1. PW Werkstattbrief/2012_01/2012_01 - Seite 18 as - 21.05.2012 16:00
18 WERKSTATTBRIEF Juni 2012
Twitter als PR-Kanal
„Lotse durch die
Infofluten“
Im Zusammenspiel der Kommunikationskanäle führt Twitter ein Schattendasein. Dabei twittern
Unternehmen in anderen Ländern, was das Zeug hält: Prof. Dr. Thomas Pleil, der an der Hoch-
schule Darmstadt Public Relations lehrt, über Twitter als PR-Kanal. Katharina Mandlinger
Herr Prof. Pleil, was macht die Attraktivität von Im B2B-Segment dreht sich die Kommunikation
Twitter als PR-Kanal im Vergleich zu den klassi- oft um erklärungsbedürftige Produkte, die sich
schen Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit an eine sehr spezielle Zielgruppe richten. Wie er-
aus? reicht ein Unternehmen gerade jene Follower, die
Twitter ist schnell und auf den Punkt. Und man sich für seine Produkte interessieren?
kann Personen, Marken oder auch Themen folgen, Zum einen muss man natürlich erst mal recher-
die sich gegebenenfalls sehr schnell entwickeln. chieren, wer sich für die eigenen Themen interes-
Durch diese Kombination kann Twitter zum Bei- siert, die Updates dieser Personen sollte man abon-
spiel als Lotse durch die Infofluten verwendet wer- nieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese umge-
den, man kann aber auch Nähe herstellen oder es kehrt folgen, ist dann groß, wenn sie erkennen,
als Backchannel zu Konferenzen oder anderen dass es sich lohnt, dem Twitterkanal des Unterneh-
Events und bei Bedarf auch zum Dialog einsetzen. mens zu folgen. Zum anderen sollte man Twitter
nicht isoliert sehen: Durch die Begrenzung auf 140
Empfehlen Sie Unternehmen, Twitter als PR-Ka- Zeichen pro Post muss man zwangsläufig oft auf
nal zu nutzen? andere Plattformen oder Websites verweisen, so
Ich empfehle nie pauschal, ein bestimmtes Tool dass man eine kanalübergreifende Contentstrategie
einzusetzen. PR bedeutet strategische Kommuni- benötigt. Und natürlich sollte man auf anderen Ka-
kation. Hier geht es also um Kommunikationszie- nälen – wie zum Beispiel in der E-Mail-Signatur –
le, die Frage, welche Bezugsgruppen relevant sind auf seine Kommunikationsplattformen hinweisen.
etc. Also muss ich immer überlegen, welche der
grundsätzlichen PR-Ziele durch den Einsatz eines Unternehmens-PR geht oft weite Abstimmungs-
Instruments besser erreicht werden können – und wege. Twitter als ein sehr schnelles Medium lässt
wen ich dort erreiche. Banal ist dann nach dieser aber keine langen Freigabeschleifen zu. Wie kön-
Logik, auf Twitter beispielsweise dann zu verzich- nen Unternehmen damit umgehen?
ten, wenn meine Bezugsgruppen dort gar nicht an- In der Tat: Freigabeschleifen und Twitter passen
zutreffen sind. nicht zusammen. Typischerweise führen Unterneh-
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Interview 19
men zunächst Social-Media-Guidelines ein, die Andere Beispiele für Fehler sind mangelndes Zu-
Mitarbeitern einen Rahmen geben, wenn diese So- hören, Floskeln, automatisierte Antworten – und
cial Media aktiv nutzen. Dort ist zum Beispiel oft zu viel Eigen-PR.
geregelt, dass zu strategischen Fragen oder zu Zah-
len nicht geschrieben werden darf. Zweiter wichti- Gibt es spezielle Regeln, die es bei der Pressear-
ger Baustein ist die Content-Strategie. Twitter beit via Twitter zu beachten gilt?
dient oft als Teaser zu Themen, die an anderer Stel- Pressearbeit per Twitter ist wieder ein Spezialge-
le bereits veröffentlicht sind: Ein neues Video auf biet und sollte nicht gleichgesetzt werden mit Twit-
YouTube, eine Presseinfo, ein Special auf der Web- ter im PR-Einsatz. Pressearbeit wendet sich ja an
site. Hier hat eine Abstimmung ohnehin bereits Journalisten und ist sehr newsgetrieben. Das be-
stattgefunden. Zudem kann man ohne Probleme deutet natürlich, dass man klar machen muss, was
auf interessante Themen außerhalb des Unterneh- die Abonnenten des Kanals erwarten können. Hier
mens hinweisen: Zum Beispiel auf eine neue Stu- ist es im Ausnahmefall möglich, Twitter als reinen
die, eine Veranstaltung etc. All die anderen The- Newskanal einzusetzen. Zwingend ist aus meiner
men müssen die Twitter-Autoren selbst finden. Sicht, dass dies dann aber zuverlässig und schnell
Deshalb muss im Unternehmen einmal die gene- geschieht. Eine andere Möglichkeit ist, dass Presse-
relle Richtung der Beiträge geklärt werden und sprecher eher Hintergrundinformationen liefern
grundsätzlich Vertrauen in die Entscheidungsfä- und Beziehungen zu Redakteuren pflegen. W
higkeit der Mitarbeiter vorhanden sein.
Auf Unternehmensseite gibt es oft die Befürch-
tung „Bei uns passiert nicht genug, um regelmä-
ßig twittern zu können.“ Ist die Taktung der
Tweets entscheidend für den Kommunikationser-
folg?
Ja, Studien zeigen, dass eine gewisse Regelmäßig-
keit sinnvoll ist. Oft wird von zwei, drei Tweets pro
Tag gesprochen. Nach meiner eigenen Erfahrung
würde ich das aber nicht dogmatisch sehen. Wichtig
sind auch das Timing oder dass man mit den richti-
gen Leuten vernetzt ist, die hoffentlich die eigenen
Themen weitertragen – und das setzt wiederum vo-
Illustration Pleil: Maren Schmitt, Welle: istockphoto/diane555
raus, dass man Interessantes zu schreiben hat.
PROF. DR. THOMAS PLEIL
Was ist der größte Fehler, den ein Unternehmen
beim Twittern machen kann? An der Hochschule Darmstadt hat Prof.
Da gibt es mehrere Fallstricke, welches der Dr. Thomas Pleil eine Professur für Pu-
Schlimmste ist, weiß ich nicht. Beispiele: Ungeliebt blic Relations und ist Prodekan des
sind automatisierte Tweets. Diese werden – wenn Fachbereichs Media. In Lehre und For-
überhaupt – bei journalistischen Redaktionen oder schung beschäftigt er sich schwer-
bei einem reinen Pressekanal toleriert. Ein anderer punktmäßig mit Online-PR und Social
Fehler ist, alles über einen Kanal laufen zu lassen – Media, Nonprofit-PR, Verantwortungs-
Twitter bedient aber vor allem Mikroöffentlichkei- kommunikation, Pressearbeit und PR
ten, deshalb bietet es sich aus meiner Sicht viel für neue Technologien.
mehr an, maßgeschneiderte Angebote zu schnüren.