1. Pressemitteilung
21. November 2011
“Die Zukunft gestalten“
Energiewende, demografische Entwicklung und Mobilität stellen
Baubranche NRW vor neue Herausforderungen
Düsseldorf. Unter dem Leitmotiv “Die Zukunft gestalten“ tritt die nordrhein-westfälische
Bau- und Planungswirtschaft erstmals gemeinsam vor die Presse, um auf die gewalti-
gen Herausforderungen aufmerksam zu machen, die im Zuge der Energiewende und
des demografischen Wandels auf die Baubranche zukommen.
Ohne die Leistungen des Bausektors können weder die Energiewende noch der de-
mografische Wandel erfolgreich bewältigt werden. Angesichts der Tatsache, dass ge-
messen an der Bruttowertschöpfung im Produzierenden Gewerbe das Bauhaupt- und
Ausbaugewerbe zusammen der viertgrößte Wirtschaftszweig in NRW und mit knapp
400.000 Erwerbstätigen einschließlich der Architekten und Bauingenieure der größte
Arbeitgeber im Produzierenden Gewerbe des Landes ist, repräsentieren:
Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer Bau NRW,
Dipl.-Kfm. Walter Derwald, Präsident des Baugewerbeverbandes Westfalen,
Dipl.-Ing. Hartmut Miksch, Präsident der Architektenkammer NRW,
Rüdiger Otto, Präsident der Baugewerblichen Verbände und
Dipl.-oec. Andreas Schmieg, Präsident des Bauindustrieverbandes NRW,
einen der wichtigsten Wirtschaftszweige und damit auch einen der bedeutendsten
Wirtschaftsfaktoren in unserem Land.
“Barrierefreiheit muss Bestandteil einer nachhaltigen Strategie des Bauens und Woh-
nens werden“ stellte Dr.Heinrich Bökamp, Präsident der Ingenieurkammer Bau
NRW fest und forderte, dass bei Neubaumaßnahmen die entsprechenden DIN-
Normen zur Barrierefreiheit flächendeckend angewendet werden. Dies gelte auch für
Mindeststandards im Wohnungsbestand. Entsprechend solle die Landesbauordnung
NRW die Empfehlung der Musterbauordnung des Bundes über ein Mindestmaß hin-
ausgehend aufgreifen. Ferner sei in der Landesbauordnung zu regeln, dass – soweit
realisierbar – öffentlich zugängliche Neubauten barrierefrei errichtet werden.
Vor dem Hintergrund, dass bis zum Jahr 2030 die Zahl der über 65-jährigen auf
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22,3 Mio. und die Zahl der über 80-jährigen auf 6,4 Mio. angewachsen werde, sei der
heutige Wohnungsbestand nur unzureichend auf die Bedürfnisse der überalternden
Bevölkerung ausgerichtet. Dreiviertel der in Seniorenhaushalten lebenden Menschen
könnten nur über Treppenstufen in ihre Wohnung gelangen, die Hälfte müsse inner-
halb der Wohnung Stufen bewältigen, ein Viertel der Wohnungen weise zu wenig Be-
wegungsfreiheit im Bad auf und nur 15% der Haushalte verfügten über eine boden-
gleiche Dusche. Bei heute ca. 11 Mio. Seniorenhaushalten errechne sich ein kurzfris-
tiger Bedarf von 2,5 Mio. zusätzlichen barrierefreien bzw. -armen Wohnungen, welcher
bis 2020 auf 3 Mio. ansteigen werde.
Bökamp: “Auf Länderebene sollte im Rahmen der Wohnraumförderung über die Bezu-
schussung von auf die Bedürfnisse von Senioren ausgerichtete Umbaumaßnahmen
im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung nachgedacht werden“. Dies könne in
unterschiedlicher Ausprägung in Verbindung mit anderen Maßnahmen wie der energe-
tischen Sanierung erfolgen. Die Zuschussvariante würde insbesondere einkommens-
schwachen Mietern und Eigentümern helfen, Bestandsmaßnahmen durchzuführen.
“Neben günstigen Kreditzinsen ist eine wirksamere steuerliche Absetzbarkeit der
Schlüssel zu mehr privaten Investitionen in den energieeffizienten und altengerechten
Wohnungsbau“. Mit diesen Worten warnte Walter Derwald, Präsident des
Baugewerbeverbandes Westfalen, vor einer Abkühlung des Investitionsklimas im
Wohnungsbau. Wichtig sei, dass im Rahmen der Fördermaßnahmen zur energeti-
schen Sanierung unbedingt auch die Förderung von Ersatzneubauten einbezogen
werde.
Auf Grundlage des letzten Mikrozensus im Jahr 2006 seien von den rund 8,4 Mio.
