Entrichtung einer Parteientschädigung verurteilen? Diese Frage betrifft (i) einen Aspekt der Stellung des Schiedsrichters, nämlich ob seine Rechtsprechungs- kompetenz gänzlich mit der Schiedsvereinbarung ver- knüpft ist oder ob er über gewisse inhärente, aus der lex arbitri fliessende Kompetenzen verfügt; wie eben, einen Kostenentscheid gegen eine seine Zuständigkeit bestrei- tende Partei zu erlassen. Dieser Aspekt betrifft gerade auch das Verhältnis zwischen Schiedsrichter und Staat: Fraglich ist, ob der Staat mittels der lex arbitri unmittel- bar Rechtsprechungskompetenz gegenüber den Partei- en auf den Schiedsrichter überträgt, d.h. ob dies – in ge- wissem Umfang – auch von Gesetzes wegen erfolgt oder ausnahmslos eine Schiedsvereinbarung voraussetzt. Ein (ii) anderer hier interessierender Aspekt der Stellung des Schiedsrichters ist sein Verhältnis zu den Parteien; dass ein rechtliches Verhältnis existiert und dass es gewisse Rechte und Pflichten beinhaltet, ist allgemein anerkannt. Meist wird dieses Verhältnis als «Schiedsrichtervertrag»6 oder «receptum arbitri»7 bezeichnet. Die Begriffe werden häufig synonym widersprechende Verhalten des Beklagten»); gl.M. Bernard Ber- ger/Franz Kellerhals,International and Domestic Arbitration in Switzerland, 2. Auflage, Bern 2010, Rz. 1454 (FN 5); Pierre Lalive/Jean-François Poudret/Claude Reymond, Le droit de l’arbitrage, Lausanne 1989, Art. 30 KSG N 4; Thomas Rüede/ Reimer Hadenfeldt, Schweizerisches Schiedsgerichtsrecht, 2. Auflage, Zürich 1993, 227 (jeweils basierend auf der Prämisse, dass eine Schiedsvereinbarung besteht; vgl. dazu S. 37 f.). 6 Vgl. beispielsweise Franz Hoffet, Rechtliche Beziehungen zwischen Schiedsrichtern und Parteien, Diss. Zürich 1991, 220; Hans-Heinrich Inderkum, Der Schiedsrichtervertrag, Diss. Fribourg 1988, 2; Stephan A. Vogt, Der Schiedsrichter- vertrag nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 1989, 167 (vgl. immerhin die Einschränkung [«nicht vertragliche[s] Pri- vatrechtsverhältnis» bei Ernennung des Schiedsrichters durch den juge d’appui bei Fehlen eines vertraglichen Ernennungs- regimes] bei 59, 178). 7 Eugen Bucher, Noch einmal das Rücktrittsrecht des Schieds- richters: Zurück zum receptum arbitri, und sodann Rezepte gegen die Untat böser Buben, 20 (2002) ASA Bull. 413 ff., passim; Max Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3. Auflage, Zürich 1979, 607; ZK-Vischer, Art. 179 IPRG N 2.
  • 3. Marco Stacher34  Z.Z.Z 2013 mit anderen Worten: Ohne Schiedsvereinbarung keine Zuständigkeit des Schiedsgerichts zum Sachentscheid. Dies trifft zu,17 ist aber nur die halbe Wahrheit. Die Parteien können noch so sehr vereinbaren, dass ein Schiedsgericht verbindlich entscheiden soll; wenn die Rechtsordnung die Schiedsgerichtsbarkeit nicht aner- kennt, bleibt der Vereinbarung die gewünschte Wirkung versagt;18 es findet dann lediglich obligationenrechtliche Schiedsgerichtsbarkeit statt. Die Schiedsgerichtsbarkeit entspricht insoweit der Rechtsfigur des Vertrags: Wenn das gesetzte Recht einen Vertrag nicht als verbindlich anerkennt, bleibt dem Vertrag trotz Konsenses die von den Parteien beabsichtigte Wirkung versagt.19 Der Einwand ist freilich v.a. akademischer Natur: Die Schweizer Rechtsordnung anerkennt die Schiedsge- richtsbarkeit als verbindliche Form der Streitentschei- dung.20 Von den beiden Grundpfeilern der Schiedsge- tem (particularly, as to the … arbitrability of the dispute...»); Fouchard/Gaillard/Goldman, International Commercial Arbitration, Den Haag/Boston/London 1999, Rz. 7, 11 («Ar- bitration is a device whereby the settlement of a question … is entrusted to other persons … who derive their powers from a private agreement, not from the authorities of a state…»); Hof- fet (FN 6), 45 («Die Privatautonomie ist die rechtliche Grund- lage privater Schiedsgerichte in der Schweiz»); Lalive/Poudret/ Reymond (FN 5), Art. 176 IPRG N 2 («… l’arbitre est investi, par l’effet de la convention des parties, du pouvoir de statuer sur une prétention juridique»); Klaus Lionnet, The Arbitrator’s Contract, 15 (1999) Arb.Int. 161 ff., 162 f. («… the arbitrator’s decision making powers … result … from the parties’ arbration agreement»). 17 Die Ausnahme von dieser Regel bilden die Fälle, in welchen sich die beklagte Partei auf das schiedsgerichtliche Verfahren einlässt. 18 Vgl. Berger/Kellerhals (FN  5), Rz. 9; Guldener (FN 7), 2 («Recht sprechen, d.h. verbindliche Entscheidungen fällen, kön- nen die Schiedsgerichte aber nur kraft eines Rechtssatzes, der ihnen Entscheidungsgewalt verleiht…»); Gary Born, Internati- onal Commercial Arbitration, 2. Auflage, Austin 2009, 201 f.; Constantin Calavros, Grundsätzliches zum Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichtern und Parteien nach griechischem Recht, in: Lindacher et al. (Hrsg.), Festschrift für Walther J. Habscheid, Bielefeld 1989, 63 ff., 74; Vogt (FN 6), 14, 27; a.M. Hoffet (FN 6), 45, 49; Inderkum (FN 6), 9 f.; Hoffet begrün- det seine Meinung damit, dass die Fähigkeit des Schiedsrich- ters, einen urteilsgleichen Schiedsspruch zu erlassen, nicht bloss aufgrund gesetzlicher Anordnung bestehe, sondern in erster Linie aufgrund rechtsgeschäftlicher Anordnung seitens der Verfahrensparteien; dies trifft nach der hier vertretenen Meinung nicht zu: Den Schiedsparteien kommt diese Fähig- keit nur zu, da das gesetzte Recht die Schiedsgerichtsbarkeit als verbindliche Form der Streitentscheidung anerkennt; gemäss Inderkum existiert kein staatliches Rechtsprechungs- monopol, d.h. das Urteil einer Privatperson kann ohne Dele- gation von hoheitlicher Gewalt die gleichen Wirkungen wie ein staatliches Urteil haben; dies erscheint aus dem gleichen Grund verfehlt. 19 BK-Kramer/Schmidlin, Allgemeine Einleitung in das schwei- zerische OR N 119; Andreas von Tuhr/Hans Peter, Allgemei- ner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts, Band I, 3. Auflage, Zürich 1979, 143. 20 Vgl. Art. 387 ZPO («Mit der Eröffnung hat der Schiedsspruch die Wirkung eines rechtskräftigen und vollstreckbaren gerichtli- chen Entscheids»; dies gilt auch für die internationale Schieds- arbitri» als Oberbegriff für beide Aspekte; dieses umfas- se die Rechtsprechungskompetenz des Schiedsrichters und, falls zwischen Parteien und Schiedsrichtern ein Konsens betreffend seiner Tätigkeit stattgefunden habe, den Schiedsrichtervertrag.12 Die Unterscheidung macht auch Sinn: Wenger erklärt in seiner Dissertation, dass sich ein obligationenrechtliches Schiedsverfahren13 in punkto Rechtsprechungskompetenz von einem regulä- ren Schiedsverfahren unterscheidet: Das obligationen- rechtliche Schiedsgericht verfüge über keine eigentli- che Rechtsprechungskompetenz; dies, weil die Parteien nicht die verbindliche Streitentscheidung durch eine Drittperson vereinbaren; sie würden lediglich die ge- genseitige Pflicht begründen, einen «Schiedsspruch» zu befolgen.14 Im Übrigen entsprächen sich die beiden Verfahrensarten:15 Der obligationenrechtliche «Schieds- richter» regelt das Verfahren ebenfalls, fordert einen Kostenvorschuss ein, nimmt Beweise ab, wendet das Recht auf den erstellten Sachverhalt an etc. Die Recht- sprechungskompetenz kann deshalb durchaus von den restlichen Aspekten der Stellung des Schiedsrichters ab- gegrenzt werden. Im Folgenden werden beide Aspekte der Stellung des Schiedsrichters – Rechtsprechungskompetenz und Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter und Parteien – aufgrund des eingangs geschilderten ICC Schieds- verfahrens untersucht; dies insbesondere darauf (i) ob sie die Zustimmung der Parteien voraussetzen oder (ii) ob sie bereits vollständig oder teilweise aus dem gesetz- ten Recht folgen. Ein dritter Abschnitt untersucht die Rechtsnatur der beiden Aspekte. II. Rechtsprechungskompetenz A. Einleitung Schiedsgerichtsbarkeit wird bisweilen als «creature» be- zeichnet «that owes its existence to the will of the parties»;16 12 Vgl. Baumgartner (FN 8), 161, 182 ff.; vgl. auch Walter Gressly, Die Stellung des Schiedsrichters, Diss Bern 1959, 36 f.; Hoffet (FN 6), 16. 13 Verstanden als «Kombinationen zwischen Feststellungsgeschäft und Schiedsgutachtenklausel» (Werner Wenger, Zum obli- gationenrechtlichen Schiedsverfahren im schweizerischen Recht, Diss. Basel 1968, 15, 172). 14 Falls die unterliegende Partei diese Pflicht nicht erfüllt, reicht die obsiegende Partei bei der staatlichen Gerichtsbarkeit Klage auf Erfüllung des Schiedsspruchs ein (Wenger [FN 13], 75). Dieses zweistufige Verfahren ist unnötig aufwendig. Es ist des- halb gemäss Vertrauensprinzip davon auszugehen, dass zwei vernünftig handelnde Parteien nicht ein obligationenrechtli- ches, sondern ein reguläres Schiedsverfahren vereinbaren. 15 Vgl. Wenger (FN 13), 176 f. 16 Dell Computer Corp. v. Union des consommateurs, 2007 SCC 34, Rz. 51 (Supreme Court of Canada); vgl. auch Pie- ro Bernardini, The Role of the International Arbitrator, in: Bredin et al. (Hrsg.), Liber amicorum Claude Reymond, Pa- ris 2004, 1 ff., Rz. 6 («The arbitrator, as is known, derives its powers from the will of the parties expressed in the arbitrati- on agreement, within the limits set by the applicable legal sys-
  • 4. Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 35 schen den Parteien keine Schiedsvereinbarung besteht». Diese summarische Prüfung umfasst gemäss Bundes- gericht «den Bestand, nicht aber Gültigkeit und genaue Tragweite der Schiedsvereinbarung».22 Der juge d’appui prüft mit anderen Worten nicht mit voller Kognition, ob eine Person, welche er als Schieds- richter ernennt, zur Streitentscheidung zuständig ist. Diese Person kann sich deshalb letztlich, beispielswei- se zufolge Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung, als unzuständig erweisen. Dies legt nahe, als «Schiedsrich- ter» nicht eine Person zu bezeichnen, welche gestützt auf eine Schiedsvereinbarung zuständigerweise Recht spricht; gemäss Art 179 Abs. 3 IPRG genügen für die Stellung als Schiedsrichter vielmehr Anhaltspunkte,dass die entsprechende Person auf einer solchen Grundlage tätig wird. Diese zweite Hürde ist beträchtlich niedriger als die erste: Die Stellung als Schiedsrichter setzt unter diesem Kriterium nicht die Zuständigkeit des Schieds- richters, sondern nur den Anschein23 seiner Zuständig- keit voraus. Im erwähnten ICC Schiedsverfahren zwischen den beiden Technologiegesellschaften wäre der Partei- schiedsrichter der beklagten Partei deshalb (vermutlich) auch ohne deren Beteiligung ernannt worden;24 dass die Parteien identische, schriftliche Schiedsvereinbarungen austauschen,25 steht im Rahmen einer summarischen Prüfung i.S.v. Art. 179 Abs. 3 IPRG dem Schluss im Wege, dass keine Schiedsvereinbarung existiert. Weitere Bestimmungen des 12. Kapitels des IPRG sprechen jedenfalls nicht gegen die Geltung der von Art. 179  Abs. 3 IPRG inspirierten niedrigeren Hürde, nämlich dass für die Stellung als Schiedsrichter nur der Anschein der schiedsgerichtlichen Zuständigkeit er- forderlich ist: Für den Erlass von vorsorglichen Mass- nahmen ist nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, sondern lediglich dessen prima facie Zuständigkeit er- 22 BGE 118 IA 20 E. 5b; ZR 109 (2010) Nr. 17 E. 2a. Nach zutref- fender Lehrmeinung sind Fragen der Tragweite der Schieds- vereinbarung indessen bei einer summarischen Prüfung i.S.v. Art. 179 Abs. 3 IPRG ausser Acht zu lassen; sie ist darauf zu beschränken, ob eine Vereinbarung zu bestehen scheint, wel- che das Texterfordernis erfüllt (Berger/Kellerhals [FN  5] Rz. 769; BSK-Peter/Legler, Art. 179 IPRG N 41; Gabrielle Kaufmann-Kohler/Antonio Rigozzi, Arbitrage international, 2. Auflage, Bern 2010, Rz. 340). 