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Universität Potsdam
Institut für Romanistik
Masterarbeit
Zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Arts (M.A.)
„Wir übernehmen Verantwortung“
Eine linguistische Diskursanalyse der Positionierungen von VW
und RWE als ökologisch nachhaltige Unternehmen im
ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurs
Erstgutachterin: Prof. Dr. Gerda Haßler
Zweitgutachterin: Dr. Simone Burel
Vorgelegt von
Maximilian Mattes
Master Linguistik: Kommunikation-Variation-Mehrsprachigkeit
Matrikelnummer: 771444
Maximilian.Mattes@gmx.de
Anschrift: Kirchenstraße 4/1, 72336 Balingen-Streichen
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung........................................................................................................................1
1.1 „Im Zusammenhang mit der Diesel-Thematik…“ ......................................................1
1.2 Fragestellungen und Erkenntnisinteressen ..............................................................2
1.3 Einführung in den Nachhaltigkeitsdiskurs und Begriffserläuterungen .......................2
1.3.1 Die Konzepte >Nachhaltige Entwicklung< und >Nachhaltigkeit<.................................2
1.3.2 Die ökologische, ökonomische und soziale Dimension ..............................................9
1.3.3 Die Herkunft des Konzepts >Nachhaltige Entwicklung< ...........................................13
1.3.4 Visualisierungsmodelle der NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG................................15
1.3.5 Zusammenfassung .............................................................................................23
1.4 Nachhaltigkeitskommunikation in der Unternehmenskommunikation .....................25
1.4.1 Grundlegendes zur Nachhaltigkeitskommunikation .................................................25
1.4.2 Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation ..................................................27
1.4.3 Die Relevanz der ökologischen Dimension für die Nachhaltigkeitskommunikation der
Automobil- und Energieversorgerbranche ..............................................................34
2 Methodik: LDA – Linguistische Diskursanalyse.............................................................36
2.1 Semiotische Vorannahmen: Zugang zur Wirklichkeit über Sprachzeichen .............36
2.2 Diskursbegriff in Anlehnung an Foucault................................................................36
2.3 Pragma-semiotische Textarbeit..............................................................................40
2.3.1 Ausdrucksebene.................................................................................................42
2.3.2 Inhaltsebene ......................................................................................................43
2.4 Untersuchungsmodell ............................................................................................44
3 Korpus..........................................................................................................................45
3.1 Das Korpus als ein Diskursausschnitt: Thematische Kohärenz, mediale und zeitliche
Eingrenzung...........................................................................................................45
3.2 Korpusexzerption...................................................................................................47
3.3 Korpusüberblick .....................................................................................................48
4 Ergebnisse ...................................................................................................................50
4.1 Erste Diskurskomponente des Konzepts >Öko-Effizienz<: Konzeptualisierungen von
UMWELT anhand von substantivischen Komposita im VW- und RWE-Korpus......51
4.1.1 VW-Korpus: >Umwelt< als ,passive und vom Unternehmen zu schützende Quelle‘ in
substantivischen Komposita .................................................................................51
4.1.2 VW-Korpus: >Umwelt< als ,vom Unternehmen potentiell beeinträchtigte Quelle‘ in
substantivischen Komposita .................................................................................52
4.1.3 VW-Korpus: >Umwelt< als ,neutrales System, mit dem das Unternehmen Austausch
betreibt‘ in substantivischen Komposita .................................................................53
4.1.4 RWE-Korpus: >Umwelt< als ,passive und vom Unternehmen zu schützende Quelle‘ in
substantivischen Komposita .................................................................................56
4.1.5 RWE-Korpus: >Umwelt< als ,vom Unternehmen potentiell beeinträchtigte Quelle‘ in
substantivischen Komposita .................................................................................57
4.1.6 RWE-Korpus: >Umwelt< als ,neutrales System, mit dem das Unternehmen Austausch
betreibt‘ in substantivischen Komposita .................................................................58
4.1.7 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen VW-Korpus und RWE-Korpus bei den
Konzeptualisierungen von UMWELT auf der Ebene der substantivischen Komposita..60
4.2 Zweite Diskurskomponente des Konzepts >Öko-Effizienz<: Konstruktionen auf der
Satzebene im Kotext von UMWELT, die >*effizienz< evozieren (mit der Dominantsetzung
‚Steigerung von Effizienz‘) als Kriterium für mehr ökologische Nachhaltigkeit im VW und
RWE-Korpus................................................................................................................61
4.2.1 VW-Korpus: Konstruktionen auf der Satzebene im Kotext von UMWELT, die
>*effizienz< evozieren ....................................................................................62
4.2.2 RWE-Korpus: Konstruktionen auf der Satzebene im Kotext von UMWELT, die
>*effizienz< evozieren .........................................................................................65
4.2.3 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen VW-Korpus und RWE-Korpus bei
Konstruktionen auf der Satzebene im Kotext von UMWELT, die >*effizienz< evozieren 66
5 Zusammenfassung, Fazit und Ausblick ........................................................................69
6 Literatur........................................................................................................................71
Anhang: Korpusbelege, VW- und RWE-Korpus...............................................................77
Selbstständigkeitserklärung...........................................................................................123
1
1 Einleitung
1.1 „Im Zusammenhang mit der Diesel-Thematik…“
„Nachhaltigkeit bedeutet für unseren Konzern, ökonomische, soziale und
ökologische Ziele gleichrangig und gleichzeitig anzustreben. Wir wollen
dauerhafte Werte schaffen, gute Arbeitsbedingungen bieten und sorgsam
mit Umwelt und Ressourcen umgehen.
Im Zusammenhang mit der Diesel-Thematik haben wir diese eigenen
Ansprüche in mehreren Punkten verfehlt. Die Unregelmäßigkeiten im
Umgang mit Abgaswerten widersprechen allem, wofür wir stehen. Wir
bedauern dies sehr und sind uns bewusst, dass wir unsere Stakeholder
enttäuscht haben. Mit ganzer Kraft setzen wir uns deshalb dafür ein, dass
sich dergleichen nicht wiederholt, dass wir unseren eigenen Ansprüchen
wieder gerecht werden und so gesellschaftliches Vertrauen
zurückgewinnen.
Unser Nachhaltigkeitskonzept überarbeiten wir umfassend. So wollen wir
sicherstellen, dass wir auf jeder Stufe des Wertschöpfungsprozesses
Risiken und Chancen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance
frühzeitig erkennen. So ausgestaltet, tragen unsere Corporate-Social-
Responsibility-Aktivitäten dazu bei, die Reputation und den Wert des
Unternehmens langfristig zu steigern.“1
Ob Dieselthematik, Abgas-Affäre bei VW oder VW-Skandal. Je
nachdem, wie wir ein und denselben Sachverhalt bezeichnen, kommen
andere subjektive Einstellungen und nuancierte Auffassungen gegenüber
demselben zur Geltung. Das Zitat zeigt anschaulich: Nicht nur mit
materiellen Gütern wie Rohstoffen handeln Unternehmen. Sie handeln auch
„wenn [sie] kommuniziere[n]“ (Bungarten 1993: 7). Durch die Auswahl und
gleichzeitige Nichtauswahl sprachlicher Zeichen können Wirklichkeiten
geprägt, ja sogar konstruiert werden. Vor diesem Hintergrund soll in der
vorliegenden Arbeit diskurslinguistisch untersucht werden, wie sich der
Automobilkonzern VW und der Energieversorger RWE jeweils sprachlich
als ökologisch nachhaltig handelndes Unternehmen im Nachhaltigkeits-
diskurs positioniert.
Dafür wird u.a. herausgearbeitet, wie das Konzept der >Nachhaltigen
Entwicklung< aufgefasst werden kann und sich jenes als Diskurs-
gegenstand nach wie vor in einem „ergebnisoffenen Diskussionsprozess“
1Vgl. http://www.volkswagenag.com/de/sustainability.html.
2
(Kleine 2009: 74) befindet, auf welchen auch die genannten Unternehmen
als Diskursakteure und durch ihre Dominantsetzung spezifischer
diskutierter Teilkonzepte der >Nachhaltigen Entwicklung< Einfluss nehmen.
Im folgenden Abschnitt wird das Forschungsanliegen durch drei konkrete
Fragestellungen präzisiert.
1.2 Fragestellungen und Erkenntnisinteressen
Folgende Fragestellungen, in enger Orientierung an die
Fragestellungen bei Burel (Vgl. Burel 2015: 8), sind von
erkenntnisleitendem Interesse in dieser Arbeit:
a) Wie fächern VW und RWE, ihre POSITIONIERUNG ALS ÖKOLOGISCH
NACHHALTIGES UNTERNEHMEN im Rahmen des ökologischen
Nachhaltigkeitsdiskurses inhaltlich auf, d.h. welche inhaltsseitigen
Komponenten (in Form von Wissensrahmen, (Sub-)Themen) prägen
konzeptuell diese POSITIONIERUNG?
b) Welche sprachlichen Zeichen rekurrieren auf diese inhaltsseitigen
Komponenten, die (direkt oder indirekt) das Referenzobjekt
POSITIONIERUNG ALS ÖKOLOGISCH NACHHALTIGES
UNTERNEHMEN ko-konstituieren? In welchem sprachlichen Kontext findet
diese Referenz statt?
c) Welche Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede gibt es zwischen VW und
RWE?
1.3 Einführung in den Nachhaltigkeitsdiskurs und
Begriffserläuterungen
1.3.1 Die Konzepte >Nachhaltige Entwicklung< und >Nachhaltigkeit<
Man könnte bilanzieren: Seit Rio (1992)2
ist nichts so nachhaltig wie das
Reden und Schreiben über ,Nachhaltige Entwicklung‘ oder ,Sustainable
Development‘ und gleichzeitig nichts so aussichtslos wie der Versuch, den
2 Gemeint ist der Weltgipfel in Rio de Janeiro, 1992: „Die UNO-Konferenz über Umwelt und
Entwicklung (UNCED = UN Conference on Environment and Development) wurde über
mehrere Jahre vorbereitet, u.a. durch ein eigens dafür gegründetes Sekretariat in
London, durch Berichte aus über 120 Ländern und durch Expertenarbeitsgruppen aus
verschiedenen UN-Gremien wie der UN-Wirtschaftskommission UNCTAD, den UN-
Entwicklungsprogramm UNDP und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation
FAO sowie der Weltorganisation für Meteorologie WMO. An der Konferenz in Rio de
Janeiro vom 3.-14.6.1992 nahmen rund 10.000 Delegierte aus 178 Staaten teil.“ Unter
https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/weltgipfel_rio_de_janeiro_1992_539.htm.
3
Begriff konsensfähig und allgemeinverbindlich zu definieren (Jüdes
1997a:1).
In der Forschungsliteratur gibt es zu den Konzepten
>Nachhaltigkeit< und >Nachhaltige Entwicklung< über 70
Definitionsversuche3, die alle an der Komplexität des
Definitionsgegenstandes und an dessen großer Menge verschiedener
(interessensgeleiteter) Lesarten scheitern:
Dadurch, dass Nachhaltigkeit in unterschiedlichen
Interessenzusammenhängen eine Rolle spielt, ist der Begriff und das
Verständnis von Ungenauigkeit, Mehrdeutigkeiten und z.T. von
Widersprüchen geprägt (Michelsen 2005: 27).
Deshalb ist es dienlich für die später folgende diskurslinguistische
Auseinandersetzung mit der Positionierung von VW und RWE als
ökologisch nachhaltig handelnde Unternehmen innerhalb des ökologischen
Nachhaltigkeitsdiskurses, zunächst die in den beiden obigen Zitaten
vorkommenden Konzepte >Nachhaltige Entwicklung< (engl. >sustainable
development<) und >Nachhaltigkeit< (engl. >sustainability<) separat
voneinander zu erläutern.
Allgemein beschreibt >Nachhaltige Entwicklung< (>sustainable
development<) einen Prozess, an dessen Ende ein nicht erreichbarer,
jedoch wünschenswerter Optimalzustand, >Nachhaltigkeit<, für die Erde
und für ihre Bewohner angestrebt wird (Vgl. Majer 2003: 935).
Seine stärkste Prägung und die beginnende Wahrnehmung in der
breiten Öffentlichkeit erfuhr der Begriff >Nachhaltigen Entwicklung< durch
die Veröffentlichung des sogenannten Brundlandt-Berichts im Jahre 1987
(Vgl. Glombitza 2005: 37; Brugger 2010: 15; Tremmel 2003: 89). Dabei
handelt es sich um den Abschlussbericht „Our Common Future“ der World
Commission on Environment and Development (WECD). Die ehemalige
Ministerpräsidentin von Norwegen Gro Brundlandt war die damalige
WECD-Kommissionsvorsitzende und formulierte auf der Basis von
3 Vgl. Jüdes, Ulrich 1997b: 26-29. „Der Begriff des Sustainable Development gehört zu den
schillerndsten der derzeitigen Umweltdiskussion. Mehr als 70 unterschiedliche
Definitionen sind in der Literatur zu finden und stellen die Aussagefähgigkeit [sic!] des
Begriffs in Frage. Eine verbindende Theorie von ‚Nachhaltiger Entwicklung‘ ist nötig.“,
unter http://ulrich-juedes.jimdo.com/wissenschaft/umwelt-naturschutz-nachhaltigkeit/.
4
Studienerkenntnissen und umweltpolitischen Diskussionen mit Umwelt- und
Wirtschaftsexperten zusammenfassend drei grundlegende Prinzipien und
Desiderata, die eine >Nachhaltige Entwicklung< begünstigen.
Erstens sollen die bis dahin vorwiegend auf lokale Vorgänge
beschränkten Sichtweisen sich mit einer gemeinsamen globaleren
Sichtweise auf Entwicklungen verbinden. Zweitens sollen
Umweltentwicklungsfragen nicht losgelöst von anderen Entwicklungsfragen
betrachtet und drittens soll die Gerechtigkeit innerhalb der jetzigen bzw.
zwischen der jetzigen und den zukünftigen Generationen hergestellt und
bewahrt werden (vgl. WCED 1987: 43ff). Letzteres Prinzip ist die
,intragenerative und intergenerative Gerechtigkeit‘.
Für das Verständnis des Konzepts der >Nachhaltige Entwicklung<
ist dieses Prinzip zentral, da es seine Konzeptattribute am stärksten
mitprägt. ,Intragenerative Gerechtigkeit‘ verweist auf eine faire Verteilung
der Chancen innerhalb zur selben Zeit lebender Generationen, sowohl auf
regionaler, nationaler, als auch auf internationaler Ebene. Das Einkommen,
die Geschlechtergerechtigkeit und die Bildung sind einige der sozialen
Aushandlungsfelder (vgl. Hanusch 2011: 8).
Als „Ausgleich der Interessen zwischen verschiedenen
Generationen“ (ebd.) ist demnach die ,Intergenerative Gerechtigkeit‘ zu
verstehen. Als prospektives, auf unsere gemeinsame Zukunft hin
orientiertes Postulat will sie „eine dauerhafte Sicherung der Grundlagen des
menschlichen Daseins“ (ebd.) erreichen.
Eine kontinuierliche Wahrung der ,intragenerativen Gerechtigkeit‘, z.B. auf
den oben erwähnten sozialen Aushandlungsfeldern wie Einkommen und
Bildung, bedingt letztlich die ,intergenerative Gerechtigkeit‘ und beeinflusst
entscheidend ihre Umsetzung, denn
Missstände in der Chancengleichheit innerhalb von Generationen […]
[können in] […] Konflikten [münden], die sich negativ auf die zukünftige
Entwicklung [für nachfolgende Generationen: M.M.] auswirken können
(Hanusch 2011: 9).
Beide Arten von Gerechtigkeit sind „eine zentrale Komponente“
(Corsten/Roth 2012:1) und die eigentliche Leitidee hinter dem Konzept
5
>Nachhaltige Entwicklung<, die der Brundlandt-Bericht definiert als
„development that meets the needs of the present without compromising
the ability of future generations to meet their own needs“ (WECD 1987:
IV.1).4
In der deutschen Erstübersetzung nach Hauff ist >Nachhaltige
Entwicklung< demnach zu verstehen als
[eine] Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu
riskieren, daß [sic!] künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht
befriedigen können (Hauff 1987:46).
In ihrer mehr als dreißigjährigen Geschichte hat diese eher allgemein
gehaltene Grunddefinition einige Modifizierungen wie Erweiterungen, und
Konkretisierungen erfahren. Jedoch ist die Kernaussage und der
Leitgedanke der ,inter- und intragenerativen Gerechtigkeit‘ erhalten
geblieben.
Eine >Nachhaltige Entwicklung< „knüpft an Wertschätzungen an“
(Corsten/Roth 2012:1) und hat somit einen grundsätzlich normativen
Anspruch. Sie „[...] ist demnach ein ethisch motiviertes normatives Konzept,
das sich auf eine Wirtschaftsordnung und Lebensstil bezieht, die unsere
Zukunft nicht gefährden“ (Godemann/Michelsen 2011: 5)5, gar eine „Vision“
(Schaltegger/Dyllick 2002: 30), an welcher man sich gesamtgesellschaftlich
orientieren soll. >Nachhaltigkeit< dient dann als ein motivationaler
Treiberbegriff für einen gewünschten optimalen (End-) Zustand, auf den die
Gesellschaft hinarbeiten soll. Die >Entwicklung< „[…] bezeichnet einen
Prozess gesellschaftlicher Veränderung“ (Grunwald/Kopfmüller 2012: 11).6
4 Vgl. WCED 1987: Development and international economic co-operation: Environment,
Report of the World Commission on Environment and Development, A/42/427, 4.
August 1987. Genf: United Nations, unter http://www.un-documents.net/ocf-02.htm#I.
5 Vgl. Godemann/Michelsen 2011:5, “Sustainable development then is an ethically
motivated normative concept referring to a form of economics and lifestyle that does not
endanger our future. Such an ethical approach to shaping the future must ultimately be
based on an understanding of strong sustainability [...], which in contrast to the concept
of weak sustainability rejects the premise of unlimited substitutability of all natural
resources with equivalents and considers this as irresponsible to future generations."
Auch in dieser Definition von >Nachhaltiger Entwicklung< stehen die Endlichkeit der
Ressourcen im Zentrum und schließt, ethisch-normativ perspektivierend,
Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen ein.
6 Einen ausführlichen Überblick zur historischen Entwicklung von Umweltpolitik und das
gesellschaftliche Umweltbewusstsein, das sich aus einer solchen gesellschaftlichen
Veränderung bereits abgeleitet hat, geben Paehlke 1992 und Jamison 2002.
6
Um das Leitbild der >Nachhaltigen Entwicklung< in die Realität
umzusetzen, hat sich die Diskursgemeinschaft aus Gesellschaft,
Wissenschaft und Wirtschaft seit der Veröffentlichung des Brundlandt-
Berichts auf drei Ebenen, bzw. „Dimensionen“ (vgl. Brugger 2010; Hanusch
2011) verständigt, in welchen Ideen diskutiert und konkrete
Umsetzungsschritte ausgehandelt werden sollen. Sie werden in der
Fachliteratur oft als die „Triple-Bottom-Line der Nachhaltigkeit“ (Schönborn
2001: 3) bezeichnet und unter der Bezeichnung „Dreisäulenmodell“
(Corsten/Roth 2012:1) zusammengefasst und schließt eine ökologische,
eine ökonomische und eine soziale Dimension.
Jede einzelne Dimension hat, für sich genommen, ihren spezifischen
Einfluss auf die beiden anderen Dimensionen und ist von deren
Entfaltungsspielraum gewissermaßen abhängig. Ein Konsens besteht
darin, dass das übergeordnet angestrebte Ziel im Sinne einer
>Nachhaltigen Entwicklung< deshalb die Ausbalancierung und
„gleichrangig[e] und gleichzeitig[e]“ (Maier-Rigaud 1997: 311)
Berücksichtigung dieser drei Dimensionen sein sollte. Hinsichtlich der
Erfüllung dieses Anspruchs hat sich auch eine andere Bezeichnung, die des
„Magischen Dreieck[s]“ (Corsten/Roth 2012:1), in der Fachliteratur etabliert:
In Anlehnung an das Stabilitätsgesetz und den teilweise konfliktären
Beziehungen zwischen diesen Dimensionen wird dann auch von einem
‚Magischen Dreieck‘ der Nachhaltigkeit gesprochen (Corsten/Roth
2012:1).7
Pufé (2014) fasst die Leitprinzipien, d.h. prägende Konzeptattribute8
einer >Nachhaltigen Entwicklung< folgt zusammen:
• Intragenerationelle Gerechtigkeit: Innerhalb einer Generation haben
weltweit alle Menschen dieselben Chancen verdient […].
• Intergenerationelle Gerechtigkeit: Zwischen den unterschiedlichen
Generationen kommt es zu keiner Diskriminierung, das heißt, ein
Neugeborenes hat nicht weniger Rechte als ein erwachsener oder ein
greiser Mensch.
• Ganzheitlichkeit und Integration: Keine der
Nachhaltigkeitsdimensionen (sozial, ökologisch, ökonomisch) wird
7 Für nähere Erläuterungen zum „Magischen Dreieck“ vgl. auch Dierkes 1986: 44;
Paech/Pfriem 2002: 13; Dyllick 2003: 236ff.
8 Im folgenden Zitat ohne einfache Anführungszeichen mit „ ,x‘ “ angegeben.
7
bevorzugt. Stattdessen wird nach einer integrativen Problemlösung
gesucht, die alle Dimensionen einbezieht.
• ‚Glokalität‘: Verknüpfung von globalen und lokalen Phänomenen und
Entwicklungen nach dem Motto think global, act local.
• Partizipation, Verantwortung und Stakeholderbeteiligung:
Einbeziehung aller Betroffenen und Verantwortlichen.
• Präventive Langzeitorientierung: Verminderung von Schädigungen
bei ökonomischen Aktivitäten statt späterer Aufräumarbeiten.
• Charakter eines normativen Leitbildes: Im Kern ist Nachhaltigkeit ein
ethisch-moralisches sowie handlungsleitendes Prinzip. (Hervorheb.
M.M.)9
Im folgenden Kapitel werden die drei Dimensionen vorgestellt und
ihre Bedeutungen zur Gestaltung der >Nachhaltigen Entwicklung< erläutert.
Dafür werden an geeigneter Stelle zudem die Ausführungen der Enquete-
Kommission des Deutschen Bundestags miteinbezogen, um die
Definitionsbereiche klarer abzustecken und die Verflechtungen der
Dimensionen untereinander mit ihren einzelnen Dimensionsaspekten
ausgewogen darzustellen. Insbesondere soll ein grundlegendes
Verständnis der ökologischen Dimension vermittelt werden, da sie für die
Positionierung von VW und RWE als ökologisch nachhaltig handelnde
Unternehmen im ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurs maßgeblich ist.
Später, in Kapitel 1.3.4.5, werden auf der theoretischen Grundlage
von Huber (1995), Dyllick/Hockerts (2002) und Langer (2011) diverse
„Strategiepfade“ (Langer 2011: 19) und mit ihnen sechs Konzepte für das
operative Geschäft vorgestellt, die Unternehmen als Ausgangslage dienen,
um ihr Handeln (und ihre Nachhaltigkeitskommunikation) stärker auf eine
>Nachhaltige Entwicklung< auszurichten und auch dabei helfen sollen im
Diskursraum als nachhaltiges, insbesondere ökologisch nachhaltiges,
Unternehmen wahrgenommen zu werden.
Abhängig von der Richtung ( oder ) der interdimensionalen
Wechselbeziehung (Ökologie  Ökonomie / Soziales  Ökonomie /
Soziales  Ökologie) und dementsprechend der Zieldimension
(Ökologische, Ökonomie, Soziales), in welcher eine >Nachhaltige
Entwicklung< angestrebt werden will, sind jeweils zwei
9 Vgl. Pufé (2014).
8
Anforderungskriterien benannt, die einen eigenen konzeptuellen Charakter
haben. Alle diese werden ausführlicher in Kapitel 1.3.4.5 und im
Zusammenhang mit Visualisierungsmodellen zur >Nachhaltigen
Entwicklung< erläutert.
1. Die Effizienz-Strategie, welche Konzepte wie >Öko-Effizienz< (vgl.
Schaltegger/Sturm 1990) und >Sozio-Effizienz< (vgl.
Dyllick/Hockerts 2002) einschließt.
2. Die Effektivität-Strategie, zu welchen >Öko-Effektivität< und
>Sozio-Effektivität< zählen (vgl. Dyllick/Hockerts 2002).
3. Die Suffizienz-Strategie (Huber 1995), mit >Suffizienz< und
>ökologische Gerechtigkeit< (vgl. Dyllick/Hockerts 2002).
Möglichst durch eine Kombination dieser sollen Unternehmen in
ihrem Handeln vor allem den Nachhaltigkeitsprinzipien „Ganzheitlichkeit
und Integration“, „Partizipation, Verantwortung und Stakeholderbeteiligung“
und „Präventive Langzeitorientierung“ (Pufé 2014) besser begegnen
können. Wie gezeigt werden soll, stehen sich manche dieser Kriterien,
hinsichtlich ihres konzeptuellen Charakters und ihres langfristigen
Auswirkungsgrades (z.B. auf die ökologische Dimension) teilweise
diametral gegenüber oder scheinen sich zu widersprechen (z.B. Effizienz
und Effektivität). Das unternehmerische Handeln, welches aus ihnen
abgeleitet wird, ist entsprechend verschieden. Andere Konzepte, wie
>Suffizienz< beziehen z.B. stärker unternehmensexterne
Anspruchsgruppen, wie die Kunden als Endverbraucher, im Rahmen ihres
Konsumverhaltens ein.
Für eine diskurslinguistische Analyse der Nachhaltigkeits-
kommunikation von RWE und VW innerhalb der ökologischen Dimension,
ist es deshalb ein wichtiger Schritt, diese verschiedenen „Strategiepfade“
(Langer 2011: 19) und Konzepte explizit im ökologischen Kontext zu
beleuchten (Kapitel 1.3.4.5). In der Nachhaltigkeitskommunikation beider
Konzerne, wie gezeigt werden soll, prägt das Konzept >Öko-Effizienz<
inhaltsseitig maßgeblich jene >Nachhaltige ökologische Entwicklung< (im
ökonomischen/unternehmerischen Interesse) und setzt dadurch bestimme
Aspekte im ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurs dominant, welche zum
9
Prozess der sprachlichen Positionierung eines ökologisch nachhaltig
handelnden und somit bei verschiedenen Anspruchsgruppen legitimierten
Unternehmens beitragen.
Analytisch wird das Konzept >Öko-Effizienz< deshalb auf der
Metaebene verortet. Dieses Vorgehen erlaubt es später, einzelne
Korpusbefunde aus dem VW- und dem RWE-Korpus, die auffällig
erscheinen, auf jenes zurückzubeziehen, und die beiden Korpora
untereinander an geeigneter Stelle kontrastiv zu untersuchen. Darüber
hinaus hilft es dabei, diskursanalytisch sowohl inhaltsseitig aufzudecken,
durch welche Komponenten/Sachverhalte >Öko-Effizienz< von beiden
Unternehmen aufgefächert wird, als auch ausdrucksseitig zu erforschen,
welche konkreten sprachlichen Zeichen auf diese Sachverhalte bzw.
letztendlich auf >Öko-Effizienz< rekurrieren.
1.3.2 Die ökologische, ökonomische und soziale Dimension
Die ökologische Dimension
Inhaltlich zentral für die ökologische Dimension ist der Umweltschutz.
Das bedeutet die natürlichen Ressourcen zu schonen, sowie die Flora und
Fauna, und ebenso die Gesundheit der Menschen zu schützen (vgl.