Wohneinheiten in Nordrhein-Westfalen über 77%, – das sind 6,5 Mio. Wohnungen –
als sanierungsbedürftig einzustufen. Höchstens 10% davon seien inzwischen nach
dem Standard der Energieeinsparverordnung saniert und noch seltener barrierefrei
modernisiert worden. “Besonders die Wohnhäuser aus den 50er bis 70er Jahren sind
eine doppelte Hypothek auf unsere Zukunft“ so Derwald, “sie belasten die Jugend mit
einem vernichtenden Beitrag zur Energiebilanz, und sie sind nicht seniorengerecht.
Viele Menschen, nicht nur ältere, werden so von einem selbstbestimmten Leben im
eigenen Wohnumfeld ausgeschlossen“. Höhere Energiekosten aber auch höhere Kos-
ten für die stationäre Pflege statt ambulanter Hilfe im eigenen Wohnumfeld seien die
Folge des nicht sanierten Altbaubestandes.
“Energetischer Klimaschutz, demografiefester Umbau und sozialer Wohnungsbau sind
die zentralen Aufgaben, die Politik, Wohnungswirtschaft, Bauwirtschaft und Planer
jetzt gemeinsam angehen müssen“, erklärte Hartmut Miksch, Präsident der
Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Hierzu brauche Nordrhein-Westfalen ein
Gesamtkonzept “Wohnungsbau 2020+“.
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Die Absichten der Landesregierung, mit dem Klimaschutzgesetz die Gesamtsumme
der Treibhausgasemissionen landesweit bis zum Jahr 2020 um mindestens 25 % zu
verringern, sei ausdrücklich zu begrüßen. “Das Land“, so Miksch, “sollte mit gutem
Beispiel vorangehen und nur noch Landesbauten realisieren, die klimaneutral sind."
Da eine angemessene und zukunftssichere Entwicklung des Wohnungsbestandes
sich nur über eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Beteiligten realisieren lasse,
seien vor allem Privateigentümer und Wohnungsunternehmen zu motivieren, in den
Bestand zu investieren. Notwendig sei ein geschlossenes Förderkonzept, welches
Anreize schaffe und langfristige Planungssicherheit biete. Hierzu fordert Miksch
● ein dauerhaftes Wohnraumförderprogramm auf Landesebene in Höhe
von 1 Mrd. Euro, welches intensiv zu bewerben sei,
● auf Bundesebene die Verbesserung der steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten
von Investitionen in den Wohnungsbau sowie bei der energetischen Gebäudesa-
nierung eine Abschreibung von jährlich 10 % der Kosten.
Allein für die energetische Verbesserung der Sozialwohnungsbestände werde ein Be-
darf von 7 bis 8 Mrd € zugrunde gelegt. Die energetische Aufrüstung des gesamten
nordrhein-westfälischen Wohnungsbestandes auf ein akzeptables Niveau dürfte Inves-
titionen in Höhe von 90 Mrd € erfordern.
Inzwischen schrumpfe die Zahl der Sozialwohnungen in Nordrhein-Westfalen drama-
tisch. Unterlagen im Jahr 2000 noch knapp 1,2 Mio Wohnungen der sozialen Miet-
preis- und Belegungsbindung, so seien dies heute nur noch 650.000. Sozialgebunde-
ne Mietwohnungen würden entscheidend dabei helfen, auch einkommensschwache
Haushalte mit angemessenem Wohnraum zu versorgen. Über die gezielte Belegung
der Wohnungen erhielten die Kommunen zudem ein wichtiges Steuerungsinstrument,
um Quartiere sozial stabil aufzustellen. Die soziale Wohnraumförderung 2010 für
Nordrhein-Westfalen liege mit 14.576 Wohneinheiten um ca. 2.400 unter dem Vorjah-
resergebnis - dies entspreche einem Rückgang von über 14 %. Miksch: “Dieser Trend
muss gestoppt werden, da gerade in prosperierenden Großstädten unseres Landes
ein Mangel an bezahlbaren Wohnungen droht.“
“Der einschneidende demografische Wandel in unserer Gesellschaft und die gewalti-
gen Anforderungen an Ökologie und Ökonomie gehören zu den Generalthemen des
21. Jahrhunderts“ betonte Rüdiger Otto, Präsident der Baugewerblichen
Verbände. “Daher gehören behindertengerechtes Bauen und Wohnen sowie die
energetische Nachrüstung zu den wichtigsten Wohnungsbauthemen der Zukunft.“
Derzeit entfielen bereits 70 Prozent des Wohnungsbauvolumens auf Maßnahmen im
Bestand. Wie Otto feststellte, ist der Wohnungsbau zurzeit die tragende Säule der
Baukonjunktur in NRW. So hätten die Auftragseingänge im Wohnungsbau im Durch-
schnitt der ersten acht Monate 2011 um +29,8% zugelegt.
