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JOURNALISTEN-READER




ERFOLG AUF
ALLEN KANÄLEN
Crossmedialer Lokalteil:
von neuen Lesern und
einem Berufsbild im Wandel




Modellseminar
3. bis 7. März 2008
in Klink an der Müritz
Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




INHALT

Impressum ............................................................................................................................... 4

DISKUSSION AUF DEM SOFA
Trüffelschweine fürs Champagner-Blatt ........................................................................5
Chefredakteursrunde diskutiert übers ideale Personal der Zeitung von morgen
Dirk Lübke, Chefredakteur Zeitungsgruppe Lahn-Dill
Folker Quack, Leitender Redakteur Main-Post
Paul-Josef Raue, Chefredakteur Braunschweiger Zeitung

IMPULSREFERATE
Regionale Kompetenz auf allen Kanälen ......................................................................7
Online-Projekte als Experimentierfeld: gucken, was funktioniert
Uwe Ralf Heer, Heilbronner Stimme
Frank Möllers, Die Glocke, Oelde
Jürgen Oehler, Kölner Stadt-Anzeiger

REFERATE
Zukunftschancen durch Lesernähe ................................................................................9
Web 2.0 wird Teil des Mediennutzungsverhaltens werden
Steffen Büffel, Medienberater, Düren

Zwischen Euphorie und Überlastung ............................................................................11
„Crossmediale Redaktionen in Deutschland“: Studierende stellen Projekt vor
Julia Andert, Lena Leondaris, Hochschule Darmstadt

Kompetenz gegen kulturelle Widerstände ..................................................................13
Convergence Journalism: Veränderung von Berufsbild und Ausbildung
Dr. Sonja Kretzschmar, Universität Münster

Mehrwert dank ungewohnter Perspektiven ................................................................15
Unterwegs mit der Videokamera: worauf es beim Dreh ankommt
Björn Förster, Videojournalist, Berlin

Optische Transparenz für hektische User ...................................................................17
„Multimediale Informationspakete“ als ideale Form von Crossmedia
Michael Bechtel, QualityNews, Bonn

„Die Größe haben, klein zu sein“ ....................................................................................19
Die Schweizer „Jungfrau Zeitung“ setzt konsequent auf Lokales
Urs Gossweiler, Jungfrau Zeitung, Interlaken/CH

DISKUSSION
Print-Marken haben´s gut ..................................................................................................21
„Netzeitung“ und „Hauptstadtblog“ suchen ihre Zukunft im Web
Domenika Ahlrichs, Netzeitung, Berlin
Günter Bartsch, Hauptstadtblog, Berlin




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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




REFERATE
Die Pflicht zur Veränderung ..............................................................................................23
Ohne Investitionen in den Online-Bereich werden Verlage nicht bestehen
Raimondo Sanna, Munich Online GmbH, München

Leser in der Rolle von Experten ......................................................................................25
Das „Franken-Wiki“ als interaktives Angebot für Überzeugungstäter
Clemens Helldörfer, Nürnberger Zeitung

Crossmedia auf allen Kanälen .........................................................................................27
Gute Ideen: Lokal- und Regionalzeitungen verzahnen Altes mit Neuem
Jan Steeger, drehscheibe, Berlin

INTERVIEW
Von „Hyperlocal“ bis zum „Evergreen“ .........................................................................29
Medien www: weit weit weg – Lokaljournalismus in den USA
Katja Riefler, RISolutions, München

Menschlichem Verhalten auf der Spur ..........................................................................31
Neurolinguistisches Programmieren in der beruflichen Kommunikation
Axel Bürger, Lippische Landeszeitung, Detmold

ARBEITSGRUPPEN

Ein Redakteur kann alles ...................................................................................................32
Brauchen wir Spezialisten oder Eier legende Wollmilchsäue?
Arbeitsgruppe 1

Eine Nachricht, viele Wege ...............................................................................................34
Wie organisiert sich eine Multimedia-Redaktion?
Arbeitsgruppe 2

Leser, User, Loser ................................................................................................................36
Welche Ansprüche hat der Leser?
Arbeitsgruppe 3

Die Enkel der Revolution ...................................................................................................38
Web 4.0: Lokale Zeitung funkt rund um die Uhr auf allen Kanälen
Arbeitsgruppe 4

ANHANG ..................................................................................................................................40
- Programm
- Teilnehmendenliste




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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




IMPRESSUM


Veranstalter
Bundeszentrale für politische Bildung/bpb
Fachbereich Multimedia
Journalistenprogramm
Berthold L. Flöper
Adenauerallee 86
53113 Bonn                                      Uwe Röndigs
Telefon 0228 99515-558                          Zeitungsgruppe Lahn-Dill
Telefax 0228 99515-498                          Weilburger Tageblatt
E-Mail Berthold.Floeper@bpb.bund.de             E-Mail: u.roendigs@mittelhessen.de

Tagungsorganisation                             Anke Vehmeier
Gabriele Prues (bpb)                            medienfabrik
Telefon 0228 99515-555                          Büro Bonn
Telefax 0228 99515-405                          E-Mail: vehmeier@medienfabrik.de
E-Mail Gabriele.Prues@bpb.bund.de
                                                Journalisten-Reader
Seminarleitung                                  Volker Dick
Joachim Braun                                   Freier Journalist
Tölzer Kurier                                   51643 Gummersbach
Bad Tölz                                        Telefon 02261 926212
E-Mail: joachim.braun@merkur-online.de          Telefax 02261 926224
                                                E-Mail Volker.Dick@buchstabensuppe.net
Regina Krömer
Main-Post                                       Live-Blog
Kitzingen                                       http://www.drehscheibe.org/weblog
E-Mail: regina.kroemer@mainpost.de              Steffen Büffel
                                                Medienberater
Modellseminar-Team                              Telefon 0151 17278431
Katja Dartsch                                   E-Mail steffen.bueffel@media-ocean.de
Braunschweiger Zeitung
Braunschweig                                    Tagungsstätte
E-Mail: katja.dartsch@bzv.de                    Schlosshotel Klink
                                                Schlossstraße 6
Eberhard Renz                                   17192 Klink (Müritz)
Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten     Telefon 03991 747-0
Stuttgart                                       Fax     03991 747-299
E-Mail: e.renz@blick-vom-fernsehturm.zgs.de     Web: www.schlosshotel-klink.de




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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




DISKUSSION AUF DEM SOFA

Der neue Redakteur: Alleskönner oder Spezialist?
Trüffelschweine fürs Champagner-Blatt
Chefredakteursrunde diskutiert übers ideale Personal der Zeitung von morgen



Welche Journalisten wer-
den in Zukunft gefragt
sein? Vor allem die mul-
timedialen Alleskönner
oder die spezialisierten
Rechercheure? Darüber
diskutieren Dirk Lüb-
ke, Chefredakteur Zei-
tungsgruppe Lahn-Dill,
Folker Quack, Leitender
Redakteur der „Main-
Post“, und Paul-Josef
Raue, Chefredakteur der
„Braunschweiger Zei-         Dirk Lübke, Folker Quack, Regina Krömer, Paul-Josef Raue (v. l.)
tung“.

 Raue formuliert es gleich in seinem Ein-         übernehmen“.
gangs-Statement: „Journalismus wird online          Dass auch im Netz wann immer möglich
nicht neu erfunden“, betont er, „wir sollten      Qualitätsjournalismus gepflegt werden soll,
uns darauf konzentrieren, was wir schon           formuliert Folker Quack als Ziel. Aber wenn
seit Jahren mit dem Printprodukt erfolgreich      es mal besonders schnell gehen muss,
betreiben.“ Zwar hält auch er Veränderun-         kann man im Internet von diesem Anspruch
gen für wahrscheinlich, doch zweifelt er an       auch mal Abstriche zulassen, schränkt er
einem grundsätzlichen Wandel des Berufs-          ein. Besonders weist Quack auf die Not-
bilds. „Die Redaktion der Zukunft wird klei-      wendigkeit hin, die Mitarbeiter zu schulen.
ner sein, die Redakteure werden vor allem         „Im Web müssen ganz andere Regeln
planerisch sowie strategisch arbeiten und         beachtet werden, etwa bei der Verwendung
viele gut bezahlte Freie betreuen“, so Raue.      von Hypertext oder wenn es darum geht,
 Auch Dirk Lübke hält die bewährten Fähig-        ein Storyboard für ein Video zu schreiben“,
keiten eines Journalisten hoch, weist gleich-     unterstreicht er. Als Beispiel nennt er eine
zeitig aber darauf hin, dass inzwischen mehr      erfolgreiche Fortbildung der Main-Post in
verlangt wird: „Der Redakteur von heute           Sachen Suchmaschinen: Nachdem die
muss das Können entwickeln, mehrkanalig           maßgeblichen Redakteure gelernt hatten,
zu denken.“ In erster Linie hat Lübke dabei       wie Google funktioniert, landeten Artikel des
drei Wege vor Augen – Print-Text, Foto und        Blattes wesentlich öfter auf den vorderen
die aktuelle Kurzmeldung fürs Web: „Das           Plätzen bei Suchanfragen – die Quote der
muss ein Redakteur bedienen können.“ Als          Spitzenränge stieg von 5 auf 30 Prozent.
Kameramann sieht er ihn aber auch künftig           Die Ansicht, dass crossmediale Elemente
nicht, „das können freie Videoproduzenten         „mal eben schnell“ in Webauftritte zu inte-