23 ZR 109 (2010) Nr. 17 E. 2a. 24 In casu wäre die Beteiligung des juge d’appui indessen ange- sichts der Zuständigkeit des ICC Schiedsgerichtshofs gemäss Art. 12 Abs. 4 ICC Schiedsregeln nicht erforderlich, resp. – zumindest nicht als erstes – erhältlich gewesen (vgl. ZR 104 [2005] Nr. 19 E. 4; Berger/Kellerhals [FN 5], Rz. 750). 25 Zur Formwahrung gemäss Art. 178 Abs. 1 IPRG genügt, dass «aus der Gesamtheit der in Textform nachgewiesenen Äusse- rungen aller Vertragspartner die Zustimmung zur Schiedsver- einbarung hervorgeht» (BSK-Wenger/Müller, Art. 178 IPRG N 16). Es ist mit anderen Worten nicht erforderlich, dass die Parteien der Schiedsvereinbarung in derselben Urkun- de schriftlich zustimmen; der schriftliche Austausch über- einstimmender Schiedsvereinbarungen begründet deshalb den Anschein der Existenz einer Schiedsvereinbarung i.S.v. Art. 179 Abs. 3 IPRG. richtsbarkeit – Parteivereinbarung und Anerkennung durch den Rechtsstaat – steht deshalb regelmässig nur der erste zur Debatte. Dies beispielsweise in einem ICC Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz, in welchem sich zwei Technologiegesellschaften gegenüberstanden: Das Verfahren drehte sich um die Frage, ob die Par- teien ihre Streitigkeit mittels Vergleichs bereinigt hat- ten; die eine Gesellschaft behauptete dies und klagte auf Erfüllung des Vergleichs; die Zuständigkeit des ICC Schiedsgerichts begründete sie mit der Schiedsvereinba- rung, welche der Vergleichsentwurf enthielt; im Unter- schied zum Inhalt des Vergleichs war diese in den letzten ausgetauschten Entwürfen unverändert geblieben. Frag- lich war nun u.a., ob ein Konsens in punkto Schiedsver- einbarungerzieltwordenwar.DiebeklagteParteibestritt dies; der Abschluss der Schiedsvereinbarung bedürfe, gleich wie der Vergleichsschluss selbst, der Unterzeich- nung der Vergleichsurkunde in der in ihr vorgesehenen Form; diese Voraussetzung sei nicht erfüllt worden. Die beklagte Partei erhob deshalb die Unzuständigkeitsein- rede und bestritt, dass eine Schiedsvereinbarung – oder gar ein Vergleich – geschlossen worden war; die Partei- en hätten lediglich Gegenangebote ausgetauscht. In der Folge spielte sich das ICC Verfahren nach den üblichen Regeln ab: Die Parteien bestellten das Schiedsgericht, reichten Rechtsschriften, witness statements und Rechts- gutachten ein, stellten Editionsbegehren, hielten eine Zeugenverhandlung ab etc. Letztlich verglichen sich die Parteien kurz vor der Eröffnung des Schiedsspruchs. Was wäre nun, wenn das Schiedsgericht entschieden hätte, es sei mangels Schiedsvereinbarung unzuständig? Hätte diesfalls gar kein Schiedsverfahren stattgefunden? Bei der These «kein Schiedsverfahren ohne Schiedsver- einbarung» müsste diese Frage bejahend beantwortet werden. Dies ist indessen keineswegs zwingend, was gerade das 12. Kapitel des IPRG21 als lex arbitri für in- ternationale Schiedsverfahren mit Sitz in der Schweiz aufzeigt: B. Funktionaler Ansatz des 12. Kapitels des IPRG Art. 179 Abs. 3 IPRG sieht vor, dass der juge d’appui ei- nem Begehren um Schiedsrichterernennung stattgibt, «es sei denn, eine summarische Prüfung ergebe, dass zwi- gerichtsbarkeit [Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 9, 1494a; BSK- Berti/Schnyder, Art. 190 IPRG N 7; BSK-Girsberger, Art. 387 ZPO N 1]); der Schiedsspruch ist deshalb auch definitiver Rechtsöffnungstitel i.S.v. Art. 80 SchKG (BSK-Staehelin, Art. 80 SchKG N 16 f.) und Arrestgrund i.S.v. Art. 271 Abs. 1 Ziff. 6 SchKG (BGer 5A_355/2012 E. 4; vgl. Michael Lazopou- los, Arrestrecht – die wesentlichen Änderungen im Zusam- menhang mit dem revidierten LugÜ und der Schweizerischen ZPO, 2011 AJP/PJA 2011 608 ff., 610 f.). 21 Für die Binnenschiedsgerichtsbarkeit folgt Analoges aus dem 3. Teil der ZPO. Da die Bedeutung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ungleich grösser als diejenige der Bin- nenschiedsgerichtsbarkeit ist, orientieren sich die folgenden Ausführungen an der für erstere geltenden lex arbitri.
  • 5. Marco Stacher36  Z.Z.Z 2013 Das 12. Kapitel des IPRG behandelt Zuständigkeits- entscheide somit unabhängig von der Existenz einer Schiedsvereinbarung als Schiedssprüche. Dies (i) im Unterschied zu Lehrmeinungen, welche es als «Wider- spruch in sich» betrachten, den (zutreffenden) Unzu- ständigkeitsentscheid eines Schiedsgerichts als Schieds- spruch zu bezeichnen,31 und (ii) zu Recht: Die Schiedsbeschwerde in solchen Fällen zuzulas- sen, schafft Rechtssicherheit durch einen verbindlichen staatlichen Entscheid. Zudem leitet sich die Recht- sprechungskompetenz, wie erwähnt,32 in keinem Fall ursprünglich aus einer Parteivereinbarung ab. Voraus- gesetzt ist stets, dass das gesetzte Recht die in der Partei- vereinbarung vorgesehenen Wirkungen anerkennt. Das gesetzte Recht ist deshalb zur Beantwortung der Frage, ob in casu ein Schiedsverfahren stattfindet, das bessere Kriterium als die Schiedsvereinbarung. Dies führt zu folgendem Schluss: Wenn die Zustän- digkeit, resp. die Existenz einer auf den Streitgegenstand anwendbaren Schiedsvereinbarung, nicht Vorausset- zung für die Anwendung von ganz grundsätzlichen Normen des 12. Kapitels des IPRG ist – Art. 179 Abs. 3, 177, 184 ff., 190 Abs. 2 Bst. b IPRG –33 so besteht die Folge der Unzuständigkeit darin, dass das Schiedsgericht unzuständig ist, und nicht darin, dass kein Schiedsgericht vorliegt. Gleiches gilt für die Schiedsfähigkeit des An- spruchs34 . Auch die fehlende Schiedsfähigkeit bewirkt nicht, dass eine Person nicht als Schiedsrichter tätig wird, sondern lediglich, dass sie nicht zur Streitentschei- dung zuständig sein kann. So, d.h. mit der Erkenntnis, dass Zuständigkeits- entscheide unabhängig von der Zuständigkeit des Schiedsgerichts Schiedssprüche sind, lässt sich auch erklären, dass der negative Zuständigkeitsentscheid ei- nes Schiedsgerichts rechtskraftähnliche Wirkung haben soll, d.h. dass ein später angerufenes staatliches Gericht oder Schiedsgericht die Existenz und Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nicht erneut prüfen können soll.35 Entscheidend ist somit die Funktion, welche der Spruchkörper ausübt; wenn das Verfahren einem Schiedsverfahren entspricht und eine Schiedsvereinba- rung vorliegen kann, ist der Spruchkörper unabhängig davon ein Schiedsgericht, ob er letztlich keine schieds- gerichtliche Zuständigkeit hat. «If it looks like a duck, swims like a duck, and quacks like a duck, then it probably is a duck».36 Die Stellung als Schiedsrichter mit Rechtspre- chungskompetenz hängt somit nicht vollumfänglich von der Schiedsvereinbarung ab.37 Vielmehr behandelt 31 Mezger (FN 29), 178. 32 Vgl. S. 34. 33 Vgl. S. 35 ff. 34 a.M.Vogt (FN 6), 117. 35 Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 677. 36 James Whitcomb Riley. 37 Vgl. auch Hoffet (FN 6), 82 f., welcher die Schiedsverein- barung als Voraussetzung für die Stellung als Schiedsrichter betrachtet, aber festhält, dass widrigenfalls, «nämlich dann, forderlich.26 Gleichermassen setzt die Mitwirkung des staatlichen Richters (Art. 184 Abs. 2 IPRG27 und Art. 185 IPRG) nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts vo- raus. Diese Voraussetzung wäre insbesondere in den Fällen sachfremd, in welchen das Schiedsgericht wegen einer Unzuständigkeitseinrede zu Sachverhaltsfragen Beweise abnehmen muss und Rechtshilfe benötigt, wel- che für seinen Zuständigkeitsentscheid relevant sind. Art. 183 und Art. 184 f. IPRG stehen deshalb mit der These im Einklang, dass die Schiedsrichterstellung bloss den Anschein einer Schiedsvereinbarung i.S.v. Art. 179 Abs. 3 IPRG voraussetzt. Des Weiteren entscheidet auch das eigentlich unzu- ständige Schiedsgericht als «Schiedsgericht» über seine Zuständigkeit; die relative28 Kompetenzkompetenz ge- mäss Art. 186 Abs. 1 IPRG setzt gerade nicht die Zu- ständigkeit des Schiedsgerichts voraus, sondern weist Spruchinstanzen, die Schiedsgerichte sein können, an, ihre Zuständigkeit selbst zu prüfen.29 Es kommt hinzu, (i) dass dieser Entscheid der Schiedsbeschwerde i.S.v. Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG untersteht und (ii) dass dies gerade auch für (korrekte) Unzuständigkeitsentscheide sowie (falsche), die Zuständigkeit bejahende, Entschei- de gilt: Sie sind auch dann beschwerdefähig, wenn das Schiedsverfahren nicht aufgrund einer Schiedsverein- barung eingeleitet wurde, mit welcher die Parteien dem Schiedsgericht Rechtsprechungskompetenz übertru- gen.30 26 Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 1143; Georg von Segesser,Vor- sorgliche Massnahmen im Internationalen Schiedsprozess, 25 (2007) ASA Bull. 473 ff., 477. 27 Rüede/Hadenfeldt (Rz.  5), 266; BSK-Schneider, Art. 184 N 62; Marcel Schneider, Funktionen des staatlichen Rich- ters am Sitz des internationalen Schiedsgerichts gemäss 12. Kapitel des IPRG, Diss. St. Gallen 2009, 59; a.M. Gerhard Walter/Wolfgang Bosch/Jürgen Brönnimann, Internationa- le Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, Bern 1991, 165 in punkto «wirksam[er]» «Schiedsvertrag». 28 Das Schiedsgericht verfügt über Kompetenzkompetenz (BGE 118 IA 20 E. 5b); diese ist indessen nur relativ, da der Zustän- digkeitsentscheid des Schiedsgerichts der Kontrolle durch die staatliche Gerichtsbarkeit gemäss Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG untersteht (BSK-Wenger/Schott, Art. 186 IPRG N 2). 29 Vgl. aber Ernst Mezger, Zur Zwischenentscheidung der Schiedsrichter über ihre eigene Unzuständigkeit, in: Lindach- er et al. (Hrsg.), Festschrift für Walther J. Habscheid, Biele- feld, 1989, 177 ff., 178 a.E., gemäss welchem ein negativer Zuständigkeitsentscheid «[a]uf keinen Fall … als echter Schiedsspruch im deutschen Sinne angesehen werden [kann]». 30 Vgl. auch Cesare Jermini, Die Anfechtung der Schieds- sprüche im internationalen Privatrecht, Diss. Zürich 1997, Rz. 812: Jermini erklärt, dass die zivilprozessrechtliche Lehre ein Nichturteil annimmt, wenn es von einer Person erlassen werde, der keine Gerichtsgewalt zukommt. In der Schiedsge- richtsbarkeit führe dieser Fall indessen nicht zur Nichtigkeit, sondern, wie Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG explizit festhält, zur Anfechtbarkeit des Schiedsspruchs mangels Existenz einer Schiedsvereinbarung/fehlender Schiedsfähigkeit und somit zufolge fehlender Zuständigkeit. Folglich liegt bei fehlender Zuständigkeit ein – wenn auch anfechtbarer – Schiedsspruch und kein Nichtschiedsspruch vor.
