2. Übersicht
●
Geschichte des Patentwesens
●
Begriffe
●
Organisationen und Verträge
●
Länderspezifische Unterschiede
●
Europäische Union
●
Ideen, Software, Lebewesen
●
Ausgewählte Beispiele
●
Diskussion
3. Geschichte des Patentrechts
●
Ursprung in königlichen Erlassen und
Verordnungen
●
1421: erste patentierte Erfindung in Italien
(Schiff mit Hebevorrichtung)
●
1474: erstes Patentgesetz in Venedig
●
1623: „Statute of Monopolies“ in England
●
1877: erstes deutsches Patentgesetz
●
1980: letzte Neufassung
●
Bis 2010: 15 Änderungen
4. Patentgesetz von Venedig
„Unter uns leben große und
geniale Männer, die fähig sind,
sinnreiche Vorrichtungen zu
erfinden und zu entdecken;
und mehr solcher Männer
kommen in Anbetracht der
Größe und Kraft unserer Stadt
täglich von überall her zu uns.
Wenn nun Vorsorge getroffen
würde, dass andere, die die
von diesen Männern
entdeckten Vorrichtungen und
Werke sehen, sie nicht bauen
können und dem Erfinder
seine Ehre nehmen, dann
würden mehr Männer ihre
Talente anwenden...“ (1)
5. Erstes Deutsches Patentgesetz
„Wir Wilhelm, von Gottes
Gnaden Deutscher Kaiser,
König von Preußen...
§1 Patente werden erteilt für
neue Erfindungen, welche eine
gewerbliche Verwerthung
gestatten …
§4 Das Patent hat die
Wirkung, daß niemand befugt
ist, ohne Erlaubnis des
Patentinhabers den
Gegenstand der Erfindung
gewerbsmäßig herzustellen, in
Verkehr zu bringen oder
feilzuhalten … (1)
6. Deutsches Patentgesetz §1
(1) Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der
Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen
Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind.
(2) Patente werden für Erfindungen im Sinne von Absatz 1
auch dann erteilt, wenn sie ein Erzeugnis, das aus
biologischem Material besteht oder dieses enthält, oder
wenn sie ein Verfahren, mit dem biologisches Material
hergestellt oder bearbeitet wird oder bei dem es verwendet
wird, zum Gegenstand haben. Biologisches Material, das mit
Hilfe eines technischen Verfahrens aus seiner natürlichen
Umgebung isoliert oder hergestellt wird, kann auch dann
Gegenstand einer Erfindung sein, wenn es in der Natur
schon vorhanden war.
7. Deutsches Patentgesetz §1
(3) Als Erfindungen im Sinne des Absatzes 1 werden
insbesondere nicht angesehen:
1. Entdeckungen sowie wissenschaftliche Theorien und
mathematische Methoden;
2. ästhetische Formschöpfungen;
3. Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten,
für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie
Programme für Datenverarbeitungsanlagen;
4. die Wiedergabe von Informationen. (2)
10. Begriffe: Erfindung (3)
●
Schöpferische Leistung
●
Auf technischem Gebiet
●
Problemlösung
●
Bekanntes Ziel mit neuen Mitteln
●
Die Sumerer erfinden um 4.000 vor unserer Zeitrechnung
das Rad
●
Georges des Mestral erfindet 1951 den Klettverschluss
●
Neues Ziel mit bekannten Mitteln
●
Edwin Herbert Land erfindet 1947 die Sofortbildkamera
(Polarisationsfolien kombiniert mit klassischen
Entwicklungstechniken)
11. Begriffe: Entdeckung (4)
„ist die Auffindung dessen, was schon
vorhanden, aber noch nicht bekannt war, zum
Beispiel eines neuen Landes, eines neuen
Himmelskörpers, einer neuen Tier-, Pflanzen-
oder Mineralart sowie auch neuer Tatsachen
und Gesetze auf dem Gebiet der verschiedenen
Naturwissenschaften.“
12. Begriffe: Patent (5)
●
Immaterielles Monopolrecht
●
Hoheitlich erteiltes, gewerbliches Schutzrecht
für eine Erfindung
●
Gilt grundsätzlich innerhalb nationaler Grenzen
●
Muss auf einem gewerblichen Gebiet
anwendbar sein
●
Muss eine gewisse „Erfindungshöhe“ haben
●
Darf nicht „Stand der Technik“ sein („Prior Art“)
13. Begriffe: Patent (5)
●
Gilt für 20 Jahre nach Tag der Anmeldung
●
Untersagt anderen das Benutzen der Erfindung
==> Erfindung muss gewerblich nutzbar sein