Brugger 2010:17f.; Enquete-Kommission 1998: 25; Hanusch 2011:16). Die
Enquete-Kommission verbindet die ersten beiden inhaltlichen Aspekte der
ökologischen Dimension mit konkreteren Handlungsempfehlungen und
führt dazu als Vorschlag begrenzte Handlungsspielräume für die
Umweltnutzung (durch den Menschen und durch Unternehmen) an:
[Der Umwelt- und Naturschutz widmet sich] [d]er Bewahrung der
Artenvielfalt sowie einzelner Arten, die im Zuge menschlicher
Umweltnutzung zu verschwinden drohen, sowie dem Erhalt aller Arten und
Biotoptypen […]. Angesichts immer umfassenderer Eingriffe des Menschen
in die Ökosysteme sollen unerwünschte Einflüsse auf deren Entwicklung
begrenzt werden. So werden z.B. Biotope zum Erhalt bestimmter Arten
geschützt oder angelegt, Schutzgebiete ausgewiesen und andere Arten
von Nutzungsbeschränkungen der Umwelt durchgesetzt (Enquete-
Kommission 1998: 25).
Damit einher geht ein Verzicht auf nicht-erneuerbare, z.B. fossile
Ressourcen und der Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Enquete-
10
Kommission rahmt eine solche Handlungsempfehlung des Verzichts in eine
mittel- und langfristige Umsetzung ein.
[…] Nicht-erneuerbare Ressourcen sollen nur in dem Umfang genutzt
werden, in dem ein physisch und funktionell gleichwertiger Ersatz in Form
erneuerbarer Ressourcen oder höherer Produktivität der erneuerbaren
sowie der nicht-erneuerbaren Ressourcen geschaffen wird (Enquete-
Kommission 1998: 25).
Es ist unumstritten, dass Ökosysteme nicht unendlich belastbar sind
und sie einer angemessenen Zeit bedürfen, in der sie sich regenerieren
können. In vielerlei Hinsicht wurde diese Erkenntnis, vor allem mit dem
Einsetzen des Industriezeitalters, missachtet, woraus zum Teil irreparable
Umweltschäden und der überproportionale Anstieg des weltweiten Klimas
resultierten:
Die Verbrennung fossiler Brennstoffe ist die Hauptursache für die
Emissionen des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). Es ist
inzwischen allgemein anerkannt, dass die steigenden Treibhausgas-
Emissionen eine globale Klimaerwärmung zur Folge haben. Nahezu alle
vorliegenden globalen Szenarien gehen von einem weiteren Anstieg des
weltweiten Energieverbrauchs aus und damit verbunden auch der CO2-
Emissionen.10
Diese und andere durch den Menschen verursachten Emissionen
widersprechen dem ökologischen Nachhaltigkeitsgedanken. Sie sollen
deshalb reduziert und technische Verfahren, wie der Betrieb von
Atomkraftwerken, die tatsächlich oder potentiell ökologisch risikobehaftet
sind, mittelfristig gemieden und langfristig durch ökologisch-freundlichere
Alternativen ersetzt werden (vgl. Brugger 2010:17-18).
Aus soziologischer Perspektive vollzieht sich in unserer Gegenwart
nun eine Art retrospektive Neuentdeckung des Nachhaltigkeitsprinzips (Vgl.
Haber 1995: 20f.). Jahrtausende lang stand die Be- und Entlastung der
Umwelt durch den Menschen in einem verträglichen Gleichgewicht. Dieses
wurde nach und nach durch demographische Entwicklungen, den
technologischen Fortschritt und aufgrund neuer aufkommender
Wirtschaftsweisen im Industriezeitalter, die meist anderen als den
natürlichen Regeln folgten, zu Lasten der Umwelt ins Wanken gebracht.
10 http://www.bpb.de/veranstaltungen/netzwerke/teamglobal/67345/energie.
11
Hauptsächlich auf Kosten der Umwelt stieg der Wohlstand und die
Lebenserwartung des Menschen. Im Umkehrschluss droht seine
Lebenserwartung ohne eine intakte Umwelt, die ihn umgibt, auf lange Sicht
wieder zu sinken. Besonders im Zuge der weltweiten Umweltbewegungen
Anfang der 1970er Jahre hat deshalb ein revolutionärer Denkmusterwandel
eingesetzt, als feststellt wurde, dass die fortschreitend irreversiblen
Umwelteingriffe ohne spezifische Gegenmaßnahmen wie der Reduzierung
des klimaschädlichen CO2 eine Gefährdung des Schutzes und sogar der
Existenz des Menschen bedeuten könnte. Die Enquete-Kommission
empfiehlt folglich „[…] Gefahren und unvertretbare Risiken für die
menschliche Gesundheit durch anthropogene Einwirkungen […] zu
vermeiden“ (Enquete-Kommission 1998: 25). Diese Empfehlung fügt sich
auch ein in das Prinzip der „Präventive[n] Langzeitorientierung“ (Pufé 2014).
Die ökonomische Dimension
Die Enquete-Kommission des deutschen Bundestages stellt in ihrem
Vorschlag für die „[ö]konomische Dimension der nachhaltig
zukunftsverträglichen Entwicklung“ den Aspekt des Gemeinwohls im Sinne
einer „bestmöglichen Versorgung der Bevölkerung“ heraus (Enquete-
Kommission 1998: 26). Dabei lassen sich die engen Verflechtungen von
ökologischen und ökonomischen Aspekten feststellen:
Wirtschaften hat die übergeordnete Funktion, knappe Güter mit möglichst
geringen Kosten der Verwendung mit der höchsten Wertschätzung
zukommen zu lassen: So sollen die verfügbaren Ressourcen an
Arbeitskraft und natürlicher Produktivität so eingesetzt werden, daß [sic!]
eine bestmögliche Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und
Dienstleistungen erreicht wird. Alle vorhandenen Produktionsfaktoren
sollen ihrer produktivsten Verwendung zugeführt werden (Enquete-
Kommission 1998: 26).
Die soziale Dimension
Für Brugger ist die soziale Dimension „[…] wohl der unschärfste
Begriff“ (Brugger 2010: 18), da sie in Fachdiskussionen häufig mit sozialer
Gerechtigkeit gleichgesetzt oder auf jene reduziert wird. Dabei geht jedoch
eine differenziertere Betrachtung im Lichte der Verbindungen von sozialen
Aspekten und deren starke Interdependenz mit Ökonomie und Ökologie
12
unter. Aus diesem Grund gilt es diese Interdependenzen aufzuzeigen, wie
in den Ausführungen der Enquete-Kommission:
Für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung ist die Schaffung einer
solidarischen Gesellschaft, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit,
soziale Gerechtigkeit, Wohlstand und ökologische Verantwortung
gewährleistet, unerläßliche [sic!] Voraussetzung. Zu den unverrückbaren
Fundamenten dieses Prozesses gehören […] Chancengleichheit der
Geschlechter und benachteiligter Menschen. Diese strukturellen
Kernelemente sind die existenziellen Grundlagen unserer
Gestaltungsfähigkeit für die Verbesserung der Lebens- und
Arbeitsbedingungen und für die Zukunftsperspektiven der Menschen in
Deutschland (Enquete-Kommission 1998: 27).
Damit eine >Nachhaltige Entwicklung< gelingen kann, sollen, wie
bereits in Kapitel 1.3.1. erwähnt wurde, die ökologische, die ökonomische
und soziale Dimension möglichst „gleichrangig und gleichzeitig“ (Maier-
Rigaud 1997: 311) berücksichtigt werden. Wie die Einzelbetrachtung jeder
Dimension ergeben hat, ist tatsächlich keine unabhängig und ebenso wenig
isoliert von den anderen beiden. Sie alle gehen Verbindungen miteinander
ein. In der öffentlich-gesellschaftlichen Debatte, wie denn eine >Nachhaltige
Entwicklung< zu erreichen sei, treten allgemein am häufigsten die
Sachverhalte der ökologischen Dimension in den Vordergrund (Vgl.
Hanusch 2011: 9). Dasselbe lässt sich auch für die Kommunikation der
>Nachhaltigen Entwicklung< im wirtschaftlichen Kontext seitens der
Unternehmen und in ihrer eigenen Art der Nachhaltigkeitskommunikation
feststellen. Ökologische Themen dominieren diese, denn bei der Analyse
[…] fällt auf, dass die meisten Unternehmen ihre
Nachhaltigkeitskommunikation auf die Umwelt fokussieren und die
gesellschaftliche bzw. die soziale Verantwortung häufig in den Hintergrund
tritt (Mast 2012: 423).
In der Forschungsliteratur besteht Konsens darüber, dass ein Grund
für die thematische dominante Ausrichtung auf die ökologische Dimension
in der konzeptgeschichtlichen Verankerung des komplexen Konzepts
>Nachhaltige Entwicklung< liegt und sich unsere heutige Auffassung
darüber aus der Forstwirtschaft herausgebildet hat (Vgl.
Grunwald/Kopfmüller 2012: 18). In diesem Zusammenhang lohnt sich ein
kurzer geschichtlicher Rückblick in den Anfang des 18. Jahrhunderts und
auf das damalige Problem der Holzknappheit, um das Verständnis von
13
ökologischer Nachhaltigkeit in Abhängigkeit von ökonomischen (und
sozialen) Dimensionsvariablen zu festigen.
1.3.3 Die Herkunft des Konzepts >Nachhaltige Entwicklung<
Vielfach wird die Abhandlung ‚Sylvicultura Oeconomica‘ des sächsischen
Oberberghauptmanns [Hans Carl] von Carlowitz [1645 – 1714] aus dem
Jahr 1713 als erstmalige Erwähnung [des Begriffs >Nachhaltigkeit<]
genannt. Landwirtschaftliche Aktivitäten sowie zunehmender industrieller
Holzbedarf (Berg- und Hüttenwerke) hatten […] zu einer Übernutzung der
Wälder geführt. Angesichts der knapper werdenden Holzbestände wurde
unter nachhaltiger Forstwirtschaft eine Bewirtschaftungsweise verstanden,
die auf einen möglichst hohen, gleichzeitig aber dauerhaften Holzertrag der
Wälder abzielte: Es sollte pro Jahr nicht mehr Holz geschlagen werden als
nachwächst (Grunwald/Kopfmüller 2012: 18f.).
Wie es Grunwald/Kopfmüller (2012) schildern, war Holz, in
ressourcentechnischer Hinsicht im beginnenden 18. Jahrhundert ein leicht
verfügbarer wichtiger Rohstoff. Es wurde überall, nicht nur im Hausbau,
sondern auch als Brennstoff im alltäglichen Leben zum Heizen und Kochen
gebraucht. Besondere wirtschaftliche Bereiche, wie der Bergbau,
beanspruchten die vorhandenen Ressourcen in einem stärkeren Maße, da
„Holz […] für den Ausbau der Gruben (Traghölzer), den Abbau des Erzes
(mittels Feuersetzen) und insbesondere für den Betrieb der Schmelzöfen
mit Holzkohle benötigt [wurde].“11
Zur Lösung des Problems der Holzknappheit sollen prägnante
Stellen aus von Carlowitz‘ „Sylvicultura Oeconomica“ zitiert werden, die
zudem eine ebenso auf heutige Verhältnisse anwendbare Kritik eines
Wirtschaftens enthält, welche, rein ökonomisch, hauptsächlich nach dem
kurzfristigen Gewinn strebt oder, losgelöst von Kontextfaktoren, ein und
dasselbe ökonomische Vorgehen für verschiedene Bereiche
(nachwachsende Ressourcen im Holzanbau ≠ nachwachsende Ressourcen
im Ackerbau) verfolgt:
11 https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/hans_carl_von_carlowitz_1713_1393.htm.
14
Nicht zuletzt wird erstmals die „nachhaltende Nutzung“ und der Gedanke
einer >Nachhaltigen Entwicklung< erwähnt:
Von dieser vorausschauenden Holznutzung profitiere insbesondere die
Wirtschaft („Berg-Bau“):
Zusammenfassend lässt sich sagen, das von Carlowitz als ein
Vordenker der >Nachhaltigen Entwicklung< gelten kann und sein
[…] Prinzip, das das ökonomische Ziel der maximalen dauerhaften Nutzung
des Waldes mit den ökologischen Bedingungen des Nachwuchses
kombinierte, […] ein Vorbild für spätere Nachhaltigkeitsüberlegungen
[wurde] (Grunwald/Kopfmüller 2012: 19).
Bisher wurde die ökologische, ökonomische und soziale Dimension
mit jeweils ihrem eigenen Themenspektrum vorgestellt und die inter- und
intradimensionalen Verbindungen bzw. Wechselwirkungen zueinander als
notwendige Basis für das Gelingen einer >Nachhaltigen Entwicklung<
dargestellt.
Beim Versuch das dahinterliegende Konzept plastisch in einem
Schaubild zu visualisieren und somit für das komplexe interdependente
Verhältnis der Dimensionen weiter zu sensibilisieren, haben sich
15
verschiedene Modelle etabliert, welche im folgenden Kapitel diskutiert
werden.
1.3.4 Visualisierungsmodelle der NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG
1.3.4.1 Das Drei-Säulen-Modell der NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG
Beim Drei-Säulen-Modell wird
jeder Dimension eine Säule
zugeordnet. Sie tragen, wie bei
einem Haus, sozusagen die
>Nachhaltige Entwicklung<, welche
als säulenübergreifendes Dach
dargestellt wird. Wird eine der
beiden, die ökologische oder die
ökonomische Dimensionssäule,
brüchig durch die Vernachlässigung
von Teilaspekten innerhalb der jeweiligen Dimension, ist das Haus nicht
direkt vom Einsturz bedroht.
Die übrigen Dimensionen gleichen den Schaden und die
entstandene Instabilität aus, und ermöglichen weiterhin eine >Nachhaltige
Entwicklung<. Jedoch könnte auch die mittlere, die soziale
Dimensionssäule, komplett ignoriert oder sogar ausgelassen werden, ohne
dass dies für das Gesamtkonstrukt tatsächlich spürbar negative
Auswirkungen hat. Dies widerspricht der Leitidee, die Bereiche
„gleichrangig und gleichzeitig“ (Maier-Rigaud 1997: 311) zu
berücksichtigen. Kleine konstatiert zudem:
[D]as Modell der parallel nebeneinander stehenden [sic!] Säulen [ist]
ungeeignet […], da keine klar definierten Austauschbeziehungen oder
Abhängigkeiten zwischen den Säulen bestehen. Die Säulen stehen
vielmehr isoliert nebeneinander (Kleine 2009: 75).
16
1.3.4.2 Das Schnittmengen-Modell der NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG
Das Schnittmengen-Modell
stellt die Dimensionen als drei sich
überschneidende Kreise dar. Diese,
und damit die Dimensionen, sind
demnach nicht isoliert, wie im obigen
Schaubild 1, sondern untereinander
verbunden. Zudem verdeutlicht das
Modell, dass Themen nicht nur einer
Dimension zugeordnet werden
müssen. Die Überschneidungsmenge
aller drei führt langfristig zu einer
>Nachhaltigen Entwicklung<. Das Modell lässt eine vorübergehende
Favorisierung einzelner Dimensionen zu, was nicht zwangsläufig zum
Kollaps dessen führt. Die gewünschte alleinige Konzentration auf die
Schnittmenge von allen drei Dimensionen ist insofern kritikwürdig, als
[d]as Modell die Nachhaltige Entwicklung […] stark auf die kombinierten
Handlungsfelder und Indikatoren [begrenzt], während die
überschneidungsfreien Bereiche in der Nachhaltigkeitsdiskussion
zurückgestellt werden. […] Ein weiteres Problem besteht darin, dass der
Grad der Überschneidung unbestimmt ist: eine noch stärkere Integration
der Nachhaltigkeitsdimensionen würde die Kreise so weit zueinander
rücken, bis sie sich gänzlich überschneiden. Dann grenzen die Kreise die
einzelnen Bereiche nicht genügend voneinander ab. Werden die Kreise
jedoch weiter auseinander gerückt, steht jeder Bereich alleine für sich,
ohne dass noch Überschneidungen existieren (Kleine 2009: 76).
1.3.4.3 Das Nachhaltigkeitsdreieck der NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG
Im gleichseitigen Nachhaltig-
keitsdreieck, auch als „Magisches
Dreieck“ (Dierkes 1986: 44) bezeichnet,
werden die drei Dimensionen ebenfalls
gleichermaßen berücksichtigt. Die
Anordnung jener ist an sich beliebig,
jedoch impliziert ein Dreieck immer eine
Vorrangstellung von einer Dimension
gegenüber den anderen beiden.
17
Die Verbundenheit darüber hinaus
[…] bedeutet, dass jede Säule mit der gleichen Berechtigung in den
ergebnisoffenen Diskussionsprozess [der >Nachhaltigen Entwicklung<]
eingebracht und keine von vornherein benachteiligt werden darf (Kleine
2009: 74).
1.3.4.4 Das integrierte Drei-Säulen-Modell der NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG
Das integrierte Drei-
Säulen-Modell fokussiert
die Dimension der
Ökologie, die als Lebens-
grundlage des Menschen
dient und Basis jedes Wirtschaftens ist. Insofern wird die soziale Dimension
in ihr und in der sozialen wiederum die ökonomische Dimension integriert.
Letztere werden somit „als nachrangige Zielbereiche in dem Sinne
[angesehen], als dass Umweltschutzmaßnahmen nach Möglichkeit
ökonomie- und sozialgerecht durchgeführt werden sollten“ (Hanusch 2011:
10).
[Eine >Nachhaltige Entwicklung<] kann also nur erreicht werden, soweit die
natürlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilsysteme jeweils in
sich auch stabil, d.h. interne und externe Veränderungen [in Schaubild 4
durch Pfeile dargestellt] selbstregulierend auszugleichen vermögen
(Busch-Lüty 1995: 117f.).
Die ökologische Dimension, die den Menschen umgebende Natur,
gibt den Rahmen für die soziale Dimension, die Gesellschaft, vor.
Wirtschaftssysteme sind von der Gesellschaft geschaffene Systeme. Eine
Annahme ist, dass deshalb die Gesellschaft, eventuell durch ihr
Konsumverhalten oder durch einen veränderten Lebensstil imstande ist
wirtschaftlichem Wachstum gewisse Grenzen aufzuzeigen.
18
1.3.4.5 Das integrierte Nachhaltigkeitsdreieck mit dimensionalem Zielbezug
zur NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG
Ein komplexeres
Modell stellt das integrierte
Nachhaltigkeitsdreieck mit
dimensionalem Zielbezug
dar. Um wesentliche theore-
tische Postulate an eine
>Nachhaltige Entwicklung<,
wie die gleichrangige
Berücksichtigung aller Di-
mensionen und die
Sensibilisierung für die
Interdependenz der Dimensionen untereinander, zu erfüllen, basiert es im
Kern auf dem gleichseitigen Nachhaltigkeitsdreieck.
Eine Weiterentwicklung dessen versteht nun die drei Eckbereiche als
Zieldimensionen oder „Zielkategorien“ (Kleine 2009: 80), in denen eine
>Nachhaltige Entwicklung< angestrebt werden soll. Um diese zu erreichen,
werden als Indikatoren die in Kapitel 1.3.1 kurz angeführten sechs Konzepte
innerhalb der „Strategiepfade“ (Langer 2011: 19) genannt. Im Folgenden
soll im Uhrzeigersinn anhand der drei Zieldimensionen jeweils ein Konzept-
Paar vorgestellt, und durch Beispiele, beginnend im Kontext der
Zieldimension Soziales, veranschaulicht werden.
Für die diskursanalytisch-linguistische Exploration und Interpretation
von ausdrucksseitig auffälligen sprachlichen Erscheinungen innerhalb der
ökologischen Nachhaltigkeitskommunikation, welche zum sprachlich-
gestützten Prozess der Positionierung von VW und RWE als ökologisch
nachhaltig handelnde Unternehmen beitragen, liegt hierfür der Fokus auf
den interdimensionalen Wechselbeziehungen der Zielkategorien
Ökologie Ökonomie im Rahmen des Konzepts >Öko-Effizienz<.
Dieses Konzept, wie später gezeigt wird, prägt inhaltsseitig
entscheidend die Positionierungen von RWE und VW als nachhaltig
handelnde Unternehmen und ko-konstruiert zudem die kommunikativen
19
Diskursrahmenbedingungen, d.h. was als eine >Nachhaltige ökologische
Entwicklung< (im ökonomischen/unternehmerischen Interesse) angesehen
werden soll.
1.3.4.5.1 SOZIALES ALS ZIELDIMENSION EINER >NACHHALTIGEN
ENTWICKLUNG<
Ökologie Soziales: >Ökologische Gerechtigkeit<
Das Konzept >Ökologische Gerechtigkeit< meint eine faire
Lastenverteilung von durch den Menschen verursachten ökologischen
Schäden auf die Weltgemeinschaft (und zukünftiger Generationen,
unabhängig von Herkunft, Ethnizität oder ökonomischem Status) und mit ihr
ein möglichst gleichberechtigter Zugang aller Menschen zu
lebensnotwendigen natürlichen Ressourcen, wie z.B. sauberem
Trinkwasser12. Mit dieser normativen Forderung soll einer ökologisch
bedingten unverhältnismäßigen Nutzung natürlicher Güter durch die jeweils
gegenwärtige Generation (mit eventuell daraus resultierenden sozialen
Unruhen) entgegengewirkt und eine >Nachhaltige soziale Entwicklung<
gefördert werden.
Die >Ökologische Gerechtigkeit< ist deshalb an der Schnittstelle der
Beziehungen
[…] between the management of natural capital and social sustainability.
While current generations consume large parts of the earth’s natural
capital, the bulk of the damage is likely to be borne by future generations.
If social sustainability is to be achieved, an equitable solution will have to
be found for the distribution of natural capital (Dyllick und Hockerts 2002:
138).
Ökonomie Soziales: >Sozio-Effektivität<
Das Konzept >Sozio-Effektivität< misst den in einer gesamtheitlichen
Sicht erreichten positiven Einfluss des Handelns von ökonomischen
Institutionen wie Unternehmen auf die (globale) Gesellschaft.
12 Vgl. die Definition des Business Dictionary, „environmental equity: development,
implementation, and enforcement of environmental policies and laws to ensure that no
group or community is made to bear a disproportionate share of the harmful effects of
pollution or environmental hazards because it lacks economic or political clout.”
http://www.businessdictionary.com/definition/environmental-equity.html
20
From a socioeffectiveness perspective, business conduct should be judged
not on a relative scale but rather in relation to the absolute positive social
impact a firm could reasonably have achieved (Dyllick und Hockerts 2002:
138).
Negative Beispiele, die im Zusammenhang einer unwirksamen
>Sozio-Effektivität< oft angebracht werden, sind in der Pharmaindustrie
vorzufinden. Seit Jahrzehnten bietet sie ihre Medikamente nicht in
auseichender Menge in armen Länder an und wird dafür kritisiert (Vgl.
Oxfam 2001). Fragen, die in diesem Kontext gestellt werden können um die
>Sozio-Effektivität< zu bewerten sind:
„Wie groß ist der Beitrag eines Pharmaunternehmens für die Bekämpfung
weltweiter Gesundheitsprobleme? [und] Produziert es nur für
zahlungskräftige Kunden aus den Industriestaaten oder hilft es, die großen
gesundheitlichen Herausforderungen in den Entwicklungsländern zu
bewältigen?“13
1.3.4.5.2 ÖKONOMIE ALS ZIELDIMENSION EINER >NACHHALTIGEN
ENTWICKLUNG<
Soziales Ökonomie: >Sozio-Effizienz<
>Sozio-Effizienz< wird als Konzept genannt, wenn es in erster Linie
um das Erreichen einer >Nachhaltigen ökonomischen Entwicklung< geht:
[>Sozio-Effizienz<] beschreibt den Umstand, dass Unternehmen ihre
Produkte auf eine sozial verträgliche Weise produzieren. Steigt die [>Sozio-
Effizienz<], [nehmen] die positiven Auswirkungen des Unternehmens auf
Mitarbeiter [zu], die negativen Auswirkungen werden verringert.14
Aus ökonomischer Sicht, kann die >Sozio-Effizienz< und damit die
ökonomische Wertschöpfung also gesteigert werden, indem z.B. schlechte
Arbeitsbedingungen, die zu Arbeitsunfällen und Krankheitstagen führen
können, verringert werden (Vgl. Dyllick und Hockerts 2002: 136).
Ökologie Ökonomie: >Öko-Effizienz<
Unser heutiges Verständnis des Konzepts >Öko-Effizienz< hat
seinen Ursprung Anfang der 90er Jahre und wurde entscheidend durch den
13Vgl.http://www.umweltdatenbank.de/cms/lexikon/45-lexikon-s/2446-
sozioeffektivitaet.html
14Vgl. http://www.umweltdatenbank.de/cms/lexikon/45-lexikon-s/2447-sozioeffizienz.html
21
Wirtschaftsrat für nachhaltige Entwicklung (World Business Council for
Sustainable Development – WBCSD) geprägt:
Eco-efficiency is achieved by the delivery of competitively-priced goods and
services that satisfy human needs and bring quality of life, while
progressively reducing ecological impacts and resource intensity
throughout the life-cycle to a level at least in line with the earth’s carrying
capacity (DeSimone/Popoff 1997: 47).
>Öko-Effizienz< kann definiert werden,
[…] als das Verhältnis von [ökonomischer] Wertschöpfung zu ökologischer
Schadschöpfung. Beispiele für Maße der Öko-Effizienz sind
Wertschöpfung [EUR]/emittiertes CO2 [t], Wertschöpfung [EUR]/fester
Abfall [t] oder Wertschöpfung [EUR]/verbrauchte Energie [kWh].
Spezifische Teilausprägungen der Öko-Effizienz spiegeln sich wider in der
Ressourceneffizienz, der Material- oder Energieeffizienz sowie der
Wasser(verbrauchs)effizienz (BMU 2007: 17).
Eine nicht zwangsweise, sondern eventuelle durch den öko-
effizienten Ansatz erreichte höhere Umweltverträglichkeit ist demnach nur
ein nachrangiger positiver Nebeneffekt. Als relatives und vorrangig auf die
Verwirklichung einer >Nachhaltigen Entwicklung< in der Zieldimension
Ökonomie ausgerichtetes Konzept, kann als ,öko-effizient‘ noch gelten,
wenn z.B. in der Automobilindustrie Fahrzeuge mit weniger schädlichen
Auswirkungen auf die Umwelt (pro Einheit) produziert werden, obwohl,
(befördert eben durch dieselbe (öko-)effizientere Produktion) die Menge der
Fahrzeuge weltweit insgesamt zunimmt und daraus eine höhere
Umweltbelastung, nicht zuletzt durch die steigende Abgasmenge, resultiert
(„Rebound-Effekt“ 15). Brugger (2010) merkt dazu an:
Gerade aus Sicht der Wirtschaft birgt [das Konzept der >Öko-Effizienz<]
viele Vorteile. So suggeriert die Idee der immer effizienter werdenden
Unternehmen [und Produkte] das Erreichen der ökologischen
15Für eine ausführliche Überblicksdarstellung zum Phänomen des Rebound-Effekts lohnt
sich ein Blick auf die Webseite des Umweltbundesamts: „Wenn Pkw durch
Effizienzsteigerungen günstiger werden, dann fällt beim nächsten Kauf die
Entscheidung eventuell zugunsten des größeren Modells aus. Ein sparsamer Pkw
verursacht geringere Treibstoffkosten pro gefahrenem Kilometer. Das wirkt sich zumeist
auf das Fahrverhalten aus: Wege werden häufiger mit dem Pkw zurückgelegt, längere
Strecken gefahren und öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad dafür weniger
genutzt. So kommt es, dass die technisch möglichen Effizienzgewinne in der Praxis
häufig nicht erreicht werden, weil das Produkt häufiger oder intensiver genutzt wird.“,
Vgl. http://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/oekonomische-
rechtliche-aspekte-der/rebound-effekte.