  • 6. Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 37 C. Umfang der im 12. Kapitel des IPRG inhä­ renten schiedsrichterlichen Zuständigkeit a) Schiedsrichterliche Prozesskompetenz Die bisherigen Ausführungen ergeben, dass die lex arbi- tri einen unzuständigen Schiedsrichter als eigentlichen Schiedsrichter mit Entscheidkompetenz betrachtet. Ein Aspekt dieser im 12. Kapitel des IPRG inhären- ten Kompetenz folgt aus Art. 186 IPRG: Der Schieds- richter ist unabhängig von seiner Zuständigkeit in der Sache zum Zuständigkeitsentscheid berufen. Der als Schiedsgericht fungierende Spruchkörper ist deshalb von Gesetzes wegen insoweit zur Verfahrensleitung und Entscheidfindung ermächtigt, als dies mit seinem Zuständigkeitsentscheid, und somit mit der positiven Kompetenzkompetenz verknüpft ist: Er regelt das zum Zuständigkeitsentscheid führende Verfahren,43 holt in- soweit erforderlich Rechtshilfe ein und erlässt den Zu- ständigkeitsentscheid. Letzteres beinhaltet auch die Kompetenz zur Verteilung der Verfahrenskosten und die Kompetenz, im Zusammenhang mit dem Zuständig- keitsentscheid über eine allfällige Parteientschädigung zu befinden:44 Erstens ist der Kostenentscheid im Falle eines Un- zuständigkeitsentscheids einzig mit dem Zuständig- keitsentscheid, für welchen das 12. Kapitel des IPRG eine inhärente Zuständigkeit begründet, und nicht mit dem Entscheid in der Sache verknüpft, welcher eine Schiedsvereinbarung voraussetzt.45 Zweitens ist die Schiedsgerichtsbarkeit i.S. des 12. Kapitels des IPRG in die Schweizer Rechtsordnung eingebettet; in dieser Rechtsordnung treffen unzuständige staatliche Gerichte Kostenentscheide;46 dass Schiedsgerichte dieselbe Funk- tion wie staatliche Gerichte ausüben47 – die verbindliche 43 Beispielsweise ist ein Schiedsrichter zur Anordnung einer Prozesskostensicherheit auch dann ermächtigt, «if ultimate- ly it determines that it has no jurisdiction» (Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 1464a). Daraus folgt vice versa, dass das Schieds- gericht mit seinem Entscheid über den Antrag auf Prozess- kostensicherheit nicht implizit über seine Zuständigkeit i.S.v. Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG entscheidet. 44 Vgl. K.P. Berger (FN  40), 361; Berger/Kellerhals (FN  5), Rz. 1464a; BSK-Wenger/Schott, Art. 186 IPRG N 65; a.M. Hans Fasching, Der Kostenersatzanspruch des Beklagten bei Unzuständigkeit des Schiedsgerichts, in: Lindacher et al. (Hrsg.), Festschrift für Walther J. Habscheid, Bielefeld 1989, 93 ff., 95, welcher dem unzuständigen Schiedsgericht die Kompetenz versagt, über einen Kostenersatzanspruch der be- klagten Partei zu entscheiden; Laschet (FN 40), 187 (FN 71). 45 Ein Begehren um Parteientschädigung ist zwar ein eigent- liches Rechtsbegehren und führt im Unterschied zur Un- zuständigkeitseinrede, welche einen Prozessentscheid nach sich zieht, zu einem Schiedsspruch in der Sache (vgl. BGer 4P.67/2003 E. 6.1). Im Falle eines Unzuständigkeitsentschei- des ergeben sich die für den Kostenschiedsspruch wesentli- chen Gesichtspunkten indessen aus prozessualen Überlegun- gen (insbesondere dem Obsiegen im Zuständigkeitsstreit). 46 Vgl. Art. 106 Abs. 1 ZPO; BK-Sterchi, Art. 104 ZPO N 1. 47 Vgl. beispielsweise Inderkum (FN 6), 6; Gustav Real, Der Schiedsrichtervertrag, Diss. Köln 1983, 66, 75; Cassani (FN 42), Art. 309 StGB N 15. die lex arbitri den unzuständigen Schiedsrichter in ei- nem beschränkten Bereich gleich wie den zuständigen Schiedsrichter.38 Insbesondere ist sein Zuständigkeits- entscheid i.S.v. Art. 186 Abs. 1 IPRG ein eigentlicher Schiedsspruch; dies, wie erwähnt,39 wenn nur schon der Anschein der Existenz einer Schiedsvereinbarung i.S.v. Art. 179 Abs. 3 IPRG besteht.40 Dies gilt ganz allgemein und ist nicht auf das 12. Kapitel des IPRG beschränkt.41 So ist auch die Tätigkeit eines letztlich unzuständigen Schiedsrichters i.S.v. Art. 21 Abs. 2 Ziff. 29 MwStG von der MwSt ausgenommen und die falsche Zeugenaus- sage vor einem unzuständigen Schiedsgericht ist i.S.v. Art. 307 i.V.m. 309 StGB strafbar.42 wenn die Schiedsrichter über Kompetenz-Kompetenz verfügen» ein «vorübergehendes Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter und Streitparteien entstehen [kann]». 38 Für die positive Kompetenzkompetenz vgl. Fouchard/Gail- lard/Goldman (FN  16), 400 («The competence-competence principle also allows arbitrators to determine that an arbitra- tion agreement is invalid and to make an award declaring they lack jurisdiction without contradicting themselves. Of course, neither of these effects results from the arbitration agreement… the basis for the competence-competence principle lies not in the arbitration agreement, but in the arbitration laws…»). 39 Vgl. S. 35. 40 Vgl. Klaus Peter Berger, International Economic Arbitrati- on, Deventer/Boston 1993, 360 f.; a.M. wohl Walter/Bosch/ Brönnimann (FN 27), 196 («Weist das Schiedsgericht die Klage als unzulässig zurück, weil kein wirksamer Schiedsvertrag vor- liege, so liegt kein Schiedsspruch vor, da das Schiedsgericht eine sachliche Entscheidung ablehnt»); E. Bucher, ASA Bull. 2002 (FN 7), 417 («Befugnis des Schiedsrichters, sein Amt auszu- üben, … durch die Schiedsabrede zur Entstehung [gelangt]»); Berger (FN 9), 13 («Die Einsetzung eines Schiedsrichters be- ruht … auf einer vertraglichen Einigung zwischen den Partei- en und dem Schiedsrichter…»); Mezger (FN 29), 178 («Wi- derspruch in sich»); Franz Florian Laschet, Rechtsmittel gegen Prozess-, Vorab- oder Zwischenentscheidungen eines Schiedsgerichts oder einer Schiedsgerichtsorganisation, in: Habscheid/Schwab (Hrsg.), Beiträge zum Internationalen Verfahrensrecht und zur Schiedsgerichtsbarkeit, Festschrift für Heinrich Nagel, Münster 1987, 167 ff., 187 (FN 71). 41 Vgl. auch Art. V Abs. 2 Bst. a des New Yorker Übereinkom- mens (NYÜ; SR 0.277.12). Gemäss dieser Bestimmung ist die mangelnde Schiedsfähigkeit ein Grund zur Vollstreckungs- verweigerung; sie führt indessen nicht zur Nichtigkeit des Schiedsspruchs und somit nicht dazu, dass aus der Perspek- tive des NYÜ kein Schiedsspruch besteht (vgl. Christian Josi, Die Anerkennung und Vollstreckung der Schiedssprüche in der Schweiz, Diss. Bern 2005, 84). 42 Vgl. dazu BSK-Delnon/Rüdy, Art. 309 StGB N 4 f.; gemäss Cassani erfordert die Strafbarkeit indessen, dass das gesetz- te Recht den Schiedsrichter ermächtigt, Zeugenbefragungen durchzuführen, und sie sieht in Art. 184 IPRG zu Unrecht keine Grundlage für ein solches Vorgehen (Ursula Cassani, in: Martin Schubarth, Commentaire du droit pénal suisse, Bd. 9, Bern 1996,Art. 309 StGB N 16 f.; gl.M. Günter Straten- werth/Felix Bommer, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 6. Auflage, Bern 2008, § 54 N 6).
  • 7. Marco Stacher38  Z.Z.Z 2013 bei einer Unzuständigkeitseinrede51 der beklagten Partei leiten und es aus prozessualen Gründen beenden; dies gilt ganz allgemein und betrifft nicht nur die Zuständig- keit, sondern auch die übrigen Prozessvoraussetzungen; der Schiedsrichter ist beispielsweise auch dann ermäch- tigt, das Verfahren mangels Prozessfähigkeit einer Partei mittels Nichteintretensentscheid zu beenden, wenn es zuvor nicht über seine Zuständigkeit entschieden hat. Solche Nichteintretensentscheide, insbesondere negative Zuständigkeitsentscheide, sind, wie bereits erwähnt,52 eigentliche Schiedssprüche; dies folgt aus ih- rer Beschwerdefähigkeit53 und der Tatsache, dass sie die Rechtshängigkeit vor dem Schiedsgericht gleich wie ein Schiedsspruch in der Sache beenden.54 Der unzustän- dige Schiedsrichter verfügt deshalb über eigentliche – wenn auch beschränkte – Rechtsprechungskompetenz. Zu betonen ist, dass die schiedsrichterliche Kompe- tenz in jedem Fall – auch bei rechtskräftig festgestellter Zuständigkeit – auf Rechtsprechung und Verfahrenslei- tung beschränkt ist; der Schiedsrichter ist keinesfalls zur Vollstreckung seines Schiedsspruchs ermächtigt. Wenn das Schiedsgericht am Ende des Verfahrens Rechnung über die Verwendung der Kostenvorschüsse legt, und feststellt, dass diese zu hoch angesetzt wurden, kann es deshalb den Überschuss insbesondere nicht proportio- nal zum Ausgang des Verfahrens verteilen; das Schieds- gericht würde ansonsten seinen eigenen Schiedsspruch vollstrecken.55 Vielmehr retourniert es deshalb den Überschuss in dem Verhältnis an die Parteien, in wel- chem sie sich am Vorschuss beteiligt haben. b) Auf den Kostenentscheid des unzuständigen Schiedsrichters anwendbare Regeln Die Gleichschaltung von Schiedsrichter und staatli- chem Richter in punkto Kompetenz zum Erlass eines Kostenentscheids gegen beide Parteien folgt, wie bereits 51 Bei einer die Schiedsvereinbarung ersetzenden Einlassung erübrigt sich freilich die Frage, ob das Schiedsgericht ohne Schiedsvereinbarung über Rechtsprechungskompetenz ver- fügt. 52 Vgl. S. 35 ff. 53 Entscheide zu Zuständigkeit, Prozessfähigkeit und Parteiver- tretung sind gestützt auf Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG anfecht- bar (vgl. BGer 4A_538/2012 E. 4.3.3; 4A_414/2012 E. 1.2; 4A_50/2012 E. 3.2; 4A_428/2008 E. 3.1); die frühere res iudi- cata (BGer 4A_490/2009 E. 2.1; 4P.98/2005 E. 5; vgl. BGE 127 III 279 E. 2b) und die rechtsmissbräuchliche Klageerhebung (a.M. 4A_444/2009 E. 4.2.1) ist mittels Art. 190 Abs. 2 Bst. e IPRG geltend zu machen; vgl. zur Thematik auch Marco Sta- cher, Rechtsprechung des Bundesgerichts in Schiedssachen (2011 und 2012), 22 (2013) AJP/PJA 102 ff., Rz. 67 ff. 54 Vgl. für staatliche Verfahren BK-Berger-Steiner, Art. 62 ZPO N 42. 55 BSK-ZPO-Habegger, Art. 378 ZPO N 31; Andreas Reiner, ICC Schiedsgerichtsbarkeit, Wien 1989, 285; a.M. KuKo-Das- ser,Art. 378 ZPO N 7; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 225, gemäss welchen sich das Schiedsgericht nur aus dem Vorschuss der obsiegenden Partei bezahlt macht, wenn der Vorschuss der unterliegenden Partei nicht ausreicht. Rechtsprechung –, legt nahe, dass auch unzuständige Schiedsgerichte Kosten verteilen können. Die Kompe- tenz, Unzuständigkeitsentscheide, mit einem Kosten- entscheid zu verbinden, leitet sich somit mittelbar aus dem 12. Kapitel des IPRG ab, nämlich aus der dort im- plizierten Funktion des Schiedsrichters, gleich wie ein staatlicher Richter Recht zu sprechen. Die Kompetenz gilt deshalb wie in der staatlichen Gerichtsbarkeit ge- genüber beiden Parteien, d.h. auch gegenüber einer beklagten Partei, welche mit ihrer Unzuständigkeits- einrede obsiegt. A maiore minus gilt dasselbe, wenn das Verfahren ohne Zuständigkeitsentscheid abgeschrieben wird. Zusätzlich zur Kompetenz zum Erlass von Nichtein- tretens- und Kostenentscheiden ergeben sich aus dem 12. Kapitel des IPRG weitere inhärente Kompetenzen des Schiedsgerichts; dazu zählt namentlich die bereits erwähnte Kompetenz des (letztlich) unzuständigen Schiedsrichters, vorsorgliche Massnahmen zu erlassen.48 Jenseits der Grenze der gesetzlichen Kompetenzen des Schiedsrichters liegt der Entscheid in der Sache. Dieser setzt die Zuständigkeit des Schiedsgerichts und somit eine gültige Schiedsvereinbarung voraus.49 Die Kompetenzen, welche das 12. Kapitel des IPRG einer als Schiedsrichter handelnden Person überträgt, können die Schiedsvereinbarung nicht ersetzen. Dies schliesst nicht aus, dass diese Person das Verfahren so weit führt, dass sie den Sachentscheid treffen könnte; dies wenn der Entscheid zur Zuständigkeit und zur Sache im Wesent- lichen von den gleichen Sachverhaltsfragen abhängen. Ein Beispiel dafür bildet das erwähnte ICC Verfahren zwischen den beiden Technologiegesellschaften; sowohl für die Zuständigkeits- als auch für den Sachentscheid war entscheidend, ob aufgrund bestimmter Handlun- gen ein Konsens (Vergleich/Schiedsvereinbarung) ge- schlossen worden war. Einen Zwischenentscheid zur Zuständigkeit i.S.v.Art. 186 Abs. 3 IPRG zu treffen, wäre in dieser Konstellation wenig sinnvoll gewesen.50 Der Schiedsrichter wird somit direkt durch die lex ar- bitri zu gewissen prozessualen Entscheiden und zur Ver- fahrensleitung ermächtigt. Es handelt sich dabei zwar nicht um «das Fleisch am Knochen», den Schiedsspruch zum Streitgegenstand, aber immerhin um das Gerippe oder prozessuale Gerüst: Wer – angesichts des Mass- stabs von Art. 179 Abs. 3 IPRG – vernünftigerweise als Schiedsrichter handelt, kann das Schiedsverfahren auch 48 Vgl. S. 35 f. 49 Dies gilt auch für den Fall des Klagerückzugs: Ihm kommt nur vor einem zuständigen Schiedsgericht res iudicata Wir- kung zu. Sogar für den Fall der Zuständigkeit besteht eine Einschränkung: Falls (i) die beklagte Partei (zu Unrecht) die Unzuständigkeitseinrede erhebt, (ii) die klagende Partei deshalb die Schiedsklage zurückzieht und (iii) Klage vor ei- nem staatlichen Gericht erhebt, so ist der beklagten Partei im staatlichen Verfahren die Einrede der res iudicata verwehrt. Die Einrede wäre widersprüchlich zum beklagten Verhalten im Schiedsverfahren und somit rechtsmissbräuchlich. 50 Vgl. BSK-Wenger/Schott, Art. 186 IPRG N 63.