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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




grieren sind, zerstreut auch Dirk Lübke: „Um        viel besseren Ausbildung hin. Die fordert
eine gewisse Qualität zu erreichen, muss ich        Folker Quack besonders mit Blick auf cross-
Zeit investieren“, schildert er eigene Erfah-       mediales Wissen und Fertigkeiten. Denn
rungen im Umgang mit der Kamera, „selbst            seiner Ansicht nach wird die Zeitung in zehn
,Quick & Dirty‘ braucht gewisse Zeit.“ Im           Jahren Material für gehobene Leseansprü-
Zusammenhang mit Crossmedia besteht für             che liefern, zu einer „Champagner-Zeitung“
ihn die Weiterbildungsaufgabe eines Zei-            werden mit weniger Abonnenten, aber vielen
tungshauses zunächst darin: „Die Redakteu-          „Beibooten“ – „und deren wichtigstes wird
re müssen verstehen und ein Bewusstsein             das Web sein“. Deshalb plädiert er dafür,
dafür entwickeln, was mit Multimedialität           den Online-Bereich personell zu stärken:
gemeint ist.“                                       „Das Internet ist das einzige Medium, das
                                                    Zuwachsraten verzeichnet. Wenn´s so wei-
Zeitung bleibt Leitmedium                           tergeht, wird es auch finanziell interessant“,
  Paul-Josef Raue hält das allerdings für           kontert er einen Einwand Paul-Josef Raues
kein neues Thema und blickt zurück auf              im Hinblick auf die Finanzierbarkeit von
jahrzehntelange Volontärsausbildung, wo             Web-Angeboten.
das Kennenlernen von Radio und Fernse-               „Wir sollten nicht noch einmal den An-
hen für Printjournalisten selbstverständlich        schluss im Netz verpassen wie bei den
war. „Jemand, der eine Kamera hält, muss            Kleinanzeigenmärkten und auch noch
nicht Journalist sein“, leitet er über zu           unsere journalistische Kompetenz im Web
seiner Kernthese, dass dank exzellenter             an andere verlieren“, mahnt er und fährt fort:
Journalisten und einer Konzentration auf            „Wir müssen vor allem eine zielgruppenspe-
die eigentliche Profession die gedruckte            zifische Ansprache lernen.“
Zeitung auch in Zukunft Leitmedium bleiben
wird. Raue sieht „idyllische Zeiten“ nahen,         Kontakt:
in denen gleich mehrere Blätter, Bücher und         Dirk Lübke
Zeitschriften ein regionales Info-Monopol           Tel.:06441 959595
begründen werden und Journalisten als               E-Mail: d.luebke@mittelhessen.de
recherchierende „Trüffelschweine“ das We-
sentliche im Chaos der Informationen finden.        Folker Quack
  Dirk Lübke schätzt, dass Zeitungen künftig        Tel.: 0931 6001-236
in erster Linie für Hintergrundinformationen        E-Mail: folker.quack@mainpost.de
sorgen müssen. „Bestimmte Inhalte werden
in zehn Jahren aus dem Blatt verschwunden           Paul-Josef Raue
sein, etwa rein Chronistisches“, prophezeit         Tel.: 0531 3900-300
er und weist auf den Bedarf nach einer noch         E-Mail: paul-josef.raue@bzv.de


Z    UR PERSON
     Dirk Lübke
Jahrgang 1960, seit Febru-
                                  Z    UR PERSON
                                        Folker Quack
                                  Geboren 1961 in Bad
                                                                     Z    UR PERSON
                                                                          Paul-Josef Raue
                                                                     1950 geboren; Chefredakteur
ar 1999 Chefredakteur der         Neustadt/Saale; Studium der        der „Braunschweiger Zeitung“;
Zeitungsgruppe Lahn-Dill im       Politik, Germanistik, Soziolo-     davor Chefredakteur u. a. bei
hessischen Wetzlar mit Vollre-    gie und Geschichte; seit 1990      der „Volksstimme“ Magdeburg,
daktion und acht Lokalredak-      bei der Main-Post, 2003 Leiter     „Frankfurter Neue Presse“,
tionen. Zuvor Chefredakteur       des Newsdesks Aktuelles;           „Oberhessische Presse“, Mar-
beim „Remscheider Gene-           seit Oktober 2005 Leitender        burg. Mit Wolf Schneider Autor
ral-Anzeiger“ (1995-99) und       Redakteur und Mitglied der         von „Das neue Handbuch des
Ressortleiter bei der „Neuen      Chefredaktion der Main-Post;       Journalismus“. Tätigkeit in der
Presse Hannover“.                 verantwortlich für Crossmedia.     Journalisten-Fortbildung.




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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




IMPULSREFERATE

Die Crossmedialen – Wo die Zukunft schon begonnen hat
„Regionale Kompetenz“ auf allen Kanälen
Online-Projekte als Experimentierfeld: gucken, was funktioniert



Für manche
klingen sie noch
nach Zukunfts-
musik, doch viele
Verlage experi-
mentieren bereits
mit Crossmedia-
Projekten – bei
unterschiedli-
chem Erfolg. Drei
ambitionierte
Beispiele liefern
Uwe Ralf Heer,
Chefredakteur
der „Heilbronner         Uwe Ralf Heer, Jürgen Oehler, Frank Möllers (v. l.)  daktion auf Filme,
Stimme“, Jürgen                                                               die die Pressekon-
Oehler, Onlinechef des „Kölner Stadt-              ferenzen des Eishockey-Clubs „Heilbronner
Anzeigers“, und Frank Möllers, Leiter              Falken“ dokumentieren. Über den Online-
Organisation bei „Die Glocke“, Oelde.              Auftritt sind aber auch Einzelstücke abrufbar,
                                                   etwa exklusive Bilder aus dem Innern eines
  Knapp ein Jahr alt ist „Stimme TV“, das          noch nicht eröffneten Einkaufszentrums.
Web-TV-Angebot aus Heilbronn. Drei                 Manches, was die Filmer der Stimme ablich-
Absolventen der Hochschule für Medien              ten, kann nachher auch für kleines Geld auf
in Stuttgart hat der Verlag dafür eingestellt      DVD angefordert werden.
– aus gutem Grund. „Nichts wäre peinlicher,          „Was wir zu bieten haben, ist regionale
als sich vor der Kamera lächerlich zu ma-          Kompetenz“, unterstreicht Ralf Uwe Heer,
chen“, sagt Chefredakteur Uwe Ralf Heer.           „damit müssen wir wuchern.“ Um die im
Deswegen muss auch kein Redakteur ins              Web-TV umsetzen zu können, ist Fortbil-
Bild, der nicht wirklich will. Heer selbst wollte  dung nötig und die Bereitschaft, Zeit zu
und bestreitet einmal pro Woche „360°“,            investieren: „Einen News-Beitrag zu produ-
seine in Szene gesetzte Print-Kolumne, fünf        zieren, kann bis zu sechs Stunden dauern.“
Minuten lang und an verschiedenen Plätzen          1300 Zuschauer erreicht Stimme TV im
aufgenommen. „Das gucken vor allem die,            Schnitt, der Fokus bleibt für Heer aber klar:
die fürchten, darin vorzukommen.“                  „Das Entscheidende ist die Tageszeitung, da
  Außerdem bietet Stimme TV weitere For-           entsteht journalistische Qualität.“
mate, beispielsweise „Traut Euch“, in dem            Auf die Stärken Individualität und Regio-
sich Hochzeitspaare vorstellen und eine            nalität setzt auch der Kölner Stadt-Anzeiger
Traumhochzeit gewinnen können. Zwischen            mit seinen vielfältigen Web-TV-Angeboten,
1000 und 1500 Zugriffe verzeichnet die Re-         die teilweise auf Inhalte des Print-Produkts