22
Nachhaltigkeit durch technischen Fortschritt, ohne Einbußen auf
ökonomischer Ebene hinnehmen zu müssen (Brugger 2010: 23)
Young und Tilley (2006) betonen die, langfristig gesehen, negativen
Auswirkungen auf die ökologische Dimension eines ihrer Meinung nach
kurzfristig ausgerichteten Öko-Effizienz-Ansatzes:
Allowing businesses to continue using eco-efficiency as a way of protecting
the environment is not a long-term solution to the environmental problems
that challenge humankind. Making a destructive system less destructive
only serves to let industry continue to destroy ecosystems and to
contaminate and deplete nature more slowly. Under the influence of eco-
efficiency a dystopian future lies ahead; destruction is the end game; the
only choice remaining is the rate of destruction. Reducing environmental
impacts by being eco-efficient creates the illusion of short-term relative
improvements. This is not enough for corporations to become truly
sustainable (Young/Tilley 2006: 404).
1.3.4.5.3 ÖKOLOGIE ALS ZIELDIMENSION EINER >NACHHALTIGEN
ENTWICKLUNG<
Soziales Ökologie: >Suffizienz<
Um eine nicht relativ-effiziente, sondern absolut-effektive positive
>Nachhaltige Entwicklung< in der Zieldimension Ökologie umzusetzen,
werden die Konzepte >Suffizienz< und >Öko-Effektivität< angeführt. Beim
Konzept >Suffizienz< wird davon ausgegangen, dass die Gesellschaft, die
Endverbraucher, durch ihr Konsumverhalten einen entscheidenden Einfluss
auf eine >Nachhaltige ökologische Entwicklung< haben, indem sie das
Angebot durch ihren Verzicht auf potentiell umweltschädliche und durch ihre
gesteigerte Nachfrage nach ökologisch nachhaltigen Produkten
mitbestimmen können, d.h. eine Mitverantwortung tragen (Vgl.
Dyllick/Hockerts 2002: 137, Langer 2011: 24, Brugger 2010: 23, Huber
1995: 39f.).
[>Suffizienz<] bedeutet [eine neue Form der Bedürfnisbefriedigung und
Genügsamkeit]. [Dazu gilt es] weniger anspruchsvolle oder aufwändige
Wirtschafts- und Lebensstile zu entwickeln. Dies setzt einen Wertewandel
und neue Rahmenbedingungen voraus, als deren Ergebnis
Bevölkerungsgruppen oder auch die Gesellschaft als Ganzes aus einem
geringeren oder gleichbleibenden materiellen Wohlstand einen höheren
Nutzen ziehen.16
16 Stichwort „Suffizienzprinzip“ in der Umweltdatenbank,
http://www.umweltdatenbank.de/cms/lexikon/45-lexikon-s/2450-suffizienzprinzip.html
23
Ökonomie Ökologie: >Öko-Effektivität<
Das zweite Konzept, das auf die Zieldimension Ökologie
ausgerichtet ist, heißt >Öko-Effektivität<, welches McDonough/Braungart
(2002) in scharfer Abgrenzung zu >Öko-Effizienz< folgendermaßen
erläutern:
Eco-effectiveness means working on the right things - on the right products
and services and systems - instead of making the wrong things less bad.
Reduction, re-use and recycling slow down the rates of contamination and
depletion but do not stop these processes. The key is not to make human
industries and systems smaller, as efficiency advocates propound, but to
design them to get bigger and better in a way that replenishes, restores and
nourishes the rest of the world (McDonough/Braungart 2002: 76).
Das Ziel von >Öko-Effektivität< ist eine weitestgehende Erhaltung
ökologischer Ressourcen. Um ökologisch negative Auswirkungen im
Produktlebenszyklus von Grund auf zu vermeiden, wird beim diesem
Konzept langfristig eine Art selbsttragender lückenloser Produktkreislauf
(„waste equals food“) gefordert, in dessen Design Aspekte wie biologische
Abbaubarkeit und Wiederverwertbarkeit von natürlichen sowie
synthetischen Materialien betont wird:
Minimizing toxic pollution and the waste of natural resources are not
strategies for real change. Designing industrial processes so they do not
generate toxic pollution and ‘waste’ in the first place is true change. Long-
term prosperity depends not on the efficiency of a fundamentally destructive
system, but on the effectiveness of processes designed to be healthy and
renewable in the first place. […] Eco-effectiveness seeks to design
industrial systems that emulate the healthy abundance of nature. The
central design principle of eco-effectiveness is waste equals food. When
waste equals food, the ‘be less bad’ imperatives of efficiency fade. When a
product returns to industry at the end of its useful life and its materials are
used to make equally valuable new products, the minerals or plastics of
which it is made do not need to be minimized - because they will not
become waste in a landfill (McDonough Braungart Design Chemistry 2001).
1.3.5 Zusammenfassung
Zu Beginn des Kapitels wurde, im Rahmen des (fachsprachlichen)
Nachhaltigkeitsdiskurs die Begriffe >Nachhaltige Entwicklung< und
>Nachhaltigkeit< erläutert. Allgemein beschreibt >Nachhaltige
Entwicklung< einen Prozess, an dessen Ende ein nicht erreichbarer, jedoch
24
wünschenswerter Optimalzustand, >Nachhaltigkeit<, angestrebt wird (Vgl.
Majer 2003: 935). Eine >Nachhaltige Entwicklung< „knüpft an
Wertschätzungen an“ (Corsten/Roth 2012:1) und ist ein normatives Leitbild,
welches sich aus sieben vorwiegend normativen Leitbildprinzipien
zusammensetzt.
Danach wurden die ökologische, ökonomische und soziale
Dimension einzeln für sich und die Verflechtungen der Dimensionen
untereinander, welche an einer >Nachhaltigen Entwicklung< beteiligt sind,
dargestellt. Damit diese gelingt, sollen die drei dimensionalen Bereiche
„gleichrangig und gleichzeitig“ (Maier-Rigaud 1997: 311) berücksichtigen
werden. Insbesondere wurde, für die spätere Diskursanalyse, ein
Verständnis für die ökologische Dimension vermittelt, da diese für die
Positionierung von VW und RWE als ökologisch nachhaltig handelnde
Unternehmen im ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurs, maßgeblich ist.
Nach einem kurzen geschichtlichen Exkurs, der zum Ursprung und
zur konzeptgeschichtlichen Verankerung der >Nachhaltigen Entwicklung<
führte, wurden deren fünf Visualisierungsmodelle diskutiert. Anhand des
integrierten Nachhaltigkeitsdreiecks mit dimensionalem Zielbezug zur
Realisierung einer >Nachhaltigen Entwicklung<, konnten sechs
zieldimensionsspezifische Konzepte (>Suffizienz<, >Ökologische
Gerechtigkeit<, >Sozio-Effizienz<, >Sozio-Effektivität<, >Öko-Effizienz<,
>Öko-Effektivität<) mit Beispielen erläutert werden.
Es wurde, wie später im diskurslinguistischen Empirieteil der Arbeit
aufgezeigt wird, angedeutet, dass das Konzept >Öko-Effizienz< die
ökologische Nachhaltigkeitskommunikation von RWE und VW inhaltsseitig
am stärksten prägt, auch was die konzeptuelle Ausgestaltung einer
>Nachhaltigen ökologischen Entwicklung< (im ökono-
mischen/unternehmerischen Interesse, d.h. im Interesse von VW und RWE)
anbelangt. Das Konzept >Öko-Effizienz< trägt handlungsleitend dazu bei,
den durch Sprache gestützten Prozess der Positionierung von VW und
RWE als ökologisch nachhaltig handelnde Unternehmen zu rahmen und
somit ihr unternehmerisches ökologisches Nachhaltigkeitsengagement bei
ihren Anspruchsgruppen gesellschaftlich zu legitimieren.
25
Im nächsten Kapitel wird zunächst erklärt was Nachhaltigkeits-
kommunikation ist. Zudem wird aus kommunikationswissenschaftlicher
Perspektive skizziert, welche Diskursbeteiligten an der Prägung des
Konzepts >Nachhaltige Entwicklung< beteiligt sind. Daraufhin wird als
Überleitung der Blick in Richtung der unternehmerischen
Nachhaltigkeitskommunikation gerichtet und die Praxis der
Nachhaltigkeitsberichterstattung umrissen. Dabei sollen unternehmens-
seitige Motive bezüglich der Nachhaltigkeitskommunikation aufgezeigt und
der Zusammenhang zwischen unternehmerischer Nachhaltigkeits-
kommunikation und gesellschaftlicher Legimitierung, die zu einer
Reputationssteigerung von Unternehmen führt, dargelegt werden.
Schließlich wird die Relevanz der ökologischen Dimension für die
Automobilbranche (da VW ein Automobilhersteller ist) und für die
Energieversorgerbranche (da RWE ein Energieversorgungsunternehmen
ist) situationell beleuchtet, um den diskursiven Stellenwert der ökologischen
Dimension für diese zwei Branchen herauszuarbeiten.
1.4 Nachhaltigkeitskommunikation in der
Unternehmenskommunikation
1.4.1 Grundlegendes zur Nachhaltigkeitskommunikation
„Es mögen Fische sterben oder Menschen, das Baden in Seen oder
Flüssen mag Krankheiten erzeugen, es mag kein Öl mehr aus den Pumpen
kommen und die Durchschnittstemperaturen mögen sinken oder steigen:
solange darüber nicht kommuniziert wird, hat dies keine gesellschaftlichen
Auswirkungen“ (Luhmann 1988: 63).
„Nur durch und als Kommunikation erhält ein Ereignis oder ein Objekt
gesellschaftliche Relevanz und Bedeutung“ (Ziemann 2005: 121). Diese
Feststellung ist zentral für das Kommunikationsobjekt >Nachhaltige
Entwicklung<. Denn um „einen Prozess gesellschaftlicher Veränderung“
(Grunwald/Kopfmüller 2012: 11) durch die >Nachhaltige Entwicklung<
einzuleiten und diesen in Gang zu halten, muss sie kontinuierlich und
möglichst in all ihren Facetten kommuniziert werden.
Wie bereits in Kapitel 1.3. erwähnt wurde, treten heute im öffentlich-
gesellschaftlichen Diskurs allgemein am häufigsten Themen aus der
ökologischen Dimension der >Nachhaltigen Entwicklung< in den
26
Vordergrund (Vgl. Hanusch 2011: 9). Das ist im besonderen Maße auch ein
Verdienst jahrzehntelanger Kommunikationsarbeit von Umwelt-
organisationen (z.B. Greenpeace) und die durch Medien und Politik (z.B.
durch die Veröffentlichung des Brundlandt-Berichts) und anderen
gesellschaftlichen Institutionen unterstützte Bewusstmachung für
ökologische Herausforderungen wie z.B. von durch den Menschen
verursachten Umweltkatastrophen.
Würden diese Themen „nicht [kontinuierlich] kommuniziert werden,
[wären] sie gesellschaftlich irrelevant und nicht existent“ (Ziemann 2005:
121). Insofern kann man Nachhaltigkeitskommunikation, welche faktisch
die „Kommunikation und damit Gesellschaft [verändern]“ (Ziemann 2005:
123) definieren als
[…] ein weltgesellschaftlicher (massenmedial begleiteter) Prozess, der aus
der rekursiven Anordnung von Beiträgen und Argumenten zum Thema
besseren Lebens in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht
besteht (Ziemann 2005: 124)
Da die >Nachhaltige Entwicklung< grundsätzlich ein normatives
Moment hat und sich die Nachhaltigkeitskommunikation nicht nur deskriptiv
auf eine integrative Sichtweise des Ist-Zustands der ökologischen,
ökonomischen und sozialen Dimension beschränken lässt, schließt sie
auch den Soll-Zustand ein. Das bedeutet das Vermitteln von Werten, das
Forschen nach den Ursachen (z.B. von ökologisch negativen Auswirkungen
produktionsbedingter Abläufe), und vor allem das Prospektive, im Sinne von
zukünftigen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, bzw. das Zuweisen
und Abstecken von Verantwortungsbereichen (Vgl. Michelsen/Godemann
2005:20).
Eine aktive Teilhabe an der Nachhaltigkeitskommunikation (als
Akteur innerhalb von Gesellschaftssystemen wie Justiz, Politik,
Wissenschaft und Wirtschaft) bringt damit unausweichlich eine
Einflussmacht auf den Nachhaltigkeitsdiskurs mit sich, durch welche der
konzeptuelle Deutungsraum einer >Nachhaltigen (ökologischen,
ökonomischen und sozialen) Entwicklung< verschiedentlich ausgestaltet
werden, bzw. dieser diskursiv ko-konstruiert werden kann. Dies „hängt [...]
vom gesellschaftlichen Status der Akteure ab, ob diese im Diskurs Gehör
27
finden und ihre Äußerungen [zu Themen der >Nachhaltigen Entwicklung<]
Einfluss ausüben können“ (Glausch 2017: 156).
Schaubild 6 zeigt
überblickshaft jene Ak-
teure als Diskurs-
teilnehmer, die am Ver-
ständigungsprozess zur
>Nachhaltigen Entwi-
cklung<, d.h. am Nachhal-
tigkeitsdiskurs, beteiligt
sind. Die breiten zum
Zentrum ausgerichteten
Pfeile stellen jenen
diskursiven Einfluss dar,
die blauen nach außen
deuten den diskursiven Einfluss eines sich stetig wandelnden Konzepts des
>Nachhaltigen Entwicklung< auf die Diskursteilnehmer und das allgemeine
diskursive Wissen über dieses Konzept an. Alle Teilnehmer sind
miteinander verbunden und befinden sich ebenfalls im ständigen Austausch
(grauer Kreis in der Mitte).
1.4.2 Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation
Eines der Untersuchungsinteressen der vorliegenden Arbeit liegt in
der diskurslinguistischen Aufdeckung des in 1.4.1 angesprochenen
unternehmensseitigen inhaltlichen diskursiven Einflusses (obiger Kreis in
Schaubild 6; „Wirtschaft/Industrie“ mit breitem Pfeil) durch VW und RWE
auf die konzeptuelle Ko-Konstruktion einer >Nachhaltigen ökologischen
Entwicklung< (im ökonomischen Interesse des jeweiligen Unternehmens).
Dieser Einfluss geschieht durch die unternehmerische
Nachhaltigkeitskommunikation mithilfe von Nachhaltigkeitsberichten. Da sie
ein Teil von Unternehmenskommunikation ist, wird zuerst auf letztere
eingegangen und diese in ihren Grundzügen vorgestellt.
Zerfaß (2010) definiert Unternehmenskommunikation als
28
„alle kommunikativen Handlungen von Organisationsmitgliedern, mit denen
ein Beitrag zur Aufgabendefinition und - erfüllung in gewinnorientierten
Wirtschaftseinheiten geleistet wird“ (Zerfaß 2010: 287).
Um die Übersicht wie in Schaubild 6 zu erlangen und die
kontextuellen Rahmenbedingungen, in welchen sich Unternehmens-
kommunikation vollzieht, zu verstehen, muss hier auch auf die Definition
von Mast (2012) miteinbezogen werden:
„[Unternehmenskommunikation ist ein] Teil der Organisations-
kommunikation, d[ie] sich auf die Kommunikationsprozesse zwischen den
Unternehmen und ihren internen bzw. externen Umwelten bezieht“ (Mast
2012: 12).
In Schaubild 7 wird Unternehmenskommunikation in Anlehnung an
Zerfaß in „Organisationskommunikation, Marktkommunikation und Public
Relations [d.h. Öffentlichkeitsarbeit]“ (Zerfaß 2010: 289) untergliedert.
Diese drei Teilbereiche, in welchen sich solche bei Mast erwähnten
Kommunikationsprozesse zwischen Unternehmen und ihren Umwelten
abspielen, können nach ihrer Kommunikationsausrichtung (intern oder
extern), den Anspruchsgruppen und nach dem primären kommunikativen
Zweck beschrieben werden.
29
Glausch (2017) listet eine Vielzahl von kommunikativen Ansprüchen
seitens der Anspruchsgruppen an Unternehmen/Organisationen auf, die die
Notwendigkeit einer unternehmensseitigen kommunikativen Beziehungspflege in
den drei Teilbereichen verdeutlicht:
• KundInnen erwarten Produkte bzw. Dienstleistungen, die ihren
Bedürfnissen entsprechen und der geschäftliche Erfolg eines
Unternehmens ist abhängig von der Nachfrage nach den angebotenen
Produkten bzw. Dienstleistungen und dem tatsächlichen Absatzvolumen;
• Zulieferer verkaufen ihre Produkte bzw. Dienstleistungen an das
Unternehmen, das in dieser Konstellation die Rolle der KundInnen – teils
als Endverbraucher, teils als weiterverarbeitende Instanz – einnimmt;
• Medien sind Kommunikationsmittler zwischen Unternehmen und weiteren
korporativen Bezugsgruppen; Medien wie Presse, Fernsehen und
Rundfunk nutzen Informationen vom und über das Unternehmen als Inhalte
für ihre deskriptive oder bewertend-kritische Berichterstattung, während
das Unternehmen die Medien als Multiplikatoren für die eigenen
Kommunikationsabsichten braucht;
• MitarbeiterInnen bestreiten in der Regel mit der Vergütung ihrer Tätigkeit
beim Unternehmen ihren Lebensunterhalt, dahingegen ist für Unternehmen
deren Arbeitskraft eine der wichtigsten Komponenten für den
Geschäftserfolg, so dass der Arbeitsmarkt ein tragendes Bezugsfeld von
Unternehmen ist;
• Regierungen (bzw. Parlamente als Gesetzgebungsinstanz) gestalten die
rechtlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Unternehmen
agieren, mit;
• Behörden haben unter anderem die Aufgabe, das Unternehmen in Bezug
auf die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen zu kontrollieren (z.B.
Finanzamt, Aufsichtsämter) und Genehmigungen zu vergeben, auf die das
Unternehmen für die Geschäftstätigkeit angewiesen ist (z.B. Lizenzen,
Konzessionen);
• spezielle Interessen- und Umweltgruppen können auf ein Unternehmen
Macht ausüben und zwar durch Kommunikationshandlungen, die den Ruf
des Unternehmens beeinträchtigen oder stärken (z.B. themenbezogen
organisierte Verbände für den Umweltschutz oder Verbraucherschutz);
andere institutionalisierte Gruppen wie z.B. Gewerkschaften vertreten die
Interessen einer bestimmten Personengruppe gegenüber dem
Unternehmen;
• lokale Organisationen können die Reputation des Unternehmens
beeinflussen, wenn sie zum Beispiel auf vom Unternehmen zu
verantwortende Probleme oder Unterstützungen vor Ort aufmerksam
machen (z.B. Umweltverschmutzung oder Spenden)“ (Glausch 2017: 82f.;
Hervorheb. M.M.).
30
Um das normative Moment des Konzepts >Nachhaltige
Entwicklung< nicht zu vernachlässigen, kann als ein Ausgangspunkt zur
Definition von unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation wiederum
Ziemanns allgemeine Definition von Nachhaltigkeitskommunikation als „[…]
ein weltgesellschaftlicher (massenmedial begleiteter) Prozess, der aus der
rekursiven Anordnung von Beiträgen und Argumenten zum Thema
besseren Lebens in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht
besteht“ (Ziemann 2005: 124) dienen. Auf dieser Basis und Kombination mit
den in 1.4.2 angesprochenen Aspekten, welche Unternehmens-
kommunikation ausmachen, lässt sich folglich die unternehmerische
Nachhaltigkeitskommunikation vorwiegend in der nach außen, also extern
gerichteten Öffentlichkeitsarbeit verorten. Für die vorliegende Arbeit bietet
sich deshalb Glauschs umfassende Definition von unternehmerischer
Nachhaltigkeitskommunikation an, da sie sich auf Bruggers wichtige
definitorische Vorarbeiten stützt (Brugger 2010: 3f.) und zugleich den
Ansatz von Zerfaß integriert (Zerfaß 2010: 287f.):
Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation umfasst alle
kommunikativen Handlungen einer gewinnorientierten Wirtschaftseinheit
in der internen und externen Kommunikation über die im Zuge ihrer
Geschäftstätigkeit erfolgende Wahrnehmung und Ausübung ihrer
eigenen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung sowie über
ökologische, soziale und ökonomische Zusammenhänge und ihre
Interdependenzen im Kontext der Nachhaltigkeit. In der
Nachhaltigkeitskommunikation sollten Unternehmen ihren Anspruchs-
gruppen und der Öffentlichkeit Rechenschaft darüber ablegen, wie sie ihre
Geschäftstätigkeit auf nachhaltige Entwicklung ausrichten (Glausch 2017:
187, Hervorheb. M.M.).
Daraus kann man ableiten, dass Unternehmen sich und ihre
Geschäftstätigkeit, ihre Daseinsberechtigung, immer wieder neu und vor
allem durch die oben genannten gesellschaftlichen Anspruchsgruppen bzw.
Stakeholder17 legitimieren müssen. Um wirtschaftlich negative
Auswirkungen vorzubeugen, sind Unternehmen dazu angehalten, auch
durch ihre Nachhaltigkeitskommunikation proaktiv, u.a. im Rahmen des
17 Zur Definition von Stakeholder kann auf Mast (2012) verwiesen werden: „Stakeholder
(Anspruchsgruppen) sind diejenigen Menschen, die von Entscheidungen eines
Unternehmens betroffen sind oder mit ihrem Handeln selbst die Aktionen einer Firma
beeinflussen können“ (Mast 2012: 116).
31
„Risikomanagement[s]“ (Brugger 2010: 27), Zustimmung für das
unternehmerische Handeln zu generieren (Vgl. Brugger 2010: 25).
Unternehmen sind „darauf angewiesen, ihr Handeln öffentlich verständlich
zu machen, um so eine ,Licence to operate‘ zu erhalten“ (Prexl 2010: 216;
Vgl. Glausch 2017: 175). Brugger (2010) stellt einen Bezug zum
unternehmerischen Handeln im Kontext einer >Nachhaltigen Entwicklung<
her, denn
Unternehmen, die die jeweils spezifischen Ansprüche ihrer
[Anspruchsgruppen] hinsichtlich [der] drei Aspekte [der >Nachhaltigen
Entwicklung<: Ökonomie, Ökologie, Soziales] und ihrer Gewichtung nicht
hinreichend beachten, müssen immer mehr auch mit wirtschaftlichen
Problemen rechnen. Vor allem deshalb, weil Unternehmen im Zeichen
abnehmender Bedeutung bloß staatlich-legaler Anerkennung verstärkt auf
die Legitimierung durch die Bevölkerung angewiesen sind, welche gerade
solche Legitimation nur an vertrauenswürdige und im Sinne ihrer
Ansprüche handelnde Unternehmen vergibt (Brugger 2010: 72).
Diese Erlangung gesellschaftlicher Legitimation in einem
zunehmend stärker geführten gesellschaftspolitischen Diskurs zur
>Nachhaltigen Entwicklung< kann im hohen Maße gefördert werden durch
die Anwendung des für die Öffentlichkeitsarbeit essentiellen Ansatzes der
symmetrischen Kommunikation, [in welcher] die Organisation die
Teilöffentlichkeiten [u.a. die oben erwähnten Anspruchsgruppen] als
gleichberechtigte Kommunikationspartner [ansieht]. Sie versucht,
Veränderungen zum wechselseitigen Vorteil der Organisation und der
Zielgruppen zu bewirken, indem sie Verhandlungs-, und
Konfliktlösungsstrategien einsetzt. […] Ziel ist gegenseitiges dialogisches
Verstehen (Prexl 2010: 241).
Durch diesen Ansatz, der auch in der unternehmerischen
Nachhaltigkeitskommunikation vorherrscht, können
Meinung[en] und Einschätzung[en] zur Arbeitsweise des Unternehmens in
Bezug auf nachhaltige Entwicklung [eingeholt werden]. Der potentielle
Nutzen auf Unternehmensseite liegt darüber hinaus darin, ein besseres
Verständnis für die Positionen und mögliche Kritik seitens der
Anspruchsgruppen zu gewinnen, ein Gespür für konfliktbehaftete Themen
zu entwickeln und vom Fachwissen der Bezugsgruppen nützliche
Erkenntnisse zu erlangen [...]. Auf dieser Basis kann das Unternehmen
einerseits eigene Schwachstellen identifizieren und konstruktiv beseitigen
und andererseits positive Rückmeldungen über bereits gelungene
Maßnahmen erhalten (Glausch 2017:174).
32
Es ist davon auszugehen, dass innerhalb dieser symmetrisch
intendierten unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation zwischen
Unternehmen und ihren Stakeholdern als „gleichberechtigte
Kommunikationspartner“ (Prexl 2010: 241) erstere nicht nur reaktiv und
ausschließlich die Meinungen und Einschätzungen von den Letzteren
einholen. Als ein primäres Motiv versuchen Unternehmen je nach Branche
auch persuasiv auf jene Meinungen ihrer Anspruchsgruppen und auf im
Verständigungsprozess wandelbare Konzepte wie die >Nachhaltige
Entwicklung< durch eine positive Selbstdarstellung einzuwirken, um, im
besten Fall vorausschauend, Anschlussfähigkeit für ihre eigenen
unternehmerischen Vorstellungen und somit für das, was sie als eine
>Nachhaltige (ökologische, soziale oder ökonomische) Entwicklung< (in
ihrem, ökonomischen Interesse) angesehen haben wollen, zu erzeugen.
Um mit Glausch zu argumentieren, beabsichtigt
[…] [d]as Unternehmen […], sich mit der Darstellung der eigenen
Nachhaltigkeitsaktivitäten zu profilieren und verspricht sich davon einen
Reputations- und Vertrauensgewinn in der Öffentlichkeit. […]
[Nachhaltigkeitskommunikation] soll dem proaktiven Umgang mit
ökologischen und sozialen Risiken im Sinne eines erweiterten
Risikomanagements dienen (Glausch 2017: 168, Hervorheb. M.M.).
Nicht zuletzt aus diesen Gründen weist, linguistisch betrachtet, der
zyklisch veröffentlichte sogenannte Nachhaltigkeitsbericht als „Konglomerat
verschiedener Einzeltextsorten“ (Glausch 2017: 203), der aus der
unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung (die Teil der
Nachhaltigkeitskommunikation ist) und als Produkt jener Dialoge mit
Stakeholdern entsteht, komplexe Textfunktionen auf.
Im Lichte des erkenntnistheoretischen Interesses die
(branchenspezifischen) Positionierungen von VW und RWE als ökologisch
nachhaltig handelnde Unternehmen in ihren unternehmerischen
Nachhaltigkeitsberichten diskurslinguistisch zu analysieren, erscheint es
deshalb lohnend jene kurz vorzustellen. Mit Verweis auf die Textfunktionen
bei Brinker (2005) verknüpft Glausch in ihrer Analyse umfassend die
Textfunktionen von Nachhaltigkeitsberichten u.a. mit den oben
angesprochenen kontextuell-kommunikativen Rahmenbedingungen, in
welchen sich unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation vollzieht:
33
• Die Selbstdarstellung der Unternehmen dient indirekt dazu, die
gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern und damit die eigene
gesellschaftliche ‚license to operate‘ aufrecht zu erhalten. Mit der
Nachhaltigkeitskommunikation ist daher eine appellative Funktion
verbunden. Diese kommt bei den Texten dadurch zum Ausdruck, dass mit
der Verbreitung der Texte bei den Zielgruppen Vertrauen geschaffen und
die Reputation des Unternehmens gestärkt werden soll.