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Was die Bauwirtschaft vor dem Hintergrund des anstehenden Baubedarfs wohnungs-
bautechnisch zu leisten in der Lage sei, zeigte Otto anhand eines prägnanten Bei-
spiels aus Mönchengladbach auf. Hier wurde im Stadtteil Pesch in einer geradezu
symbiotischen Kombination aus Erhaltung, Modernisierung, Denkmalschutz und
-pflege, energetischer Sanierung und barrierefreiem Bauen die denkmalgeschützte,
ehemalige Pfarrkirche Herz Jesu zu einer modernen Wohnanlage umgestaltet mit ins-
gesamt 23 öffentlich geförderten Wohnungen.
Bei der Umgestaltung seien unter Berücksichtigung der hohen Auflagen des Denkmal-
und Brandschutzes die Wohneinheiten durch ein nachhaltiges und umweltgerechtes
Haus-in-Haus-Konzept in Holzständerbauweise realisiert worden. Das energetische
Konzept der Umgestaltung beinhalte unter anderem die Nutzung von Erdwärme, er-
gänzt um eine Gas-Brennwerttherme, Fußbodenheizung, zentrale Warmwasseraufbe-
reitung, Regen- und Grauwassernutzung sowie eine Foamglas-Innendämmung. Da
Landesmittel geflossen sind, seien die Wohnungen ein Projekt des sozialen Woh-
nungsbaus und trotz des ungewöhnlichen Wohnambientes mit bezahlbaren Mieten
ausgestaltet. Otto: “Solche futuristischen Konzepte werden den Wohnungsbau der
Zukunft prägen“.
“Neben der Brückensanierung gehören Lückenschlüsse und der Ausbau überlasteter
Bundesfernstraßen zu den vordringlichsten Maßnahmen, um endlich die rekordträchti-
gen und klimaschädlichen Verkehrsstaus in Nordrhein-Westfalen abzubauen“. Mit die-
sen Worten charakterisierte Andreas Schmieg, Präsident des Bauindustrie-
verbandes NRW, die aktuelle Situation im Bundesfernstraßenbau. Ein Schritt in die
richtige Richtung sei die Aufstockung des Bundesverkehrsetats um 1 Mrd. Euro, wel-
che den Bundesländern nach der Dringlichkeit der Projekte zur Verfügung gestellt
werden sollen. Hier werde die Landesregierung aufgefordert, schnellstmöglich für die
Wettbewerbsfähigkeit des Standorts NRW wichtige Verkehrsprojekte an den Bundes-
verkehrsminister zu melden, damit die in 2012 zur Verfügung stehenden Gelder nicht
in andere Bundesländer abfließen. Hier zeige sich wieder einmal, wie wichtig Schub-
ladenprojekte seien um unverzüglich reagieren zu können. Mit Blick auf die unlängst
vorgelegten “Priorisierungslisten“ im Bundesfern- und Landesstraßenbau bestehe je-
doch die Gefahr, dass die Planung vieler wichtiger Straßenprojekte auf die lange Bank
geschoben werde. Schmieg: “Zukunftsorientierte Verkehrspolitik sieht anders aus“.
“Ein weiteres aktuelles Aktionsfeld mit Brisanz ist die Brückensanierung“ so Schmieg.
Wie eine Untersuchung ergeben habe, müssten in Nordrhein-Westfalen 300 Brücken-
bauwerke an Autobahnen und Bundesstraßen kurzfristig saniert, verstärkt oder sogar
neu gebaut werden – allein 59 Brücken im Zuge des nordrhein-westfälischen Teils der
A45. Hierfür seien in den kommenden 10 Jahren zusätzlich 3,5 Mrd. Euro erforderlich,
zumal Nordrhein-Westfalen den höchsten Sanierungsbedarf aller Bundesländer habe.
Da die Brückenbelastung bei Staus bereits kritische Ausmaße annehmen könne, sei
zwingender Handlungsbedarf gegeben. Geschwindigkeits- oder Gewichtsbegrenzun-
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gen würden das Problem nicht lösen, sondern nur zeitlich verlagern. Komme es erst
zu unvermeidlichen Vollsperrungen, drohe nicht nur ein noch größeres Verkehrschaos
als heute schon vorhanden, die wirtschaftlichen Konsequenzen für unser Land wären
verheerend.
Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien mit vorrangiger Nutzung der Windkraft,
komme auch dem Ausbau der Versorgungsnetzte und Stromspeicherkapazitäten eine
übergeordnete Bedeutung zu, da Energieproduktion und Energieverbrauch künftig
zunehmend räumlich auseinanderfielen. Hier sei der Gesetzgeber aufgefordert, die für
den Netzausbau notwendigen politischen Weichenstellungen vorzunehmen, die Tras-
senführungen in einem Netzplan auszuweisen und für die notwendige Akzeptanz in
der Bevölkerung zu sorgen.
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