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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




aufsetzen. Etwa „Alles wird gut“, in der neue         Handy-Dienste erarbeitet. Frank Möllers
Besitzer für Tiere gesucht werden. Die Reihe          erklärt, warum: „Mit dem Handy habe ich
erscheint bereits seit Jahren in der Zeitung,         den direkten Draht zum Kunden und den
bis die Autorin beschloss, vor die Kamera zu          sollte ich auch nutzen.“ Er spricht von „1000
gehen. Der Aufwand für die TV-Formate ist             Möglichkeiten“, die in Frage kommen und
unterschiedlich: Manchmal dauert eine Pro-            besonders dann interessant sind, wenn es
duktion zwei Wochen, bisweilen aber auch              um regionale Dienste geht – beispielsweise
nur einen Nachmittag. Künftig sollen auch             schnelle Handy-Infos bei Wahlen oder die
Lokalredaktionen Videobilder liefern – alle           Unfallmeldung mit integrierter Umleitungs-
werden derzeit mit Camcordern ausgestat-              Empfehlung. Nutzwert muss dabei sein, ob-
tet. Mit der Gestaltung der Filme haben die           wohl nur 160 Zeichen zur Verfügung stehen.
Redakteure allerdings nichts zu tun: Das              „Solche Angebote funktionieren nur, wenn
wird in der Online-Redaktion erledigt.                man sie vernünftig bewirbt und crossmedial
  Der Ansatz „Online first“ bedeutet laut             angeht“, betont Möllers. Daher wird in der
Jürgen Oehler auch, sich personell besser             Glocke immer wieder auf den Dienst hinge-
aufzustellen. In seiner Redaktion wurde ein           wiesen und es werden Erklärstücke geliefert
zusätzlicher Frühdienst eingeführt, damit             mit genauen Anleitungen zur Bedienung.
nun von 7 bis 23.30 Uhr Inhalte aktualisiert          „Wir haben derzeit dreistellige Nutzerzah-
werden können. Teilweise gestalten die                len“, informiert er. Das Handy-Portal birgt
Lokalredaktionen ihre Online-Seiten selbst.           acht Rubriken, wobei die regionalen Inhalte
Insgesamt werden im Haus Themen häufig                ganz oben stehen. Möllers: „Bundesliga-Er-
crossmedial aufbereitet. So gab es eine klei-         gebnisse liefert schließlich jeder.“
ne Printserie zum Thema „Straßen“, die im
Web mit großer Resonanz fortgeführt wurde:            Kontakt:
„Da kamen mehr als 200 Beiträge zusam-                Ralf Uwe Heer
men“, berichtet Oehler – und einer bot genü-          Tel.: 07131 615365
gend Stoff für eine filmische Umsetzung.              E-Mail: uwe.heer@stimme.de
  Der Kölner Online-Chef hebt zudem den
experimentellen Charakter des Angebots                Jürgen Oehler
hervor: „Wenn etwas im Netz nicht funktio-            Tel.: 0179 1350760
niert, dann lassen wir es eben.“ Maßgeblich           E-Mail: juergenoehler@web.de
ist für ihn: „Wir wollen uns mit Themen aus-
einandersetzen, die auch mit der Printredak-          Frank Möllers
tion zusammen realisiert werden können.“              Tel.: 02522 73-134
  „Die Zukunft ist mobil“, lautet das Motto der       E-Mail: moellers@die-glocke.de
in Oelde erscheinenden „Glocke“, die mobile


Z    UR PERSON
      Uwe Ralf Heer
Jahrgang 1965; Studium
                                    Z    UR PERSON
                                          Frank Möllers
                                    Geboren 1974 in Enniger; Stu-
                                                                       Z   UR PERSON
                                                                            Jürgen Oehler
                                                                       Der 54-jährige Ressortleiter
Deutsch, Geschichte und             dium der Volkswirtschaftsleh-      Online des „Kölner Stadt-An-
Politik; sieben Jahre Sportre-      re, Uni Bielefeld; 2000-2002       zeigers“ wurde in Hamburg
dakteur bei der „Heilbronner        Volontariat bei der „Glocke“,      geboren; studierte Deutsch,
Stimme“; 2000 Abstecher als         Oelde, danach Redakteur der        Geschichte, Erziehungswis-
Sportchef zum „Wiesbadener          Kreisredaktion Gütersloh und       senschaft und Sport; ab 1988
Kurier“; seit Juli 2006 Chefre-     in der Mantelredaktion; ab         Redakteur Lokalsport beim
dakteur der „Stimme“, zuvor         März 2006 Vertreter des CvD;       Stadt-Anzeiger; seit 2001 in
ab 2002 dort Redaktionsleiter       seit August 2007 Leiter Organi-    der Online-Redaktion, seit
bei der „Hohenloher Zeitung“.       sation der Redaktion.              2005 als deren Leiter.




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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




REFERATE

Steffen Büffel warnt vor Wunschdenken in Zeitungshäusern
Zukunftschancen durch Lesernähe
Web 2.0 wird Teil des Mediennutzungsverhaltens werden


Eine Zukunft, in der Zeitungen
keine Rolle mehr spielen? Der
Kurzfilm „epic 2015“ zeichnet ein
solches Szenario. Medienberater
Steffen Büffel zeigt ihn zu Beginn
seines Referats und würzt den
Vortrag mit provokanten Thesen
– die allerdings sämtlich auf wis-
senschaftlicher Basis stehen.

  „Zeitung & Co., Medien zum Weg-
rennen“; „die Zeitung ist das Medium
der Urgroßeltern, das Fernsehen
das der Eltern“: Angesichts solcher
Formulierungen muss Steffen Büffel
nicht mit mangelnder Aufmerksam-
keit rechnen – im Gegensatz zur
Zeitung, deren Reichweite während
der vergangenen zehn Jahre bei den                  der Befragten das Internet als wichtigste In-
unter 50-Jährigen stark abgenommen hat.             formationsquelle. „Was die Zeitung vor zehn
Büffel liefert Zahlen aus der ARD/ZDF-Lang-         Jahren war, ist nun das Netz, das hat sich
zeitstudie Massenkommunikation. Danach              gedreht“, informiert er. In den USA steckt der
haben bei der Mediennutzung die elektro-            Journalismus in der Krise, so Büffel, viele
nischen Medien immer gewonnen, wäh-                 Menschen fühlen sich durch ihn nicht mehr
rend es bei der Zeitung abwärts ging. Das           angesprochen.
Internet dagegen verzeichnet seit dem Jahr
2000 steile Zuwächse. Insgesamt nutzten             Erfolg mit Nischenthemen
die Deutschen 2005 täglich im Schnitt 600            Umso mehr boomt das Bloggen. Die
Minuten lang verschiedene Medien.                   Suchmaschine Technorati verzeichnet über
  Warum davon immer weniger für die Zei-            70 Millionen bestehende Blogs und täglich
tung abfallen? „Die Alternativen zur Zeitung        kommen laut Steffen Büffel 120.000 dazu.
sind zahlreich“, stellt der Medienberater fest,     Zur Erklärung des Erfolgs dient der „Long-
„das Bewusstsein darüber ist nur noch nicht         Tail-Ansatz“: Entlang des langen Ratten-
bei den Machern angekommen.“ Und das,               schwanzes der Medienwelt tummeln sich die
obwohl Web-Formate wie Wikis und Blogs              Nischenthemen und Netzwerkmedien; der
längst nicht mehr wirklich neu sind. Steffen        Versandhändler Amazon erzielt 57 Prozent
Büffel richtet den Blick auf die USA, wo sei-       seines Umsatzes aus Büchern, die nur in
ner Auskunft nach das Internet in bestimm-          Mini-Auflagen erscheinen. „Der Long Tail
ten Altersgruppen bereits als Leitmedium            wächst immens“, bekräftigt der Medienbera-
gilt. In einer Studie bezeichneten 48 Prozent       ter, um daran anschließend zu fragen: „Wie



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kann die Zeitung davon profitieren?“ Seine         Die Zeitung wird sich in Richtung eines tägli-
Antwort dazu: „Die Zeitung sollte Teil dieser      chen Nachrichtenmagazins wandeln.
Plattform werden, sollte mitspielen auf der        3. Der Qualitätsjournalist der Zukunft muss
Internet-Bühne.“ Als Beispiel nennt Büffel die     ein Abitur im Fach „Netzkultur“ vorweisen!
Diskussionen in Blogs über Themen, die von         Eine fundierte Kenntnis wird entscheidend
den traditionellen Medien transportiert wur-       für seine Urteilsfähigkeit sein.
den: „Diese Auseinandersetzungen könnten           4. Der Journalist der Zukunft muss alle Ka-
die Zeitungen ihrerseits wieder aufgreifen.“       näle beherrschen, auch den Rückkanal! Das
                                                   heißt, er muss Kontakte herstellen, pflegen
Web 2.0 kein Hype                                  und nutzen. Steffen Büffel: „Natürlich gibt
  Blogs zu ignorieren und für einen kurzlebi-      es Besserwisser, aber auch solche, die es
gen Trend zu halten, scheint ihm fahrlässig.       tatsächlich besser wissen.“
„Web 2.0 wird Teil des Mediennutzungsver-          5. Der Qualitätsjournalist der Zukunft
haltens werden“, unterstreicht er, „das ist        braucht Streit- und Kritikfähigkeit! „Er muss
kein Hype.“ Tatsächlich nennt er beachtliche       vom hohen Ross herunterkommen“, fordert
Zahlen: 2006 gab es in Deutschland 6,6             der Medienberater.
Millionen Blog-Leser, was 32 Prozent der In-
ternet-Nutzer entspricht; 7 Prozent betrieben      Kontakt:
ein eigenes Weblog. Es sind vor allem die          Tel.: 02421 2048831
jungen Nutzer, die sich mit Web 2.0 befas-         E-Mail: steffen.bueffel@media-ocean.de
sen – und bei den Angeboten liegt Wikipedia
vorn, erläutert Steffen Büffel, der mit seinen
Aussagen keine Illusionen über eine neue
Zeitungsära aufkommen lassen will: „Wieso
sollten die Jungen in einem bestimmten Alter
plötzlich Zeitung lesen? Das ist Wunschden-
ken.“