• Die Kontaktfunktion zur Pflege der Beziehungen mit Anspruchsgruppen
wird bei der Nachhaltigkeitskommunikation in besonderem Maße erwartet,
denn Dialogbereitschaft und Transparenz gehören zu den
gesellschaftlichen Ansprüchen an das Nachhaltigkeitsmanagement von
Unternehmen. Über entsprechende Texte versuchen die Unternehmen,
den Informationsanspruch der Bezugsgruppen zu erfüllen. Darüber hinaus
werden Kontaktdaten zu AnsprechpartnerInnen im Unternehmen
bereitgestellt und teilweise wird der direkte Kontakt zu Stakeholdern
gesucht. […]
• Der Terminus ‚Bericht‘ des Nachhaltigkeitsberichts selbst indiziert eine
informative Textfunktion. Die Unternehmen berichten über vergangene
Tätigkeiten und geben einen Ausblick auf geplante zukünftige Aktivitäten.
Anhand bestimmter Indikatoren zeigen die Unternehmen ihren
Entwicklungsstand zum Beispiel in Bezug auf Angaben zur Belegschaft
und ihren Ressourcenverbrauch. Auch andere Textsorten wie die
Nachhaltigkeitsrubrik der Website beinhalten berichtend-informierende
Teile. […] (Glausch 2017: 203f., Hervorheb. M.M.)
Abhängig von der Branche, in welchem ein Unternehmen tätig ist,
und den Auswirkungen seiner Geschäftstätigkeit auf seine Stakeholder,
ergeben sich schließlich unterschiedlich gelagerte kommunikative
Ansprüche und damit eine unterschiedliche Relevanz für die
Nachhaltigkeitskommunikation der ökologischen Dimension. Diese
Relevanz mithilfe einer Umfeldanalyse zu ergründen, schafft für die
Anliegen dieser Arbeit den analytischen Mehrwert, ausdrucksseitig
auffällige Stellen in den Nachhaltigkeitsberichten von VW und RWE besser
aufzuspüren, welche indirekt oder direkt das handlungsleitende Konzept
>Öko-Effizienz< (s. Kapitel 1.3.4.5.2) evozieren. Beide Unternehmen
versuchen durch dieses Konzept, wie in Kapitel 1.4.1 in Schaubild 6
dargestellt, die im Verständigungsprozess verortbare >Nachhaltige
ökologische Entwicklung< (in ihrem ökonomischen Interesse) zu ko-
konstruieren und damit gleichzeitig auch ihr unternehmerisches Dasein zu
legitimieren.
34
Durch die Umfeldanalyse können dadurch weitere für die
unternehmerische ökologische Nachhaltigkeitskommunikation branchen-
spezifisch relevante Themen entdeckt werden, in welchen diese
sprachliche Rekurrenz systematisch stattfindet. Im letzten Unterkapitel
erfolgen deshalb grobe Umfeldanalysen für die Automobilbranche (VW) und
die Energieversorgerbranche (RWE).
1.4.3 Die Relevanz der ökologischen Dimension für die
Nachhaltigkeitskommunikation der Automobil- und
Energieversorgerbranche
Hutter (2012) legt anschaulich die Bedeutung der ökologischen
Dimension für die Automobilindustrie und deren Nachhaltigkeits-
kommunikation dar:
Die ökologische Dimension der [>Nachhaltigen Entwicklung<] in der
Automobilindustrie ist hauptsächlich an den Themen ,Ressourcen-
verbrauch‘ und ,Emissionen‘ festzumachen. Die Verknappung von
Ressourcen wird, und dies nicht nur in der Automobilbranche, mittel- bis
langfristig zu einer Neuausrichtung vieler Industrien führen. Daher spielen
in der Automobilindustrie der Wandel des Klimas und die Gefährdung von
Ressourcen eine zentrale Rolle. Auch wenn der Verkehr im Vergleich zu
anderen Emittentengruppen (z.B. private Haushalte) nicht mehr schädliche
Treibhausgase verursacht, so spielt er in der subjektiven Wahrnehmung
der Gesellschaft als Verursacher für den Klimawandel eine größere Rolle
als andere Sektoren. Besonders Fahrzeugmodelle mit einem
vergleichsweise hohen Ausstoß an Gramm CO2/km rücken in den
Fokus der Betrachtungen, und die Akzeptanz für entsprechende
Modelle in der Gesellschaft nimmt ab. Gleichzeitig wird der Ruf nach
sparsamen Antriebskonzepten lauter (Hutter 2012: 65f, Hervorheb.
M.M.).
Aufgrund dieser Feststellungen, ist es in der unternehmerischen
ökologischen Nachhaltigkeitskommunikation eines Automobilherstellers
wie VW demnach erwartbar, dass in den Nachhaltigkeitsberichten
Textstellen mit appellativer und informativer Textfunktion vorkommen, die
u.a. subjektiv-negative Wahrnehmungen („Verursacher für den
Klimawandel“ (Hutter 2012: 65)) bei den Anspruchsgruppen zugunsten
einer positiv(er)en Einstellung gegenüber dem Unternehmen für dessen
gesellschaftliche Legitimation wandeln sollen.
Da, wie bereits erwähnt, „[i]n der Nachhaltigkeitskommunikation […]
Unternehmen ihren Anspruchsgruppen und der Öffentlichkeit Rechenschaft
35
darüber ablegen [sollten], wie sie ihre Geschäftstätigkeit auf eine
nachhaltige [ökologische] Entwicklung ausrichten“ (Glausch 2017: 187),
spielt für die Automobilindustrie das Management und die Kommunikation
von Themen und Sachverhalten rund um ökologisch nachhaltigere
Antriebstechniken wie ELEKTROMOBILITÄT, ein produktionsbedingter
ökologisch nachhaltigerer RESSOURCENUMGANG bzw. die
EMISSIONSREDUKTION (vor allem in der automobilen Nutzungsphase)
eine zentrale Rolle.
Insbesondere seit der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 und
dem darauffolgenden politisch endgültig besiegelten Ausstieg aus der
Energiegewinnung durch Atomkraft, befindet sich hingegen die
Energieversorgerbranche in einer großen Neuorientierungsphase, sowohl
was die strategische Ausrichtung im geschäftlichen als auch im
kommunikativen Sinne angeht. Durch das steigende Interesse der
Stakeholder an Themen und Sachverhalten wie ENERGIEWENDE,
(AUSBAU) ERNEUERBARE(R) ENERGIEN, die auch zusätzlich befördert
werden durch den prominenten Diskurs zum KLIMAWANDEL und sich
gleichsam innerhalb dessen individuell weiterentwickeln, stehen (v.a.
größere) Energieversorger wie RWE unter einem erhöhten Druck ihr
unternehmerisches Handeln bei den Anspruchsgruppen zu legitimieren.
Sie müssen ihre Geschäftstätigkeit größtenteils komplett neu
ausrichten, da die bisherige konventionelle Energiegewinnung aus
Atomkraft und Kohle meinungsmäßig im ökologischen Nachhaltigkeits-
diskurs nicht mehr anschlussfähig ist. Als einer der weltweiten
Hauptemittenten klimaschädlicher Treibhausgase wie CO2 hat auch hier,
erwartbar, die Kommunikation von Themen und Sachverhalten wie
KLIMASCHUTZ, EMISSIONSREDUKTION oder ENERGIESPAREN
mithilfe diverser Dienstleistungen eine hervorgehobene Relevanz.
Um in der erwähnten Neuorientierungsphase Anspruchsgruppen zu
überzeugen, und letztlich am Energiemarkt zu bestehen, wird von der
Branche in ihrer unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation
gefordert gegenüber der ENERGIEWENDE Stellung zu beziehen, sei es
36
mittels einer Positionierung als >Partner< oder gar als >Wegbereiter< der
ENERGIEWENDE.
2 Methodik: LDA – Linguistische Diskursanalyse
2.1 Semiotische Vorannahmen: Zugang zur Wirklichkeit
über Sprachzeichen
Da „[a]ußerhalb unserer Primärerfahrungen […] uns die Welt als eine
vertextete [begegnet]“ (Felder 2012: 116), soll für die spätere diskurs-
linguistische Analyse einleitend, als semiotische Vorannahmen, eine
Verständnisbasis für das Verhältnis von Sprache und Sprachzeichen zur
Wirklichkeit und zur Konstruktion von Wirklichkeit gelegt werden. Burel
(2015) erläutert dies folgendermaßen:
Die Mehrzahl unserer Wahrnehmungen, unserer Erfahrungen und unseres
Wissens erreicht uns in Form von Sprachzeichen. Daher kann sich das
Subjekt nicht an die Dinge per se (hinter der Sprachfolie) annähern – nur
durch Sprachzeichen auf diese verweisen. […] Demnach lässt sich durch
das Zeichensystem der Sprache die Wirklichkeit erfassen, indem mittels
Zeichen auf diese referiert wird. Das OBJEKT, auf welches mittels Sprache
referiert wird, wird dabei als Referenzobjekt bezeichnet und befindet sich
auf der ontischen Ebene, beispielsweise AKTEURE (VORSTAND,
MITARBEITER, ÖFFENTLICHKEIT), DISKURSBEREICHE (WIRT-
SCHAFT, POLITIK, RECHT), ORTE oder HANDLUNGEN. Wird ein Text
rezipiert, nimmt der Leser das sprachliche Zeichen folglich wahr und ordnet
es einem Referenten (Referenzobjekt) zu (Burel 2015: 32f.).
Das daraus resultierende triadische Zeichenrelationsmodell wirkt für
die Beantwortung der Forschungsfragen in dieser Arbeit erkenntnisleitend.
Erst in einer weiteren theoretischen Verzahnung mit einem von Foucault
poststrukturalistisch inspirierten Diskursbegriff, die im nächsten Abschnitt
erfolgt, kann dieses Zeichenmodell in Abschnitt 2.3. zusammen mit der
„pragma-semiotischen Textarbeit“ (Felder 2012, Felder 2013) präzisiert und
anhand von Beispielen letztlich besser verstanden werden.
2.2 Diskursbegriff in Anlehnung an Foucault
Vor der eigentlichen diskurslinguistischen (empirischen) Analyse der
Positionierung von VW und RWE als ökologisch nachhaltig handelnde
Unternehmen im ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurs, stellt neben der im
vorigen Abschnitt erfolgten Offenlegung der semiotischen Vorannahmen
auch die Klärung des in dieser Arbeit zu Grunde liegenden Diskursbegriffs
37
für die methodische Verankerung einen essentiellen Teil dar. Laut
Spitzmüller/Warnke (2011) können Foucaults Arbeiten zum Diskursbegriff
trotz ihrer vagen linguistischen Konkretheit als „erkenntnistheoretischer
Ausgangspunkt und auch als Inspiration“ (Spitzmüller/Warnke 2011: 77) für
eine Diskursanalyse linguistischer Art gelten. In dieser Arbeit reicht es aus,
seine Thesen kurz in ihren Grundzügen zu vermitteln, mit derer darüber
hinaus eine solide analytisch-theoretische Brücke zum analytisch-
praktischen Ansatz der „pragma-semiotischen Textarbeit“ (Felder 2012,
Felder 2013), nachfolgend diskutiert in 2.3, geschlagen werden kann.
Im Rückblick an die situationellen, branchenspezifischen
Umfeldanalysen zur thematischen Relevanz der ökologischen Dimension
für die Nachhaltigkeitskommunikation bei VW und RWE, welche in 1.4.3
gemacht wurden, erweist sich zuvorderst die nachstehende Foucault’sche
These als bedeutsam:
Die fundamentalen Codes einer Kultur, die ihre Sprache, ihre
Wahrnehmungsschemata, ihren Austausch, ihre Techniken, ihre Werte, die
Hierarchie ihrer Praktiken beherrschen, fixieren gleich zu Anfang für jeden
Menschen die empirischen Ordnungen, mit denen er zu tun haben und in
denen er sich wiederfinden wird (Foucault 1974: 22).
Burel (2015) interpretiert seine These in dieser Weise:
Erkenntnis und Wissen sind nicht unabhängig von der gesellschaftlichen,
kulturellen und historischen Situation des erkennenden Subjekts, sondern
sind Produkte ihrer Zeit – also steht im Zentrum der Erkenntnis nicht das
erkennende Subjekt und sein freier Wille, sondern dessen zeitliche
Befindlichkeit sowie kulturelle Eingebundenheit (vgl. Foucault 1974, 22)
(Burel 2015: 84).
Konkret sind demnach Unternehmen in ihrer ökologischen
Nachhaltigkeitskommunikation a priori an mehr kontextuelle Bedingungen
gebunden als ausschließlich solche, die bereits in den in 1.4.2 angeführten
kommunikativen Ansprüchen durch die Stakeholder begründet liegen. Das
vor den Anspruchsgruppen zu legitimierende unternehmerische Handeln
und Wissen ist immer eingebettet in und nie kontextunabhängig von z.B.
historischen Gegebenheiten wie dem KLIMAWANDEL und der
ENERGIEWENDE zu betrachten. Weiter führt Burel (2015) über Foucault
aus:
38
Umstände und Bedingungen, die Denken und Handeln der Subjekte
disponieren, unter denen sich Wissen zeit-kulturspezifisch konstituiert,
[sind] [nach Foucault] jedoch nicht chaotisch, sondern systematisch
geordnet. Dieses Wissen sowie dessen strukturelle Beziehungen, die
Wissen konstituieren, will Foucault in einer Diskursanalyse aufdecken (vgl.
Foucault 1974, 15) […] (Burel 2015: 84f.; Hervorheb. M.M.).
Daraus speist sich eine weitere theoretische Vorannahme dieser
Arbeit: Das von Unternehmen zu Legitimationszwecken ihrer
unternehmerischen Existenz in der Nachhaltigkeitskommunikation
entwickelte Wissen darüber, was als eine ökologische nachhaltige
Wirtschaftsweise gelten soll, ist ebenfalls „systematisch geordnet“ (Burel
2015: 84) und will in dieser Arbeit aufgedeckt werden.
Zur Sichtbarmachung solcher systematischen Ordnungen, welchen
Diskursen inhärent scheinen, und der darin wirkenden diskursiv-formenden
Regeln, welche jene aufbauen, kann auch die Vorstellung der
Foucault’schen vier Diskursanalyseaschritte für die Arbeit von
hervorgehobener theoretischer Relevanz sein. Burel (2015) fasst diese
Schritte wie folgt zusammen:
Ereignis (Gegenstand), Serie (Ansammlung von Ereignissen),
Regelhaftigkeit (Muster zwischen den Serien) und Möglichkeitsbedingung
(Warum steht genau diese Aussage zu diesem Zeitpunkt und keine andere
an ihrer Stelle?) (Burel 2015: 85f.).
Fraas/Meier-Schuegraf (2004) stellen dar, wie diese Schritte miteinander
verflochten sind und sich gegenseitig bedingen:
Wenn ein epistemisches Element (enoncé) in einer diskursiven Umgebung,
also in einer Äußerung spontan und unvorhergesehen auftritt, erscheint es
als ,Ereignis‘. Wenn solche Ereignisse häufiger auftreten und damit zu
Keimzellen diskursiver Formationen werden, bilden sich ‚Serien ‘. Durch
die Verdichtung von Serien diskursiver Ereignisse etablieren sich neue
diskursive Strukturen und bilden so ‚Regelhaftigkeit ‘. Etablierte
diskursive Formationen wirken als ‚Möglichkeitsbedingungen‘ prägend
auf zukünftige diskursive Ereignisse, steuern also Erwartbarkeitszwänge
oder -ausschlüsse für künftige Äußerungen (Fraas/Meier-Schuegraf 2004:
2; Hervorheb. M.M.).
Diskurse in der Auffassung Foucaults „[…] sind [also] Formationssysteme
von Wissen, die Ausschließungs- und Produktionsbedingungen für
Äußerungen steuern“ (Fraas/Meier-Schuegraf 2004: 2).
39
Insofern kann festgehalten werden, dass der Sprache in Form von
Äußerungen im Diskursbegriffsgerüst Foucaults eine große Gewichtung
zukommt. Inwiefern seine Idee der vier Schritte einer Diskursanalyse als
theoretischer Kern für die „pragma-semiotische Textarbeit“ (Felder 2012;
Felder 2013) dient, wird in Punkt 2.3 konkretisiert. In Verbindung mit den in
Abschnitt 2.1 dargestellten semiotischen Vorannahmen und der Frage nach
Deutungsmacht im Foucault’schen Sinne durch Unternehmen in Diskursen
wie dem ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurs, muss nach Felder (2013)
zudem konstatiert werden:
Wer auf die Welt mit Sprache zugreift und damit Sachverhalte schafft, wirkt
unvermeidlich bereits durch die Auswahl spezifischer sprachlicher Mittel
deutend auf sie ein. Der Sprachgebrauch prägt die Gestalt des
Sachverhalts, der somit erst sprachlich konstituiert wird und nicht etwa
sprachunabhängig bzw. außersprachlich schon gegeben ist. Für
öffentliche, aber auch für fachkommunikative Debatten [inklusive jenem um
ein UNTERNEHMERISCHES ÖKOLOGISCH NACHHALTIGES
HANDELN] kann pointiert formuliert werden: Wer eine bestimmte
Ausdrucks- und Bezeichnungsweise in Diskursen durchsetzen kann oder
Bedeutungskomponenten eines gängigen Ausdrucks zu prägen vermag,
der hat sehr oft die Deutungshoheit über den entsprechenden Sachverhalt
erlangt (Felder 2013: 168).
Aus den bisher offengelegten theoretischen Aspekte der vorigen
Kapitel und in enger Anlehnung an Burels Diskursbegriff (Burel 2015: 94)
wird für die Anliegen dieser Arbeit daher ein individueller Diskursbegriff
festgesetzt:
Der Diskurs um ökologische Nachhaltigkeit und ökologisch nachhaltiges
unternehmerisches Handeln wird als eine Menge von Aussagen
sprachlicher Zeichen verstanden, die sich in themenkohärenten Texten
materiell manifestieren und verdichten. Serielle Elemente der Sprache
(sprachliche Muster) in den Texten (in welchen die ökologische Dimension
kommuniziert wird), weisen auf das zu Grunde liegende kollektive Wissen
der Akteure (Unternehmen) über das handlungsleitende Konzept >Öko-
Effizienz< hin, welches sich zum Zweck der Positionierung der
Unternehmen als ökologisch nachhaltig handelnde Unternehmen und ihrer
gesellschaftlichen Legimitierung bzw. zum/r Reputationserhalt/-steigerung
sprach-textlich verfestigt und ein ex post modelliertes monologisches
Aussagearrangement abbildet.
40
2.3 Pragma-semiotische Textarbeit
Nachfolgend soll der diskurslinguistische Ansatz der „pragma-
semiotischen Textarbeit“ (Felder 2012, Felder 2013), dessen
hauptsächlich-initiale methodologische Vorgehensschritte in der
Analysearbeit zum Tragen kommen, vorgestellt werden. Dies geschieht
unter Einbeziehung der in 2.1 und 2.2 erwähnten theoretischen Prämissen.
Zunächst muss jedoch das semiotisch-triadische Zeichenrelationsmodell
exemplifiziert werden, welches erkenntnisleitend für die Analyse in Kapitel
4 ist. Schaubild 8 zeigt ein solches und wurde mit zwei konkreten Beispielen
aus dem VW-Korpus versehen, das der ersten konzeptuell-prägenden
Diskurskomponente des Konzepts >Öko-Effizienz< entstammt:
Umweltbeeinträchtigung und Energieverbrauch.
Aus forschungspraktischen Überlegungen werden auf der
Ausdrucksseite im Korpus auftretende Lexemverbände um *umwelt*,
*klima*, *ressource*, *energie*, *öko*, *CO2-* als in semantisch-
hyponymischer Relation zum hyperonymischen Sachverhalt UMWELT und
dessen Sachverhaltsperspektivierung stehend verstanden:
41
Im Wesentlichen lehnt sich das oben abgebildete semiotische
Dreieck an das von Odgen/Richards (1974) an, integriert die notwendigen
Modifikationen durch Felder (Felder 2013: 176f.), welcher „[…] das
semiotische Dreieck gleichfalls für die linguistische Diskursanalyse
[operationalisiert], indem er die Zeichenseite mit konkreten
Ausdrucksebenen (Lexeme, Syntagmen etc.) versieht und die Referenten
sowohl als dinghafte Objekte als auch Sachverhalte (AKTEUR, EREIGNIS
etc.) begreift“ (Burel 2015: 34), und schließlich lehnt es sich an Burels
Auslegung (Burel 2015: 35, Abbildung 2) an, die die diachrone Ebene
ablöst, da, wie näher in Kapitel 3 erläutert, im Fokus eine synchrone
Diskursanalyse der POSITONIERUNG ALS ÖKOLOGISCH NACHHALTIG
HANDELNDES UNTERNEHMEN über das handlungsleitende Konzept
>Öko-Effizienz< steht.
Felder (2012) beschreibt die Attribute der „pragma-semiotischen
Textarbeit“ wie folgt:
Das Attribut pragmatisch betont die Sprachhandlungsebene, wie sie in den
fünf bekannten Oberklassen […] kategorisiert wird und die […] einerseits
aus der Perspektive des Textproduzenten […] gesehen wird. Darüber
hinaus soll die vertextete Sprache aus dem Blickwinkel der Diskursakteure
untersucht werden, die auf der Basis von Textsortenroutinen im Medium
Sprache handeln (Felder 2012: 129).
Mit der Beschreibung des zweiten Attributs sei an Kapitel 2.1 erinnert:
Das Attribut semiotisch in der Bezeichnung pragma-semiotische Textarbeit
bezieht sich auf die vertextete Sprache als Erkennungs- und
Perspektivierungsmedium (Felder 2012: 127).
Burel (2015) fasst in Bezug auf Felder (2012) das Anliegen des Ansatzes
demzufolge prägnant zusammen:
Die pragma-semiotische Textarbeit ‚setzt sich das Transparent-Machen der
Form-Inhalts-Beziehungen zur Verdeutlichung sprachlich gebundener
Perspektiven zum Ziel‘ (Felder 2012, 165). Sie untersucht damit, wie die
Perspektivierung eines thematisierten Referenzobjekts bzw. Sachverhalts
durch die Auswahl an sprachlichen Mitteln geprägt wird (vgl. Felder 2013,
22f.). […] Felder unterscheidet in seinem Modell [dem der pragma-
semiotischen Textarbeit] strikt zwischen Ausdrucks- und Inhaltsseite des
Zeichens, d.h. zu den […] ausdrucksseitigen Ebenen gelangt er durch eine
dreifache Themenspezifikation (inhaltsseitig), die aus Themen –
Subthemen – handlungsleitenden Konzepten […] besteht. Zudem
unterstreicht er die induktive Kategorienbildung, d.h. es gibt wenig deduktiv
vordefinierte Analyseparameter (Burel 2015: 101ff.).
42
Deshalb werden kurz die grundlegenden Analyseschritte des
Ansatzes, wiederum exemplarisch zum besseren Verständnis, anhand der
in Schaubild 8 dargestellten Sachverhaltskonstitution von
UMWELTBELASTUNG durch verschiedene Ausdrücke um die genannten
Lexemverbände *umwelt*, *klima*, *ressource*, *energie*, *öko*, *CO2-*
besprochen. Das Untersuchungsmodell in Kapitel 2.4 schließlich vereint
alle bisher erörterten forschungsrelevanten Aspekte dieser Arbeit inklusive
zweier Hypothesen, mit denen sich im empirischen Kapitel 4
auseinandergesetzt wird.
2.3.1 Ausdrucksebene
Der erste Analyseschritt der Aufdeckung von Konzepten, die die
POSITONIERUNG ALS ÖKOLOGISCH NACHHALTIG HANDELNDES
UNTERNEHMEN von VW und RWE begünstigen, setzt laut der „pragma-
semiotische[n] Textarbeit“ (Felder 2012, Felder 2013) immer auf der
Ausdrucksseite an. Durch eine repetitive und genaue hermeneutische
Textlektüre der einzelnen Korpustexte wird nach „[s]erielle[n] Zeichen(-
verkettungen) [gesucht], die […] als ausdrucksseitige Verdichtungen gelten
[können], die wiederum auf die Inhaltsseite des Zeichens hindeuten und
Konzepte oder Konzeptattribute evozieren“ (Burel 2015: 105). In der ersten
Diskurskomponente des vermuteten handlungsleitenden Konzepts >Öko-
Effizienz<, werden die sprachstrukturellen Ebenen der substantivischen
Komposita und adjektivischen Komposita, die syntagmatische Ebene
(Mehrworteinheiten) und Verbkonstruktionen fokussiert. In der zweiten
Diskurskomponente erfolgt die Ebenenkategorienbildung noch induktiver.
Es stehen solche Ausdrücke bzw. Konstruktionen auf der Satzebene im
Zentrum der Aufmerksamkeit, die im Kotext von UMWELT eine
bestimmte Art von >*effizienz< evozieren, insbesondere derer, welche
dabei gleichsam das Konzeptattribut ‚Steigerung von Effizienz‘ als
Kriterium für mehr ökologische Nachhaltigkeit hervorrufen (z.B. in einer
Verbkonstruktion CO2-Emissionen reduzieren). Die insgesamt sieben
Ausdrucks- und Konstruktionstypen sind in Kapitel 4 aufgelistet.
43
Als Beispiel kann an dieser Stelle die Sachverhaltskonstitution von
UMWELTBELASTUNG in der Konzeptualisierung >Umwelt< als ,vom
Unternehmen potentiell beeinträchtigte Quelle‘ angeführt werden.
Hinsichtlich ausdrucksseitiger serieller Zeichenverdichtungen finden sich
auf der Ebene der substantivischen Komposita sowohl im VW- als auch im
RWE-Korpus demgemäß Ausdrücke wie Umweltbelastung, Volkswagen-
Umweltlastenheft, Umweltentlastung, Umweltwirkungen, Umwelt-
beeinträchtigung, Umweltrisiken, Ressourcenverbrauch, Ressourcen-
einsatz, Energieverbrauch, Energiebedarf, Energieeinsatz, Energie-
nutzung, CO2-Ausstoß, CO2-Emittent, CO2-Einzelemittent, CO2-Intensität.
2.3.2 Inhaltsebene
„Im zweiten Schritt schließt der Diskursanalytiker semasiologisch
mittels der ausdrucksseitigen Auffälligkeiten von der Ausdrucks- auf die
Inhaltsseite und bildet Hypothesen bezüglich der thematischen Struktur des
Diskurses“ (Burel 2015: 106). Hypothese 1 und 2 im Untersuchungsmodell
sind induktiv durch hermeneutische Textlektüre zu überprüfen.
44
2.4 Untersuchungsmodell
45
3 Korpus
3.1 Das Korpus als ein Diskursausschnitt: Thematische
Kohärenz, mediale und zeitliche Eingrenzung
Die Bildung eines kohärenten Korpus richtet sich immer nach der
Auswahl von Korpustexten, die bestimmte gemeinsame thematische
Merkmalen aufweisen. Dieser wichtige und der eigentlichen Diskursanalyse
vorgelagerte Schritt für die Generierung eines Diskursausschnitts fußt
deshalb bereits selbst auf einer subjektiven Intuition des Diskursanalytikers,
welche konkreten Texte seiner Ansicht nach für eine Untersuchung
geeignet sein könnten (Vgl. Busse/Teubert 1994: 14). Da kein Diskurs in
seiner Gesamtheit erfasst werden kann, gilt es also alternativ jene
Korpustexte für einen (repräsentativen) Diskursauschnitt „nach möglichst
plausiblen, systematischen und nachvollziehbaren Kriterien aus dem
Diskursuniversum [auszuwählen]“ (Burel 2015: 114).