●
Ist öffentlich einsehbar
==> Ausnahme: Staatsgeheimnisse
●
Anmeldung kosten durchschnittlich 30.000 Euro
●
Deutsches Patent- und Markenamt
●
Europäische Patentamt (München)
14. Begriffe: Technizität (7)
●
Juristischer Begriff
●
Das Maß für Neuerungen basierend auf
Naturkräften
●
Naturkräfte-Wirkungszusammenhang
●
Je abstrakter ein Patentanspruch formuliert,
umso geringer ist die „Technizität“
●
BGH-Definition (1969, 1977, 1980, 2000):
"Lehre zum planmäßigen Handeln unter Einsatz
beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal
übersehbaren Erfolgs"
15. Begriffe: Erfindungshöhe (6)
●
PatG, §4 und EPÜ, Art. 56 (gleicher Wortlaut):
„Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit
beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in
naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Das Kriterium der Erfindungshöhe ist hier als objektiver
Begriff zu verstehen. Es spielt also keine Rolle, welchen
Aufwand einer Neuerung tatsächlich benötigte, oder ob sie
für den "Erfinder" subjektiv eine revolutionäre Entwicklung
darstellt.“
16. Begriffe: Prior Art (8)
●
„Stand der Technik“
●
juristischer Begriff
●
Technische Möglichkeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt
●
Basierend auf gesicherten Erkenntnissen von
Wissenschaft und Technik
●
Wirtschaftlich durchführbar
●
Wird bei Einreichen eines Patents geprüft
●
Ältere Patentanmeldungen
●
Druckschriften
●
Öffentliche Vorträge
18. Begriffe: Urheberrecht (9)
●
Gesetz über Urheberrecht und verwandte
Schutzrechte (UrhG)
●
Schützt ideelle und materielle Interessen des
Eigentümers an seinem geistigen Werk
●
Literatur, Wissenschaft, Kunst, öffentliche
Reden, Werke aus dem Computerbereich
(Software), Tanz, Pantomime, Lichtbildwerke,
Filme, etc.
●
Erlischt 70 Jahre nach Tod des Urhebers
●
Privatkopie nach deutschem Recht erlaubt
19. Begriffe: Sonstige Rechte
●
Gebrauchsmustergesetz (GebrMG) (10)
●
„kleine Bruder“ des Patentgesetzes
●
Nicht schriftlich vorbeschrieben
●
Nicht im Inland benutzt
●
Erfinderischer Schritt
●
Gesetz über den rechtlichen Schutz von
Mustern und Modellen (GeschmMG) (11)
●
Gesetz über den Schutz von Marken und
sonstigen Kennzeichen (MarkenG) (12)
●
Deutsches Patent- und Markenamt
21. PCT (13)
●
World Intellectual Property Organisation
●
Existiert seit 1967, ist seit 1974 eine Unterorganisation
der UNO
●
Ziel: Rechte an immateriellen Gütern fördern
●
„intellectual property“ = Geistiges Eigentum
●
PCT = Patent Cooperation Treaty (141 Staaten)
●
1970 eingeführt
●
Eine Patentanmeldung für alle Vertragsstaaten)
22. PCT (13)
●
PCT = Patent Cooperation Treaty (141 Staaten)
●
1970 eingeführt
●
Eine Patentanmeldung für alle Vertragsstaaten
●
EPC = European Patent Convention (37
Staaten)
●
1977 eingeführt
●
EPO = European Patent Organisation
●
EPA = Europäisches Patentamt (Organ der EPO)
23. TRIPS (14)
●
GATT = General Agreement on Tariffs and
Trade
●
Ein 1947 abgeschlossenes Zoll- und Handelsabkommen
●
WTO = World Trade Organisation
●
1995 gegründet, 153 Mitgliedsstaaten
●
Sitz in Genf
24. TRIPS (14)
●
WTO = World Trade Organisation
●
1995 gegründet, 153 Mitgliedsstaaten
●
Sitz in Genf
●
TRIPS = Trade-Related Aspects of Intellectual
Property Rights
●
Wurde 1994 dem GATT hinzugefügt
●
Patent-, Marken- und Geschmacksmusterrecht
●
Mitgliedsstaaten müssen Regelungen in nationales Recht
umwandeln
25. ACTA (15)
●
Anti-Counterfeiting Trade Agreement
●
Geplantes Handelsabkommen (2007)
●
Ziel: Verbesserung des Kampfs gegen Produktpiraterie
und Urheberrechtsverletzungen
●
USA, Kanada, die Europäische Union (EU-Kommission!),
Schweiz, Japan, Korea, Singapur, Australien, Neuseeland,
Mexiko, Jordanien, Marokko und die Vereinigten
Arabischen Emirate
●
Verhandlungen unter Ausschluss der
Öffentlichkeit!