Kinderzimmer als Multimediaräume
  Kinderzimmer sind inzwischen Multimedia-
räume, „die Zeitung wird durchgereicht“, so
Büffel. Und die Kannibalisierungsdebatte
dreht er um: „Wer im Web keine Inhalte
anbietet, der kannibalisiert sich selbst, weil
er im Netz nicht gefunden wird.“ Besonders
vor dem Hintergrund, dass nach seiner
Einschätzung künftig im Internet „ein Batzen
                                                    Z    UR PERSON
                                                          Steffen Büffel
                                                    Geboren 1975, Studium der
Geld“ zu verdienen ist. Bisher aber gibt es         Medienwissenschaft, germa-
kaum Online-Werbevermarktung bei den                nistischen und anglistischen
Zeitungen, berichtet er. Viele Anzeigenab-          Linguistik in Trier. Freiberuflich
teilungen haben keine Ahnung vom Internet:          tätig als Experte in Sachen
„Es wird nicht einmal darüber nachgedacht,          Social Media. Berät und
sich darum zu kümmern.“                             unterstützt Unternehmen in
Wie die Zeitung dennoch zu retten ist, schil-       den Bereichen Crossmedia,
dert Steffen Büffel anhand von fünf Thesen:         Usability und Weiterbildung.
1. Die Zeitung der Zukunft ist nicht crossme-       Verschiedene Projekte für
dial. Sie ist lesernah!                             deutsche Zeitungsverlage im
2. Die gedruckte Zeitung wird künftig die           Sektor Neue Medien.
ideale Ergänzung für das (mobile) Web sein!



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Journalisten 3.0 beta – Herausforderungen und Anforderungen
Zwischen Euphorie und Überlastung
„Crossmediale Redaktionen in Deutschland“: Studierende stellen Projekt vor


„Crossmediale Redaktionen
in Deutschland“: Diesen Titel
trägt ein Projekt der Hoch-
schule Darmstadt in Koope-
ration mit CCI Europe und
der Ifra. Die Ergebnisse sind
Gegenstand des Referats
von Julia Andert und Lena
Leondaris, die beide Online-
Journalismus an der Hoch-
schule Darmstadt studieren
und an dem ein Semester
umfassenden Projekt für Stu-
dierende beteiligt waren.

  Fünf Zeitungsredaktionen          Julia Andert (l.) und Lena Leondaris
hatte das Projektteam unter die
Lupe genommen, sich an Ort                             die Vorteile der räumlichen Nähe für eine
und Stelle ein Bild gemacht und Interviews             intensivere Kommunikation.“ Dennoch wie-
mit Redakteuren geführt – nicht nur mit                sen beide Studentinnen auf die kontroverse
deren Chefs. Untersucht wurden die „Welt-              Diskussion hin, ob Großraumbüros journa-
Gruppe“ in Berlin, das „Handelsblatt“ in               listische Qualität eher mindern oder steigern.
Düsseldorf, der „Kölner Stadt-Anzeiger“, der
„Südkurier“ in Konstanz und die „Hessische/            Größter Newsroom Deutschlands
Niedersächsische Allgemeine“ in Kassel. Vor              Julia Andert beschreibt den riesigen News-
allem interessierte die 19 Studierenden, wie           room der „Welt“, den größten in Deutsch-
die Redaktionen mit den Herausforderun-                land. Dort orientiert sich die „Sitzordnung“
gen der Konvergenz umgehen, wie sie die                an „Chefbalken“ und „Ressortbalken“, die
Arbeitsabläufe strukturiert haben und was              Redakteure sind eingeteilt nach der „Coca-
künftig auf sie zukommen könnte.                       Cola-Formel“: 70 Prozent arbeiten horizontal
  Dabei stießen sie trotz der unterschiedli-           für nur ein Medium, 30 Prozent vertikal für
chen Größe der Einheiten auf zwei Gemein-              mehrere Medien der Welt-Gruppe. Zu deren
samkeiten: Keine Redaktion verfügte über               Angebot zählen laut Julia Andert das dreimal
ein gemeinsames Content-Management-                    täglich aktualisierte „Welt Online TV“ mit
System für Print und Online; bevorzugt                 Nachrichten und das Internet-Forum „Debat-
wurde in Großraumbüros gearbeitet, den                 te“. Beim Handelsblatt saßen ihrer Auskunft
sogenannten „Newsrooms“. „Die Atmos-                   nach die Online-Redakteure zunächst an
phäre dort schilderten die Redakteure nicht            einem eigenen Desk ohne Integration in
ausschließlich als laut und unruhig“, be-              Ressorts, gehören aber seit April 2007 auch
richtet Lena Leondaris, „viele lobten auch             zur Newsroom-Besatzung. Eins fiel den



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beiden Studentinnen in Düsseldorf auf: In             Organisationsstruktur wird seit 2003 durch
Sachen Fortbildung absolvierten die Printre-          vier regionale Newsdesks bestimmt.
dakteure Praktika bei ihren Online-Kollegen.            Generell stießen die Studierenden auf zwei
Der Claim beim Handelsblatt insgesamt                 gegensätzliche Einstellungen von Redak-
lautete: „Die Marke Handelsblatt kann ohne            teuren in puncto Crossmedia. „Es gibt sehr
das Web nicht bestehen.“                              euphorische Journalisten, die sich über
  Experimentiergeist stellten die Studieren-          die neuen Aufgaben freuen, andere klagen
den bei der Hessischen/Niedersächsischen              dagegen vor allem über die zusätzliche
Allgemeinen fest, vor allem anhand ihrer              Arbeitsbelastung“, so Lena Leondaris.
Profilierung mit „online only“-Inhalten. „Dort          Als Fazit des Projekts halten die beiden
wird sehr viel mit Video und Web 2.0 ge-              Studentinnen fest, dass ein neuer Arbeits-
arbeitet“, erläutert Julia Andert. Mit den            rhythmus gefragt sein wird – weg vom star-
„Breaking News“ verfügt die HNA über ein              ren Redaktionsschluss, hin zu mehr Flexibi-
Videoformat zur Nachrichtenpräsentation               lität. „Außerdem müssen Themen frühzeitig
im Web. „Und am Kassel-Wiki dürfen sich               und Plattform übergreifend geplant werden“,
auch Leute beteiligen, die ihr Wissen nur auf         lautet eine weitere Folgerung aus den Pro-
Papier weitergeben können – das wird dann             jekt-Erfahrungen. Das aktive Publikum im
ins System eingepflegt“, ergänzt sie.                 Internet scheint den Studentinnen ideal, um
  „Die Redakteure werden dazu angehalten,             Rückschlüsse auch auf Inhalte der gedruck-
multimedial zu denken“, lenkt Lena Leonda-            ten Ausgabe zu ziehen: „Print-Redakteure
ris den Blick auf die Online-Abteilung beim           interessieren sich für die Klicks im Web und
„Kölner Stadt-Anzeiger“. Multimedia ist dort          sind oft erstaunt, welche Themen online gut
nach ihren Informationen bereits seit Jah-            gehen. Das kann die Druckausgabe positiv
ren ständiges Thema. Beim Besuch in der               beeinflussen.“
Redaktion bemerkte das Projektteam eine
positive Grundstimmung der Online-Journa-             Kontakt:
listen, gepaart mit der Einschätzung, dass            Julia Andert
die Arbeit viel Abwechslung bedeutet.                 Tel.: 0177 8532797
  Viel Spaß an der Arbeit registrierten die           E-Mail: julia.andert@gmx.net
Studierenden auch beim Südkurier in
Konstanz. „Das Blatt widmet den Lesern                Lena Leondaris
besondere Aufmerksamkeit“, bemerkt Lena               Tel.: 0176 23309270
Leondaris mit Blick auf die Einrichtung des           E-Mail: lleondaris@web.de
„Leserreporters“: „Außerdem fokussiert der
Südkurier sein Online-Angebot stark und will          Download der Ifra-Studie unter:
die Nummer 1 in der Region werden.“ Die               www.ifra.com/newsplex_hda


                  Z    UR PERSON
                        Julia Andert
                  Jahrgang 1984; Studentin
                                                      Z    UR PERSON
                                                            Lena Leondaris
                                                      1985 geboren; studiert Online-
                  Online-Journalismus, Schwer-        Journalismus, Schwerpunkt
                  punkt Journalismus, an der          Journalismus, an der Hoch-
                  Hochschule Darmstadt;               schule Darmstadt; Praktika
                  Praktikum und freie Mitar-          u. a. bei ProSiebenSat1
                  beit bei „Karriere Magazin“,        GmbH und SevenOne In-
                  Verlagsgruppe Handelsblatt;         termedia in München; freie
                  Werksstudentin bei FAZ.NET          Mitarbeit bei der Mannheimer
                  in Frankfurt/Main; Tätigkeit als    Wochenblatt GmbH; Referen-
                  Referentin für Fachkongresse.       tin auf Fachkongressen.