Orientierend an der übergeordneten und weitgefassten Frage-
stellung dieser Arbeit Wodurch positionieren sich VW und RWE jeweils
sprachlich als ökologisch nachhaltig handelndes Unternehmen innerhalb
ihrer ökologischen Nachhaltigkeitskommunikation?, konnten die Korpora
mit einem relativ geringen Aufwand thematisch eingrenzt werden. Als Basis
der Korpuszusammenstellung dienten die jährlich erscheinenden
Nachhaltigkeitsberichte, welche im pdf-Format von den Webseiten der
Unternehmen heruntergeladen wurden (VW bzw. RWE). Der materielle
Textzugang kann wie bei Burel (2015) so rechtfertigt werden:
Da es […] um eine Diskursanalyse geht, die Diskurse als transtextuelle
Strukturen begreift, werden die Korpustexte auch primär nur als medial
schriftliche Texte, die aus einer Aneinanderreihung von Zeichen bestehen,
behandelt (Burel 2015: 120f).
Hilfreich dabei war der Umstand, dass in der
Nachhaltigkeitsberichterstattung von VW und RWE (und anderer
Unternehmen aus dem DAX-30 mit einer hohen Marktkapitalisierung) eine
größtenteils standardisierte thematische Einteilung der Berichterstattung in
Textabschnitte über die ökologische, über die ökonomische und über die
soziale Dimension erfolgt.
Eine linguistische Diskursanalyse der Positionierungen von VW und RWE als ökologisch nachhaltige Unternehmen
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Eine linguistische Diskursanalyse der Positionierungen von VW und RWE als ökologisch nachhaltige Unternehmen

  • 1. Universität Potsdam Institut für Romanistik Masterarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts (M.A.) „Wir übernehmen Verantwortung“ Eine linguistische Diskursanalyse der Positionierungen von VW und RWE als ökologisch nachhaltige Unternehmen im ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurs Erstgutachterin: Prof. Dr. Gerda Haßler Zweitgutachterin: Dr. Simone Burel Vorgelegt von Maximilian Mattes Master Linguistik: Kommunikation-Variation-Mehrsprachigkeit Matrikelnummer: 771444 Maximilian.Mattes@gmx.de Anschrift: Kirchenstraße 4/1, 72336 Balingen-Streichen
  • 2. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung........................................................................................................................1 1.1 „Im Zusammenhang mit der Diesel-Thematik…“ ......................................................1 1.2 Fragestellungen und Erkenntnisinteressen ..............................................................2 1.3 Einführung in den Nachhaltigkeitsdiskurs und Begriffserläuterungen .......................2 1.3.1 Die Konzepte >Nachhaltige Entwicklung< und >Nachhaltigkeit<.................................2 1.3.2 Die ökologische, ökonomische und soziale Dimension ..............................................9 1.3.3 Die Herkunft des Konzepts >Nachhaltige Entwicklung< ...........................................13 1.3.4 Visualisierungsmodelle der NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG................................15 1.3.5 Zusammenfassung .............................................................................................23 1.4 Nachhaltigkeitskommunikation in der Unternehmenskommunikation .....................25 1.4.1 Grundlegendes zur Nachhaltigkeitskommunikation .................................................25 1.4.2 Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation ..................................................27 1.4.3 Die Relevanz der ökologischen Dimension für die Nachhaltigkeitskommunikation der Automobil- und Energieversorgerbranche ..............................................................34 2 Methodik: LDA – Linguistische Diskursanalyse.............................................................36 2.1 Semiotische Vorannahmen: Zugang zur Wirklichkeit über Sprachzeichen .............36 2.2 Diskursbegriff in Anlehnung an Foucault................................................................36 2.3 Pragma-semiotische Textarbeit..............................................................................40 2.3.1 Ausdrucksebene.................................................................................................42 2.3.2 Inhaltsebene ......................................................................................................43 2.4 Untersuchungsmodell ............................................................................................44 3 Korpus..........................................................................................................................45 3.1 Das Korpus als ein Diskursausschnitt: Thematische Kohärenz, mediale und zeitliche Eingrenzung...........................................................................................................45 3.2 Korpusexzerption...................................................................................................47 3.3 Korpusüberblick .....................................................................................................48 4 Ergebnisse ...................................................................................................................50 4.1 Erste Diskurskomponente des Konzepts >Öko-Effizienz<: Konzeptualisierungen von UMWELT anhand von substantivischen Komposita im VW- und RWE-Korpus......51 4.1.1 VW-Korpus: >Umwelt< als ,passive und vom Unternehmen zu schützende Quelle‘ in substantivischen Komposita .................................................................................51 4.1.2 VW-Korpus: >Umwelt< als ,vom Unternehmen potentiell beeinträchtigte Quelle‘ in substantivischen Komposita .................................................................................52 4.1.3 VW-Korpus: >Umwelt< als ,neutrales System, mit dem das Unternehmen Austausch betreibt‘ in substantivischen Komposita .................................................................53 4.1.4 RWE-Korpus: >Umwelt< als ,passive und vom Unternehmen zu schützende Quelle‘ in substantivischen Komposita .................................................................................56 4.1.5 RWE-Korpus: >Umwelt< als ,vom Unternehmen potentiell beeinträchtigte Quelle‘ in substantivischen Komposita .................................................................................57
  • 3. 4.1.6 RWE-Korpus: >Umwelt< als ,neutrales System, mit dem das Unternehmen Austausch betreibt‘ in substantivischen Komposita .................................................................58 4.1.7 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen VW-Korpus und RWE-Korpus bei den Konzeptualisierungen von UMWELT auf der Ebene der substantivischen Komposita..60 4.2 Zweite Diskurskomponente des Konzepts >Öko-Effizienz<: Konstruktionen auf der Satzebene im Kotext von UMWELT, die >*effizienz< evozieren (mit der Dominantsetzung ‚Steigerung von Effizienz‘) als Kriterium für mehr ökologische Nachhaltigkeit im VW und RWE-Korpus................................................................................................................61 4.2.1 VW-Korpus: Konstruktionen auf der Satzebene im Kotext von UMWELT, die >*effizienz< evozieren ....................................................................................62 4.2.2 RWE-Korpus: Konstruktionen auf der Satzebene im Kotext von UMWELT, die >*effizienz< evozieren .........................................................................................65 4.2.3 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen VW-Korpus und RWE-Korpus bei Konstruktionen auf der Satzebene im Kotext von UMWELT, die >*effizienz< evozieren 66 5 Zusammenfassung, Fazit und Ausblick ........................................................................69 6 Literatur........................................................................................................................71 Anhang: Korpusbelege, VW- und RWE-Korpus...............................................................77 Selbstständigkeitserklärung...........................................................................................123
  • 4. 1 1 Einleitung 1.1 „Im Zusammenhang mit der Diesel-Thematik…“ „Nachhaltigkeit bedeutet für unseren Konzern, ökonomische, soziale und ökologische Ziele gleichrangig und gleichzeitig anzustreben. Wir wollen dauerhafte Werte schaffen, gute Arbeitsbedingungen bieten und sorgsam mit Umwelt und Ressourcen umgehen. Im Zusammenhang mit der Diesel-Thematik haben wir diese eigenen Ansprüche in mehreren Punkten verfehlt. Die Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Abgaswerten widersprechen allem, wofür wir stehen. Wir bedauern dies sehr und sind uns bewusst, dass wir unsere Stakeholder enttäuscht haben. Mit ganzer Kraft setzen wir uns deshalb dafür ein, dass sich dergleichen nicht wiederholt, dass wir unseren eigenen Ansprüchen wieder gerecht werden und so gesellschaftliches Vertrauen zurückgewinnen. Unser Nachhaltigkeitskonzept überarbeiten wir umfassend. So wollen wir sicherstellen, dass wir auf jeder Stufe des Wertschöpfungsprozesses Risiken und Chancen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance frühzeitig erkennen. So ausgestaltet, tragen unsere Corporate-Social- Responsibility-Aktivitäten dazu bei, die Reputation und den Wert des Unternehmens langfristig zu steigern.“1 Ob Dieselthematik, Abgas-Affäre bei VW oder VW-Skandal. Je nachdem, wie wir ein und denselben Sachverhalt bezeichnen, kommen andere subjektive Einstellungen und nuancierte Auffassungen gegenüber demselben zur Geltung. Das Zitat zeigt anschaulich: Nicht nur mit materiellen Gütern wie Rohstoffen handeln Unternehmen. Sie handeln auch „wenn [sie] kommuniziere[n]“ (Bungarten 1993: 7). Durch die Auswahl und gleichzeitige Nichtauswahl sprachlicher Zeichen können Wirklichkeiten geprägt, ja sogar konstruiert werden. Vor diesem Hintergrund soll in der vorliegenden Arbeit diskurslinguistisch untersucht werden, wie sich der Automobilkonzern VW und der Energieversorger RWE jeweils sprachlich als ökologisch nachhaltig handelndes Unternehmen im Nachhaltigkeits- diskurs positioniert. Dafür wird u.a. herausgearbeitet, wie das Konzept der >Nachhaltigen Entwicklung< aufgefasst werden kann und sich jenes als Diskurs- gegenstand nach wie vor in einem „ergebnisoffenen Diskussionsprozess“ 1Vgl. http://www.volkswagenag.com/de/sustainability.html.
  • 5. 2 (Kleine 2009: 74) befindet, auf welchen auch die genannten Unternehmen als Diskursakteure und durch ihre Dominantsetzung spezifischer diskutierter Teilkonzepte der >Nachhaltigen Entwicklung< Einfluss nehmen. Im folgenden Abschnitt wird das Forschungsanliegen durch drei konkrete Fragestellungen präzisiert. 1.2 Fragestellungen und Erkenntnisinteressen Folgende Fragestellungen, in enger Orientierung an die Fragestellungen bei Burel (Vgl. Burel 2015: 8), sind von erkenntnisleitendem Interesse in dieser Arbeit: a) Wie fächern VW und RWE, ihre POSITIONIERUNG ALS ÖKOLOGISCH NACHHALTIGES UNTERNEHMEN im Rahmen des ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurses inhaltlich auf, d.h. welche inhaltsseitigen Komponenten (in Form von Wissensrahmen, (Sub-)Themen) prägen konzeptuell diese POSITIONIERUNG? b) Welche sprachlichen Zeichen rekurrieren auf diese inhaltsseitigen Komponenten, die (direkt oder indirekt) das Referenzobjekt POSITIONIERUNG ALS ÖKOLOGISCH NACHHALTIGES UNTERNEHMEN ko-konstituieren? In welchem sprachlichen Kontext findet diese Referenz statt? c) Welche Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede gibt es zwischen VW und RWE? 1.3 Einführung in den Nachhaltigkeitsdiskurs und Begriffserläuterungen 1.3.1 Die Konzepte >Nachhaltige Entwicklung< und >Nachhaltigkeit< Man könnte bilanzieren: Seit Rio (1992)2 ist nichts so nachhaltig wie das Reden und Schreiben über ,Nachhaltige Entwicklung‘ oder ,Sustainable Development‘ und gleichzeitig nichts so aussichtslos wie der Versuch, den 2 Gemeint ist der Weltgipfel in Rio de Janeiro, 1992: „Die UNO-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED = UN Conference on Environment and Development) wurde über mehrere Jahre vorbereitet, u.a. durch ein eigens dafür gegründetes Sekretariat in London, durch Berichte aus über 120 Ländern und durch Expertenarbeitsgruppen aus verschiedenen UN-Gremien wie der UN-Wirtschaftskommission UNCTAD, den UN- Entwicklungsprogramm UNDP und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO sowie der Weltorganisation für Meteorologie WMO. An der Konferenz in Rio de Janeiro vom 3.-14.6.1992 nahmen rund 10.000 Delegierte aus 178 Staaten teil.“ Unter https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/weltgipfel_rio_de_janeiro_1992_539.htm.
  • 6. 3 Begriff konsensfähig und allgemeinverbindlich zu definieren (Jüdes 1997a:1). In der Forschungsliteratur gibt es zu den Konzepten >Nachhaltigkeit< und >Nachhaltige Entwicklung< über 70 Definitionsversuche3, die alle an der Komplexität des Definitionsgegenstandes und an dessen großer Menge verschiedener (interessensgeleiteter) Lesarten scheitern: Dadurch, dass Nachhaltigkeit in unterschiedlichen Interessenzusammenhängen eine Rolle spielt, ist der Begriff und das Verständnis von Ungenauigkeit, Mehrdeutigkeiten und z.T. von Widersprüchen geprägt (Michelsen 2005: 27). Deshalb ist es dienlich für die später folgende diskurslinguistische Auseinandersetzung mit der Positionierung von VW und RWE als ökologisch nachhaltig handelnde Unternehmen innerhalb des ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurses, zunächst die in den beiden obigen Zitaten vorkommenden Konzepte >Nachhaltige Entwicklung< (engl. >sustainable development<) und >Nachhaltigkeit< (engl. >sustainability<) separat voneinander zu erläutern. Allgemein beschreibt >Nachhaltige Entwicklung< (>sustainable development<) einen Prozess, an dessen Ende ein nicht erreichbarer, jedoch wünschenswerter Optimalzustand, >Nachhaltigkeit<, für die Erde und für ihre Bewohner angestrebt wird (Vgl. Majer 2003: 935). Seine stärkste Prägung und die beginnende Wahrnehmung in der breiten Öffentlichkeit erfuhr der Begriff >Nachhaltigen Entwicklung< durch die Veröffentlichung des sogenannten Brundlandt-Berichts im Jahre 1987 (Vgl. Glombitza 2005: 37; Brugger 2010: 15; Tremmel 2003: 89). Dabei handelt es sich um den Abschlussbericht „Our Common Future“ der World Commission on Environment and Development (WECD). Die ehemalige Ministerpräsidentin von Norwegen Gro Brundlandt war die damalige WECD-Kommissionsvorsitzende und formulierte auf der Basis von 3 Vgl. Jüdes, Ulrich 1997b: 26-29. „Der Begriff des Sustainable Development gehört zu den schillerndsten der derzeitigen Umweltdiskussion. Mehr als 70 unterschiedliche Definitionen sind in der Literatur zu finden und stellen die Aussagefähgigkeit [sic!] des Begriffs in Frage. Eine verbindende Theorie von ‚Nachhaltiger Entwicklung‘ ist nötig.“, unter http://ulrich-juedes.jimdo.com/wissenschaft/umwelt-naturschutz-nachhaltigkeit/.
  • 7. 4 Studienerkenntnissen und umweltpolitischen Diskussionen mit Umwelt- und Wirtschaftsexperten zusammenfassend drei grundlegende Prinzipien und Desiderata, die eine >Nachhaltige Entwicklung< begünstigen. Erstens sollen die bis dahin vorwiegend auf lokale Vorgänge beschränkten Sichtweisen sich mit einer gemeinsamen globaleren Sichtweise auf Entwicklungen verbinden. Zweitens sollen Umweltentwicklungsfragen nicht losgelöst von anderen Entwicklungsfragen betrachtet und drittens soll die Gerechtigkeit innerhalb der jetzigen bzw. zwischen der jetzigen und den zukünftigen Generationen hergestellt und bewahrt werden (vgl. WCED 1987: 43ff). Letzteres Prinzip ist die ,intragenerative und intergenerative Gerechtigkeit‘. Für das Verständnis des Konzepts der >Nachhaltige Entwicklung< ist dieses Prinzip zentral, da es seine Konzeptattribute am stärksten mitprägt. ,Intragenerative Gerechtigkeit‘ verweist auf eine faire Verteilung der Chancen innerhalb zur selben Zeit lebender Generationen, sowohl auf regionaler, nationaler, als auch auf internationaler Ebene. Das Einkommen, die Geschlechtergerechtigkeit und die Bildung sind einige der sozialen Aushandlungsfelder (vgl. Hanusch 2011: 8). Als „Ausgleich der Interessen zwischen verschiedenen Generationen“ (ebd.) ist demnach die ,Intergenerative Gerechtigkeit‘ zu verstehen. Als prospektives, auf unsere gemeinsame Zukunft hin orientiertes Postulat will sie „eine dauerhafte Sicherung der Grundlagen des menschlichen Daseins“ (ebd.) erreichen. Eine kontinuierliche Wahrung der ,intragenerativen Gerechtigkeit‘, z.B. auf den oben erwähnten sozialen Aushandlungsfeldern wie Einkommen und Bildung, bedingt letztlich die ,intergenerative Gerechtigkeit‘ und beeinflusst entscheidend ihre Umsetzung, denn Missstände in der Chancengleichheit innerhalb von Generationen […] [können in] […] Konflikten [münden], die sich negativ auf die zukünftige Entwicklung [für nachfolgende Generationen: M.M.] auswirken können (Hanusch 2011: 9). Beide Arten von Gerechtigkeit sind „eine zentrale Komponente“ (Corsten/Roth 2012:1) und die eigentliche Leitidee hinter dem Konzept
  • 8. 5 >Nachhaltige Entwicklung<, die der Brundlandt-Bericht definiert als „development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“ (WECD 1987: IV.1).4 In der deutschen Erstübersetzung nach Hauff ist >Nachhaltige Entwicklung< demnach zu verstehen als [eine] Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, daß [sic!] künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können (Hauff 1987:46). In ihrer mehr als dreißigjährigen Geschichte hat diese eher allgemein gehaltene Grunddefinition einige Modifizierungen wie Erweiterungen, und Konkretisierungen erfahren. Jedoch ist die Kernaussage und der Leitgedanke der ,inter- und intragenerativen Gerechtigkeit‘ erhalten geblieben. Eine >Nachhaltige Entwicklung< „knüpft an Wertschätzungen an“ (Corsten/Roth 2012:1) und hat somit einen grundsätzlich normativen Anspruch. Sie „[...] ist demnach ein ethisch motiviertes normatives Konzept, das sich auf eine Wirtschaftsordnung und Lebensstil bezieht, die unsere Zukunft nicht gefährden“ (Godemann/Michelsen 2011: 5)5, gar eine „Vision“ (Schaltegger/Dyllick 2002: 30), an welcher man sich gesamtgesellschaftlich orientieren soll. >Nachhaltigkeit< dient dann als ein motivationaler Treiberbegriff für einen gewünschten optimalen (End-) Zustand, auf den die Gesellschaft hinarbeiten soll. Die >Entwicklung< „[…] bezeichnet einen Prozess gesellschaftlicher Veränderung“ (Grunwald/Kopfmüller 2012: 11).6 4 Vgl. WCED 1987: Development and international economic co-operation: Environment, Report of the World Commission on Environment and Development, A/42/427, 4. August 1987. Genf: United Nations, unter http://www.un-documents.net/ocf-02.htm#I. 5 Vgl. Godemann/Michelsen 2011:5, “Sustainable development then is an ethically motivated normative concept referring to a form of economics and lifestyle that does not endanger our future. Such an ethical approach to shaping the future must ultimately be based on an understanding of strong sustainability [...], which in contrast to the concept of weak sustainability rejects the premise of unlimited substitutability of all natural resources with equivalents and considers this as irresponsible to future generations." Auch in dieser Definition von >Nachhaltiger Entwicklung< stehen die Endlichkeit der Ressourcen im Zentrum und schließt, ethisch-normativ perspektivierend, Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen ein. 6 Einen ausführlichen Überblick zur historischen Entwicklung von Umweltpolitik und das gesellschaftliche Umweltbewusstsein, das sich aus einer solchen gesellschaftlichen Veränderung bereits abgeleitet hat, geben Paehlke 1992 und Jamison 2002.
  • 9. 6 Um das Leitbild der >Nachhaltigen Entwicklung< in die Realität umzusetzen, hat sich die Diskursgemeinschaft aus Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft seit der Veröffentlichung des Brundlandt- Berichts auf drei Ebenen, bzw. „Dimensionen“ (vgl. Brugger 2010; Hanusch 2011) verständigt, in welchen Ideen diskutiert und konkrete Umsetzungsschritte ausgehandelt werden sollen. Sie werden in der Fachliteratur oft als die „Triple-Bottom-Line der Nachhaltigkeit“ (Schönborn 2001: 3) bezeichnet und unter der Bezeichnung „Dreisäulenmodell“ (Corsten/Roth 2012:1) zusammengefasst und schließt eine ökologische, eine ökonomische und eine soziale Dimension. Jede einzelne Dimension hat, für sich genommen, ihren spezifischen Einfluss auf die beiden anderen Dimensionen und ist von deren Entfaltungsspielraum gewissermaßen abhängig. Ein Konsens besteht darin, dass das übergeordnet angestrebte Ziel im Sinne einer >Nachhaltigen Entwicklung< deshalb die Ausbalancierung und „gleichrangig[e] und gleichzeitig[e]“ (Maier-Rigaud 1997: 311) Berücksichtigung dieser drei Dimensionen sein sollte. Hinsichtlich der Erfüllung dieses Anspruchs hat sich auch eine andere Bezeichnung, die des „Magischen Dreieck[s]“ (Corsten/Roth 2012:1), in der Fachliteratur etabliert: In Anlehnung an das Stabilitätsgesetz und den teilweise konfliktären Beziehungen zwischen diesen Dimensionen wird dann auch von einem ‚Magischen Dreieck‘ der Nachhaltigkeit gesprochen (Corsten/Roth 2012:1).7 Pufé (2014) fasst die Leitprinzipien, d.h. prägende Konzeptattribute8 einer >Nachhaltigen Entwicklung< folgt zusammen: • Intragenerationelle Gerechtigkeit: Innerhalb einer Generation haben weltweit alle Menschen dieselben Chancen verdient […]. • Intergenerationelle Gerechtigkeit: Zwischen den unterschiedlichen Generationen kommt es zu keiner Diskriminierung, das heißt, ein Neugeborenes hat nicht weniger Rechte als ein erwachsener oder ein greiser Mensch. • Ganzheitlichkeit und Integration: Keine der Nachhaltigkeitsdimensionen (sozial, ökologisch, ökonomisch) wird 7 Für nähere Erläuterungen zum „Magischen Dreieck“ vgl. auch Dierkes 1986: 44; Paech/Pfriem 2002: 13; Dyllick 2003: 236ff. 8 Im folgenden Zitat ohne einfache Anführungszeichen mit „ ,x‘ “ angegeben.
  • 10. 7 bevorzugt. Stattdessen wird nach einer integrativen Problemlösung gesucht, die alle Dimensionen einbezieht. • ‚Glokalität‘: Verknüpfung von globalen und lokalen Phänomenen und Entwicklungen nach dem Motto think global, act local. • Partizipation, Verantwortung und Stakeholderbeteiligung: Einbeziehung aller Betroffenen und Verantwortlichen. • Präventive Langzeitorientierung: Verminderung von Schädigungen bei ökonomischen Aktivitäten statt späterer Aufräumarbeiten. • Charakter eines normativen Leitbildes: Im Kern ist Nachhaltigkeit ein ethisch-moralisches sowie handlungsleitendes Prinzip. (Hervorheb. M.M.)9 Im folgenden Kapitel werden die drei Dimensionen vorgestellt und ihre Bedeutungen zur Gestaltung der >Nachhaltigen Entwicklung< erläutert. Dafür werden an geeigneter Stelle zudem die Ausführungen der Enquete- Kommission des Deutschen Bundestags miteinbezogen, um die Definitionsbereiche klarer abzustecken und die Verflechtungen der Dimensionen untereinander mit ihren einzelnen Dimensionsaspekten ausgewogen darzustellen. Insbesondere soll ein grundlegendes Verständnis der ökologischen Dimension vermittelt werden, da sie für die Positionierung von VW und RWE als ökologisch nachhaltig handelnde Unternehmen im ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurs maßgeblich ist. Später, in Kapitel 1.3.4.5, werden auf der theoretischen Grundlage von Huber (1995), Dyllick/Hockerts (2002) und Langer (2011) diverse „Strategiepfade“ (Langer 2011: 19) und mit ihnen sechs Konzepte für das operative Geschäft vorgestellt, die Unternehmen als Ausgangslage dienen, um ihr Handeln (und ihre Nachhaltigkeitskommunikation) stärker auf eine >Nachhaltige Entwicklung< auszurichten und auch dabei helfen sollen im Diskursraum als nachhaltiges, insbesondere ökologisch nachhaltiges, Unternehmen wahrgenommen zu werden. Abhängig von der Richtung ( oder ) der interdimensionalen Wechselbeziehung (Ökologie  Ökonomie / Soziales  Ökonomie / Soziales  Ökologie) und dementsprechend der Zieldimension (Ökologische, Ökonomie, Soziales), in welcher eine >Nachhaltige Entwicklung< angestrebt werden will, sind jeweils zwei 9 Vgl. Pufé (2014).