  • 8. Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 39 stellung eines Konsenses zu deren Anwendung – grund- sätzlich verwehrt.61 Das Schiedsgericht identifiziert dann gestützt auf die lex arbitri die angemessene Lösung. Grossen Stellenwert hat dabei – gleich wie in der staatlichen Gerichtsbarkeit – das Obsiegen;62 zusätzlich dazu kann das Schiedsge- richt das Parteiverhalten berücksichtigen; insbesondere hat eine Partei von ihr unnötig verursachte Kosten zu tragen. Im Allgemeinen ist aber davon auszugehen, dass ein Schiedsgericht mangels spezieller Umstände oder der Geltung von Spezialabreden in einem Unzustän- digkeitsentscheid (i) die beklagte Partei als Gewinnerin betrachtet und (ii) die Kosten deshalb der klagenden Partei auferlegt. Die Macht des Faktischen bewirkt freilich häufig, dass ICC Schiedsverfahren, wie das erwähnte, letztlich im Einklang mit den ICC Schiedsregeln beendet wer- den, inklusive deren Regeln zur Kostenverteilung. Weil ICC Schiedsgerichte mit Sitz in der Schweiz oftmals die erwähnten Kriterien berücksichtigen, entspricht das Er- gebnis indessen regelmässig einer von den ICC Schieds- regeln losgelösten Kostenverteilung.63 Die Zwickmühle eines ICC Schiedsrichters, welcher einerseits nicht weiss, ob die Parteien die ICC Schiedsregeln gewählt haben, und dem die ICC andererseits vorgibt, ihre Regeln an- zuwenden, ist deshalb vornehmlich theoretisch: Erstens räumen ihm die ICC Schiedsregeln und die lex arbitri Ermessen ein, sodass er unter beiden Regelwerken zu demselben Ergebnis kommen kann. Zweitens, selbst wenn die ICC Schiedsregeln nachweisbar von der lex ar- bitri abwichen,beträfe dies lediglich den Entscheid in der (Kosten-)Sache64 und nicht die Zuständigkeit zur Kos- tenverteilung; der Entscheid unterläge deshalb nicht der Schiedsbeschwerde gemäss Art. 190 Abs. 2 Bst. b IPRG. D. Fazit Die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zum Entscheid in der Sache setzt eine Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien voraus. Dies gilt nicht (i) für die Zuständigkeit zum Erlass eines Nichteintretensentscheides und der damit verknüpften Entscheide, insbesondere des Ent- scheids zur Verteilung der Verfahrens- und Parteikosten, sowie (ii) für die zu diesem Entscheid führende Verfah- 61 Ein Grenzfall liegt vor, wenn die beklagte Partei zwar nicht die Existenz der Schiedsvereinbarung, aber immerhin die Anwendbarkeit der Schiedsvereinbarung auf den konkreten Streitgegenstand verneint. Auch hier liegt indessen kein Kon- sens vor, die institutionellen Schiedsregeln auf das Schieds- verfahren zur Anwendung zu bringen. 62 Vgl. BGer 4A_288/2008 E. 4; Bernhard Berger, Prozesskos- tensicherheit (cautio iudicatum solvi) im Schiedsverfahren, 22 (2004) ASA Bull 4 ff., 14; BSK-Habegger, Art. 379 ZPO N 7; BSK-Wirth, Art. 189 IPRG N 65. 63 Vgl. Yves Derains/Eric Schwartz, A Guide to the ICC Rules of Arbitration, 2. Auflage, Den Haag 2005, 373 f. («national biases»). 64 Entscheide zur Kostenverteilung sind eigentliche Schieds- sprüche in der Sache (vgl. BGer 4P.67/2003 E. 6.1). erwähnt,56 aus ihrer Gleichschaltung in punkto Funk- tion (Rechtsprechung). Diese Gleichschaltung zieht indessen nicht nach sich, dass sich der schiedsrichter- liche Entscheid zur Kostenverteilung nach den zivilpro- zessualen Regeln von Art. 104 ff. ZPO richtet. Er richtet sich im Allgemeinen, d.h. wenn die Zuständigkeitsfrage nicht zur Debatte steht, nach den von den Parteien ge- wählten Regeln, bzw. mangels Spezialvereinbarung nach den Regeln, welche der Schiedsrichter in casu für ange- bracht hält, und somit regelmässig nach dem Verfahren- sausgang.57 Unklar ist die Situation in punkto Obsiegen in der eingangs geschilderten Situation, in welcher die beklag- te Partei die Unzuständigkeitseinrede erhebt und das Verfahren wegen Nichtleistens des Kostenvorschusses beendet wird; jedenfalls hätte der Einzelschiedsrichter grundsätzlich auch die beklagte Partei zum Bezahlen ei- ner Parteientschädigung anhalten können:58 Zum einen ermächtigt ihn die lex arbitri, einen Kostenentscheid auch gegen die beklagte Partei zu erlassen, welche sei- ne Zuständigkeit bestreitet. Zum anderen verfügt das Schiedsgericht bei der Verteilung der Verfahrenskosten regelmässig über Ermessen und kann das Verhalten der Parteien berücksichtigen;59 es fällt dann in Betracht, dass die beklagte Partei das Verfahrensende verursachte; dies würde ein Vorgehen zugunsten der klagenden Par- tei ermöglichen, welches zu Recht Zuspruch in Recht- sprechung und Lehre findet.60 Der Teufel steckt allerdings im Detail: Soll der Schiedsrichter die Kostenverteilung anhand der in der lex arbitri inhärenten Regeln vornehmen oder soll er auf die Regeln abstellen, auf welche die Schiedsverein- barung verweist, von welchen aber unklar ist, ob sie die Parteien tatsächlich gewählt haben? Der Einzelschieds- richter im eingangs geschilderten Verfahren entschied sich für die zweite Alternative und nahm auf die ICC Schiedsregeln Rückgriff; dies ist angebracht, wenn beide Parteien zur Kostenfrage unter den ICC Schiedsregeln argumentieren und somit ein impliziter Konsens zu ih- rer Anwendung in dieser Frage vorliegt. Andernfalls ist das Abstellen auf die ICC Schiedsregeln mangels positi- ven Zuständigkeitsentscheids – und somit mangels Fest- 56 Vgl. S. 37 f. 57 Vgl. BSK-Wirth, Art. 189 IPRG N 65. 58 Vgl. N 27. Eine Ausnahme gilt immerhin, wenn die Schieds- ordnung, gemäss welcher die klagende Partei das Verfahren einleitet und die sie somit als anwendbar akzeptiert, in einer solchen Situation eine für die klagende Partei nachteilige Re- gelung enthält. 59 Vgl. beispielsweise. Art. 40 Abs. 2 Swiss Rules; Micha Bühler, Awarding Costs in International Commercial Arbitration: an Overview, 22 (2004) ASA Bull. 249 ff., 265 f.; BSK-Wirth, Art. 189 IPRG N 65. 60 Vgl. Urteil des Kantonsgerichts Graubünden vom 15.5.1986, in: ASA Bull. 1988, 66 f.; Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 1454 (Fn. 25); Lalive/Poudret/Reymond (FN 5), Art. 30 KSG N 4; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 227 (jeweils basierend auf der Prä- misse, dass eine Schiedsvereinbarung besteht).