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Dr. Sonja Kretzschmar schildert die Folgen von Crossmedia
Kompetenz gegen kulturelle Widerstände
Convergence Journalism: Veränderung von Berufsbild und Ausbildung



Was hierzulande unter „crossmedialem
Journalismus“ läuft, heißt in den USA:
„Convergence Journalism“. Gemeint ist
im Grunde das Gleiche: das Zusammen-
wachsen einst verschiedener Welten
– mit allen Konsequenzen für die Medien-
landschaft und die Anforderungen an
Journalisten. Welche Folgen zu erwarten
sind, skizziert Dr. Sonja Kretzschmar vom
Institut für Kommunikationswissenschaft
der Uni Münster.

  „Convergence Journalism oder Konzentra-
tionsjournalismus entsteht, wenn verschie-
dene Medien in Konzentrationsprozessen
gefangen sind“, beginnt Sonja Kretzschmar
ihr Referat mit einer Definition, um gleich
darauf ganz praktisch in die USA zu blicken.
Dort hat der Begriff eine andere Qualität
erhalten, seit durch neue Rechtsvorschriften
vielfältige Verflechtungen der Medienhäuser
möglich geworden sind. In einem liberalisier-
ten Medienmarkt haben sich Großkonzerne
gebildet, die auf ein verändertes Nutzungs-
verhalten junger Konsumenten mit verschie-
denen Projekten reagieren. Und die weisen          prägt ist. „Content sharing“ dagegen zeich-
unterschiedliche Grade von Kooperation auf,        net sich durch Gemeinsamkeit aus, wobei
die im „Convergence Continuum“ ablesbar            allerdings weiterhin Kollegen verschiedener
sind, das die Wissenschaftlerin erläutert.         Mediengattungen parallel arbeiten. Unter
                                                   „Convergence“ schließlich wird die vollstän-
Abgestufte Kooperation                             dige Vereinigung verstanden, ein Zustand, in
  Demnach besteht die geringste Form der           dem beispielsweise ein Kollege alle Medien
Zusammenarbeit in der „Cross Promotion“            bedient.
zwischen Medien, während die nächste Stu-           Ist das dann der viel beschworene Su-
fe, das „Cloning“, bereits die 1:1-Übernahme       perreporter? An dieser Stelle weist Sonja
von Print-Inhalten in den Online-Auftritt um-      Kretzschmar auf mehrere Gefahren hin,
fasst. Die „Coopetition“ sieht schon eine weit     die ein solches Berufsbild einschließt: „Je
gehende Kooperation vor, die aber noch von         mehr Medien zu bedienen sind, desto eher
Misstrauen und Wettbewerbsgedanken ge-             werden Deadlines verpasst“, schildert sie



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eine Folge, und: „Die Wahrscheinlichkeit                   dazu geht es um eine flexible Denk- und
steigt, sich inhaltlich auf den verschiedenen              Arbeitsweise sowie um Softskills wie bei-
Plattformen zu wiederholen und auch die                    spielsweise Teamfähigkeit. Gerade in die-
Spezifika der jeweiligen Medien werden                     sem Punkt sieht die Referentin noch große
nicht genutzt.“ Das Resultat: „Journalistische             Probleme, auch in Deutschland: „Es gibt oft
Angebote verlieren an Qualität.“                           kulturelle Widerstände in den Redaktionen,
                                                           die Journalisten haben eher das Einzel-
Neuer Workflow                                             kämpfertum gelernt. Außerdem pflegen viele
  Als mögliche Lösung des Dilemmas be-                     ihre Vorurteile gegenüber den Kollegen aus
schreibt sie eine „Workflow-Vision“, die mit               anderen Medien.“ In Sachen Ausbildung
neuen Berufsbildern verbunden wäre: Es                     wird ihrer Auskunft nach jedenfalls viel Neu-
gäbe den „Newsflow-Editor“, eine Mischung                  es in die Lehrpläne aufgenommen werden
aus Chefredakteur und CvD, der sich auf                    müssen; denn selbst handwerkliche Kompe-
Themen konzentriert und überlegt, über wel-                tenzen verändern sich, etwa mit Blick auf die
chen Kanal sie am besten vermittelt werden                 Methoden der Internet-Recherche.
könnten. Dann käme der „Storybuilder“ als
Schnittstelle zwischen Editor und Reporter                 Neue kreative Möglichkeiten
ins Spiel, bei dem Elemente zusammenlau-                     Trotzdem bietet Konvergenz ihrer Ein-
fen, die er an die jeweiligen Redaktionen                  schätzung nach neue kreative Möglichkeiten
weiterleitet. Die Position des „News Resour-               bei der Umsetzung von Themen. Und zum
cers“ dient vor allem dazu, Informationen zu               Beispiel auch das multimediale Erzählen
recherchieren, zu archivieren und zugäng-                  innerhalb von Schulprojekten der Zeitungen
lich zu machen: eine Art Super-Bibliothe-                  betrachtet sie als neue Chance. Ihre Contra-
kar. Schließlich sieht das Modell noch den                 Argumente: mögliche Entwertung journalis-
„Multiskilled Journalist“ vor, einen Redakteur,            tischer Arbeit, Tarifflucht und Outsourcing,
der zumindest bimedial arbeiten kann und                   jüngere ersetzen ältere Redakteure, werden
für Texte, Töne und Bilder zuständig ist.                  dabei aber schlechter bezahlt, wie eine
  Sonja Kretzschmar erläutert die Kon-                     Studie von 2006 zeigt. „Mehr als 50 Prozent
sequenzen solcher Änderungen auf das                       der Befragten berichteten von Einkommens-


                       Z
Berufsbild,                                                verlusten in den vergangenen fünf Jahren“,
                            UR PERSON
bezogen auf                                                so Sonja Kretzschmar. Steht also bald ein
                            Dr. Sonja Kretzschmar
US-Verhältnisse:                                           journalistischer Mindestlohn zur Debatte?
                      Geboren 1970 in Frankfurt/
Kompetenz in
                      Main; 1990-96 Journalistik-
einem bestimm-                                             Kontakt:
                      studium in Dortmund und
ten Medium ist                                             Tel.: 089 45080102
                      Edinburgh; Volontariat bei
entscheidendes                                             E-Mail: sonja.kretzschmar@googlemail.com
                      der „Berliner Zeitung“, freie
Einstellungs-
                      journalistische Tätigkeit bei
kriterium; das
                      Online- und elektronischen
Schreiben gilt als                                         Links zum Beitrag:
                      Medien; Moderationsredakteu-
Schlüsselqualifi-
                      rin bei den „Tagesthemen“; seit
kation; mehrme-                                            • http://cmp.journalistik-dortmund.de/
                      2002 am Institut für Kommu-          • crossmedia uni dortmund
diale Produktion
                      nikationswissenschaft der Uni        • http://risingfromruin.msnbc.com/
wird gefragt;
                      Münster, Forschungsschwer-           stories.html
rhetorische und
                      punkte: internationale und           • multimedia award
analytische
                      interkulturelle Kommunikation,       • http://www.montgomeryboycott.com/
Fähigkeiten sind                                           • multimedia award
                      Journalismus und europäische
ebenso wichtig                                             • http://multimedia.journalism.berkeley.edu/
                      Öffentlichkeit, Konfliktjournalis-
wie Manage-                                                        tutorials/reporting/starttofinish/
                      mus, Fernsehpraxis.
ment-Qualitäten;                                           • multimedia tutorial



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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




Björn Förster gibt Tipps – damit die Einstellung stimmt
Mehrwert dank ungewohnter Perspektiven
Unterwegs mit der Videokamera: worauf es beim Dreh ankommt


Mal eben ein Video drehen? Dass so
etwas auf die Schnelle nicht funktioniert,
zeigt der Berliner Videojournalist Björn
Förster. Er geht in seinem Vortrag zwar
auch auf die optimale technische Ausrüs-
tung ein, erklärt aber vor allem, worauf
beim Erstellen qualitativ ansprechender
Filme geachtet werden muss – abseits
von Home-Videos und Youtube-Gewa-
ckel.