  • 11. 8 Anforderungskriterien benannt, die einen eigenen konzeptuellen Charakter haben. Alle diese werden ausführlicher in Kapitel 1.3.4.5 und im Zusammenhang mit Visualisierungsmodellen zur >Nachhaltigen Entwicklung< erläutert. 1. Die Effizienz-Strategie, welche Konzepte wie >Öko-Effizienz< (vgl. Schaltegger/Sturm 1990) und >Sozio-Effizienz< (vgl. Dyllick/Hockerts 2002) einschließt. 2. Die Effektivität-Strategie, zu welchen >Öko-Effektivität< und >Sozio-Effektivität< zählen (vgl. Dyllick/Hockerts 2002). 3. Die Suffizienz-Strategie (Huber 1995), mit >Suffizienz< und >ökologische Gerechtigkeit< (vgl. Dyllick/Hockerts 2002). Möglichst durch eine Kombination dieser sollen Unternehmen in ihrem Handeln vor allem den Nachhaltigkeitsprinzipien „Ganzheitlichkeit und Integration“, „Partizipation, Verantwortung und Stakeholderbeteiligung“ und „Präventive Langzeitorientierung“ (Pufé 2014) besser begegnen können. Wie gezeigt werden soll, stehen sich manche dieser Kriterien, hinsichtlich ihres konzeptuellen Charakters und ihres langfristigen Auswirkungsgrades (z.B. auf die ökologische Dimension) teilweise diametral gegenüber oder scheinen sich zu widersprechen (z.B. Effizienz und Effektivität). Das unternehmerische Handeln, welches aus ihnen abgeleitet wird, ist entsprechend verschieden. Andere Konzepte, wie >Suffizienz< beziehen z.B. stärker unternehmensexterne Anspruchsgruppen, wie die Kunden als Endverbraucher, im Rahmen ihres Konsumverhaltens ein. Für eine diskurslinguistische Analyse der Nachhaltigkeits- kommunikation von RWE und VW innerhalb der ökologischen Dimension, ist es deshalb ein wichtiger Schritt, diese verschiedenen „Strategiepfade“ (Langer 2011: 19) und Konzepte explizit im ökologischen Kontext zu beleuchten (Kapitel 1.3.4.5). In der Nachhaltigkeitskommunikation beider Konzerne, wie gezeigt werden soll, prägt das Konzept >Öko-Effizienz< inhaltsseitig maßgeblich jene >Nachhaltige ökologische Entwicklung< (im ökonomischen/unternehmerischen Interesse) und setzt dadurch bestimme Aspekte im ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurs dominant, welche zum
  • 12. 9 Prozess der sprachlichen Positionierung eines ökologisch nachhaltig handelnden und somit bei verschiedenen Anspruchsgruppen legitimierten Unternehmens beitragen. Analytisch wird das Konzept >Öko-Effizienz< deshalb auf der Metaebene verortet. Dieses Vorgehen erlaubt es später, einzelne Korpusbefunde aus dem VW- und dem RWE-Korpus, die auffällig erscheinen, auf jenes zurückzubeziehen, und die beiden Korpora untereinander an geeigneter Stelle kontrastiv zu untersuchen. Darüber hinaus hilft es dabei, diskursanalytisch sowohl inhaltsseitig aufzudecken, durch welche Komponenten/Sachverhalte >Öko-Effizienz< von beiden Unternehmen aufgefächert wird, als auch ausdrucksseitig zu erforschen, welche konkreten sprachlichen Zeichen auf diese Sachverhalte bzw. letztendlich auf >Öko-Effizienz< rekurrieren. 1.3.2 Die ökologische, ökonomische und soziale Dimension Die ökologische Dimension Inhaltlich zentral für die ökologische Dimension ist der Umweltschutz. Das bedeutet die natürlichen Ressourcen zu schonen, sowie die Flora und Fauna, und ebenso die Gesundheit der Menschen zu schützen (vgl. Brugger 2010:17f.; Enquete-Kommission 1998: 25; Hanusch 2011:16). Die Enquete-Kommission verbindet die ersten beiden inhaltlichen Aspekte der ökologischen Dimension mit konkreteren Handlungsempfehlungen und führt dazu als Vorschlag begrenzte Handlungsspielräume für die Umweltnutzung (durch den Menschen und durch Unternehmen) an: [Der Umwelt- und Naturschutz widmet sich] [d]er Bewahrung der Artenvielfalt sowie einzelner Arten, die im Zuge menschlicher Umweltnutzung zu verschwinden drohen, sowie dem Erhalt aller Arten und Biotoptypen […]. Angesichts immer umfassenderer Eingriffe des Menschen in die Ökosysteme sollen unerwünschte Einflüsse auf deren Entwicklung begrenzt werden. So werden z.B. Biotope zum Erhalt bestimmter Arten geschützt oder angelegt, Schutzgebiete ausgewiesen und andere Arten von Nutzungsbeschränkungen der Umwelt durchgesetzt (Enquete- Kommission 1998: 25). Damit einher geht ein Verzicht auf nicht-erneuerbare, z.B. fossile Ressourcen und der Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Enquete-
  • 13. 10 Kommission rahmt eine solche Handlungsempfehlung des Verzichts in eine mittel- und langfristige Umsetzung ein. […] Nicht-erneuerbare Ressourcen sollen nur in dem Umfang genutzt werden, in dem ein physisch und funktionell gleichwertiger Ersatz in Form erneuerbarer Ressourcen oder höherer Produktivität der erneuerbaren sowie der nicht-erneuerbaren Ressourcen geschaffen wird (Enquete- Kommission 1998: 25). Es ist unumstritten, dass Ökosysteme nicht unendlich belastbar sind und sie einer angemessenen Zeit bedürfen, in der sie sich regenerieren können. In vielerlei Hinsicht wurde diese Erkenntnis, vor allem mit dem Einsetzen des Industriezeitalters, missachtet, woraus zum Teil irreparable Umweltschäden und der überproportionale Anstieg des weltweiten Klimas resultierten: Die Verbrennung fossiler Brennstoffe ist die Hauptursache für die Emissionen des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). Es ist inzwischen allgemein anerkannt, dass die steigenden Treibhausgas- Emissionen eine globale Klimaerwärmung zur Folge haben. Nahezu alle vorliegenden globalen Szenarien gehen von einem weiteren Anstieg des weltweiten Energieverbrauchs aus und damit verbunden auch der CO2- Emissionen.10 Diese und andere durch den Menschen verursachten Emissionen widersprechen dem ökologischen Nachhaltigkeitsgedanken. Sie sollen deshalb reduziert und technische Verfahren, wie der Betrieb von Atomkraftwerken, die tatsächlich oder potentiell ökologisch risikobehaftet sind, mittelfristig gemieden und langfristig durch ökologisch-freundlichere Alternativen ersetzt werden (vgl. Brugger 2010:17-18). Aus soziologischer Perspektive vollzieht sich in unserer Gegenwart nun eine Art retrospektive Neuentdeckung des Nachhaltigkeitsprinzips (Vgl. Haber 1995: 20f.). Jahrtausende lang stand die Be- und Entlastung der Umwelt durch den Menschen in einem verträglichen Gleichgewicht. Dieses wurde nach und nach durch demographische Entwicklungen, den technologischen Fortschritt und aufgrund neuer aufkommender Wirtschaftsweisen im Industriezeitalter, die meist anderen als den natürlichen Regeln folgten, zu Lasten der Umwelt ins Wanken gebracht. 10 http://www.bpb.de/veranstaltungen/netzwerke/teamglobal/67345/energie.
  • 14. 11 Hauptsächlich auf Kosten der Umwelt stieg der Wohlstand und die Lebenserwartung des Menschen. Im Umkehrschluss droht seine Lebenserwartung ohne eine intakte Umwelt, die ihn umgibt, auf lange Sicht wieder zu sinken. Besonders im Zuge der weltweiten Umweltbewegungen Anfang der 1970er Jahre hat deshalb ein revolutionärer Denkmusterwandel eingesetzt, als feststellt wurde, dass die fortschreitend irreversiblen Umwelteingriffe ohne spezifische Gegenmaßnahmen wie der Reduzierung des klimaschädlichen CO2 eine Gefährdung des Schutzes und sogar der Existenz des Menschen bedeuten könnte. Die Enquete-Kommission empfiehlt folglich „[…] Gefahren und unvertretbare Risiken für die menschliche Gesundheit durch anthropogene Einwirkungen […] zu vermeiden“ (Enquete-Kommission 1998: 25). Diese Empfehlung fügt sich auch ein in das Prinzip der „Präventive[n] Langzeitorientierung“ (Pufé 2014). Die ökonomische Dimension Die Enquete-Kommission des deutschen Bundestages stellt in ihrem Vorschlag für die „[ö]konomische Dimension der nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“ den Aspekt des Gemeinwohls im Sinne einer „bestmöglichen Versorgung der Bevölkerung“ heraus (Enquete- Kommission 1998: 26). Dabei lassen sich die engen Verflechtungen von ökologischen und ökonomischen Aspekten feststellen: Wirtschaften hat die übergeordnete Funktion, knappe Güter mit möglichst geringen Kosten der Verwendung mit der höchsten Wertschätzung zukommen zu lassen: So sollen die verfügbaren Ressourcen an Arbeitskraft und natürlicher Produktivität so eingesetzt werden, daß [sic!] eine bestmögliche Versorgung der Bevölkerung mit Gütern und Dienstleistungen erreicht wird. Alle vorhandenen Produktionsfaktoren sollen ihrer produktivsten Verwendung zugeführt werden (Enquete- Kommission 1998: 26). Die soziale Dimension Für Brugger ist die soziale Dimension „[…] wohl der unschärfste Begriff“ (Brugger 2010: 18), da sie in Fachdiskussionen häufig mit sozialer Gerechtigkeit gleichgesetzt oder auf jene reduziert wird. Dabei geht jedoch eine differenziertere Betrachtung im Lichte der Verbindungen von sozialen Aspekten und deren starke Interdependenz mit Ökonomie und Ökologie
  • 15. 12 unter. Aus diesem Grund gilt es diese Interdependenzen aufzuzeigen, wie in den Ausführungen der Enquete-Kommission: Für eine nachhaltig zukunftsverträgliche Entwicklung ist die Schaffung einer solidarischen Gesellschaft, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit, soziale Gerechtigkeit, Wohlstand und ökologische Verantwortung gewährleistet, unerläßliche [sic!] Voraussetzung. Zu den unverrückbaren Fundamenten dieses Prozesses gehören […] Chancengleichheit der Geschlechter und benachteiligter Menschen. Diese strukturellen Kernelemente sind die existenziellen Grundlagen unserer Gestaltungsfähigkeit für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und für die Zukunftsperspektiven der Menschen in Deutschland (Enquete-Kommission 1998: 27). Damit eine >Nachhaltige Entwicklung< gelingen kann, sollen, wie bereits in Kapitel 1.3.1. erwähnt wurde, die ökologische, die ökonomische und soziale Dimension möglichst „gleichrangig und gleichzeitig“ (Maier- Rigaud 1997: 311) berücksichtigt werden. Wie die Einzelbetrachtung jeder Dimension ergeben hat, ist tatsächlich keine unabhängig und ebenso wenig isoliert von den anderen beiden. Sie alle gehen Verbindungen miteinander ein. In der öffentlich-gesellschaftlichen Debatte, wie denn eine >Nachhaltige Entwicklung< zu erreichen sei, treten allgemein am häufigsten die Sachverhalte der ökologischen Dimension in den Vordergrund (Vgl. Hanusch 2011: 9). Dasselbe lässt sich auch für die Kommunikation der >Nachhaltigen Entwicklung< im wirtschaftlichen Kontext seitens der Unternehmen und in ihrer eigenen Art der Nachhaltigkeitskommunikation feststellen. Ökologische Themen dominieren diese, denn bei der Analyse […] fällt auf, dass die meisten Unternehmen ihre Nachhaltigkeitskommunikation auf die Umwelt fokussieren und die gesellschaftliche bzw. die soziale Verantwortung häufig in den Hintergrund tritt (Mast 2012: 423). In der Forschungsliteratur besteht Konsens darüber, dass ein Grund für die thematische dominante Ausrichtung auf die ökologische Dimension in der konzeptgeschichtlichen Verankerung des komplexen Konzepts >Nachhaltige Entwicklung< liegt und sich unsere heutige Auffassung darüber aus der Forstwirtschaft herausgebildet hat (Vgl. Grunwald/Kopfmüller 2012: 18). In diesem Zusammenhang lohnt sich ein kurzer geschichtlicher Rückblick in den Anfang des 18. Jahrhunderts und auf das damalige Problem der Holzknappheit, um das Verständnis von
  • 16. 13 ökologischer Nachhaltigkeit in Abhängigkeit von ökonomischen (und sozialen) Dimensionsvariablen zu festigen. 1.3.3 Die Herkunft des Konzepts >Nachhaltige Entwicklung< Vielfach wird die Abhandlung ‚Sylvicultura Oeconomica‘ des sächsischen Oberberghauptmanns [Hans Carl] von Carlowitz [1645 – 1714] aus dem Jahr 1713 als erstmalige Erwähnung [des Begriffs >Nachhaltigkeit<] genannt. Landwirtschaftliche Aktivitäten sowie zunehmender industrieller Holzbedarf (Berg- und Hüttenwerke) hatten […] zu einer Übernutzung der Wälder geführt. Angesichts der knapper werdenden Holzbestände wurde unter nachhaltiger Forstwirtschaft eine Bewirtschaftungsweise verstanden, die auf einen möglichst hohen, gleichzeitig aber dauerhaften Holzertrag der Wälder abzielte: Es sollte pro Jahr nicht mehr Holz geschlagen werden als nachwächst (Grunwald/Kopfmüller 2012: 18f.). Wie es Grunwald/Kopfmüller (2012) schildern, war Holz, in ressourcentechnischer Hinsicht im beginnenden 18. Jahrhundert ein leicht verfügbarer wichtiger Rohstoff. Es wurde überall, nicht nur im Hausbau, sondern auch als Brennstoff im alltäglichen Leben zum Heizen und Kochen gebraucht. Besondere wirtschaftliche Bereiche, wie der Bergbau, beanspruchten die vorhandenen Ressourcen in einem stärkeren Maße, da „Holz […] für den Ausbau der Gruben (Traghölzer), den Abbau des Erzes (mittels Feuersetzen) und insbesondere für den Betrieb der Schmelzöfen mit Holzkohle benötigt [wurde].“11 Zur Lösung des Problems der Holzknappheit sollen prägnante Stellen aus von Carlowitz‘ „Sylvicultura Oeconomica“ zitiert werden, die zudem eine ebenso auf heutige Verhältnisse anwendbare Kritik eines Wirtschaftens enthält, welche, rein ökonomisch, hauptsächlich nach dem kurzfristigen Gewinn strebt oder, losgelöst von Kontextfaktoren, ein und dasselbe ökonomische Vorgehen für verschiedene Bereiche (nachwachsende Ressourcen im Holzanbau ≠ nachwachsende Ressourcen im Ackerbau) verfolgt: 11 https://www.nachhaltigkeit.info/artikel/hans_carl_von_carlowitz_1713_1393.htm.
  • 17. 14 Nicht zuletzt wird erstmals die „nachhaltende Nutzung“ und der Gedanke einer >Nachhaltigen Entwicklung< erwähnt: Von dieser vorausschauenden Holznutzung profitiere insbesondere die Wirtschaft („Berg-Bau“): Zusammenfassend lässt sich sagen, das von Carlowitz als ein Vordenker der >Nachhaltigen Entwicklung< gelten kann und sein […] Prinzip, das das ökonomische Ziel der maximalen dauerhaften Nutzung des Waldes mit den ökologischen Bedingungen des Nachwuchses kombinierte, […] ein Vorbild für spätere Nachhaltigkeitsüberlegungen [wurde] (Grunwald/Kopfmüller 2012: 19). Bisher wurde die ökologische, ökonomische und soziale Dimension mit jeweils ihrem eigenen Themenspektrum vorgestellt und die inter- und intradimensionalen Verbindungen bzw. Wechselwirkungen zueinander als notwendige Basis für das Gelingen einer >Nachhaltigen Entwicklung< dargestellt. Beim Versuch das dahinterliegende Konzept plastisch in einem Schaubild zu visualisieren und somit für das komplexe interdependente Verhältnis der Dimensionen weiter zu sensibilisieren, haben sich
  • 18. 15 verschiedene Modelle etabliert, welche im folgenden Kapitel diskutiert werden. 1.3.4 Visualisierungsmodelle der NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG 1.3.4.1 Das Drei-Säulen-Modell der NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG Beim Drei-Säulen-Modell wird jeder Dimension eine Säule zugeordnet. Sie tragen, wie bei einem Haus, sozusagen die >Nachhaltige Entwicklung<, welche als säulenübergreifendes Dach dargestellt wird. Wird eine der beiden, die ökologische oder die ökonomische Dimensionssäule, brüchig durch die Vernachlässigung von Teilaspekten innerhalb der jeweiligen Dimension, ist das Haus nicht direkt vom Einsturz bedroht. Die übrigen Dimensionen gleichen den Schaden und die entstandene Instabilität aus, und ermöglichen weiterhin eine >Nachhaltige Entwicklung<. Jedoch könnte auch die mittlere, die soziale Dimensionssäule, komplett ignoriert oder sogar ausgelassen werden, ohne dass dies für das Gesamtkonstrukt tatsächlich spürbar negative Auswirkungen hat. Dies widerspricht der Leitidee, die Bereiche „gleichrangig und gleichzeitig“ (Maier-Rigaud 1997: 311) zu berücksichtigen. Kleine konstatiert zudem: [D]as Modell der parallel nebeneinander stehenden [sic!] Säulen [ist] ungeeignet […], da keine klar definierten Austauschbeziehungen oder Abhängigkeiten zwischen den Säulen bestehen. Die Säulen stehen vielmehr isoliert nebeneinander (Kleine 2009: 75).
  • 19. 16 1.3.4.2 Das Schnittmengen-Modell der NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG Das Schnittmengen-Modell stellt die Dimensionen als drei sich überschneidende Kreise dar. Diese, und damit die Dimensionen, sind demnach nicht isoliert, wie im obigen Schaubild 1, sondern untereinander verbunden. Zudem verdeutlicht das Modell, dass Themen nicht nur einer Dimension zugeordnet werden müssen. Die Überschneidungsmenge aller drei führt langfristig zu einer >Nachhaltigen Entwicklung<. Das Modell lässt eine vorübergehende Favorisierung einzelner Dimensionen zu, was nicht zwangsläufig zum Kollaps dessen führt. Die gewünschte alleinige Konzentration auf die Schnittmenge von allen drei Dimensionen ist insofern kritikwürdig, als [d]as Modell die Nachhaltige Entwicklung […] stark auf die kombinierten Handlungsfelder und Indikatoren [begrenzt], während die überschneidungsfreien Bereiche in der Nachhaltigkeitsdiskussion zurückgestellt werden. […] Ein weiteres Problem besteht darin, dass der Grad der Überschneidung unbestimmt ist: eine noch stärkere Integration der Nachhaltigkeitsdimensionen würde die Kreise so weit zueinander rücken, bis sie sich gänzlich überschneiden. Dann grenzen die Kreise die einzelnen Bereiche nicht genügend voneinander ab. Werden die Kreise jedoch weiter auseinander gerückt, steht jeder Bereich alleine für sich, ohne dass noch Überschneidungen existieren (Kleine 2009: 76). 1.3.4.3 Das Nachhaltigkeitsdreieck der NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG Im gleichseitigen Nachhaltig- keitsdreieck, auch als „Magisches Dreieck“ (Dierkes 1986: 44) bezeichnet, werden die drei Dimensionen ebenfalls gleichermaßen berücksichtigt. Die Anordnung jener ist an sich beliebig, jedoch impliziert ein Dreieck immer eine Vorrangstellung von einer Dimension gegenüber den anderen beiden.
  • 20. 17 Die Verbundenheit darüber hinaus […] bedeutet, dass jede Säule mit der gleichen Berechtigung in den ergebnisoffenen Diskussionsprozess [der >Nachhaltigen Entwicklung<] eingebracht und keine von vornherein benachteiligt werden darf (Kleine 2009: 74). 1.3.4.4 Das integrierte Drei-Säulen-Modell der NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG Das integrierte Drei- Säulen-Modell fokussiert die Dimension der Ökologie, die als Lebens- grundlage des Menschen dient und Basis jedes Wirtschaftens ist. Insofern wird die soziale Dimension in ihr und in der sozialen wiederum die ökonomische Dimension integriert. Letztere werden somit „als nachrangige Zielbereiche in dem Sinne [angesehen], als dass Umweltschutzmaßnahmen nach Möglichkeit ökonomie- und sozialgerecht durchgeführt werden sollten“ (Hanusch 2011: 10). [Eine >Nachhaltige Entwicklung<] kann also nur erreicht werden, soweit die natürlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilsysteme jeweils in sich auch stabil, d.h. interne und externe Veränderungen [in Schaubild 4 durch Pfeile dargestellt] selbstregulierend auszugleichen vermögen (Busch-Lüty 1995: 117f.). Die ökologische Dimension, die den Menschen umgebende Natur, gibt den Rahmen für die soziale Dimension, die Gesellschaft, vor. Wirtschaftssysteme sind von der Gesellschaft geschaffene Systeme. Eine Annahme ist, dass deshalb die Gesellschaft, eventuell durch ihr Konsumverhalten oder durch einen veränderten Lebensstil imstande ist wirtschaftlichem Wachstum gewisse Grenzen aufzuzeigen.
  • 21. 18 1.3.4.5 Das integrierte Nachhaltigkeitsdreieck mit dimensionalem Zielbezug zur NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG Ein komplexeres Modell stellt das integrierte Nachhaltigkeitsdreieck mit dimensionalem Zielbezug dar. Um wesentliche theore- tische Postulate an eine >Nachhaltige Entwicklung<, wie die gleichrangige Berücksichtigung aller Di- mensionen und die Sensibilisierung für die Interdependenz der Dimensionen untereinander, zu erfüllen, basiert es im Kern auf dem gleichseitigen Nachhaltigkeitsdreieck. Eine Weiterentwicklung dessen versteht nun die drei Eckbereiche als Zieldimensionen oder „Zielkategorien“ (Kleine 2009: 80), in denen eine >Nachhaltige Entwicklung< angestrebt werden soll. Um diese zu erreichen, werden als Indikatoren die in Kapitel 1.3.1 kurz angeführten sechs Konzepte innerhalb der „Strategiepfade“ (Langer 2011: 19) genannt. Im Folgenden soll im Uhrzeigersinn anhand der drei Zieldimensionen jeweils ein Konzept- Paar vorgestellt, und durch Beispiele, beginnend im Kontext der Zieldimension Soziales, veranschaulicht werden. Für die diskursanalytisch-linguistische Exploration und Interpretation von ausdrucksseitig auffälligen sprachlichen Erscheinungen innerhalb der ökologischen Nachhaltigkeitskommunikation, welche zum sprachlich- gestützten Prozess der Positionierung von VW und RWE als ökologisch nachhaltig handelnde Unternehmen beitragen, liegt hierfür der Fokus auf den interdimensionalen Wechselbeziehungen der Zielkategorien Ökologie Ökonomie im Rahmen des Konzepts >Öko-Effizienz<. Dieses Konzept, wie später gezeigt wird, prägt inhaltsseitig entscheidend die Positionierungen von RWE und VW als nachhaltig handelnde Unternehmen und ko-konstruiert zudem die kommunikativen
  • 22. 19 Diskursrahmenbedingungen, d.h. was als eine >Nachhaltige ökologische Entwicklung< (im ökonomischen/unternehmerischen Interesse) angesehen werden soll. 1.3.4.5.1 SOZIALES ALS ZIELDIMENSION EINER >NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG< Ökologie Soziales: >Ökologische Gerechtigkeit< Das Konzept >Ökologische Gerechtigkeit< meint eine faire Lastenverteilung von durch den Menschen verursachten ökologischen Schäden auf die Weltgemeinschaft (und zukünftiger Generationen, unabhängig von Herkunft, Ethnizität oder ökonomischem Status) und mit ihr ein möglichst gleichberechtigter Zugang aller Menschen zu lebensnotwendigen natürlichen Ressourcen, wie z.B. sauberem Trinkwasser12. Mit dieser normativen Forderung soll einer ökologisch bedingten unverhältnismäßigen Nutzung natürlicher Güter durch die jeweils gegenwärtige Generation (mit eventuell daraus resultierenden sozialen Unruhen) entgegengewirkt und eine >Nachhaltige soziale Entwicklung< gefördert werden. Die >Ökologische Gerechtigkeit< ist deshalb an der Schnittstelle der Beziehungen […] between the management of natural capital and social sustainability. While current generations consume large parts of the earth’s natural capital, the bulk of the damage is likely to be borne by future generations. If social sustainability is to be achieved, an equitable solution will have to be found for the distribution of natural capital (Dyllick und Hockerts 2002: 138). Ökonomie Soziales: >Sozio-Effektivität< Das Konzept >Sozio-Effektivität< misst den in einer gesamtheitlichen Sicht erreichten positiven Einfluss des Handelns von ökonomischen Institutionen wie Unternehmen auf die (globale) Gesellschaft. 12 Vgl. die Definition des Business Dictionary, „environmental equity: development, implementation, and enforcement of environmental policies and laws to ensure that no group or community is made to bear a disproportionate share of the harmful effects of pollution or environmental hazards because it lacks economic or political clout.” http://www.businessdictionary.com/definition/environmental-equity.html
  • 23. 20 From a socioeffectiveness perspective, business conduct should be judged not on a relative scale but rather in relation to the absolute positive social impact a firm could reasonably have achieved (Dyllick und Hockerts 2002: 138). Negative Beispiele, die im Zusammenhang einer unwirksamen >Sozio-Effektivität< oft angebracht werden, sind in der Pharmaindustrie vorzufinden. Seit Jahrzehnten bietet sie ihre Medikamente nicht in auseichender Menge in armen Länder an und wird dafür kritisiert (Vgl. Oxfam 2001). Fragen, die in diesem Kontext gestellt werden können um die >Sozio-Effektivität< zu bewerten sind: „Wie groß ist der Beitrag eines Pharmaunternehmens für die Bekämpfung weltweiter Gesundheitsprobleme? [und] Produziert es nur für zahlungskräftige Kunden aus den Industriestaaten oder hilft es, die großen gesundheitlichen Herausforderungen in den Entwicklungsländern zu bewältigen?“13 1.3.4.5.2 ÖKONOMIE ALS ZIELDIMENSION EINER >NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG< Soziales Ökonomie: >Sozio-Effizienz< >Sozio-Effizienz< wird als Konzept genannt, wenn es in erster Linie um das Erreichen einer >Nachhaltigen ökonomischen Entwicklung< geht: [>Sozio-Effizienz<] beschreibt den Umstand, dass Unternehmen ihre Produkte auf eine sozial verträgliche Weise produzieren. Steigt die [>Sozio- Effizienz<], [nehmen] die positiven Auswirkungen des Unternehmens auf Mitarbeiter [zu], die negativen Auswirkungen werden verringert.14 Aus ökonomischer Sicht, kann die >Sozio-Effizienz< und damit die ökonomische Wertschöpfung also gesteigert werden, indem z.B. schlechte Arbeitsbedingungen, die zu Arbeitsunfällen und Krankheitstagen führen können, verringert werden (Vgl. Dyllick und Hockerts 2002: 136). Ökologie Ökonomie: >Öko-Effizienz< Unser heutiges Verständnis des Konzepts >Öko-Effizienz< hat seinen Ursprung Anfang der 90er Jahre und wurde entscheidend durch den 13Vgl.http://www.umweltdatenbank.de/cms/lexikon/45-lexikon-s/2446- sozioeffektivitaet.html 14Vgl. http://www.umweltdatenbank.de/cms/lexikon/45-lexikon-s/2447-sozioeffizienz.html
  • 24. 21 Wirtschaftsrat für nachhaltige Entwicklung (World Business Council for Sustainable Development – WBCSD) geprägt: Eco-efficiency is achieved by the delivery of competitively-priced goods and services that satisfy human needs and bring quality of life, while progressively reducing ecological impacts and resource intensity throughout the life-cycle to a level at least in line with the earth’s carrying capacity (DeSimone/Popoff 1997: 47). >Öko-Effizienz< kann definiert werden, […] als das Verhältnis von [ökonomischer] Wertschöpfung zu ökologischer Schadschöpfung. Beispiele für Maße der Öko-Effizienz sind Wertschöpfung [EUR]/emittiertes CO2 [t], Wertschöpfung [EUR]/fester Abfall [t] oder Wertschöpfung [EUR]/verbrauchte Energie [kWh]. Spezifische Teilausprägungen der Öko-Effizienz spiegeln sich wider in der Ressourceneffizienz, der Material- oder Energieeffizienz sowie der Wasser(verbrauchs)effizienz (BMU 2007: 17). Eine nicht zwangsweise, sondern eventuelle durch den öko- effizienten Ansatz erreichte höhere Umweltverträglichkeit ist demnach nur ein nachrangiger positiver Nebeneffekt. Als relatives und vorrangig auf die Verwirklichung einer >Nachhaltigen Entwicklung< in der Zieldimension Ökonomie ausgerichtetes Konzept, kann als ,öko-effizient‘ noch gelten, wenn z.B. in der Automobilindustrie Fahrzeuge mit weniger schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt (pro Einheit) produziert werden, obwohl, (befördert eben durch dieselbe (öko-)effizientere Produktion) die Menge der Fahrzeuge weltweit insgesamt zunimmt und daraus eine höhere Umweltbelastung, nicht zuletzt durch die steigende Abgasmenge, resultiert („Rebound-Effekt“ 15). Brugger (2010) merkt dazu an: Gerade aus Sicht der Wirtschaft birgt [das Konzept der >Öko-Effizienz<] viele Vorteile. So suggeriert die Idee der immer effizienter werdenden Unternehmen [und Produkte] das Erreichen der ökologischen 15Für eine ausführliche Überblicksdarstellung zum Phänomen des Rebound-Effekts lohnt sich ein Blick auf die Webseite des Umweltbundesamts: „Wenn Pkw durch Effizienzsteigerungen günstiger werden, dann fällt beim nächsten Kauf die Entscheidung eventuell zugunsten des größeren Modells aus. Ein sparsamer Pkw verursacht geringere Treibstoffkosten pro gefahrenem Kilometer. Das wirkt sich zumeist auf das Fahrverhalten aus: Wege werden häufiger mit dem Pkw zurückgelegt, längere Strecken gefahren und öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad dafür weniger genutzt. So kommt es, dass die technisch möglichen Effizienzgewinne in der Praxis häufig nicht erreicht werden, weil das Produkt häufiger oder intensiver genutzt wird.“, Vgl. http://www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/oekonomische- rechtliche-aspekte-der/rebound-effekte.