  • 9. Marco Stacher40  Z.Z.Z 2013 hältnis.67 Dieses Prozessrechtsverhältnis ist ein eigent- liches Rechtsverhältnis,68 d.h. ein «rechtlich geregeltes Lebensverhältnis».69 Zum einen ist der Prozess ein Le- bensverhältnis: Er ist eine gesellschaftliche Wirklichkeit und zwischen den am Prozess Beteiligten entstehen fak- tische Beziehungen;70 zum anderen ist dieses Lebensver- hältnis durch das Prozessrecht rechtlich geregelt.71 Das Prozessrechtsverhältnis umfasst «die sämtlichen prozessualen Rechtsbeziehungen zwischen dem Gericht und den Parteien».72 Es besteht somit als Dreiecksver- hältnis unter den Parteien sowie zwischen den Partei- en und dem staatlichem Gericht. Inhaltlich gebietet das Prozessrechtsverhältnis vorab – ganz allgemein – ein loyales Handeln nach Treu und Glauben.73 Das Prozessrechtsverhältnis entspricht dem Verwal- tungsrechtsverhältnis74 des Verwaltungsrechts und ver- deutlicht zusammen mit diesem, dass das Institut des Rechtsverhältnisses nicht auf das Privatrecht beschränkt ist.75 67 Wolfgang Brehm, in: Stein/Jonas (Hrsg.), ZPO, 22. Auflage, Tübingen 2003, vor § 1 N 205; BK-Zingg, Art. 59 ZPO N 4; vgl. zum Prozessrechtsverhältnis auch François Bohnet/Ste- phen V. Berti, Le lien d‘ Instance (Prozessrechtsverhältnis) ou l’essence du procès civil suisse, 7 (2011 SZZP) 75 ff.; a.M. Os- kar Bülow, Die Lehre von den Prozesseinreden, Giessen 1868 (Neudruck Aalen 1969), 8. 68 Bohnet/Berti (FN 67), 77; Habscheid (FN 8), Rz. 26; Josef Kohler, Der Prozess als Rechtsverhältnis, Mannheim 1888, 1 f.; Gerhard Lüke in: Lüke/Walchshöfer (Hrsg.), Münchener Kommentar, Zivilprozessordnung, Bd. I, München 1992, Ein- leitung N 27; Bülow (FN 68), 1; Adolf Wach, Handbuch des deutschen Civilprozessrechts, Leipzig 1885, 34. 69 Vgl. Habscheid (FN 8), Rz. 26; BK-Schönenberger/Jäggi, Vor- bemerkungen vor Art. 1 OR N 109 ff. 70 Vgl. Kohler (FN 68), 1. 71 Vgl. BK-Schönenberger/Jäggi, Vorbemerkungen vor Art. 1 OR N 111. 72 Bohnet/Berti (FN 67), 77; Stein/Jonas-Brehm (FN 67), vor § 1 N 204; Bülow (FN 67), 1 ff.; Habscheid (FN 8), Rz. 22; Hans-Joachim Musielak, Zivilprozessordnung, 10. Auflage, München 2013, Einl. N 55; Lüke (FN 68), Einleitung N 27 f.; Max Vollkommer in: Zöller (Hrsg.), ZPO, 29. Auflage, Köln 2012, Einleitung N 52; Wach (FN 69), 39; a.M. Baumbach et al., Zivilprozessordnung, 71. Auflage, München 2013, Grdz § 128 D-ZPO N 6 [Verhältnis zwischen den Parteien]; Kohler (FN 69), 6, 11 (…Kampfverhältnis» zwischen den Parteien). 73 Vgl. beispielsweise BGE 130 III 396 E. 1.2.3; BK-Hurni, Art. 52 ZPO N 10; Zöller-Vollkommer (FN 72), Einleitung N 56 f. 74 Vgl. Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix Uhlmann, Allge- meines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, Zürich/St. Gallen 2010, Rz. 738a; Pierre Tschannen, Systeme des Allgemeinen Verwal- tungsrechts, Bern 2008, Rz. 174 ff. («[Das Verwaltungsrechts- verhältnis ist die] von verwaltungsrechtlichen Befugnissen und Verpflichtungen geprägte Beziehung zwischen einem Verwal- tungsträger auf der einen Seite und Privaten … auf der anderen Seite aus Anlass und zum Zweck der unmittelbaren Erfüllung von Verwaltungsaufgaben»). 75 Gleiches gilt für vertragliche Pflichten; sie sind nicht auf das Privatrecht beschränkt: Gerade die Schiedsvereinbarung als Prozessvertrag begründet verschiedene prozessuale Pflich- ten; auf diese sind mangels abweichender Regelung im Pro- zessrecht analogieweise die Regeln zu den privatrechtlichen Pflichten im Obligationenrecht anwendbar (vgl. Marco Sta- rensleitung; die entsprechende Zuständigkeit folgt di- rekt aus dem 12. Kapitel des IPRG. Auch der Unzuständigkeitsentscheid eines Schieds- gerichts mit Sitz in der Schweiz ist deshalb ein eigent- licher Schiedsspruch und die Stellung als Schiedsrichter ergibt sich insoweit unmittelbar aus der lex arbitri. Das gesetzte Recht überträgt dem Schiedsrichter somit in – beschränktem Umfang – unabhängig von der Existenz einer Schiedsvereinbarung Rechtsprechungskompetenz. Dies setzt einzig voraus, dass nicht bereits «eine summa- rische Prüfung ergebe, dass zwischen den Parteien keine Schiedsvereinbarung besteht».65 Dieser Schluss, dass die Stellung als Schiedsrichter im Sinne des 12. Kapitels nicht die Existenz einer Schiedsvereinbarung voraus- setzt, ist auch für den weiteren Gang der Untersuchung zentral. III. Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrich­ ter und Parteien A. Einleitung Die bisherigen Ausführungen befassten sich mit dem Verhältnis zwischen Zuständigkeit und Schiedsverein- barung, d.h. damit, ob das 12. Kapitel des IPRG einem Schiedsrichter unabhängig von einer Schiedsvereinba- rung gewisse Kompetenzen einräumt; für die Schritte und Entscheide, welche für seinen Zuständigkeitsent- scheid erforderlich sind, ist dies zu bejahen. Die schieds- richterliche Tätigkeit ist insoweit nicht an Schiedsver- einbarung und Schiedsfähigkeit66 gekoppelt, welche die Zuständigkeit zum Entscheid in der Sache begründen. Im Folgenden interessiert nun, ob und, falls ja, wes- halb die Parteien den Schiedsrichtern solidarisch für deren Honorar haften. Die Beantwortung dieser Frage erfordert, das Verhältnis zwischen Schiedsrichter und Parteien zu untersuchen; dabei interessiert wiederum die Stellung des unzuständigen Schiedsrichters; insbe- sondere, in einem ersten Schritt, ob zwischen Schieds- richter und Parteien auch für den Fall ein Rechtsverhält- nis entsteht, dass keine Schiedsvereinbarung existiert und der Schiedsrichter somit nicht zum Entscheid über den hängigen Streitgegenstand zuständig ist. Falls diese Frage zu bejahen ist, ist in einem zweiten Schritt der In- halt dieses Rechtsverhältnisses zu untersuchen. B. Prozessrechtsverhältnis zwischen Schieds­ richter und Parteien a) Existenz eines Prozessrechtsverhältnisses auch bei Unzuständigkeit des Schiedsrichters Vor staatlichen Gerichten entsteht auch bei Fehlen ei- ner Prozessvoraussetzung ein sog. Prozessrechtsver- 65 Art. 179 Abs. 3 IPRG. 66 Vgl. N 22; a.M.Vogt (FN 6), 117.
  • 10. Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 41 ren wehrt, erfolgt dies lediglich (i) durch die klagende Partei, welche das Schiedsverfahren einleitet, und (ii) durch den Schiedsrichter, welcher sein Amt annimmt; die beklagte Partei wird demgegenüber gegen ihren Wil- len in das Prozessrechtsverhältnis einbezogen. b) Teilgehalte des Prozessrechtsverhältnisses Die Krux besteht in der Konkretisierung des Prozess- rechtsverhältnisses. Es entsteht zwar mittels der lex ar- bitri; das 12. Kapitel des IPRG hält sich aber bezüglich seines Inhaltes bedeckt und ist beispielsweise weniger explizit als die kantonalen Notariatsgesetze, welche Amtspflichten und Gebührenanspruch der nicht amtli- chen Urkundspersonen statuieren.83 Immerhin enthält die lex arbitri implizit verschiedene Anhaltspunkte: Sie sieht für ein idealtypisches Schieds- verfahren Handlungen von Parteien und Schiedsrich- tern vor: Die Parteien reichen Rechtsbegehren ein,84 während das Schiedsgericht das Verfahren leitet, Bewei- se abnimmt, auf den erstellten Sachverhalt Recht oder Billigkeit anwendet und über seine Zuständigkeit sowie die Rechtsbegehren entscheidet.85 Relevant ist nun als erstes Zwischenergebnis, dass das 12. Kapitel des IPRG dem Schiedsrichter die gerade eben erwähnten Hand- lungen auferlegt. Er soll als Schiedsrichter tätig werden. Dies gilt, zumindest wenn ein Anschein der Zuständig- keit i.S.v. Art. 179 Abs. 3 IPRG besteht, auch für den un- zuständigen Schiedsrichter. Dem in der lex arbitri inhärenten Handlungsgebot steht ein Honoraranspruch des Schiedsrichters gegen- über. Die gegenleistungslose Leistung bildet die Aus- nahme und sie ist auch für die Schiedsgerichtsbarkeit nicht anzunehmen;86 der Schiedsrichter verfolgt mit seiner Tätigkeit als Schiedsrichter eigene (Erwerbs-)In- teressen und Art. 378 ZPO sieht gerade als Normalfall vor, dass der Schiedsrichter ein Honorar verdient und sich dieses durch einen Kostenvorschuss sicherstellen lässt. Anspruchsbelastet sind dabei die Parteien; die Ho- norierung erfolgt insbesondere nicht durch den Staat. Art. 380 ZPO bestätigt diese Regeln, indem er vorsieht, dass die unentgeltliche Rechtspflege in der Schiedsge- richtsbarkeit nicht erhältlich ist. Die lex arbitri auferlegt demnach Schiedsrichter und Parteien Gebote, welche im Interesse der jeweils anderen Seite bestehen; dem Gebot, das Verfahren im Einklang mit den Vorgaben der lex arbitri zu leiten und zu voll- enden, steht das Gebot gegenüber, den Schiedsrichter zu honorieren. Diese Gebote sind als Pflichten zu qua- lifizieren: Die gegenseitigen Ansprüche werden mangels einvernehmlicher vertraglicher Regelung (i) durch die lex arbitri begründet und (ii) das gesetzte Recht regelt 83 Vgl. beispielsweise § 13 ff., 28 des Zuger kantonalen Gesetzes über die öffentliche Beurkundung und die Beglaubigung in Zivilsachen (BGS 223.1). 84 Art. 181 IPRG. 85 Art. 184, 187 IPRG. 86 Baumgartner (FN 8), 145, 211. Ein Prozessrechtsverhältnis existiert auch in der Schiedsgerichtsbarkeit: (i) Erstens üben Schiedsrichter und staatliche Richter dieselbe Funktion aus;76 sie spre- chen verbindlich Recht.Diese Gleichschaltung legt nahe, dass zumindest zwischen einem zuständigen Schieds- richter und den Parteien ein Prozessrechtsverhältnis besteht; dieser Schluss steht auch im Einklang mit den etlichen Lehrmeinungen, welche zumindest in diesem Fall ein Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter und Parteien – in der Form eines Schiedsrichtervertrags oder receptum arbitri – bejahen.77 Ein Prozessrechtsverhältnis existiert (ii) zweitens aber auch bei Unzuständigkeit des Schiedsrichters: Auch in diesem Fall ernennt der juge d‘appui eine Person als Schiedsrichter, wenn zumindest der Anschein einer Schiedsvereinbarung besteht.78 Wenn diese Vor- aussetzung erfüllt ist, unterscheidet das gesetzte Recht mit anderen Worten nicht zwischen zuständigen und (möglicherweise) unzuständigen Schiedsrichtern; ent- scheidend ist einzig, ob der Schiedsrichter zuständig sein kann.79 (a) Das gesetzte Recht behandelt das Ver- fahren somit unabhängig von der letztlichen Zuständig- keit als Schiedsverfahren und (b) dieses Schiedsverfah- ren erfüllt die Definition des Rechtsverhältnisses: Das Schiedsverfahren begründet faktische Beziehungen zwi- schen Parteien und Schiedsrichter (Lebensverhältnis), welche – auch bei Unzuständigkeit des Schiedsrichters –80 durch die lex arbitri rechtlich geregelt werden. Das Prozessrechtsverhältnis entsteht mit anderen Worten auch ohne Zustimmung der beklagten Partei.81 Das Prozessrechtsverhältnis gleicht somit der Ge- schäftsführung ohne Auftrag oder der letztwilligen Ver- fügung; es stellt wie diese Institute eine Ausnahme von der Regel dar, dass rechtliche Sonderverhältnisse durch gegenseitige Willensbekundungen begründet werden.82 Im hier interessierenden Fall, in welchem sich die be- klagte Partei mit allen Mitteln gegen das Schiedsverfah- cher, Die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung, Diss. St. Gal- len 2007, Rz. 55 ff., 64 ff., 415[v]). 76 Vgl. beispielsweise Inderkum (FN 6), 6; Cassani (FN  42), Art. 309 StGB N 15; Real (FN 47), 66, 75. 77 Vgl. S. 33. 78 Art. 179 Abs. 3 IPRG. 79 Vgl. S. 36. 80 Vgl. S. 35 ff. 81 Für einen Ausschnitt des Prozessrechtsverhältnisses, das Verhältnis zwischen Schiedsrichter und Parteien, bestätigt dies ein Teil der Lehre: Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 155; gl.M. Poudret/Besson (FN 8), Rz. 442; Peter Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit, 2. Aufla- ge, Tübingen 1989, Rz. 492; a.M. wohl Walther J. Habscheid, Grundsätzliches zur Dogmatik des Schiedsrichtervertrages im schweizerischen Recht, in: Holzhammer/Jelinek/Böhm (Hrsg.), Festschrift für Hans W. Fasching, Wien 1988, 195 ff., 197; Real (FN  47), 164. Rüede/Hadenfeldt (Rz.  5), 166 schränken dies zu Unrecht insoweit ein, als das rechtskräf- tige Feststellen der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts den Schiedsrichtervertrag erlöschen lasse. 82 Vgl. BK-Schönenberger/Jäggi, Vorbemerkungen vor Art. 1 OR N 121.