  Die Technik macht´s möglich: Während vor
zehn Jahren digitale Videokameras noch 12
Kilo gewogen haben, bekommt man die glei-
che Leistung heute im kompakten leichten
Gehäuse. Doch sollte beim Kauf auf einiges
geachtet werden, informiert Björn Förster
– beispielsweise darauf, nicht auf die Kame-
raautomatik angewiesen zu sein. „Manuelle
Einstellungen sind im Zweifel immer besser.“
So können Schärfe, Brennweite (Zoom) und
Weißabgleich optimal eingestellt werden.
Außerdem weist er darauf hin, dass zu gu-         Gelegenheit zu suchen sich abzustützen.
ten Bildern auch guter Ton gehört. Und der        Außerdem sollten Bilder immer 7 Sekunden
lässt sich mit Hilfe eines externen Mikrofons,    lang stehen gelassen werden, was sich laut
befestigt an einer „Tonangel“, eher erreichen     Förster günstig im späteren Schnitt bemerk-
als mit eingebauten Mikros. Aus seiner Sicht      bar macht. Deutlich warnt er vor unnötigen
außerdem unverzichtbar ist das Kamerasta-         Zooms und Schwenks, die man nur bewusst
tiv: „Das sorgt für ruhige Bilder und man         einsetzen sollte. „Der Sucher ist nicht dazu
sollte es so oft es geht verwenden.“              da, die Bilder zu suchen“, ergänzt der Kame-
  So eine komplette Ausrüstung kann schnell       ramann, „wenn jemand zoomt, sollte er im-
bis zu 10.000 Euro kosten: mehr, als viele        mer ein klares Anfangs- und Endbild haben.“
Verlage zu zahlen bereit sind. Doch die
Grundregeln fürs Filmen, die Björn Förster        Gegenlicht meiden
aufzählt, werten auch mit billigen Kameras         Eine weitere Grundregel lautet, Gegenlicht
gedrehte Videos auf. Denn schlechte Bilder        und überhaupt zu große Lichtunterschie-
können eine gute Geschichte verderben,            de zu vermeiden. Da ist laut Björn Förster
gibt er zu bedenken. Dazu gehören verwa-          Mut gefragt, die Leute vor der Kamera zu
ckelte Aufnahmen, weswegen er dringend            dirigieren, sie in eine günstigere Position
rät, das Stativ zu wählen oder nach einer         zu bringen. Generell regt er an, beim Dreh



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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




fotografisch zu denken, verschiedene Blick-        weiteren Hinweis, der auch beim Schnitt
winkel auszuprobieren und auch mal mit             bessere Möglichkeiten eröffnet.
interessanten Nahaufnahmen zu experimen-             Zur inhaltlichen Qualität eines Videos
tieren. Das Ziel dabei ist, unterschiedliche       gibt der Kameramann zu bedenken, dass
Bilder zu sammeln, unter anderem dadurch,          es einen Zusatznutzen gegenüber einem
die Einstellungen zu wechseln.                     gedruckten Interview geben muss. Und er
  Die wichtigsten Einstellungsgrößen von           weist auf eine Eigenheit von Videos hin:
der (Super-) Totalen bis zur Detailaufnahme        „Komplexe Themen sind nicht im Detail
demonstriert Förster anhand von Fotos: Die         darstellbar, die Komplexität wird reduziert.“
Totale zeigt möglichst viel: „Sie gibt dem         Die bildbegleitenden Kommentartexte sind
Zuschauer erstmal einen Einblick, damit er         dazu da, zusätzliche Informationen zu
sich orientieren kann“, erklärt er. Dagegen        vermitteln und nicht dass zu erzählen, was
geht die „Amerikanische Einstellung“ schon         man sowieso schon sieht, sagt Förster – es
näher ran – in Westernfilmen musste immer          geht darum, die Aufmerksamkeit zu lenken.
der Colt zu sehen sein, daher der Name. Die        Eine weitere Warnung des Experten gilt der
halbnahe Einstellung zeigt die Person bis          „Text-Bild-Schere“: „Man sollte im Kommen-
zur Hüfte, die nahe ab der Schulter aufwärts.      tar nicht über Dinge reden, die gar nichts mit
„Das ist die klassische O-Ton-Einstellung“,        den Bildern zu tun haben.“
so Björn Förster. Die Großaufnahme und               Um Videos mit Musik zu untermalen, rät
das Detail schließlich kommen im journalis-        Björn Förster zur Verwendung von Sounds,
tischen Alltag seltener vor: Es entsteht eine      die unter einer „Creative Commons“-Lizenz
intime Distanz zum Gegenüber.                      stehen: oftmals angeboten von Bands, die
                                                   ihre Musik in freier Lizenz anbieten. Auch die
Ungewöhnliche Perspektiven                         Nutzung Gema-freier Musik kommt seiner
  Eher ungewöhnliche Bilder versprechen            Erfahrung nach in Frage. Nicht immer muss
auch Frosch- (von unten) und Vogelperspek-         dazu eine teure CD erworben werden – ein-
tive (von oben). Als Richtlinie für gute Bilder    zelne Songs sind auch im Web über Musik-
beschreibt der Berliner Videojournalist den        datenbanken erwerbbar.
schon aus der Antike bekannten „Goldenen
Schnitt“, bei dem das Bild ideal proportio-        Kontakt:
niert wird und eine Teilung „ein Drittel zu        Tel.: 0171 5441849
zwei Drittel“ erfährt. Diese Aufteilung emp-       E-Mail: post@bjoernfoerster.de
fiehlt Björn Förster auch für klassische Inter-
viewbilder. Dabei sollen die Personen nicht
aus dem Bild heraus sprechen, sondern es


                                                    Z
muss „Raum für deren Sprache geben“, wie                 UR PERSON
sich Förster ausdrückt.                                   Björn Förster
  Grundsätzlich dürfen Interviewpartner nicht       1977 in Berlin geboren; von
direkt ins Bild gucken. „Das will man nicht,        1998 bis 2000 Ausbildung als
weil die Kamera nur Beobachter des Ge-              Mediengestalter Bild und Ton;
sprächs ist.“ Es lässt sich in der Regel ver-       danach selbstständiger freier
meiden, wenn der Fragesteller gleich neben          Kamera- und Tonmann. Tätig
der Kamera positioniert wird, so der Tipp des       für Industrie, Behörden, Initia-
Experten. Durch Kameraposition und Licht            tiven; Drehs für TV-Produktio-
lässt sich der Befragte auch optisch vom            nen sowie aktuelle Programme
Hintergrund lösen. „Bei längeren Interviews         der ARD wie „Tagesschau“ und
sollte man die Einstellungsgrößen variieren         „Tagesthemen“; filmische Ver-
und wichtige Aussagen mit näheren Auf-              anstaltungsdokumentationen.
nahmen unterstreichen“, gibt Förster einen



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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




Michael Bechtel: Entwicklung von Web-Sprache braucht seine Zeit
Optische Transparenz für hektische User
„Multimediale Informationspakete“ als ideale Form von Crossmedia


Die zentrale Botschaft steht gleich am
Anfang seines Vortrags: „Was wir brau-
chen, sind multimedial geschnürte Infor-
mationspakete“, betont Michael Bechtel,
freier Journalist und Texttrainer. Aller-
dings beobachtet er derzeit eine „Nei-
gung, das Thema Text zu unterschätzen“.
Im Plenum schildert er, warum er eine
„spezielle Art der Schreiberei“ für nötig
hält und was dazugehört.

  „Seit Erfindung des Buchdrucks hat sich
Sprache immer wieder verändert“, blickt er
zunächst in die Vergangenheit der Zei-
tung, um anschließend gleich nach vorn zu
schauen: „Wir werden immer wieder neue
Ausdrucksformen entwickeln.“ Die Wege
zu einer guten Vermittlung von Inhalten
im Netz sind für ihn durch die Printmedien
vorgezeichnet: „Vieles können wir schon.“
Lernbedarf sieht Michael Bechtel im Hinblick
auf sich ändernde Beziehungen zwischen            am Schirm zu erleichtern: „Durchschnittlich
einzelnen Elementen. So muss nicht immer          braucht man am Bildschirm 10 bis 25 Pro-
der Text im Mittelpunkt stehen, sondern er        zent mehr Zeit, um einen Text zu erfassen.“
kann auch mal Mittel sein, um ein Video zu        Außerdem bietet der Screen keinen Über-
featuren und Hintergründe dazu zu liefern.        blick über einen längeren Text. Unterhalb
                                                  der Bildschirmkante liegende Inhalte haben
Optische Transparenz fehlt                        laut Bechtel auch deshalb schlechte Chan-
 „Die Sprache im Web wird nicht am grünen         cen gelesen zu werden, weil viele User
Tisch entwickelt, sondern in der Praxis – und     grundsätzlich nicht scrollen.
das braucht seine Zeit“, stellt Bechtel fest.      Als wichtig schildert er zudem, die Psy-
Seinen Beobachtungen nach fehlt Texten            chologie des Internet-Nutzers zu beachten:
zudem häufig die „optische Transparenz“.          „User sind hektisch und immer auf der
Doch gerade bei langen Beiträgen benötigt         Suche nach Informationen, ein Großteil der
der Leser Hilfestellung. Die erhält er nicht      Leser befindet sich auf der Durchreise“, so
durch die exzessive Nutzung von Hypertext,        der Schreibtrainer, „wenn sie aber etwas ge-
der in den frühen Jahren der Diskussion           funden haben, werden viele zu anspruchs-
über Netzsprache die Hauptrolle zu spielen        vollen Lesern, die auch umfangreiche Beiträ-
schien. Der Schreibtrainer hält es für wichti-    ge konsumieren.“ Und dieses Lesen findet
ger, Texte klar zu gliedern, um so das Lesen      durchaus am Bildschirm statt, während