26. Zusammenfassung
●
PCT (WIPO)
●
Vertrag über die Internationale Zusammenarbeit auf dem
Gebiet des Patentwesens
●
Regelt Anmeldeverfahren
●
TRIPS (WTO/GATT)
●
Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der
Rechte am geistigen Eigentum
●
Regelt minimale Anforderungen an nationale
Rechtssysteme
●
ACTA
●
multilaterales Handelsabkommen auf völkerrechtlicher
Ebene
28. Entwicklungsfördernd
●
Ansporn und Belohnung für Erfinder
●
Schutz vor Nachahmern
●
Das „Wissen“ bleibt im Unternehmen
●
Schutz kleinerer Unternehmen
●
Prestigegewinn
●
Marktanteile
●
Zugewinn durch Lizenzeinnahmen
●
Wertschöpfung (Bilanz)
29. Beispiele
●
Telefon (Philipp Reis, Alexander G. Bell)
●
„Aspirin“ (Bayer)
●
Mikrowellenherd (Percy Spencer)
●
Dübel (Artur Fischer)
●
Computermaus (Douglas C. Engelbart, Xerox)
●
„Post-it“ (3M)
●
Coca-Cola!
32. Rechtliche Unterschiede
●
Länderspezifische Eigenheiten (USA)
●
"processes, machines articles of manufacture, and
compositions of matter" (Verfahren, Maschine,
Vorrichtung, Stoffgemisch)
●
„new and nonobvious“ (neu und nicht naheliegend)
●
„a concrete, useful and tangible result“ (ein konkretes,
nützliches und greifbares Resultat)
●
Software
●
Geschäftsideen
●
Mathematische Algorithmen
36. Studien
●
Die deutsche Monopolkommission warnt in einem Gutachten
vom 8.Juli 2002 vor der Patentierbarkeit und Patentierung
von Softwareprodukten (18)
●
Die Deutsche Bank Research spricht sich in einem Papier
vom 22.Juni 2004 gegen Softwarepatente aus (19)
●
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag warnt in
einer Studie vom Januar 2004, daß Softwarepatente den
Wettbewerb behindern können (20)
●
Umfrage des Bundesministeriums für Wirtschaft u. Arbeit
aus dem Jahr 2004: 60% der befragten Unternehmen fühlen
sich durch SWP in ihrer Existenz bedroht (21)
38. Beispiele
●
Online-Auktionen (USA, Merc Exchange, 1995)
●
Elektronischer Einkaufswagen (USA, EP, Sun
Microsystems, 1997)
●
„1-Klick“-Patent (USA, Amazon, 1999)
●
Geschenk-Patent (USA, EP, Amazon, 2003)
●
„Bilski“-Urteil (Patent auf eine Methode zum
Ausgleich von Marktpreisschwankungsrisiken)
39. Die ganz besondere 35h Woche
●
Frankreich
●
AFUL (Association Francophone des Utilisateurs
de Linux et des logiciels libres)
●
Geschäftsmethode: Einführung der 35-
Stunden-Woche
●
http://aful.org/communiques/pr-35h.html
42. Beispiel: Algorithmus
„A system, method and computer-readable
medium support the use of a single operator
that allows a comparison of two variables to
determine if the two variables point to the
same location in memory.“ (Abstract)
43. Beispiel: Algorithmus
„A system, method and computer-readable
medium support the use of a single operator
that allows a comparison of two variables to
determine if the two variables point to the
same location in memory.“ (Abstract)
●
„IsNot“
●
Microsoft (2004)
44. Zitate
„Grundsätzlich gilt mal: Wenn er [der Programmierer] nicht
abschreibt, ist die Gefahr sehr gering, dass er fremde Rechte
verletzt. Um sicherzugehen, gibt's die übrigens kostenlose
Möglichkeit, in den Datenbanken des Patentamts nach dem
Stand der Technik zu recherchieren.“ (22)
45. Zitate
„Grundsätzlich gilt mal: Wenn er [der Programmierer] nicht
abschreibt, ist die Gefahr sehr gering, dass er fremde Rechte
verletzt. Um sicherzugehen, gibt's die übrigens kostenlose
Möglichkeit, in den Datenbanken des Patentamts nach dem
Stand der Technik zu recherchieren.“ (22)
Brigitte Zypries, 2004
47. Patentinflation (23)
●
Patentanmeldungen
EPA
●
228.000 (2008)
●
Weltweit über 4 mio
●
Jährlich etwa 700.000
Anmeldungen
●
Siemens hält ca.