  • 25. 22 Nachhaltigkeit durch technischen Fortschritt, ohne Einbußen auf ökonomischer Ebene hinnehmen zu müssen (Brugger 2010: 23) Young und Tilley (2006) betonen die, langfristig gesehen, negativen Auswirkungen auf die ökologische Dimension eines ihrer Meinung nach kurzfristig ausgerichteten Öko-Effizienz-Ansatzes: Allowing businesses to continue using eco-efficiency as a way of protecting the environment is not a long-term solution to the environmental problems that challenge humankind. Making a destructive system less destructive only serves to let industry continue to destroy ecosystems and to contaminate and deplete nature more slowly. Under the influence of eco- efficiency a dystopian future lies ahead; destruction is the end game; the only choice remaining is the rate of destruction. Reducing environmental impacts by being eco-efficient creates the illusion of short-term relative improvements. This is not enough for corporations to become truly sustainable (Young/Tilley 2006: 404). 1.3.4.5.3 ÖKOLOGIE ALS ZIELDIMENSION EINER >NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG< Soziales Ökologie: >Suffizienz< Um eine nicht relativ-effiziente, sondern absolut-effektive positive >Nachhaltige Entwicklung< in der Zieldimension Ökologie umzusetzen, werden die Konzepte >Suffizienz< und >Öko-Effektivität< angeführt. Beim Konzept >Suffizienz< wird davon ausgegangen, dass die Gesellschaft, die Endverbraucher, durch ihr Konsumverhalten einen entscheidenden Einfluss auf eine >Nachhaltige ökologische Entwicklung< haben, indem sie das Angebot durch ihren Verzicht auf potentiell umweltschädliche und durch ihre gesteigerte Nachfrage nach ökologisch nachhaltigen Produkten mitbestimmen können, d.h. eine Mitverantwortung tragen (Vgl. Dyllick/Hockerts 2002: 137, Langer 2011: 24, Brugger 2010: 23, Huber 1995: 39f.). [>Suffizienz<] bedeutet [eine neue Form der Bedürfnisbefriedigung und Genügsamkeit]. [Dazu gilt es] weniger anspruchsvolle oder aufwändige Wirtschafts- und Lebensstile zu entwickeln. Dies setzt einen Wertewandel und neue Rahmenbedingungen voraus, als deren Ergebnis Bevölkerungsgruppen oder auch die Gesellschaft als Ganzes aus einem geringeren oder gleichbleibenden materiellen Wohlstand einen höheren Nutzen ziehen.16 16 Stichwort „Suffizienzprinzip“ in der Umweltdatenbank, http://www.umweltdatenbank.de/cms/lexikon/45-lexikon-s/2450-suffizienzprinzip.html
  • 26. 23 Ökonomie Ökologie: >Öko-Effektivität< Das zweite Konzept, das auf die Zieldimension Ökologie ausgerichtet ist, heißt >Öko-Effektivität<, welches McDonough/Braungart (2002) in scharfer Abgrenzung zu >Öko-Effizienz< folgendermaßen erläutern: Eco-effectiveness means working on the right things - on the right products and services and systems - instead of making the wrong things less bad. Reduction, re-use and recycling slow down the rates of contamination and depletion but do not stop these processes. The key is not to make human industries and systems smaller, as efficiency advocates propound, but to design them to get bigger and better in a way that replenishes, restores and nourishes the rest of the world (McDonough/Braungart 2002: 76). Das Ziel von >Öko-Effektivität< ist eine weitestgehende Erhaltung ökologischer Ressourcen. Um ökologisch negative Auswirkungen im Produktlebenszyklus von Grund auf zu vermeiden, wird beim diesem Konzept langfristig eine Art selbsttragender lückenloser Produktkreislauf („waste equals food“) gefordert, in dessen Design Aspekte wie biologische Abbaubarkeit und Wiederverwertbarkeit von natürlichen sowie synthetischen Materialien betont wird: Minimizing toxic pollution and the waste of natural resources are not strategies for real change. Designing industrial processes so they do not generate toxic pollution and ‘waste’ in the first place is true change. Long- term prosperity depends not on the efficiency of a fundamentally destructive system, but on the effectiveness of processes designed to be healthy and renewable in the first place. […] Eco-effectiveness seeks to design industrial systems that emulate the healthy abundance of nature. The central design principle of eco-effectiveness is waste equals food. When waste equals food, the ‘be less bad’ imperatives of efficiency fade. When a product returns to industry at the end of its useful life and its materials are used to make equally valuable new products, the minerals or plastics of which it is made do not need to be minimized - because they will not become waste in a landfill (McDonough Braungart Design Chemistry 2001). 1.3.5 Zusammenfassung Zu Beginn des Kapitels wurde, im Rahmen des (fachsprachlichen) Nachhaltigkeitsdiskurs die Begriffe >Nachhaltige Entwicklung< und >Nachhaltigkeit< erläutert. Allgemein beschreibt >Nachhaltige Entwicklung< einen Prozess, an dessen Ende ein nicht erreichbarer, jedoch
  • 27. 24 wünschenswerter Optimalzustand, >Nachhaltigkeit<, angestrebt wird (Vgl. Majer 2003: 935). Eine >Nachhaltige Entwicklung< „knüpft an Wertschätzungen an“ (Corsten/Roth 2012:1) und ist ein normatives Leitbild, welches sich aus sieben vorwiegend normativen Leitbildprinzipien zusammensetzt. Danach wurden die ökologische, ökonomische und soziale Dimension einzeln für sich und die Verflechtungen der Dimensionen untereinander, welche an einer >Nachhaltigen Entwicklung< beteiligt sind, dargestellt. Damit diese gelingt, sollen die drei dimensionalen Bereiche „gleichrangig und gleichzeitig“ (Maier-Rigaud 1997: 311) berücksichtigen werden. Insbesondere wurde, für die spätere Diskursanalyse, ein Verständnis für die ökologische Dimension vermittelt, da diese für die Positionierung von VW und RWE als ökologisch nachhaltig handelnde Unternehmen im ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurs, maßgeblich ist. Nach einem kurzen geschichtlichen Exkurs, der zum Ursprung und zur konzeptgeschichtlichen Verankerung der >Nachhaltigen Entwicklung< führte, wurden deren fünf Visualisierungsmodelle diskutiert. Anhand des integrierten Nachhaltigkeitsdreiecks mit dimensionalem Zielbezug zur Realisierung einer >Nachhaltigen Entwicklung<, konnten sechs zieldimensionsspezifische Konzepte (>Suffizienz<, >Ökologische Gerechtigkeit<, >Sozio-Effizienz<, >Sozio-Effektivität<, >Öko-Effizienz<, >Öko-Effektivität<) mit Beispielen erläutert werden. Es wurde, wie später im diskurslinguistischen Empirieteil der Arbeit aufgezeigt wird, angedeutet, dass das Konzept >Öko-Effizienz< die ökologische Nachhaltigkeitskommunikation von RWE und VW inhaltsseitig am stärksten prägt, auch was die konzeptuelle Ausgestaltung einer >Nachhaltigen ökologischen Entwicklung< (im ökono- mischen/unternehmerischen Interesse, d.h. im Interesse von VW und RWE) anbelangt. Das Konzept >Öko-Effizienz< trägt handlungsleitend dazu bei, den durch Sprache gestützten Prozess der Positionierung von VW und RWE als ökologisch nachhaltig handelnde Unternehmen zu rahmen und somit ihr unternehmerisches ökologisches Nachhaltigkeitsengagement bei ihren Anspruchsgruppen gesellschaftlich zu legitimieren.
  • 28. 25 Im nächsten Kapitel wird zunächst erklärt was Nachhaltigkeits- kommunikation ist. Zudem wird aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive skizziert, welche Diskursbeteiligten an der Prägung des Konzepts >Nachhaltige Entwicklung< beteiligt sind. Daraufhin wird als Überleitung der Blick in Richtung der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation gerichtet und die Praxis der Nachhaltigkeitsberichterstattung umrissen. Dabei sollen unternehmens- seitige Motive bezüglich der Nachhaltigkeitskommunikation aufgezeigt und der Zusammenhang zwischen unternehmerischer Nachhaltigkeits- kommunikation und gesellschaftlicher Legimitierung, die zu einer Reputationssteigerung von Unternehmen führt, dargelegt werden. Schließlich wird die Relevanz der ökologischen Dimension für die Automobilbranche (da VW ein Automobilhersteller ist) und für die Energieversorgerbranche (da RWE ein Energieversorgungsunternehmen ist) situationell beleuchtet, um den diskursiven Stellenwert der ökologischen Dimension für diese zwei Branchen herauszuarbeiten. 1.4 Nachhaltigkeitskommunikation in der Unternehmenskommunikation 1.4.1 Grundlegendes zur Nachhaltigkeitskommunikation „Es mögen Fische sterben oder Menschen, das Baden in Seen oder Flüssen mag Krankheiten erzeugen, es mag kein Öl mehr aus den Pumpen kommen und die Durchschnittstemperaturen mögen sinken oder steigen: solange darüber nicht kommuniziert wird, hat dies keine gesellschaftlichen Auswirkungen“ (Luhmann 1988: 63). „Nur durch und als Kommunikation erhält ein Ereignis oder ein Objekt gesellschaftliche Relevanz und Bedeutung“ (Ziemann 2005: 121). Diese Feststellung ist zentral für das Kommunikationsobjekt >Nachhaltige Entwicklung<. Denn um „einen Prozess gesellschaftlicher Veränderung“ (Grunwald/Kopfmüller 2012: 11) durch die >Nachhaltige Entwicklung< einzuleiten und diesen in Gang zu halten, muss sie kontinuierlich und möglichst in all ihren Facetten kommuniziert werden. Wie bereits in Kapitel 1.3. erwähnt wurde, treten heute im öffentlich- gesellschaftlichen Diskurs allgemein am häufigsten Themen aus der ökologischen Dimension der >Nachhaltigen Entwicklung< in den
  • 29. 26 Vordergrund (Vgl. Hanusch 2011: 9). Das ist im besonderen Maße auch ein Verdienst jahrzehntelanger Kommunikationsarbeit von Umwelt- organisationen (z.B. Greenpeace) und die durch Medien und Politik (z.B. durch die Veröffentlichung des Brundlandt-Berichts) und anderen gesellschaftlichen Institutionen unterstützte Bewusstmachung für ökologische Herausforderungen wie z.B. von durch den Menschen verursachten Umweltkatastrophen. Würden diese Themen „nicht [kontinuierlich] kommuniziert werden, [wären] sie gesellschaftlich irrelevant und nicht existent“ (Ziemann 2005: 121). Insofern kann man Nachhaltigkeitskommunikation, welche faktisch die „Kommunikation und damit Gesellschaft [verändern]“ (Ziemann 2005: 123) definieren als […] ein weltgesellschaftlicher (massenmedial begleiteter) Prozess, der aus der rekursiven Anordnung von Beiträgen und Argumenten zum Thema besseren Lebens in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht besteht (Ziemann 2005: 124) Da die >Nachhaltige Entwicklung< grundsätzlich ein normatives Moment hat und sich die Nachhaltigkeitskommunikation nicht nur deskriptiv auf eine integrative Sichtweise des Ist-Zustands der ökologischen, ökonomischen und sozialen Dimension beschränken lässt, schließt sie auch den Soll-Zustand ein. Das bedeutet das Vermitteln von Werten, das Forschen nach den Ursachen (z.B. von ökologisch negativen Auswirkungen produktionsbedingter Abläufe), und vor allem das Prospektive, im Sinne von zukünftigen Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, bzw. das Zuweisen und Abstecken von Verantwortungsbereichen (Vgl. Michelsen/Godemann 2005:20). Eine aktive Teilhabe an der Nachhaltigkeitskommunikation (als Akteur innerhalb von Gesellschaftssystemen wie Justiz, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft) bringt damit unausweichlich eine Einflussmacht auf den Nachhaltigkeitsdiskurs mit sich, durch welche der konzeptuelle Deutungsraum einer >Nachhaltigen (ökologischen, ökonomischen und sozialen) Entwicklung< verschiedentlich ausgestaltet werden, bzw. dieser diskursiv ko-konstruiert werden kann. Dies „hängt [...] vom gesellschaftlichen Status der Akteure ab, ob diese im Diskurs Gehör
  • 30. 27 finden und ihre Äußerungen [zu Themen der >Nachhaltigen Entwicklung<] Einfluss ausüben können“ (Glausch 2017: 156). Schaubild 6 zeigt überblickshaft jene Ak- teure als Diskurs- teilnehmer, die am Ver- ständigungsprozess zur >Nachhaltigen Entwi- cklung<, d.h. am Nachhal- tigkeitsdiskurs, beteiligt sind. Die breiten zum Zentrum ausgerichteten Pfeile stellen jenen diskursiven Einfluss dar, die blauen nach außen deuten den diskursiven Einfluss eines sich stetig wandelnden Konzepts des >Nachhaltigen Entwicklung< auf die Diskursteilnehmer und das allgemeine diskursive Wissen über dieses Konzept an. Alle Teilnehmer sind miteinander verbunden und befinden sich ebenfalls im ständigen Austausch (grauer Kreis in der Mitte). 1.4.2 Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation Eines der Untersuchungsinteressen der vorliegenden Arbeit liegt in der diskurslinguistischen Aufdeckung des in 1.4.1 angesprochenen unternehmensseitigen inhaltlichen diskursiven Einflusses (obiger Kreis in Schaubild 6; „Wirtschaft/Industrie“ mit breitem Pfeil) durch VW und RWE auf die konzeptuelle Ko-Konstruktion einer >Nachhaltigen ökologischen Entwicklung< (im ökonomischen Interesse des jeweiligen Unternehmens). Dieser Einfluss geschieht durch die unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation mithilfe von Nachhaltigkeitsberichten. Da sie ein Teil von Unternehmenskommunikation ist, wird zuerst auf letztere eingegangen und diese in ihren Grundzügen vorgestellt. Zerfaß (2010) definiert Unternehmenskommunikation als
  • 31. 28 „alle kommunikativen Handlungen von Organisationsmitgliedern, mit denen ein Beitrag zur Aufgabendefinition und - erfüllung in gewinnorientierten Wirtschaftseinheiten geleistet wird“ (Zerfaß 2010: 287). Um die Übersicht wie in Schaubild 6 zu erlangen und die kontextuellen Rahmenbedingungen, in welchen sich Unternehmens- kommunikation vollzieht, zu verstehen, muss hier auch auf die Definition von Mast (2012) miteinbezogen werden: „[Unternehmenskommunikation ist ein] Teil der Organisations- kommunikation, d[ie] sich auf die Kommunikationsprozesse zwischen den Unternehmen und ihren internen bzw. externen Umwelten bezieht“ (Mast 2012: 12). In Schaubild 7 wird Unternehmenskommunikation in Anlehnung an Zerfaß in „Organisationskommunikation, Marktkommunikation und Public Relations [d.h. Öffentlichkeitsarbeit]“ (Zerfaß 2010: 289) untergliedert. Diese drei Teilbereiche, in welchen sich solche bei Mast erwähnten Kommunikationsprozesse zwischen Unternehmen und ihren Umwelten abspielen, können nach ihrer Kommunikationsausrichtung (intern oder extern), den Anspruchsgruppen und nach dem primären kommunikativen Zweck beschrieben werden.
  • 32. 29 Glausch (2017) listet eine Vielzahl von kommunikativen Ansprüchen seitens der Anspruchsgruppen an Unternehmen/Organisationen auf, die die Notwendigkeit einer unternehmensseitigen kommunikativen Beziehungspflege in den drei Teilbereichen verdeutlicht: • KundInnen erwarten Produkte bzw. Dienstleistungen, die ihren Bedürfnissen entsprechen und der geschäftliche Erfolg eines Unternehmens ist abhängig von der Nachfrage nach den angebotenen Produkten bzw. Dienstleistungen und dem tatsächlichen Absatzvolumen; • Zulieferer verkaufen ihre Produkte bzw. Dienstleistungen an das Unternehmen, das in dieser Konstellation die Rolle der KundInnen – teils als Endverbraucher, teils als weiterverarbeitende Instanz – einnimmt; • Medien sind Kommunikationsmittler zwischen Unternehmen und weiteren korporativen Bezugsgruppen; Medien wie Presse, Fernsehen und Rundfunk nutzen Informationen vom und über das Unternehmen als Inhalte für ihre deskriptive oder bewertend-kritische Berichterstattung, während das Unternehmen die Medien als Multiplikatoren für die eigenen Kommunikationsabsichten braucht; • MitarbeiterInnen bestreiten in der Regel mit der Vergütung ihrer Tätigkeit beim Unternehmen ihren Lebensunterhalt, dahingegen ist für Unternehmen deren Arbeitskraft eine der wichtigsten Komponenten für den Geschäftserfolg, so dass der Arbeitsmarkt ein tragendes Bezugsfeld von Unternehmen ist; • Regierungen (bzw. Parlamente als Gesetzgebungsinstanz) gestalten die rechtlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer die Unternehmen agieren, mit; • Behörden haben unter anderem die Aufgabe, das Unternehmen in Bezug auf die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen zu kontrollieren (z.B. Finanzamt, Aufsichtsämter) und Genehmigungen zu vergeben, auf die das Unternehmen für die Geschäftstätigkeit angewiesen ist (z.B. Lizenzen, Konzessionen); • spezielle Interessen- und Umweltgruppen können auf ein Unternehmen Macht ausüben und zwar durch Kommunikationshandlungen, die den Ruf des Unternehmens beeinträchtigen oder stärken (z.B. themenbezogen organisierte Verbände für den Umweltschutz oder Verbraucherschutz); andere institutionalisierte Gruppen wie z.B. Gewerkschaften vertreten die Interessen einer bestimmten Personengruppe gegenüber dem Unternehmen; • lokale Organisationen können die Reputation des Unternehmens beeinflussen, wenn sie zum Beispiel auf vom Unternehmen zu verantwortende Probleme oder Unterstützungen vor Ort aufmerksam machen (z.B. Umweltverschmutzung oder Spenden)“ (Glausch 2017: 82f.; Hervorheb. M.M.).
  • 33. 30 Um das normative Moment des Konzepts >Nachhaltige Entwicklung< nicht zu vernachlässigen, kann als ein Ausgangspunkt zur Definition von unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation wiederum Ziemanns allgemeine Definition von Nachhaltigkeitskommunikation als „[…] ein weltgesellschaftlicher (massenmedial begleiteter) Prozess, der aus der rekursiven Anordnung von Beiträgen und Argumenten zum Thema besseren Lebens in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht besteht“ (Ziemann 2005: 124) dienen. Auf dieser Basis und Kombination mit den in 1.4.2 angesprochenen Aspekten, welche Unternehmens- kommunikation ausmachen, lässt sich folglich die unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation vorwiegend in der nach außen, also extern gerichteten Öffentlichkeitsarbeit verorten. Für die vorliegende Arbeit bietet sich deshalb Glauschs umfassende Definition von unternehmerischer Nachhaltigkeitskommunikation an, da sie sich auf Bruggers wichtige definitorische Vorarbeiten stützt (Brugger 2010: 3f.) und zugleich den Ansatz von Zerfaß integriert (Zerfaß 2010: 287f.): Unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation umfasst alle kommunikativen Handlungen einer gewinnorientierten Wirtschaftseinheit in der internen und externen Kommunikation über die im Zuge ihrer Geschäftstätigkeit erfolgende Wahrnehmung und Ausübung ihrer eigenen Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung sowie über ökologische, soziale und ökonomische Zusammenhänge und ihre Interdependenzen im Kontext der Nachhaltigkeit. In der Nachhaltigkeitskommunikation sollten Unternehmen ihren Anspruchs- gruppen und der Öffentlichkeit Rechenschaft darüber ablegen, wie sie ihre Geschäftstätigkeit auf nachhaltige Entwicklung ausrichten (Glausch 2017: 187, Hervorheb. M.M.). Daraus kann man ableiten, dass Unternehmen sich und ihre Geschäftstätigkeit, ihre Daseinsberechtigung, immer wieder neu und vor allem durch die oben genannten gesellschaftlichen Anspruchsgruppen bzw. Stakeholder17 legitimieren müssen. Um wirtschaftlich negative Auswirkungen vorzubeugen, sind Unternehmen dazu angehalten, auch durch ihre Nachhaltigkeitskommunikation proaktiv, u.a. im Rahmen des 17 Zur Definition von Stakeholder kann auf Mast (2012) verwiesen werden: „Stakeholder (Anspruchsgruppen) sind diejenigen Menschen, die von Entscheidungen eines Unternehmens betroffen sind oder mit ihrem Handeln selbst die Aktionen einer Firma beeinflussen können“ (Mast 2012: 116).
  • 34. 31 „Risikomanagement[s]“ (Brugger 2010: 27), Zustimmung für das unternehmerische Handeln zu generieren (Vgl. Brugger 2010: 25). Unternehmen sind „darauf angewiesen, ihr Handeln öffentlich verständlich zu machen, um so eine ,Licence to operate‘ zu erhalten“ (Prexl 2010: 216; Vgl. Glausch 2017: 175). Brugger (2010) stellt einen Bezug zum unternehmerischen Handeln im Kontext einer >Nachhaltigen Entwicklung< her, denn Unternehmen, die die jeweils spezifischen Ansprüche ihrer [Anspruchsgruppen] hinsichtlich [der] drei Aspekte [der >Nachhaltigen Entwicklung<: Ökonomie, Ökologie, Soziales] und ihrer Gewichtung nicht hinreichend beachten, müssen immer mehr auch mit wirtschaftlichen Problemen rechnen. Vor allem deshalb, weil Unternehmen im Zeichen abnehmender Bedeutung bloß staatlich-legaler Anerkennung verstärkt auf die Legitimierung durch die Bevölkerung angewiesen sind, welche gerade solche Legitimation nur an vertrauenswürdige und im Sinne ihrer Ansprüche handelnde Unternehmen vergibt (Brugger 2010: 72). Diese Erlangung gesellschaftlicher Legitimation in einem zunehmend stärker geführten gesellschaftspolitischen Diskurs zur >Nachhaltigen Entwicklung< kann im hohen Maße gefördert werden durch die Anwendung des für die Öffentlichkeitsarbeit essentiellen Ansatzes der symmetrischen Kommunikation, [in welcher] die Organisation die Teilöffentlichkeiten [u.a. die oben erwähnten Anspruchsgruppen] als gleichberechtigte Kommunikationspartner [ansieht]. Sie versucht, Veränderungen zum wechselseitigen Vorteil der Organisation und der Zielgruppen zu bewirken, indem sie Verhandlungs-, und Konfliktlösungsstrategien einsetzt. […] Ziel ist gegenseitiges dialogisches Verstehen (Prexl 2010: 241). Durch diesen Ansatz, der auch in der unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation vorherrscht, können Meinung[en] und Einschätzung[en] zur Arbeitsweise des Unternehmens in Bezug auf nachhaltige Entwicklung [eingeholt werden]. Der potentielle Nutzen auf Unternehmensseite liegt darüber hinaus darin, ein besseres Verständnis für die Positionen und mögliche Kritik seitens der Anspruchsgruppen zu gewinnen, ein Gespür für konfliktbehaftete Themen zu entwickeln und vom Fachwissen der Bezugsgruppen nützliche Erkenntnisse zu erlangen [...]. Auf dieser Basis kann das Unternehmen einerseits eigene Schwachstellen identifizieren und konstruktiv beseitigen und andererseits positive Rückmeldungen über bereits gelungene Maßnahmen erhalten (Glausch 2017:174).
  • 35. 32 Es ist davon auszugehen, dass innerhalb dieser symmetrisch intendierten unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation zwischen Unternehmen und ihren Stakeholdern als „gleichberechtigte Kommunikationspartner“ (Prexl 2010: 241) erstere nicht nur reaktiv und ausschließlich die Meinungen und Einschätzungen von den Letzteren einholen. Als ein primäres Motiv versuchen Unternehmen je nach Branche auch persuasiv auf jene Meinungen ihrer Anspruchsgruppen und auf im Verständigungsprozess wandelbare Konzepte wie die >Nachhaltige Entwicklung< durch eine positive Selbstdarstellung einzuwirken, um, im besten Fall vorausschauend, Anschlussfähigkeit für ihre eigenen unternehmerischen Vorstellungen und somit für das, was sie als eine >Nachhaltige (ökologische, soziale oder ökonomische) Entwicklung< (in ihrem, ökonomischen Interesse) angesehen haben wollen, zu erzeugen. Um mit Glausch zu argumentieren, beabsichtigt […] [d]as Unternehmen […], sich mit der Darstellung der eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten zu profilieren und verspricht sich davon einen Reputations- und Vertrauensgewinn in der Öffentlichkeit. […] [Nachhaltigkeitskommunikation] soll dem proaktiven Umgang mit ökologischen und sozialen Risiken im Sinne eines erweiterten Risikomanagements dienen (Glausch 2017: 168, Hervorheb. M.M.). Nicht zuletzt aus diesen Gründen weist, linguistisch betrachtet, der zyklisch veröffentlichte sogenannte Nachhaltigkeitsbericht als „Konglomerat verschiedener Einzeltextsorten“ (Glausch 2017: 203), der aus der unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung (die Teil der Nachhaltigkeitskommunikation ist) und als Produkt jener Dialoge mit Stakeholdern entsteht, komplexe Textfunktionen auf. Im Lichte des erkenntnistheoretischen Interesses die (branchenspezifischen) Positionierungen von VW und RWE als ökologisch nachhaltig handelnde Unternehmen in ihren unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichten diskurslinguistisch zu analysieren, erscheint es deshalb lohnend jene kurz vorzustellen. Mit Verweis auf die Textfunktionen bei Brinker (2005) verknüpft Glausch in ihrer Analyse umfassend die Textfunktionen von Nachhaltigkeitsberichten u.a. mit den oben angesprochenen kontextuell-kommunikativen Rahmenbedingungen, in welchen sich unternehmerische Nachhaltigkeitskommunikation vollzieht:
  • 36. 33 • Die Selbstdarstellung der Unternehmen dient indirekt dazu, die gesellschaftliche Akzeptanz zu sichern und damit die eigene gesellschaftliche ‚license to operate‘ aufrecht zu erhalten. Mit der Nachhaltigkeitskommunikation ist daher eine appellative Funktion verbunden. Diese kommt bei den Texten dadurch zum Ausdruck, dass mit der Verbreitung der Texte bei den Zielgruppen Vertrauen geschaffen und die Reputation des Unternehmens gestärkt werden soll. • Die Kontaktfunktion zur Pflege der Beziehungen mit Anspruchsgruppen wird bei der Nachhaltigkeitskommunikation in besonderem Maße erwartet, denn Dialogbereitschaft und Transparenz gehören zu den gesellschaftlichen Ansprüchen an das Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen. Über entsprechende Texte versuchen die Unternehmen, den Informationsanspruch der Bezugsgruppen zu erfüllen. Darüber hinaus werden Kontaktdaten zu AnsprechpartnerInnen im Unternehmen bereitgestellt und teilweise wird der direkte Kontakt zu Stakeholdern gesucht. […] • Der Terminus ‚Bericht‘ des Nachhaltigkeitsberichts selbst indiziert eine informative Textfunktion. Die Unternehmen berichten über vergangene Tätigkeiten und geben einen Ausblick auf geplante zukünftige Aktivitäten. Anhand bestimmter Indikatoren zeigen die Unternehmen ihren Entwicklungsstand zum Beispiel in Bezug auf Angaben zur Belegschaft und ihren Ressourcenverbrauch. Auch andere Textsorten wie die Nachhaltigkeitsrubrik der Website beinhalten berichtend-informierende Teile. […] (Glausch 2017: 203f., Hervorheb. M.M.) Abhängig von der Branche, in welchem ein Unternehmen tätig ist, und den Auswirkungen seiner Geschäftstätigkeit auf seine Stakeholder, ergeben sich schließlich unterschiedlich gelagerte kommunikative Ansprüche und damit eine unterschiedliche Relevanz für die Nachhaltigkeitskommunikation der ökologischen Dimension. Diese Relevanz mithilfe einer Umfeldanalyse zu ergründen, schafft für die Anliegen dieser Arbeit den analytischen Mehrwert, ausdrucksseitig auffällige Stellen in den Nachhaltigkeitsberichten von VW und RWE besser aufzuspüren, welche indirekt oder direkt das handlungsleitende Konzept >Öko-Effizienz< (s. Kapitel 1.3.4.5.2) evozieren. Beide Unternehmen versuchen durch dieses Konzept, wie in Kapitel 1.4.1 in Schaubild 6 dargestellt, die im Verständigungsprozess verortbare >Nachhaltige ökologische Entwicklung< (in ihrem ökonomischen Interesse) zu ko- konstruieren und damit gleichzeitig auch ihr unternehmerisches Dasein zu legitimieren.