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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




früher geglaubt wurde, das viele sich die         der Klassen 6 bis 8 entspricht. In einem em-
Artikel zunächst ausdrucken würden.               pirischen Vergleichstest des „Swiss Usability
  Den geschilderten Problemen hält Michael        Centers“ konnte die Leseleistung so um 135
Bechtel fünf Lösungen entgegen:                   Prozent gesteigert werden – und auch von
1. Textökonomie beachten, was in sinnvol-         „Normalnutzern“ bekamen die Angebote
lem Maß verknappte Texte bedeutet, die            Traumnoten für ihre Verständlichkeit.
sachlich knapp, in jedem Fall aber sprach-          Ergänzend fügt Michael Bechtel hinzu,
lich knapp sein sollten.                          dass Artikel erst dann wirklich zu Hypertext
2. Sprachliche Verständlichkeit, also in          werden, wenn sie sich durch sinnvolle Links
Wortschatz und Grammatik der Sprache              mit ergänzenden Informationstexten verbin-
einer möglichst großen Zahl von Usern             den – und durch Verbindungen mit sinn-
angepasst.                                        vollen multimedialen Erweiterungen einen
3. Medienadäquate formale Textstruktur            Mehrwert liefern. Seine für sprachzentrierte
realisieren, womit kurze, möglichst modular       Journalisten provokante Schlussbemerkung:
gestaltete Abschnitte mit prägnanten und          „In multimedialen Informationspaketen muss
aussagekräftigen Überschriften gemeint            Sprache keineswegs immer die Hauptrolle
sind. Bechtel: „Man sollte Lesern die Mög-        spielen, sondern kann sehr wohl hinter Bild,
lichkeit geben, das Angebot zu überblicken        Ton sowie Bewegtbild-Anteile zurücktreten
und schnell Zugang zu Abschnitten eröffnen,       und eine dienende Funktion übernehmen.“
die auf spezielles Interesse stoßen könnten.“
4. Adäquate grafische Gestaltung, was Text        Kontakt:
und grafisches Design angeht.                     Tel.: 02224 9016836
5. Text sollte sinnvoll mit multimedialen         E-Mail: info@michael-bechtel.de
Elementen verklammert werden, die Ele-
mente sollten sich strategisch aufeinander        Link zur Studie des Swiss Usability Centers:
beziehen.                                         http://www.usability.ch/Alertbox/
                                                         20050314.htm
Sprache optimieren
  „Texte, die alle diese Forderungen glei-
chermaßen verwirklichen, gibt es bisher
kaum“, tröstet Michael Bechtel. Die Regeln
zur Optimierung von Sprache setzt er als
bekannt voraus: keine Fremdwörter, klare


                                                   Z
kurze Sätze, geringe Informationsdichte
                                                       UR PERSON
– was heißt, die Sätze nicht mit Fakten zu
                                                         Michael Bechtel
überfrachten. Als wichtiges strukturierendes
                                                   Der 1949 geborene freie Jour-
Element hebt er Zwischentitel hervor: nicht
                                                   nalist betreibt das Redakti-
solche feuilletonistischer Art, sondern derge-
                                                   onsbüro „QualityNews“ in Bad
stalt, dass sie den Lesern mitteilen, was sie
                                                   Honnef bei Bonn. Texter für
in den nächsten Zeilen erwartet. Die Absätze
                                                   Unternehmenspublikationen
sollten außerdem kurz sein und mit Leerzei-
                                                   von Firmen wie Aral, Ford und
len voneinander abgesetzt werden.
                                                   TÜV Rheinland, außerdem
  Aufmerksamkeit lenkt Bechtel zudem auf
                                                   für Verbände und Behörden;
die „Usability“-Strategie der kommerziellen
                                                   Schreibtrainings im Auftrag
Konkurrenz großer Internetfirmen, bei der
                                                   renommierter Seminarveran-
es um die Optimierung von Webseiten für
                                                   stalter; langjähriger Dozent
leseschwache Benutzer geht. Im Sinne der
                                                   im Bereich journalistisches
Usability sollen Webseiten so formuliert
                                                   Handwerk.
werden, dass die Inhalte dem Sprachniveau



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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




Verleger Urs Gossweiler und sein Modell der „Mikrozeitung“
„Die Größe haben, klein zu sein“
Die Schweizer „Jungfrau Zeitung“ setzt konsequent auf Lokales


Zwischen grandiosen Ber-
gen an einem herrlichen See
liegt der Ort Interlaken in der
Schweiz. Und so einmalig
wie die Natur mutet auch das
Modell der „Jungfrau Zeitung“
an: Sie erscheint rund um
die Uhr an 365 Tagen im Jahr
online im Internet. Nur zweimal
in der Woche gibt´s dagegen
die gedruckte Zeitung. Wie das
alles funktioniert, berichtet
Urs Gossweiler, Verleger und
Interims-Chefredakteur des
Exoten aus den Bergen.

  „Sie haben es mit einem sehr
konservativen Menschen zu tun“,
stellt sich Urs Gossweiler im Plenum vor –        „Mikrokosmos Jungfrau“ die klare Nummer
augenzwinkernd, wie überhaupt sein Vortrag        1 sein. Aus 29 Gemeinden mit rund 45.000
zeitweise an die Qualität eines Kabarettpro-      Einwohnern besteht dieser Mikrokosmos
gramms heranreicht. Gepaart mit viel Fach-        mitten in den Schweizer Alpen. „Vier Ge-
kompetenz präsentiert er eine große Portion       meinden halten sich für wichtiger, weshalb
Selbstironie. So platziert er die Jungfrau        wir dort auch mit Redaktionen vertreten
Zeitung in einer Reihe mit der „International     sind“, beschreibt der 37-Jährige und erklärt
Herald Tribune“ und dem „Spiegel“: weil alle      gleich die Herkunft des Namens: Die Zei-
drei Blätter seiner Auffassung nach die gol-      tung wurde nach dem höchsten Berg um
dene Regel erfolgreichen Zeitungmachens           Interlaken benannt, der über 4000 Meter
umsetzen, nämlich Publizistik, Werbung und        hohen „Jungfrau“: „Mit dem Namen fällt man
Nutzer perfekt unter einen Hut zu bringen.        jedenfalls schonmal auf.“
  Die Tribune agiert konsequent global,
der Spiegel vorwiegend national und die           Online an erster Stelle
Jungfrau Zeitung lokal. Dazwischen gibt es         Aber auch mit dem Konzept: „Online ist bei
für Urs Gossweiler keine überzeugenden            uns das absolut Wichtigste“, hebt Gosswei-
Modelle. „Die regionale Tageszeitung mit          ler hervor, „die Redaktionen sind das ganze
überregionalem Anspruch und dem Lokalteil         Jahr über von 8 bis 20 Uhr besetzt, bei
im fünften Buch hat keine Zukunft“, zeigt         besonderen Ereignissen bis 24 Uhr.“ Wobei
sich der Verleger überzeugt. Sein Credo:          ein solches Ereignis auch ein Amateur-
„Man muss die Größe haben, klein zu sein.“        Eishockeyspiel sein kann, das um 23 Uhr
Deshalb will er auch ausschließlich im            abgepfiffen wird und sich schon eine Stunde



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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