  • 11. Marco Stacher42  Z.Z.Z 2013 sönlichkeit und die Schiedsrichter sind nicht vertraglich verbunden; sie erbringen ihre Dienstleistung als Einzel- personen und bilden auch keine einfache Gesellschaft; es fehlt am animus societatis.91 Die Existenz von Pflichten der Parteien gegenüber den einzelnen Schiedsrichtern zeigt deshalb auf, dass das Prozessrechtsverhältnis quasi als Rahmenverhältnis verschiedene Rechtsverhältnisse umfasst; insbesondere je ein Rechtsverhältnis zwischen (jedem) Schiedsrichter und den Parteien.92 Im Falle eines Dreierschiedsgerichts existieren somit drei getrennte Rechtsverhältnisse, wel- che (i) von Gesetzes wegen und (ii) unabhängig von der Zustimmung aller Parteien bestimmte Obligatio- nen beinhalten.93 Insoweit bestehen Parallelen mit der Willensvollstreckung: Der Willensvollstrecker hat einen zwingenden gesetzlichen Anspruch auf Vergütung,94 der Inhalt seines Rechtsverhältnisses zu den Erben folgt aus dem Bundesrecht und es existiert unabhängig davon, ob einzelne Erben die Absetzung des Willensvollstreckers wünschen. Im Gegenteil: Auch Erben, welche sich gegen den Willensvollstrecker aussprechen, haften zusammen mit dem Nachlass für die Vergütung des Willensvollstre- ckers und den Ersatz seiner Aufwendungen.95 C. Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter und Parteien als Vertrag oder gesetzliches Schuldverhältnis? a) Grundsätzliche Qualifikation des Rechts­ verhältnisses Die bis jetzt identifizierten Puzzlesteine des Rechtsver- hältnisses zwischen Schiedsrichter und Parteien zei- 91 Dies schlägt auch auf die gesetzliche Regelung durch: Der ide- altypische Ausschluss eines Schiedsrichters erfolgt – im Un- terschied zur einfachen Gesellschaft, bei welcher ein Antrag aller übrigen Gesellschafter erforderlich ist (Art. 577 OR), – durch das Ablehnungsbegehren einer Partei (Art. 180 IPRG). 92 Habscheid (FN 8), Rz. 864; Hoffet (FN 6), 98; Inderkum (FN 6), 40; Lionnet (FN 16), 164; Poudret/Besson (FN 8), Rz. 438; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 152;Vogt (FN 6), 43, wel- cher jedoch für institutionelle Schiedsgerichte festhält, dass diesfalls keine Rechtsbeziehung zwischen Schiedsrichter und Parteien bestehe, sondern lediglich je ein Rechtsverhältnis (i) zwischen Schiedsrichter und Institution i.S. eines Vertrags zugunsten Dritter (der Parteien) sowie (ii) zwischen Parteien und Institution (77 ff.). 93 Vgl. Hoffet (FN 6), 82 f., welcher zwar als Regel festhält, «dass das receptum arbitri von der Schiedsabrede abhängig ist», aber für den Fall eine Ausnahme macht, dass der Schiedsrichter über Kompetenzkompetenz verfügt; diesfalls entstehe ein «vorübergehendes Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter und Streitparteien»; gleichermassen Vogt (FN 6), welcher für den Fall der richterlichen Ernennung eines Schiedsrichters kraft Gesetzes die Auffassung vertritt, dass «kein Schiedsrichterver- trag zustande kommt, [was aber nicht ausschliesst], dass trotz- dem eine Rechtsbeziehung zwischen den Streitparteien und dem Schiedsrichter entstehen kann» (59); dieses qualifiziert er als «nichtvertragliches Privatrechtsverhältnis» (178). 94 BSK-Karrer/Vogt/Leu, Art. 517 ZGB N 27 f. 95 BSK-Karrer/Vogt/Leu, Art. 517 ZGB N 33. die Anspruchsbegründung typischerweise mittels des Instrumentes der Pflicht; dies gilt nicht nur für den Ver- trag, sondern insbesondere auch dann, wenn das gesetz- te Recht unabhängig vom Parteiwillen Ansprüche kre- iert, beispielsweise im Falle einer unerlaubten Handlung i.S.v. Art. 41 OR, einer ungerechtfertigten Bereicherung i.S.v. Art. 62 ff. OR oder einer Geschäftsführung ohne Auftrag i.S.v. Art. 419 ff. OR.87 Die Qualifikation als Pflicht, respektive Obligation, sprengt auch nicht den Rahmen des Prozessrechtsver- hältnisses; dieses kann sowohl Lasten als auch Pflichten beinhalten.88 Die Qualifikation ist zudem sachgerecht: Wenn die Geschäftsführung ohne Auftrag, bei welcher der Geschäftsführer ohne Kenntnis des Geschäftsherrn vorgeht, Forderungen entstehen lässt, muss dies a ma- iore minus auch für das Prozessrechtsverhältnis gelten, welches sich gerade dadurch auszeichnet, dass sich beide Seiten – Parteien und Schiedsrichtern – ihre jeweiligen Handlungen zur Kenntnis bringen.89 Spätestens jetzt zeigt sich, dass das Prozessrechtsver- hältnis für die Schiedsgerichtsbarkeit zwar eine wert- volle Inspirationsquelle ist; es lässt den Schluss zu, dass auch zwischen einem unzuständigen Schiedsrichter und einer Partei ein Rechtsverhältnis besteht; und für einen Einzelschiedsrichter lässt sich das Prozessrechtsverhält- nis auch mit den zwischen Schiedsrichtern und Parteien bestehenden Obligationen in Einklang bringen. Für den Fall eines Dreierschiedsgerichtes ist die Konstruktion in- dessen zu wenig präzise: Die Honorarschuld einer Partei besteht nicht gegenüber dem Schiedsgericht als Einheit, sondern gegenüber den einzelnen Schiedsrichtern:90 Das Schiedsgericht verfügt über keine eigene Rechtsper- 87 Vgl. auch ZK-Schönenberger/Jäggi, Vorbemerkungen vor Art. 1 OR N 124. 88 Stein/Jonas-Brehm (FN 67), vor § 1 N 213 ff.; Musielak (FN 72), Einleitung N 56; Zöller-Vollkommer (FN 72), Ein- leitung N 57a; Wach (FN 68), 34. Dass beim Prozessrechts- verhältnis – gerade beim Zivilprozess – Lasten und nicht Pflichten der Parteien im Vordergrund stehen, steht der Qualifikation als Rechtsverhältnis nicht im Wege (Habscheid [FN 8], Rz. 26). Das unterschiedliche Hauptinstrument im Privat- und Prozessrecht (Pflicht, resp. Last) rührt vielmehr aus deren unterschiedlicher Funktion: Das Privatrecht lässt die Rechte und Pflichten der Parteien entstehen; dafür ist dieses Instrument zentral; das Prozessrecht dient demge- genüber der Umsetzung der Rechte und Pflichten; dafür ist die Last das effizientere Mittel als die Pflicht. Die Last ordnet einem Fehlverhalten im (Prozess-)Ablauf eine automatische Rechtsfolge zu, während die Erfüllung der Pflicht jeweils im Einzelfall erwirkt werden müsste; dies ist unpassend, was sich auch im materiellen Recht zeigt. So trifft den Käufer nicht die Pflicht, Mängel zu rügen, sondern er verwirkt seine Sach- gewährleistungsrechte, wenn er die Mängelrüge unterlässt. Auch im materiellen Recht regeln deshalb Lasten/Obliegen- heiten gewisse nach Entstehung der Pflichten stattfindende Abläufe. Ein solcher Ablauf ist auch der Prozess. 89 Vgl. insbesondere Art. 182 Abs. 3 IPRG. 90 Vgl. BSK-Habegger, Art. 378 ZPO N 6; Lalive/Poudret/Rey- mond (FN 5),Art. 30 KSG N 2; ZK-Müller,Art. 378 ZPO N 4; Rüede/Hadenfeldt (Rz.  5), 222; SHK-Zenhäusern, Art. 378 ZPO N 3.
  • 12. Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 43 stimmung kann weder über eine Schiedsvereinbarung, in welche die Vollmacht zum Abschluss eines Schieds- richtervertrags interpretiert werden kann,104 noch über den späteren Abschluss eines Schiedsrichtervertrags konstruiert werden.105 Die verbreitete Qualifikation des Rechtsverhält- nisses zwischen Schiedsrichter und Parteien als Schiedsrichtervertrag»106 blendet diese Fälle aus, in welchen kein Vertragsschluss i.S.v. Art. 1 ff. OR statt- findet.107 Die gegenseitigen Rechte und Pflichten entste- hen deshalb alleine durch die lex arbitri,108 welche das gesetzliche Schuldverhältnis begründet, und können/ müssen nicht auf den Willen einer (allenfalls) reniten- ten Schiedspartei zurückgeführt werden.109 Die Auffas- sung, dass der Schiedsrichter «[d]urch den Abschluss des Schiedsrichtervertrags … seine besonderen Rechte und Pflichten in bezug auf das Schiedsverfahren [erlangt]»,110 trifft deshalb nicht zu.Er erlangt seine Rechtsprechungs- kompetenz111 zumindest teilweise von Gesetzes wegen und tritt von Gesetzes wegen in ein Rechtsverhältnis zu den Parteien.112 104 Vgl. Habscheid (FN 8), Rz. 864; Hoffet (FN 6), 81, 94 f.; In- derkum (FN 6), 5, 40 f., 51 ff.; Lionnet (FN 16), 165 f.; Vogt (FN 6), 45 ff.; a.M. E. Bucher, FS Schlosser (FN 103), 103 f.; Berger/Kellerhals (FN  5), Rz. 892, welche eine gültige Schiedsvereinbarung nicht als Ausgangspunkt für einen Kon- sens i.S. eines Schiedsrichtervertrages betrachten und so im- plizit die Auffassung ablehnen, eine gültige Schiedsvereinba- rung enthalte die Vollmacht, den Schiedsrichter mit Wirkung für beide Parteien zu ernennen (gl.M. E. Bucher, FS Schlosser [FN 103], 103 f.); vgl. auch Calavros (FN 18), 68 ff., welcher diese Konstruktion für «gekünstelt» hält; diese Beurteilung mag zu weit gehen; jedenfalls ist die Konstruktion aber, wie sogleich gezeigt wird, nicht erforderlich. Dies beseitigt das im Konstrukt der Vollmachterteilung inhärente Problem, näm- lich dass die Vollmacht jederzeit widerrufen werden kann (Art. 34 Abs. 2 OR; vgl. immerhin Art. 34 Abs. 3 OR). 105 a.M. Bucher, der die Position des Schiedsrichters als «Phä- nomen eigener Art» versteht und sie von einem allfälligen Vertragsschluss losgelöst betrachtet (E. Bucher, FS Schlosser [FN 103], 111 f.); zur Kritik an der Vertragstheorie vgl. auch Calavros (FN 18), 65 ff., 68. 106 Vgl. beispielsweise BGE 111 Ia 72 E. 2c; Born (FN 18), 1603; Gressly (FN 12), 37; Lionnet (FN 16), 162 f.; Hoffet (FN 6), 220; Real (FN 47), 65; BSK-Peter/Besson,Art. 179 IPRG N 56; Poudret/Besson (FN 8), 437; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 151; ZK-Vischer, Art. 179 IPRG N 2; vgl. auch Calavros (FN 18), 67, welcher erklärt, dass die Wurzeln der Vertragstheorie in der deutschen CPO von 1877 liegen, welche «in § 1033 Ziffer 1 … erstmals von einem ‹mit dem Schiedsrichter geschlossenen Vertrag› [spricht]». 107 Vgl. Hoffet (FN 6), 83 ff.; Inderkum (FN 6), 2 («Wenn Par- teien … übereinkommen, den Rechtsstreit einem Schiedsrichter zur Entscheidung zu unterbreiten, so kommt zwischen ihnen und dem Schiedsrichter eine Rechtsbeziehung zustande»), 22. 108 Vgl. S. 41. 109 Vgl. Alfred Koller, Schweizerischen Obligationenrecht, All- gemeiner Teil, 3. Auflage, Bern 2009, § 2 N 104 («… auch das Gesetz lässt zahlreiche Obligationen entstehen»). 110 Real (FN 47), 65. 111 Vgl. S. 35, 36 f. 112 Beides unter der Voraussetzung, dass der Anschein einer Schiedsvereinbarung besteht (vgl. S. 35 ff., 10). gen Folgendes: Die lex arbitri begründet (i) auch ohne Zustimmung aller Parteien (ii) gewisse Rechte und Pflichten von Parteien und Schiedsrichtern.96 Das Pro- zessrechtsverhältnis ist deshalb, in diesem Umfang und gleich wie die Geschäftsführung ohne Auftrag,97 ein ge- setzliches Schuldverhältnis:98 Erforderlich ist einzig,dass prima facie eine Schiedsvereinbarung besteht. In diesem Fall existiert ein Schiedsverfahren i.S. des 12. Kapitels des IPRG, amtet die entsprechende Person als Schieds- richter 99 und entsteht das gesetzliche Schuldverhältnis. Im Folgenden interessiert einzig dieser Ausschnitt des Prozessrechtsverhältnisses, d.h. das zwischen jedem100 Schiedsrichter und den Parteien bestehende gesetzliche Schuldverhältnis, welches sich mit der Beziehung zwi- schen Schiedsrichter und Parteien befasst; (i) dies im Unterschied zum zwischen den Parteien bestehenden Ausschnitt und (ii) zu den allgemeinen Pflichten und Lasten, welche aus dem Prozessrechtsverhältnis folgen, wie beispielsweise das verfahrensrechtliche Gebot, im Schiedsverfahren nach Treu und Glauben zu handeln.101 Sie betreffen nicht das Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter und Parteien, sondern sind auf das Ver- halten im Verfahren selbst gerichtet. b) Vertragliche Qualifikation des Rechts­ verhältnisses? Zwischen Schiedsrichter und Parteien entsteht von Ge- setzes wegen ein Schuldverhältnis;102 dieses Rechtsver- hältnis kann ein vertragliches Schuldverhältnis sein, ist es aber nicht in jedem Fall: Wenn keine Schieds- vereinbarung existiert, die beklagte Partei gegen das Schiedsverfahren opponiert und der Ernennung eines Schiedsrichters nicht zustimmt, liegt auf ihrer Seite keine zustimmende Willensäusserung vor, wie sie zum Abschluss eines Vertrages erforderlich ist:103 Ihre Zu- 96 Vgl. S. 41 f. 97 ZK-Schmid, Art. 422 OR N 33 ff. 98 Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 893; a.M. Calavros (FN 18), 75 ff. [Amtsträger]; Habscheid (FN 8), Rz. 864 f. [Vertrags- verhältnis des Obligationenrechts] («das grundsätzlich aus- serhalb [der lex arbitri] angesiedelt ist»); Hoffet (FN 6), 17 [Vertragsverhältnis] (… dürfte es allgemein anerkannt sein, dass das Verhältnis zwischen Schiedsrichtern und Parteien (zumindest auch) durch einen Vertrag geregelt wird); Inder- kum (FN 6), 29 [Schuldvertrag]; vgl. auch Guldener (FN 7), 607 («An einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis … fehlt es dann, wenn der Schiedsrichter obrigkeitlich ernannt wird»); zur entsprechenden Qualifikation der Willensvollstreckung vgl. Marc’Antonio Iten, Die zivilrechtliche Verantwortlich- keit des Willensvollstreckers, Diss. Luzern 2012, Rz. 28 ff.; vgl. auch zur Geschäftsführung ohne Auftrag ZK-Schmid, Art. 422 OR N 33 ff. 99 Vgl. S. 35 ff. 100 Vgl. S. 42. 101 Vgl. dazu Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 1044. 102 Vgl. S. 41 f. 103 Vgl. Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 891; Eugen Bucher, Was macht den Schiedsrichter?, in: Bachmann et al. (Hrsg.), Grenzüberschreitungen, Festschrift für Peter Schlosser, Tü- bingen 2005, 97 ff., 102 f.
