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mitteilung
Nr. 9
Wo drückt der Schuh im Gesundheitswesen?
Forschungsprojekt der Charité legt Ergebnisse zur Inanspruchnahme
des Amtes der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der
Patientinnen und Patienten vor
Seit dem Januar 2004 gibt es in Deutschland das Amt der Beauftragten der Bundesregierung
für die Belange der Patientinnen und Patienten. Seither erreichen die Amtsinhaberin
Helga Kühn-Mengel, MdB viele Briefe, E-Mails und Telefonate.
Die Äußerungen von Patientinnen und Patienten zu ihren Erfahrungen im Gesundheitswesen
und ihrem Informationsbedarf stellen für die Patientenbeauftragte ein wichtiges Instrument
dar, um Versorgungsprobleme aus Patientensicht zu erfassen. Sie tragen damit dazu bei,
ihren Auftrag der Vertretung von Patienteninteressen im politischen Raum zu erfüllen.
Diese einzigartige Quelle der von Bürgern wahrgenommenen Probleme in der Gesundheits-
versorgung wurde nun für den Zeitraum von Januar 2004 bis Dezember 2007 systematisch
ausgewertet. In einem Forschungsprojekt, das vom Institut für Medizinische Soziologie
der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchgeführt und von der Hans-Böckler-Stiftung
unterstützt wird, wurden knapp 20.000 Anfragen an die Patientenbeauftragte wissenschaft-
lich erfasst und ausgewertet.
„Erste Ergebnisse zeigen“, so Frau Prof. Adelheid Kuhlmey, Leiterin des Instituts für
Medizinische Soziologie an der Charité, „dass die Patienten sich in unterschiedlichen
Rollen an die Patientenbeauftragte wenden. Als Patienten berichten sie von ihren negativen
Erfahrungen mit Ärzten, Pflegekräften oder Therapeuten. In der Rolle der Versicherten
2. Seite 2 von 3 thematisieren sie in erster Linie Fragen der Leistungsbewilligung. Als Bürger formulieren sie
Fragen der Gerechtigkeit der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen oder
problematisieren die Unübersichtlichkeit der Strukturen des Gesundheitswesens.“
Das Amt der Patientenbeauftragten wird überwiegend als Möglichkeit wahrgenommen, Kritik
an der gesundheitlichen Versorgung oder dem Gesundheitswesen an politisch wichtiger
Stelle äußern zu können. 84% der Schreiben beinhalten eine Beschwerde, ein Hilfegesuch
oder die Darstellung eines Problems, lediglich 16% sind Informationsanfragen.
Die Ergebnisse im Einzelnen:
Frauen und Männer wenden sich zu gleichen Teilen an die Amtsinhaberin. In 81 % der
Briefe schreiben die Autoren mit einem eigenen Anliegen und sind damit selbst Betroffene
der berichteten Probleme. Wenn sich die Briefautoren stellvertretend für andere Menschen
an die Patientenbeauftragte wenden, sind es überwiegend Partnerinnen und Partner von
Erkrankten (5 % der Schreiben), Eltern für ihre Kinder (5 %) oder Kinder für ihre älteren
Eltern und Schwiegereltern (4 %).
Der überwiegende Teil der Betroffenen (93 %) ist gesetzlich, 5 % sind privat versichert und
1,3 % haben keinen Versicherungsschutz. Knapp die Hälfte der Schreiben kommt von
Bürgern, die älter als 65 Jahre sind. Mit einem Drittel findet sich ein hoher Anteil chronisch
Erkrankter unter den Betroffenen.
Es zeigt sich, dass die Patientenbeauftragte „tagespolitische“ Themen und wahre „Dauer-
brenner“ erreichen. Das GKV-Modernisierungsgesetz löste zum Beispiel eine Welle von
Fragen und Kritik hinsichtlich der Eigenbeteiligung und Zuzahlungen aus, also Themen, die
eine ökonomische Belastung von Patienten und Beitragszahlern beinhalten. So wurden im
Jahre 2004 in 30 % der Schreiben an Helga Kühn-Mengel Kritik an der Einschränkung der
Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln geübt. Bis zum Jahr 2007 hatte sich der Anteil
der Briefe mit diesem Thema halbiert. Auch das Thema „Kritik an Zuzahlungen“, das im
Jahr 2004 in jedem fünften Brief genannt wurde, findet sich 2007 nur noch in 6 % der Briefe.
Ein ähnlicher Trend lässt sich beim Thema Praxisgebühr erkennen: Auch hier sinkt der
Anteil der Nennungen in den Briefen von 15 % in 2004 auf 4 % im Jahr 2007. Ferner zeigt
sich bei der „Praxisgebühr“ eine Verschiebung von der grundsätzlichen Kritik an der
Einführung hin zu konkreten Problemen beim Erheben der Praxisgebühr.
Dagegen steigt die Bedeutung des Themas „Probleme der Kommunikation zwischen Arzt
und Patienten“ an. 2004 wurde dieses Thema in 8 % der Briefe genannt, 2007 in 14 %.
Kritik an der Behandlungsqualität, worunter auch vermutete Behandlungsfehler fallen,
wurde 2004 in 6 % und 2007 in 14 % der Briefe geübt.
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Probleme der Versicherten mit Krankenkassen zeigen im Zeitverlauf weniger
Schwankungen. So wurden Zweifel an fachlichen Entscheidungen der Kassen in den vier
Auswertungsjahren jeweils in etwa 12 % der Schreiben vorgetragen. Angestiegen ist
hingegen der Anteil in der Kritik an der Dienstleistungsqualität von Krankenkassen von 7 %
auf 11 % über den betrachteten Zeitraum. Diese beinhaltet solche Themen wie einen
unfreundlichen und bürokratischen Umgang oder eine lange Bearbeitungsdauer von
Anliegen.
Die Wahrnehmung des Amtes der Patientenbeauftragten ist mit unterschiedlichen
Zuschreibungen verknüpft: Bei Konflikten zwischen Versicherten und Krankenkassen sowie
zwischen Patienten und Ärzten wird die Amtsinhaberin als neutrale dritte Partei verstanden;
findet sich in den Briefen hingegen eine Kritik von Bürgern an der Gesundheitspolitik, wird
die sie häufig als politische Akteurin wahrgenommen.
Der Zwischenbericht des Forschungsprojekts „Informationen für eine partizipative
Gesundheitsversorgung“ (IPAGE) findet sich auf der Homepage der Hans-Böckler-Stiftung
(http://www.boeckler.de/pdf_fof/S-2007-60-4-3.pdf).