  • 37. 34 Durch die Umfeldanalyse können dadurch weitere für die unternehmerische ökologische Nachhaltigkeitskommunikation branchen- spezifisch relevante Themen entdeckt werden, in welchen diese sprachliche Rekurrenz systematisch stattfindet. Im letzten Unterkapitel erfolgen deshalb grobe Umfeldanalysen für die Automobilbranche (VW) und die Energieversorgerbranche (RWE). 1.4.3 Die Relevanz der ökologischen Dimension für die Nachhaltigkeitskommunikation der Automobil- und Energieversorgerbranche Hutter (2012) legt anschaulich die Bedeutung der ökologischen Dimension für die Automobilindustrie und deren Nachhaltigkeits- kommunikation dar: Die ökologische Dimension der [>Nachhaltigen Entwicklung<] in der Automobilindustrie ist hauptsächlich an den Themen ,Ressourcen- verbrauch‘ und ,Emissionen‘ festzumachen. Die Verknappung von Ressourcen wird, und dies nicht nur in der Automobilbranche, mittel- bis langfristig zu einer Neuausrichtung vieler Industrien führen. Daher spielen in der Automobilindustrie der Wandel des Klimas und die Gefährdung von Ressourcen eine zentrale Rolle. Auch wenn der Verkehr im Vergleich zu anderen Emittentengruppen (z.B. private Haushalte) nicht mehr schädliche Treibhausgase verursacht, so spielt er in der subjektiven Wahrnehmung der Gesellschaft als Verursacher für den Klimawandel eine größere Rolle als andere Sektoren. Besonders Fahrzeugmodelle mit einem vergleichsweise hohen Ausstoß an Gramm CO2/km rücken in den Fokus der Betrachtungen, und die Akzeptanz für entsprechende Modelle in der Gesellschaft nimmt ab. Gleichzeitig wird der Ruf nach sparsamen Antriebskonzepten lauter (Hutter 2012: 65f, Hervorheb. M.M.). Aufgrund dieser Feststellungen, ist es in der unternehmerischen ökologischen Nachhaltigkeitskommunikation eines Automobilherstellers wie VW demnach erwartbar, dass in den Nachhaltigkeitsberichten Textstellen mit appellativer und informativer Textfunktion vorkommen, die u.a. subjektiv-negative Wahrnehmungen („Verursacher für den Klimawandel“ (Hutter 2012: 65)) bei den Anspruchsgruppen zugunsten einer positiv(er)en Einstellung gegenüber dem Unternehmen für dessen gesellschaftliche Legitimation wandeln sollen. Da, wie bereits erwähnt, „[i]n der Nachhaltigkeitskommunikation […] Unternehmen ihren Anspruchsgruppen und der Öffentlichkeit Rechenschaft
  • 38. 35 darüber ablegen [sollten], wie sie ihre Geschäftstätigkeit auf eine nachhaltige [ökologische] Entwicklung ausrichten“ (Glausch 2017: 187), spielt für die Automobilindustrie das Management und die Kommunikation von Themen und Sachverhalten rund um ökologisch nachhaltigere Antriebstechniken wie ELEKTROMOBILITÄT, ein produktionsbedingter ökologisch nachhaltigerer RESSOURCENUMGANG bzw. die EMISSIONSREDUKTION (vor allem in der automobilen Nutzungsphase) eine zentrale Rolle. Insbesondere seit der Nuklearkatastrophe von Fukushima 2011 und dem darauffolgenden politisch endgültig besiegelten Ausstieg aus der Energiegewinnung durch Atomkraft, befindet sich hingegen die Energieversorgerbranche in einer großen Neuorientierungsphase, sowohl was die strategische Ausrichtung im geschäftlichen als auch im kommunikativen Sinne angeht. Durch das steigende Interesse der Stakeholder an Themen und Sachverhalten wie ENERGIEWENDE, (AUSBAU) ERNEUERBARE(R) ENERGIEN, die auch zusätzlich befördert werden durch den prominenten Diskurs zum KLIMAWANDEL und sich gleichsam innerhalb dessen individuell weiterentwickeln, stehen (v.a. größere) Energieversorger wie RWE unter einem erhöhten Druck ihr unternehmerisches Handeln bei den Anspruchsgruppen zu legitimieren. Sie müssen ihre Geschäftstätigkeit größtenteils komplett neu ausrichten, da die bisherige konventionelle Energiegewinnung aus Atomkraft und Kohle meinungsmäßig im ökologischen Nachhaltigkeits- diskurs nicht mehr anschlussfähig ist. Als einer der weltweiten Hauptemittenten klimaschädlicher Treibhausgase wie CO2 hat auch hier, erwartbar, die Kommunikation von Themen und Sachverhalten wie KLIMASCHUTZ, EMISSIONSREDUKTION oder ENERGIESPAREN mithilfe diverser Dienstleistungen eine hervorgehobene Relevanz. Um in der erwähnten Neuorientierungsphase Anspruchsgruppen zu überzeugen, und letztlich am Energiemarkt zu bestehen, wird von der Branche in ihrer unternehmerischen Nachhaltigkeitskommunikation gefordert gegenüber der ENERGIEWENDE Stellung zu beziehen, sei es
  • 39. 36 mittels einer Positionierung als >Partner< oder gar als >Wegbereiter< der ENERGIEWENDE. 2 Methodik: LDA – Linguistische Diskursanalyse 2.1 Semiotische Vorannahmen: Zugang zur Wirklichkeit über Sprachzeichen Da „[a]ußerhalb unserer Primärerfahrungen […] uns die Welt als eine vertextete [begegnet]“ (Felder 2012: 116), soll für die spätere diskurs- linguistische Analyse einleitend, als semiotische Vorannahmen, eine Verständnisbasis für das Verhältnis von Sprache und Sprachzeichen zur Wirklichkeit und zur Konstruktion von Wirklichkeit gelegt werden. Burel (2015) erläutert dies folgendermaßen: Die Mehrzahl unserer Wahrnehmungen, unserer Erfahrungen und unseres Wissens erreicht uns in Form von Sprachzeichen. Daher kann sich das Subjekt nicht an die Dinge per se (hinter der Sprachfolie) annähern – nur durch Sprachzeichen auf diese verweisen. […] Demnach lässt sich durch das Zeichensystem der Sprache die Wirklichkeit erfassen, indem mittels Zeichen auf diese referiert wird. Das OBJEKT, auf welches mittels Sprache referiert wird, wird dabei als Referenzobjekt bezeichnet und befindet sich auf der ontischen Ebene, beispielsweise AKTEURE (VORSTAND, MITARBEITER, ÖFFENTLICHKEIT), DISKURSBEREICHE (WIRT- SCHAFT, POLITIK, RECHT), ORTE oder HANDLUNGEN. Wird ein Text rezipiert, nimmt der Leser das sprachliche Zeichen folglich wahr und ordnet es einem Referenten (Referenzobjekt) zu (Burel 2015: 32f.). Das daraus resultierende triadische Zeichenrelationsmodell wirkt für die Beantwortung der Forschungsfragen in dieser Arbeit erkenntnisleitend. Erst in einer weiteren theoretischen Verzahnung mit einem von Foucault poststrukturalistisch inspirierten Diskursbegriff, die im nächsten Abschnitt erfolgt, kann dieses Zeichenmodell in Abschnitt 2.3. zusammen mit der „pragma-semiotischen Textarbeit“ (Felder 2012, Felder 2013) präzisiert und anhand von Beispielen letztlich besser verstanden werden. 2.2 Diskursbegriff in Anlehnung an Foucault Vor der eigentlichen diskurslinguistischen (empirischen) Analyse der Positionierung von VW und RWE als ökologisch nachhaltig handelnde Unternehmen im ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurs, stellt neben der im vorigen Abschnitt erfolgten Offenlegung der semiotischen Vorannahmen auch die Klärung des in dieser Arbeit zu Grunde liegenden Diskursbegriffs
  • 40. 37 für die methodische Verankerung einen essentiellen Teil dar. Laut Spitzmüller/Warnke (2011) können Foucaults Arbeiten zum Diskursbegriff trotz ihrer vagen linguistischen Konkretheit als „erkenntnistheoretischer Ausgangspunkt und auch als Inspiration“ (Spitzmüller/Warnke 2011: 77) für eine Diskursanalyse linguistischer Art gelten. In dieser Arbeit reicht es aus, seine Thesen kurz in ihren Grundzügen zu vermitteln, mit derer darüber hinaus eine solide analytisch-theoretische Brücke zum analytisch- praktischen Ansatz der „pragma-semiotischen Textarbeit“ (Felder 2012, Felder 2013), nachfolgend diskutiert in 2.3, geschlagen werden kann. Im Rückblick an die situationellen, branchenspezifischen Umfeldanalysen zur thematischen Relevanz der ökologischen Dimension für die Nachhaltigkeitskommunikation bei VW und RWE, welche in 1.4.3 gemacht wurden, erweist sich zuvorderst die nachstehende Foucault’sche These als bedeutsam: Die fundamentalen Codes einer Kultur, die ihre Sprache, ihre Wahrnehmungsschemata, ihren Austausch, ihre Techniken, ihre Werte, die Hierarchie ihrer Praktiken beherrschen, fixieren gleich zu Anfang für jeden Menschen die empirischen Ordnungen, mit denen er zu tun haben und in denen er sich wiederfinden wird (Foucault 1974: 22). Burel (2015) interpretiert seine These in dieser Weise: Erkenntnis und Wissen sind nicht unabhängig von der gesellschaftlichen, kulturellen und historischen Situation des erkennenden Subjekts, sondern sind Produkte ihrer Zeit – also steht im Zentrum der Erkenntnis nicht das erkennende Subjekt und sein freier Wille, sondern dessen zeitliche Befindlichkeit sowie kulturelle Eingebundenheit (vgl. Foucault 1974, 22) (Burel 2015: 84). Konkret sind demnach Unternehmen in ihrer ökologischen Nachhaltigkeitskommunikation a priori an mehr kontextuelle Bedingungen gebunden als ausschließlich solche, die bereits in den in 1.4.2 angeführten kommunikativen Ansprüchen durch die Stakeholder begründet liegen. Das vor den Anspruchsgruppen zu legitimierende unternehmerische Handeln und Wissen ist immer eingebettet in und nie kontextunabhängig von z.B. historischen Gegebenheiten wie dem KLIMAWANDEL und der ENERGIEWENDE zu betrachten. Weiter führt Burel (2015) über Foucault aus:
  • 41. 38 Umstände und Bedingungen, die Denken und Handeln der Subjekte disponieren, unter denen sich Wissen zeit-kulturspezifisch konstituiert, [sind] [nach Foucault] jedoch nicht chaotisch, sondern systematisch geordnet. Dieses Wissen sowie dessen strukturelle Beziehungen, die Wissen konstituieren, will Foucault in einer Diskursanalyse aufdecken (vgl. Foucault 1974, 15) […] (Burel 2015: 84f.; Hervorheb. M.M.). Daraus speist sich eine weitere theoretische Vorannahme dieser Arbeit: Das von Unternehmen zu Legitimationszwecken ihrer unternehmerischen Existenz in der Nachhaltigkeitskommunikation entwickelte Wissen darüber, was als eine ökologische nachhaltige Wirtschaftsweise gelten soll, ist ebenfalls „systematisch geordnet“ (Burel 2015: 84) und will in dieser Arbeit aufgedeckt werden. Zur Sichtbarmachung solcher systematischen Ordnungen, welchen Diskursen inhärent scheinen, und der darin wirkenden diskursiv-formenden Regeln, welche jene aufbauen, kann auch die Vorstellung der Foucault’schen vier Diskursanalyseaschritte für die Arbeit von hervorgehobener theoretischer Relevanz sein. Burel (2015) fasst diese Schritte wie folgt zusammen: Ereignis (Gegenstand), Serie (Ansammlung von Ereignissen), Regelhaftigkeit (Muster zwischen den Serien) und Möglichkeitsbedingung (Warum steht genau diese Aussage zu diesem Zeitpunkt und keine andere an ihrer Stelle?) (Burel 2015: 85f.). Fraas/Meier-Schuegraf (2004) stellen dar, wie diese Schritte miteinander verflochten sind und sich gegenseitig bedingen: Wenn ein epistemisches Element (enoncé) in einer diskursiven Umgebung, also in einer Äußerung spontan und unvorhergesehen auftritt, erscheint es als ,Ereignis‘. Wenn solche Ereignisse häufiger auftreten und damit zu Keimzellen diskursiver Formationen werden, bilden sich ‚Serien ‘. Durch die Verdichtung von Serien diskursiver Ereignisse etablieren sich neue diskursive Strukturen und bilden so ‚Regelhaftigkeit ‘. Etablierte diskursive Formationen wirken als ‚Möglichkeitsbedingungen‘ prägend auf zukünftige diskursive Ereignisse, steuern also Erwartbarkeitszwänge oder -ausschlüsse für künftige Äußerungen (Fraas/Meier-Schuegraf 2004: 2; Hervorheb. M.M.). Diskurse in der Auffassung Foucaults „[…] sind [also] Formationssysteme von Wissen, die Ausschließungs- und Produktionsbedingungen für Äußerungen steuern“ (Fraas/Meier-Schuegraf 2004: 2).
  • 42. 39 Insofern kann festgehalten werden, dass der Sprache in Form von Äußerungen im Diskursbegriffsgerüst Foucaults eine große Gewichtung zukommt. Inwiefern seine Idee der vier Schritte einer Diskursanalyse als theoretischer Kern für die „pragma-semiotische Textarbeit“ (Felder 2012; Felder 2013) dient, wird in Punkt 2.3 konkretisiert. In Verbindung mit den in Abschnitt 2.1 dargestellten semiotischen Vorannahmen und der Frage nach Deutungsmacht im Foucault’schen Sinne durch Unternehmen in Diskursen wie dem ökologischen Nachhaltigkeitsdiskurs, muss nach Felder (2013) zudem konstatiert werden: Wer auf die Welt mit Sprache zugreift und damit Sachverhalte schafft, wirkt unvermeidlich bereits durch die Auswahl spezifischer sprachlicher Mittel deutend auf sie ein. Der Sprachgebrauch prägt die Gestalt des Sachverhalts, der somit erst sprachlich konstituiert wird und nicht etwa sprachunabhängig bzw. außersprachlich schon gegeben ist. Für öffentliche, aber auch für fachkommunikative Debatten [inklusive jenem um ein UNTERNEHMERISCHES ÖKOLOGISCH NACHHALTIGES HANDELN] kann pointiert formuliert werden: Wer eine bestimmte Ausdrucks- und Bezeichnungsweise in Diskursen durchsetzen kann oder Bedeutungskomponenten eines gängigen Ausdrucks zu prägen vermag, der hat sehr oft die Deutungshoheit über den entsprechenden Sachverhalt erlangt (Felder 2013: 168). Aus den bisher offengelegten theoretischen Aspekte der vorigen Kapitel und in enger Anlehnung an Burels Diskursbegriff (Burel 2015: 94) wird für die Anliegen dieser Arbeit daher ein individueller Diskursbegriff festgesetzt: Der Diskurs um ökologische Nachhaltigkeit und ökologisch nachhaltiges unternehmerisches Handeln wird als eine Menge von Aussagen sprachlicher Zeichen verstanden, die sich in themenkohärenten Texten materiell manifestieren und verdichten. Serielle Elemente der Sprache (sprachliche Muster) in den Texten (in welchen die ökologische Dimension kommuniziert wird), weisen auf das zu Grunde liegende kollektive Wissen der Akteure (Unternehmen) über das handlungsleitende Konzept >Öko- Effizienz< hin, welches sich zum Zweck der Positionierung der Unternehmen als ökologisch nachhaltig handelnde Unternehmen und ihrer gesellschaftlichen Legimitierung bzw. zum/r Reputationserhalt/-steigerung sprach-textlich verfestigt und ein ex post modelliertes monologisches Aussagearrangement abbildet.
  • 43. 40 2.3 Pragma-semiotische Textarbeit Nachfolgend soll der diskurslinguistische Ansatz der „pragma- semiotischen Textarbeit“ (Felder 2012, Felder 2013), dessen hauptsächlich-initiale methodologische Vorgehensschritte in der Analysearbeit zum Tragen kommen, vorgestellt werden. Dies geschieht unter Einbeziehung der in 2.1 und 2.2 erwähnten theoretischen Prämissen. Zunächst muss jedoch das semiotisch-triadische Zeichenrelationsmodell exemplifiziert werden, welches erkenntnisleitend für die Analyse in Kapitel 4 ist. Schaubild 8 zeigt ein solches und wurde mit zwei konkreten Beispielen aus dem VW-Korpus versehen, das der ersten konzeptuell-prägenden Diskurskomponente des Konzepts >Öko-Effizienz< entstammt: Umweltbeeinträchtigung und Energieverbrauch. Aus forschungspraktischen Überlegungen werden auf der Ausdrucksseite im Korpus auftretende Lexemverbände um *umwelt*, *klima*, *ressource*, *energie*, *öko*, *CO2-* als in semantisch- hyponymischer Relation zum hyperonymischen Sachverhalt UMWELT und dessen Sachverhaltsperspektivierung stehend verstanden:
  • 44. 41 Im Wesentlichen lehnt sich das oben abgebildete semiotische Dreieck an das von Odgen/Richards (1974) an, integriert die notwendigen Modifikationen durch Felder (Felder 2013: 176f.), welcher „[…] das semiotische Dreieck gleichfalls für die linguistische Diskursanalyse [operationalisiert], indem er die Zeichenseite mit konkreten Ausdrucksebenen (Lexeme, Syntagmen etc.) versieht und die Referenten sowohl als dinghafte Objekte als auch Sachverhalte (AKTEUR, EREIGNIS etc.) begreift“ (Burel 2015: 34), und schließlich lehnt es sich an Burels Auslegung (Burel 2015: 35, Abbildung 2) an, die die diachrone Ebene ablöst, da, wie näher in Kapitel 3 erläutert, im Fokus eine synchrone Diskursanalyse der POSITONIERUNG ALS ÖKOLOGISCH NACHHALTIG HANDELNDES UNTERNEHMEN über das handlungsleitende Konzept >Öko-Effizienz< steht. Felder (2012) beschreibt die Attribute der „pragma-semiotischen Textarbeit“ wie folgt: Das Attribut pragmatisch betont die Sprachhandlungsebene, wie sie in den fünf bekannten Oberklassen […] kategorisiert wird und die […] einerseits aus der Perspektive des Textproduzenten […] gesehen wird. Darüber hinaus soll die vertextete Sprache aus dem Blickwinkel der Diskursakteure untersucht werden, die auf der Basis von Textsortenroutinen im Medium Sprache handeln (Felder 2012: 129). Mit der Beschreibung des zweiten Attributs sei an Kapitel 2.1 erinnert: Das Attribut semiotisch in der Bezeichnung pragma-semiotische Textarbeit bezieht sich auf die vertextete Sprache als Erkennungs- und Perspektivierungsmedium (Felder 2012: 127). Burel (2015) fasst in Bezug auf Felder (2012) das Anliegen des Ansatzes demzufolge prägnant zusammen: Die pragma-semiotische Textarbeit ‚setzt sich das Transparent-Machen der Form-Inhalts-Beziehungen zur Verdeutlichung sprachlich gebundener Perspektiven zum Ziel‘ (Felder 2012, 165). Sie untersucht damit, wie die Perspektivierung eines thematisierten Referenzobjekts bzw. Sachverhalts durch die Auswahl an sprachlichen Mitteln geprägt wird (vgl. Felder 2013, 22f.). […] Felder unterscheidet in seinem Modell [dem der pragma- semiotischen Textarbeit] strikt zwischen Ausdrucks- und Inhaltsseite des Zeichens, d.h. zu den […] ausdrucksseitigen Ebenen gelangt er durch eine dreifache Themenspezifikation (inhaltsseitig), die aus Themen – Subthemen – handlungsleitenden Konzepten […] besteht. Zudem unterstreicht er die induktive Kategorienbildung, d.h. es gibt wenig deduktiv vordefinierte Analyseparameter (Burel 2015: 101ff.).
  • 45. 42 Deshalb werden kurz die grundlegenden Analyseschritte des Ansatzes, wiederum exemplarisch zum besseren Verständnis, anhand der in Schaubild 8 dargestellten Sachverhaltskonstitution von UMWELTBELASTUNG durch verschiedene Ausdrücke um die genannten Lexemverbände *umwelt*, *klima*, *ressource*, *energie*, *öko*, *CO2-* besprochen. Das Untersuchungsmodell in Kapitel 2.4 schließlich vereint alle bisher erörterten forschungsrelevanten Aspekte dieser Arbeit inklusive zweier Hypothesen, mit denen sich im empirischen Kapitel 4 auseinandergesetzt wird. 2.3.1 Ausdrucksebene Der erste Analyseschritt der Aufdeckung von Konzepten, die die POSITONIERUNG ALS ÖKOLOGISCH NACHHALTIG HANDELNDES UNTERNEHMEN von VW und RWE begünstigen, setzt laut der „pragma- semiotische[n] Textarbeit“ (Felder 2012, Felder 2013) immer auf der Ausdrucksseite an. Durch eine repetitive und genaue hermeneutische Textlektüre der einzelnen Korpustexte wird nach „[s]erielle[n] Zeichen(- verkettungen) [gesucht], die […] als ausdrucksseitige Verdichtungen gelten [können], die wiederum auf die Inhaltsseite des Zeichens hindeuten und Konzepte oder Konzeptattribute evozieren“ (Burel 2015: 105). In der ersten Diskurskomponente des vermuteten handlungsleitenden Konzepts >Öko- Effizienz<, werden die sprachstrukturellen Ebenen der substantivischen Komposita und adjektivischen Komposita, die syntagmatische Ebene (Mehrworteinheiten) und Verbkonstruktionen fokussiert. In der zweiten Diskurskomponente erfolgt die Ebenenkategorienbildung noch induktiver. Es stehen solche Ausdrücke bzw. Konstruktionen auf der Satzebene im Zentrum der Aufmerksamkeit, die im Kotext von UMWELT eine bestimmte Art von >*effizienz< evozieren, insbesondere derer, welche dabei gleichsam das Konzeptattribut ‚Steigerung von Effizienz‘ als Kriterium für mehr ökologische Nachhaltigkeit hervorrufen (z.B. in einer Verbkonstruktion CO2-Emissionen reduzieren). Die insgesamt sieben Ausdrucks- und Konstruktionstypen sind in Kapitel 4 aufgelistet.
  • 46. 43 Als Beispiel kann an dieser Stelle die Sachverhaltskonstitution von UMWELTBELASTUNG in der Konzeptualisierung >Umwelt< als ,vom Unternehmen potentiell beeinträchtigte Quelle‘ angeführt werden. Hinsichtlich ausdrucksseitiger serieller Zeichenverdichtungen finden sich auf der Ebene der substantivischen Komposita sowohl im VW- als auch im RWE-Korpus demgemäß Ausdrücke wie Umweltbelastung, Volkswagen- Umweltlastenheft, Umweltentlastung, Umweltwirkungen, Umwelt- beeinträchtigung, Umweltrisiken, Ressourcenverbrauch, Ressourcen- einsatz, Energieverbrauch, Energiebedarf, Energieeinsatz, Energie- nutzung, CO2-Ausstoß, CO2-Emittent, CO2-Einzelemittent, CO2-Intensität. 2.3.2 Inhaltsebene „Im zweiten Schritt schließt der Diskursanalytiker semasiologisch mittels der ausdrucksseitigen Auffälligkeiten von der Ausdrucks- auf die Inhaltsseite und bildet Hypothesen bezüglich der thematischen Struktur des Diskurses“ (Burel 2015: 106). Hypothese 1 und 2 im Untersuchungsmodell sind induktiv durch hermeneutische Textlektüre zu überprüfen.
  • 48. 45 3 Korpus 3.1 Das Korpus als ein Diskursausschnitt: Thematische Kohärenz, mediale und zeitliche Eingrenzung Die Bildung eines kohärenten Korpus richtet sich immer nach der Auswahl von Korpustexten, die bestimmte gemeinsame thematische Merkmalen aufweisen. Dieser wichtige und der eigentlichen Diskursanalyse vorgelagerte Schritt für die Generierung eines Diskursausschnitts fußt deshalb bereits selbst auf einer subjektiven Intuition des Diskursanalytikers, welche konkreten Texte seiner Ansicht nach für eine Untersuchung geeignet sein könnten (Vgl. Busse/Teubert 1994: 14). Da kein Diskurs in seiner Gesamtheit erfasst werden kann, gilt es also alternativ jene Korpustexte für einen (repräsentativen) Diskursauschnitt „nach möglichst plausiblen, systematischen und nachvollziehbaren Kriterien aus dem Diskursuniversum [auszuwählen]“ (Burel 2015: 114). Orientierend an der übergeordneten und weitgefassten Frage- stellung dieser Arbeit Wodurch positionieren sich VW und RWE jeweils sprachlich als ökologisch nachhaltig handelndes Unternehmen innerhalb ihrer ökologischen Nachhaltigkeitskommunikation?, konnten die Korpora mit einem relativ geringen Aufwand thematisch eingrenzt werden. Als Basis der Korpuszusammenstellung dienten die jährlich erscheinenden Nachhaltigkeitsberichte, welche im pdf-Format von den Webseiten der Unternehmen heruntergeladen wurden (VW bzw. RWE). Der materielle Textzugang kann wie bei Burel (2015) so rechtfertigt werden: Da es […] um eine Diskursanalyse geht, die Diskurse als transtextuelle Strukturen begreift, werden die Korpustexte auch primär nur als medial schriftliche Texte, die aus einer Aneinanderreihung von Zeichen bestehen, behandelt (Burel 2015: 120f). Hilfreich dabei war der Umstand, dass in der Nachhaltigkeitsberichterstattung von VW und RWE (und anderer Unternehmen aus dem DAX-30 mit einer hohen Marktkapitalisierung) eine größtenteils standardisierte thematische Einteilung der Berichterstattung in Textabschnitte über die ökologische, über die ökonomische und über die soziale Dimension erfolgt.