  • 13. Marco Stacher44  Z.Z.Z 2013 richtervertrag zwischen den einzelnen Schiedsrichtern und den Parteien.116 Diese Konstruktion ist dogmatisch vertretbar, er- scheint aber praktisch wenig bedeutsam: (i) Erstens kann das Rechtsverhältnis unter diesem Ansatz nicht vom Beginn des Schiedsverfahrens an, sondern erst nach festgestellter oder anerkannter Zuständigkeit ­vertraglich qualifiziert werden. (ii) Zweitens beinhaltet «[d]er Schiedsrichtervertrag … die obligatorischen As- pekte117 des receptum arbitri», d.h. der «Summe aller Rechtsbeziehungen zwischen den Schiedsgerichtsparteien und dem Schiedsrichter».118 Wie zu zeigen sein wird, ent- spricht der direkt aus dem 12. Kapitel des IPRG fliessen- de obligatorische Inhalt des Prozessrechtsverhältnis im Wesentlichen119 dem gemeinhin anerkannten Inhalt des Schiedsrichtervertrags; dies wenn die vertragliche Rege- lung keine abweichenden Spezialabreden enthält.120 Der Rückgriff auf die Vertragsnatur des Rechtsverhältnisses ist deshalb entbehrlich. D. Inhalt des Rechtsverhältnisses zwischen Schiedsrichter und Parteien a) Zur Inhaltsbestimmung verwendbare Kriterien Der Inhalt eines Vertrags richtet sich mangels feststell- barem übereinstimmenden Willens nach dem Vertrau- ensprinzip; derjenige eines gesetzlichen Schuldverhält- nisseswirdanhanddesPrinzipsderVerhältnismässigkeit festgestellt: Den Beteiligten werden angemessene Rechte 116 Habscheid (FN 8), Rz. 864; Hoffet (FN 6), 98; Inderkum (FN 6), 40; Poudret/Besson (FN 8), Rz. 438; Rüede/Haden- feldt (Rz. 5), 152; Vogt (FN 6), 43. Dasselbe gilt für den Fall, dass der juge d’appui anstelle einer renitenten Schiedspartei deren Parteischiedsrichter ernennt, resp., mangels Einigung der Parteischiedsrichter in diesem Punkt, den Obmann (a.M. Baumgartner [FN 84], 165 f.); vorausgesetzt ist einzig die Zuständigkeit des ernannten Schiedsrichters. Der Schieds- richtervertrag wird diesfalls mittels der Ernennung und auf Grundlage der Schiedsvereinbarung geschlossen; andernfalls entsteht (immerhin) zufolge der lex arbitri das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Schiedsrichter und Parteien. 117 Daraus folgt für Baumgartner, dass receptum arbitri und Schiedsrichtervertrag nicht deckungsgleich sind: Die Recht- sprechungskompetenz bildet bloss Teil des receptum arbit- ri, nicht aber des Schiedsrichtervertrags (vgl. Baumgartner [FN 8], 161, 171, 175, 182 ff.). 118 Baumgartner (FN 8), 145, 169, 171. 119 Vgl. Baumgartner (FN 8), 161, 171; Abweichungen in ein- zelnen Punkten liegen in der Natur der Sache; sie folgen indessen nicht daraus, dass das Bejahen der Vertragsnatur logischerweise zu anderen Schlüssen bezüglich Existenz, In- halt und Umsetzung einzelner Pflichten führen würde; die teils unterschiedlichen Auffassung zu gewissen Aspekten, beispielsweise zur Zulässigkeit einer Klage auf Erfüllung der schiedsrichterlichen Tätigkeit, resultieren vielmehr aus Mei- nungsverschiedenheiten, die von der Rechtsnatur des Rechts- verhältnisses losgelöst sind (vgl. S. 47). 120 Vgl. S. 48 ff. Parteien und Schiedsrichtern steht es natürlich frei, das gesetzliche Schuldverhältnis in einen eigentlichen Vertrag zu transformieren. Dazu ist einzig erforderlich, dass der Schiedsrichter mit Zustimmung beider Parteien tätig wird, und diese Voraussetzung ist auch regelmässig erfüllt: Dies bei Zuständigkeit des Schiedsgerichts, über die Schiedsvereinbarung,113 und selbst dann, wenn die beklagte Partei die Unzuständigkeitseinrede erhebt und der Schiedsrichter unzuständig ist; nämlich dann, wenn die beklagte Partei den Schiedsrichter nicht ablehnt oder abberufen will. Die beklagte Partei opponiert hier nicht gegen die Tätigkeit einer Person als Schiedsrichter, sondern stimmt deren Tätigkeit durch ihre Teilnahme am Verfahren konkludent zu. Fraglich kann letztlich sein, ob der zuständige Schiedsrichter mit seiner Ernennung eo ipso in ein Ver- tragsverhältnis zu beiden Parteien tritt, beispielsweise auch bei Säumnis der beklagten Partei. In solch einem Fall lässt sich argumentieren, die Schiedsvereinbarung bevollmächtige (i) die Parteien, ihren Schiedsrichter auch mit Wirkung für die andere Partei bestellen zu können,114 und (ii) die Mitschiedsrichter, den Obmann für die Parteien zu wählen; bei vertraglich vereinbarten Ernennungsmodellen wirkt die Ernennung durch den designierten Ernennenden (Partei, Mitschiedsrichter, Ernennungsinstanz) gemäss diesem Modell jeweils für beide Parteien.115 Es entstünde dann (je) ein Schieds- 113 Vgl. S. 43. 114 Vgl. Habscheid (FN 8), Rz. 864; Hoffet (FN 6), 81, 94 f. («Be- deutend für das Zustandekommen des Schiedsrichtervertrages ist vor allem auch die Feststellung, dass die Streitparteien eine Schiedsverfahrensgesellschaft bilden und bei der Ernennung der Schiedsrichter jeweils im Namen dieser Schiedsverfahrensgesell- schaft handeln»); gl.M. Inderkum (FN 6), 5, 40 f., 51 ff.; Lion- net (FN 16), 165 f.; Vogt (FN 6), 45 ff.; a.M. Berger/Keller- hals (FN 5), Rz. 892; E. Bucher, FS Schlosser (FN 103), 103 f. Die Qualifikation der Schiedsvereinbarung als Verfahrens- gesellschaft ist indessen abzulehnen (Stacher, Diss. (FN 75), Rz. 421): Sie erklärt die mit Abschluss der Schiedsvereinba- rung eintretende Zuständigkeitsordnung nicht; zudem man- gelt es den Parteien an der affectio societatis (vgl. Markus Knellwolf, Zur materiellrechtlichen Bedeutung der Schieds- vereinbarung, in: Berti et al. [Hrsg.], Beiträge zu Grenzfragen des Prozessrechts, Zürich 1991, 45 ff, 54); sie teilen zwar das Ziel, Streitigkeiten auf eine bestimmte Art und Weise ent- scheiden zu lassen. Sie schliessen die Schiedsvereinbarung aber gerade im Hinblick auf einen Konflikt ab; ihr Verhältnis kann deshalb nicht als «Schicksalsgemeinschaft» charakteri- siert werden (vgl. SPR-VIII/1-von Steiger, 350). 115 Baumgartner (FN 8), 157 f., 162 ff.; Lionnet (FN 16), 165 ff.; Vogt (FN 6), 45 ff.; 49 ff., 57. Der juge d’appui, welcher an- stelle einer renitenten Schiedspartei deren Parteischiedsrich- ter ernennt, handelt demgegenüber nicht gestützt auf eine in der Schiedsvereinbarung enthaltene Vollmacht (Vogt [FN 6], 59),sondern weil er bei Erfüllen des Tatbestandes von Art. 179 Abs. 3 IPRG dazu verpflichtet ist (Baumgartner [FN 8], 154 f., 165); gemäss anderer Meinung kommt indessen auch in sol- chen Fällen ein eigentlicher Vertrag zustande (Habscheid, FS Fasching [FN 81], 198 und geht «die Legitimation des Gerichts [zur] Ernennung (zumindest auch) von beiden Streitparteien aus» (Hoffet [FN 6], 95; Lionnet [FN 16], 166 f.).