50.000 Patente
48. Patentinflation (24)
●
Mitarbeiter EPA: ca. 7.000
●
Mitarbeiter Deutsches Patent- und Markenamt:
ca. 2.500
●
Nationale Patentämter finanzieren sich
größtenteils aus den Patengebühren
●
Qualität?
●
Quantität?
●
Patentrecherche
●
Aufwendig und teuer
●
Fehlerbehaftet
●
Für KMU nahezu unmöglich
49. Zitate
„If people had understood how patents would be granted
when most of today's ideas were invented and had taken out
patents, the industry would be at a complete standstill
today. ... The solution is patenting as much as we can. A
future startup with no patents of its own will be forced to
pay whatever price the giants choose to impose. That price
might be high. Established companies have an interest in
excluding future competitors.“ (25)
50. Zitate
„If people had understood how patents would be granted
when most of today's ideas were invented and had taken out
patents, the industry would be at a complete standstill
today. ... The solution is patenting as much as we can. A
future startup with no patents of its own will be forced to
pay whatever price the giants choose to impose. That price
might be high. Established companies have an interest in
excluding future competitors.“ (25)
Bill Gates,1991
52. Das Gleichgewicht des Schreckens
●
Große Patentarsenale sind wie Atomwaffen
●
IBM <==> Siemens, Microsoft <==> Apple
●
Cross-Licensing
●
„Leider ist Oracle gezwungen, als Verteidigungsstrategie
ausgewählte Patente zu beantragen, welche die besten
Möglichkeiten für Cross-Licensing-Geschäfte zwischen
Oracle und anderen Firmen, die Patentverletzungen
unterstellen könnten, bieten." (Oracle Cooperation Patent
Policy)
●
Rechtsstreitigkeiten dauern Jahre und gehen in
die Milliarden
53. Das Gleichgewicht des Schreckens
●
Microsoft vs Uniloc
●
Registrierungsverfahren von Software
●
400 mio USD (2009)
●
SCO vs IBM (AIX, Linux)
●
Forderung: 1 mrd USD
●
Mehrere Verfahren seit 2003
●
Konkursverwaltung 2009
55. Patentjäger
●
Erwerb von Patenten, ohne die dahinterliegende
gewerbliche Erfindung vermarkten zu wollen
●
Keine eigenen technischen Beiträge
●
Kaufen Patente von insolventen Unternehmen
auf
●
Trivialpatente (breite Streuung)
●
Sehr komplexe Patente (teurer Rechtsstreit)
●
Gewinn durch Lizenzgebühren (notfalls über
den Klageweg)
●
Zeit-Artikel „In der Grauzone“ (2005) (26)
57. Was sonst noch so patentiert wird
●
Arzneimittel
●
Aufwendige und langwierige Forschung
●
Entwicklungszeit im Schnitt 8-12 Jahre
●
Ethisches Problem: Entwicklungsländer
●
Gene, Planzen und Tiere (27)
●
Patentierung in Europa seit 1999 möglich
●
65.000 Anmeldungen (EPA, 2007)
●
Genetische Informationen werden entdeckt, nicht
erfunden
●
Monsanto: Patent auf Schweinefleisch mit bestimmtem
Gehalt von Omega-3-Fettsäuren
59. Branchenriesen beschweren sich...
●
Patentexpertin Michelle Lee (Google):
●
Krise
●
Patentämter überlastet
●
Qualität der Patente schlecht
●
Patent-Trolle
●
Chip Lutton (Sprecher von Apple):
●
Einiges aus dem Ruder gelaufen
60. Aber...
●
Google:
●
Patent 6839702
●
das Hervorheben von Suchbegriffen im Suchresultat
●
Apple:
●
Patent 7120785
●
Benutzerkonten zum Mitnehmen
61. Zauberlehrling (Goethe)
[...] [...]
Walle, walle! Oh, du Ausgeburt der Hölle!
Manche Strecke, Soll das ganze Haus ersaufen?
Daß zum Zwecke, Seh’ ich über jede Schwelle
Wasser fließe Doch schon Wasserströme laufen.
Und mit reichem, vollem Schwalle Ein verruchter Besen,
Zu dem Bade sich ergieße. Der nicht hören will!
Stock, der du gewesen,
[...] Steh doch wieder still!
Stehe! Stehe! [...]
Denn wir haben
Deiner Gaben
Vollgemessen! -
Ach, ich merk’ es! Wehe! Wehe!
Hab’ ich doch das Wort vergessen!
[...]