  • 14. Der unzuständige Schiedsrichter Z.Z.Z 2013 45 des Vertrags spezifiziert wird, beispielsweise in punkto Honorar, dass sie davon ausgehen darf und muss, dass ihr Vertrag mit den Parteien den normalerweise gemäss lex arbitri anwendbaren Massstäben entspricht. b) Pflichten des Schiedsrichters Die Amtsannahme durch den Schiedsrichter lässt das gesetzliche Schuldverhältnis, allenfalls den Schiedsrich- tervertrag entstehen und begründet die persönliche124 Pflicht des Schiedsrichters, bei der Verfahrensleitung und bis zur Streitentscheidung mitzuwirken;125 das 12. Kapitel des IPRG sieht diese Handlungen vor126 und spricht dem Schiedsrichter – im Unterschied zu einem Beauftragen – nicht expressis verbis ein jederzeitiges Rücktrittsrecht zu. Ein solches Rücktrittsrecht passt auch nicht und lässt sich nicht aus dem 12. Kapitel des IPRG ableiten. Ein Rücktritt kommt deshalb wie bei an- deren auf Dauer angelegten Rechtsverhältnissen nur aus wichtigem Grund in Betracht.127 Ein solcher Grund liegt beispielsweise bei schwerer Krankheit, nicht aber bei all- gemeiner Arbeitsüberlastung des Schiedsrichters vor. Aus dem 12. Kapitel des IPRG folgt,128 dass der Schieds- richter seine Aufgabe sorgfältig, treu und zeitgerecht129 124 Inderkum (FN 6), 116 f.; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 155;Vogt (FN 6), 129 ff. 125 Vgl. BGE 111 Ia 72 E. 2c; Berger/Kellerhals (FN  5), Rz. 901 ff.; Guldener (FN 7), 607; Hoffet (FN 6), 182; Inder- kum (FN 6), 85; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 155; Vogt (FN 6), 123 ff. 126 Vgl. Art. 182, 184, 187 IPRG. 127 Habscheid, FS Fasching (FN 81), 201; Inderkum (FN 6), 193 ff.; BSK-Peter/Besson, Art. 179 IPRG N 58; Poudret/ Besson (FN 8), Rz. 444; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 170; ZK- Vischer, Art. 179 IPRG N 3; vgl. Lalive/Poudret/Reymond (FN 5), Art. 179 IPRG N 8; a.M. Vogt (FN 6) [Anwendbar- keit von Art. 404 OR], 107 f., 171 ff., welcher seine Auffassung damit begründet, dass die «die betreffende Partei … durch Art. 404 Abs. 2 OR, wonach sie von dem zur Unzeit – und ohne wichtigen Grund – widerrufenden … Vertragspartner Schaden- ersatz verlangen kann, genügend geschützt [wird]». Dies trifft indessen angesichts des Zeitverlustes zufolge eines weiteren Ernennungsverfahrens und allenfalls zu wiederholender Pro- zesshandlungen nicht zu; es kommt hinzu, dass nur schon die Bestimmung des Schadens zu erheblichen Problemen führen kann, resp. Aufwand erfordert. Diese monetär schwer mess- baren Nachteile verbieten die Meinung, dass die Nachteile ei- ner ungerechtfertigten Kündigung ohne weiteres durch Scha- denersatz ausgeglichen werden können. 128 Vgl. Hoffet (FN 6), 191 ff.; Inderkum (FN 6), 30 ff., 95 ff. 129 A. Bucher (FN  8), Rz. 156; Inderkum (FN 6), 117 f.; Rüe- de/Hadenfeldt (Rz.  5), 156; Vogt (FN  6), 126. Das Über- schreiten einer in der Schiedsvereinbarung zum Erlass des Schiedsspruchs vorgesehenen Frist, resp. einer vorbestimm- ten Amtsdauer, führt indessen vermutungsweise nicht zur Anfechtbarkeit des Schiedsspruchs (Poudret/Besson (FN 8), Rz. 454; a.M. Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 917 [Unzustän- digkeit ratione temporis]): Eine zeitliche Beschränkung der Zuständigkeit oder der Amtsdauer kompliziert das Verfahren; Konsequenz wäre, dass die Schiedsrichter nach Eintritt der Rechtshängigkeit ausgewechselt werden müssten; dies stünde im Widerspruch zum Ziel der Amtsdauerbeschränkung, eine effiziente Verfahrensgestaltung zu erreichen. Die Befristung und Pflichten zugeordnet.121 Es gelangt somit je nach Konstellation ein anderes Kriterium zur Anwendung. Für den Fall, dass ein Schiedsrichter in einem ad hoc Verfahren auf vertraglicher Grundlage tätig wird, ohne dass der Inhalt seines Rechtsverhältnisses zu den Par- teien thematisiert oder konkretisiert wird, ist nach dem einen Kriterium zu prüfen, von welchem Inhalt ausge- gangen werden durfte und musste; falls kein Konsens erfolgt, ist nach dem anderen Kriterium der sachgerech- te Inhalt zu bestimmen. Dass die beiden Kriterien im Einzelfall zu einem unterschiedlichen Ergebnis führen, ist indessen nicht zu erwarten: Beide Kriterien sind wertungsbasiert und streben nach einer passenden Lösung; und was passend ist, ist für beide Kriterien anhand der im 12. Kapitel des IPRG skizzierten Funktion des Schiedsrichters zu messen;122 dies ergibt sich für das gesetzliche Schuldverhältnis ohne weiteres daraus, dass es gerade aus dem Gesetz ab- geleitet wird. Das 12. Kapitel des IPRG ist aber auch für den Schiedsrichtervertrag der entscheidende Gradmes- ser: Zwar stellt das Vertrauensprinzip auf die Auslegung der einzelnen Willenserklärungen ab; was eine Partei erwarten durfte und musste, ist aber auch anhand der konkreten Umstände zu messen; dem Erklärungsemp- fänger obliegt, sich «in zumutbarem Mass darum zu be- mühen, den Geschäftswillen des Erklärenden ausfindig zu machen… Andererseits ist der Erklärende im Sinne einer Obliegenheit gehalten, sich so auszudrücken, dass sich der Erklärungsempfänger auf den erweckten Schein verlassen darf».123 Dies bedeutet für eine Person, der ein Schieds- richtermandat angetragen wird, ohne dass der Inhalt 121 ZK-Schönenberger/Jäggi, Vorbemerkungen vor Art. 1 OR N 111. 122 Vgl. Baumgartner (FN 8), 172 («Schiedsrichtervertrag … von prozessrechtlichen Aspekten beinflusst sein kann»); Berger/Kel- lerhals (FN 5), Rz. 895 f. («The rights and obligations of the ar- bitrators arise primarily from the applicable arbitration law»); Born (FN 18), 1605 («… the contractual relationship between the parties and the arbitrators occurs in an area where impor- tant public policies and mandatory rules apply. These rules and policies … dictate in a mandatory fashion … essential aspects of the relationship...»); A. Bucher (FN 8), Rz. 156; Calavros (FN 18), 75; Habscheid (FN 8), Rz. 865 («das [receptum ar- bitri] ist … mit dem Recht des Schiedsverfahrens durchsetzt»); Hoffet (FN 6), 55, («Andererseits enthalten Konkordat und IPRG Bestimmungen prozessrechtlichen Charakters, die direkt auf die vertraglichen Beziehungen zwischen Schiedsrichtern und Parteien einwirken…»), 223 («Als Richtschnur … muss dabei der Kernbereich der zwingenden … Normen von IPRG und Konkordat dienen»); Inderkum (FN 6), 30 ff. («Das ‹Amt› des Schiedsrichters ist m.a.W. … als‚ ‹ein durch das Gesetz … definiertes› zu verstehen»), 39 («primär im Verfahrensrecht … geregelt»); Lalive/Poudret/Reymond (FN 5), Art. 14 KSG N 3 («… les règles du droit privé sont complétées … par celles du concordat»); BSK-Peter/Besson, Art. 179 IPRG N 56 («Mass- gebend für die Rechte und Pflichten ist primär das Schiedsstatut [Art. 176 Abs. 1]»); ZK-Vischer,Art. 179 IPRG N 2 («ist für die Rechte und Pflichten in erster Linie das Schiedsstatut massge- bend»); a.M. E. Bucher, ASA Bull. 2002 (FN 7), 418, welcher die Rechte und Pflichten des Schiedsrichters nicht in der lex arbitri, sondern in der Schiedsvereinbarung begründet sieht. 123 Koller (FN 109), § 3 N 167 f.
  • 15. Marco Stacher46  Z.Z.Z 2013 führung ohne Auftrag, welche kein Honorar, sondern lediglich einen Aufwendungsersatz vorsehen, nicht an- wendbar: Der Schiedsrichter, auch der unzuständige,141 hat gesetzliche und somit rechtserhebliche Veranlassung für seine Tätigkeit.142 Die lex arbitri weist ihn auch im Falle der Unzuständigkeit zur Verfahrensführung an; er ist deshalb nicht ohne Auftrag tätig, sodass die in Art. 394 Abs. 3 OR kodifizierte Regel passender ist.143 d) Relevanz des Auftragsrechts Art. 394 Abs. 3 OR ist für das Rechtsverhältnis zwischen Schiedsrichter und Parteien in punkto Honorar sachge- recht; Gleiches gilt für die Sorgfaltspflichten des Beauf- tragen gemäss Art. 398 OR. Die in diesen beiden Punk- ten existierende gedankliche Nähe des Schiedsrichters zum Beauftragten darf indessen nicht dazu verleiten, das Rechtsverhältnis primär anhand der Art. 394 ff. OR zu konkretisieren:144 Bei der Entgeltlichkeit der Tätigkeit und dem Gebot der sorgfältigen Tätigkeit handelt es sich um Selbstverständlichkeiten,145 welche für sich al- leine keine Unterstellung unter das Auftragsrecht recht- fertigen. Dies schliesst nicht aus, das Auftragsrecht soweit pas- send, analogieweise anzuwenden.146 Ob es passend ist, ist anhand der Art. 176 ff. IPRG zu prüfen.147 Dabei er- gibt sich aus einer Analyse, die nicht auf die im Rechts- verhältnis enthaltenen Pflichten beschränkt ist, dass die Qualifikation des Rechtsverhältnisses, bzw. eines allen- falls geschlossenen Schiedsrichtervertrags, als Auftrag, Vogt (FN 6), 149 ff.; Die Parteien stellen das Honorar des Schiedsrichters durch einen Kostenvorschuss sicher (Inder- kum (FN 6), 155 ff.). Zusätzlich zum Honoraranspruch hat der Schiedsrichter eine Forderung auf Auslagenersatz (Hof- fet [FN 6], 241; Vogt (FN 6), 160 f.). 141 Vgl. Peter Schlosser, in: Stein/Jonas (Hrsg.), ZPO, 22. Auf- lage, Tübingen 2003, Vorbemerkungen vor § 1025 D-ZPO N 10, der indessen zu Unrecht präzisiert, dass dies nicht ge- genüber einer Partei gelte, welche die Unzuständigkeit gel- tend macht und sich gegen die Ernennung des Schiedsrich- ters zur Wehr setzt. 142 Vgl. ZK-Schmid, Art. 419 OR N 67. 143 Baumgartner (FN 8), 211; Hoffet (FN 6), 242; Inderkum (FN 6), 148; Vogt (FN 6), 150. Für den häufigen Fall, dass die Schiedsvereinbarung auf die Regeln einer Schiedsinstitu- tion verweist, bestimmen deren Regeln und Tarife das Hono- rar des Schiedsrichters sowie dessen Festsetzung (vgl. N 75; Anhang III zu den ICC Schiedsregeln; Appendix B der Swiss Rules). 144 Die Qualifikation als Mandat ist gemäss E. Bucher «verfehlt» und «traditionswidrig»; sie erkläre sich «aus dem Fehlen der Figur des receptum arbitri in den modernen Kodifikationen» und «bedeutet Vergewaltigung und Verfälschung der Verhält- nisse» (E. Bucher, ASA Bull. 2002 (FN 7), 416; s. auch E. Bucher (FN 103), FS Schlosser, 109 ff.). 145 Vgl. beispielsweise für das Arbeitsvertragsrecht Art. 321a, 322 OR. 146 Baumgartner (FN 8), 197. 147 Vgl. S. 44 f. und die Nachweise bei FN 123. auszuüben hat:130 Er soll insbesondere (i) bei fehlender Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit nicht tätig wer- den, (ii) den Parteien das rechtliche Gehör gewähren, (iii) Beweise selbst abnehmen und (iv) bei seinem Sach- entscheid den ordre public respektieren.131 Neben die- sen im 12. Kapitel des IPRG erwähnten Ausprägungen seiner Sorgfaltspflicht ergeben sich weitere Aspekte aus seiner Funktion als Schiedsrichter; beispielsweise soll er Aspekte offenlegen, welche den Anschein der Befangen- heit begründen können.132 Nebenpflichten133 sind ins- besondere die schiedsrichterliche Verschwiegenheits-134 und Abrechnungspflicht; und hat am Ende des Verfah- rens über die Verwendung der Kostenvorschüsse Rech- nung zu legen.135 Der Schiedsrichter ist in der Ausübung seiner Tä- tigkeit und somit in der Erfüllung seiner Pflichten weisungsgebunden;136 gemeinsame Anweisungen aller Streitparteien binden den Schiedsrichter bei der Ver- fahrensgestaltung.137 Die Parteien können dem Schieds- richter beispielsweise aufgeben, einen vorgängigen Zwi- schenschiedsspruch zu seiner Zuständigkeit zu erlassen, obwohl der Schiedsrichter dies nicht als angemessen erachtet. Die Grenze des Weisungsrechts bildet zum ei- nen das gesetzliche Schuldverhältnis zwischen Schieds- richter und Parteien; die Parteien können dieses, sobald es einmal entstanden ist, nicht einseitig ändern;138 zum anderen ist eine Weisung der Parteien unbeachtlich, wenn sie gegen die zwingenden Normen der lex arbitri verstösst, insbesondere gegen die zwingenden Verfah- rensrechte der Parteien gemäss Art. 182 Abs. 3 IPRG.139 c) Rechte des Schiedsrichters Der Schiedsrichter verdient für seine Tätigkeit ein Honorar;140 insbesondere sind die Regeln zur Geschäfts- der Amtsdauer ist deshalb im Regelfall lediglich als Auftrag an das Schiedsgericht zu interpretieren, das Verfahren innert ei- ner gewissen Frist zu beenden. Das Schiedsgericht bleibt nach Ablauf der Frist zuständig und ist weiterhin vorschriftsmässig besetzt (DIKE-Stacher, Art. 366 ZPO N 3 ff.). 130 Vgl. Guldener (FN 7), 607; Hoffet (FN 6), 227 f.; Inderkum (FN 6), 118 f.; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 156; Vogt (FN 6), 130 ff., 138 ff. 131 Vgl. Art. 180, 182 Abs. 3, 184 Abs. 1, 190 Abs. 2 Bst. e IPRG. 132 Berger/Kellerhals (FN  5), Rz. 897 ff.; BSK-Peter/Besson, Art. 179 IPRG N 57. 133 Vgl. zu den Nebenpflichten auch Inderkum (FN 6), 138 ff. 134 A. Bucher (FN  8), Rz. 156; Hoffet (FN 6), 233; Inderkum (FN 6), 142 f.; BSK-Peter/Besson, Art. 179 IPRG N 57; Rüede/ Hadenfeldt (Rz. 5), 156 f.; Vogt (FN 6), 131 ff. 135 KuKo-Dasser, Art. 378 ZPO N 7; BSK-Habegger, Art. 378 ZPO N 31; Hoffet (FN 6), 237 f.; ZK-Müller, Art. 378 ZPO N 16; Rüede/Hadenfeldt (Rz. 5), 225; Vogt (FN 6), 135 ff.; Art. 41 Abs. 5 Swiss Rules. 136 Vgl. Art. 182 Abs. 1 IPRG. 137 Art. 182 Abs. 1 IPRG. 138 Rüede/Hadenfeldt (Rz.  5), 224; SHK-Zenhäusern, Art. 378 ZPO N 5. 139 Vgl. S. 49 f. 140 Berger/Kellerhals (FN 5), Rz. 911 ff.; Hoffet (FN 6), 242 ff.; Inderkum (FN 6), 146 ff.; Poudret/Besson (FN 8), Rz. 443;