später im Web nacherleben lässt: anhand             wird, geht eben auf eine andere Website“,
von Text, Fotos und bewegten Bildern. Urs           bleibt der Verleger gelassen. Motto: „Man
Gossweiler gibt zu, dass es sich dabei um           muss nicht alles machen, fürs Überregionale
ein „Extrembeispiel“ handelt: „Dieser Re-           gibt es andere Kanäle.“
dakteur schafft das, weil er es will und weil         Auch bei den kommerziellen Angeboten
er sonst Druck von einigen Kollegen be-             pflegt das Medienhaus seine Strategie „Web
kommt, die Eishockeyfans sind.“ Eins steht          first“. Bei der Anzeigen-Schaltung wird kein
aber für die gesamte Belegschaft fest: Sie          Unterschied gemacht zwischen Online und
pflegt einen permanenten Newsfluss und              Print: „Die Kunden werben in der Jungfrau
gibt aktuelle Ereignisse umgehend an die            Zeitung insgesamt.“ Und das Blatt schafft
Leser weiter, die nur fürs Abo des gedruck-         kostenlosen Zusatznutzen, etwa mit dem
ten Blatts zahlen, das ca. 90 Euro pro Jahr         „virtuellen Friedhof“ im Netz, laut Gossweiler
kostet. 30.000 Nutzer zählt die Jungfrau            „ein riesiger Knüller: Richtige Grabsteine
Zeitung, davon beziehen 67 Prozent zusätz-          sind nach 25 Jahren weg, wir bieten 50
lich die Printausgabe. Die erscheint in einem       Jahre.“ Wer auf den virtuellen Grabstein
Umfang von 32 Seiten jeweils dienstags und          klickt, findet dahinter sämtliche Anzeigen
freitags, ergänzt um Supplements. „Der Um-          der Familie und Fotos des Verstorbenen,
bruch ist relativ schnell erledigt“, berichtet      zusammengefasst in Dossiers.
Urs Gossweiler, „innerhalb von sechs Stun-             Angesichts von 88 Prozent an zusätzli-
den produziert ein Redakteur 20 Seiten.“            chen Erlösen in der jüngsten Vergangenheit
                                                    wundert das Fazit des Verlegers nicht: „Gebt
Zeitungmachen ohne Mühe                             das ganze Geld ins Lokale!“, lautet seine
  Die Online-Zeitung bereitet dagegen offen-        Botschaft, „das Lokalressort wird alles über-
bar gar keine Mühe, „die Site fällt einfach         leben.“ Exklusive lokale Inhalte in kleinen
hinten raus“, wie sich der Verleger ausdrückt       Einheiten, den „Mikrozeitungen“, publizieren
– als „Abfallprodukt des Workflows“. Der            und das Internet als Basis aller Tätigkeiten
sieht so aus, dass sich die Redakteure über         nutzen – so stellt sich Urs Gossweiler die er-
einen Browser ins System einloggen, dort            folgreiche Zukunft vor. „Sonst kommt Google
die wichtigsten internen Meldungen lesen,           local und schnappt Euch Eure Anzeigen-
sich einen Überblick über Termine verschaf-         märkte weg – da müsst´s aufpassen!“
fen sowie dort ihre Texte, Fotos und Videos
einfügen und per Knopfdruck publizieren.            Kontakt:
Die 30.000 User lesen aufmerksam und                Tel.: +41 33 952 13 60
melden auch Fehler. „Wir haben also 30.000          E-Mail: urs@mountain.ch
Korrektoren, was die Qualität der Printaus-
gabe noch erhöht“, freut sich Urs Gosswei-
ler, der fortfährt: „Es ist viel einfacher, aus
der Online-Version eine Printausgabe zu
                                                     Z    UR PERSON
                                                           Urs Gossweiler
                                                     1971 in Unterseen bei In-
fertigen als umgekehrt.“                             terlaken geboren; Lehre als
  Da die 1875 gegründete Jungfrau Zeitung            Schriftsetzer in einer Zei-
komplett lokal ausgerichtet ist, hat sie auch        tungsdruckerei; übernimmt
keine Nachrichtenagentur abonniert. „Wir             nach dem frühen Tod des
produzieren exklusive Stories, alle unsere           Vaters 1993 mit 22 Jahren als
Ressorts sind lokal bestimmt“, betont der            Verleger die Gossweiler Media
Schweizer. Die wichtigsten oder skurrilsten          AG in vierter Generation. Seit
Meldungen werden zudem ins Englische                 September 2007 auch Chefre-
übersetzt. Selbst der Wetterbericht der Zei-         dakteur für einen Übergangs-
tung beschränkt sich auf die engere Heimat.          zeitraum bis Mai 2008.
„Wer wissen will, wie das Wetter in Bern



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DISKUSSION

Reine Internet-Medien und ihr steiniger Weg zu mehr Bekanntheit
Print-Marken haben´s gut
„Netzeitung“ und „Hauptstadtblog“ suchen ihre Zukunft im Web


Beide sind überzeugte
Onliner – und ausgebil-
dete Print-Journalisten:
Domenika Ahlrichs,
Chefredakteurin der
von Berlin aus ins Web
gehenden „Netzeitung“,
und Günter Bartsch
vom „Hauptstadtblog“,
ebenfalls Berlin. In der
Diskussion sprechen
sie über ihre jeweiligen
Medien, die Macht einer
Marke und die Zukunft
der gedruckten Zeitung.
                                                   betont Domenika Ahlrichs und weist auf
  „Für uns ist es schwierig, größeren Be-          die multimedialen Möglichkeiten hin, etwa
kanntheitsgrad zu erlangen“, bekennt Dome-         Youtube-Videos in Beiträge einzubauen. Der
nika Ahlrichs und blickt auf die Konkurrenz        Anspruch hat sich mit dem neuen Besitzer
„Spiegel online“, wo die starke Marke nach         nicht gewandelt: „Die Netzeitung will eine
außen strahlt. Am Namen will die Chefin der        Tageszeitung im Netz für ganz Deutschland
Netzeitungsredaktion aber nicht rütteln, ob-       sein.“
wohl sie sich jetzt an die „Berliner Zeitung“
hängen könnte: Die Netzeitung gehört inzwi-        Bloggen im Kollektiv
schen dem britischen Verleger Montgomery             Ausschließlich mit dem Fokus auf Ber-
– wie auch das renommierte Blatt. Es soll          lin agiert dagegen der „Hauptstadtblog“,
allerdings bei der deutlichen Trennung bei-        gegründet 2005 und mittlerweile zu einem
der Produkte bleiben. „Mit uns hat Montgo-         Autorenkollektiv von 20 bis 25 Leuten an-
mery Netzkompetenz gekauft“, äußert sich           gewachsen. „Uns geht es vor allem darum,
die 34-Jährige. Acht fest angestellte Redak-       Themen aus den Bezirken zu publizieren“,
teure sollen täglich ihre Rolle als „Vertiefer“    erklärt Günter Bartsch, einer der Blogger.
wahrnehmen, Themen gründlich aufarbeiten           Denn was in diesen Bezirken geschieht,
sowie fürs Netz editieren und so den Lesern        kommt nach Ansicht der Macher des Blogs
Mehrwert bieten.                                   viel zu wenig in den etablierten lokalen Zei-
  Fürs schnelle Aktuelle sind bei der Net-         tungen vor. Trotzdem ist der Hauptstadtblog
zeitung freie Mitarbeiter zuständig, die in        kein rein journalistisches Angebot. „Jeder
verschiedenen Schichten zwischen 7 und             schreibt nach Lust und Laune“, berichtet
23 Uhr die Inhalte aktualisieren, hauptsäch-       Bartsch, „wir sehen das als unser Freizeit-
lich auf der Basis von Agenturmaterial. „Wir       vergnügen und kommen ohne Redaktions-
gehen im Web anders ran an die Themen“,            sitzungen aus.“ Ein paar feste Rubriken



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gibt es dennoch im Blog, beispielsweise                 viele meine Beiträge lesen und was für Kom-
die Presseschau am Morgen: „Die soll ein                mentare kommen.“ Allerdings sind die Mög-
Anreiz sein, täglich zum Hauptstadtblog zu              lichkeiten, den Hauptstadtblog bekannter zu
kommen.“ Die Themenauswahl ist seiner                   machen, begrenzt. „Das läuft hauptsächlich
Auskunft nach stark von den verschiedenen               über die gute Vernetzung zu anderen Blogs“,
Autoren abhängig; teilweise werden Alltags-             erklärt Bartsch.
dinge behandelt, wozu etwa Beobachtungen                  Angesprochen auf die Entwicklung, Print-
in der U-Bahn gehören. Andererseits finden              Journalisten auch ins Online-Geschäft
Leser auch Bezirkspolitik im Blog oder die              einzubeziehen, findet Domenika Ahlrichs
Diskussion um die Zukunft des Flughafens                klare Worte: „Ich glaube, wenn man Zei-
Tempelhof.                                              tungsjournalisten zusätzliche Aufgaben
                                                        auflädt, schmälert das die Qualität der Print-
Flapsigere Sprache                                      Ausgabe.“ Und die wird ihrer Einschätzung
  „Ich schreibe hier oft ein bisschen anders            nach nicht vom Markt verschwinden: „Zei-
als ein Journalist“, erzählt Bartsch, „bedie-           tung muss sich ändern, aber Gedrucktes hat
ne mich einer flapsigeren Sprache. Ande-                nochmal ein anderes Gewicht als Online.“
rerseits liefere ich aber auch Texte, die in            Dass sich vor allem Monopolzeitungen wan-
jeder Tageszeitung stehen könnten.“ Geld                deln müssen, schätzt Günter Bartsch: „Da
bekommt er für seine Beiträge nicht. Statt-             wird sich künftig noch manche Regionalzei-
dessen holt er sich über das Blog eine Art              tung umschauen wenn sie merkt, dass Blogs
„publizistische Erfüllung“.                             kommen und die Themen übernehmen.“
  Die allein reicht Domenika Ahlrichs bei der
Netzeitung nicht. Phasenweise kann sich                 Kontakt:
das Medium wirtschaftlich selbst tragen.                Domenika Ahlrichs
„Aber im Grunde haben wir schon immer                   Tel.: 030 2408880
ums Überleben gekämpft“, blickt sie zurück.             E-Mail: domenika.ahlrichs@netzeitung.de
Obwohl der Etat und das Team viel kleiner
sind, vergleicht sich die Netzeitung mit der            Günter Bartsch
Konkurrenz von „Spiegel online“. „Manchmal              Tel.: 0170 3267581
ärgern wir uns, dass der Erfolg ausbleibt,              E-Mail: gueb@guenterbartsch.de
obwohl wir Exklusivität praktizieren“, so die
Chefredakteurin, „aber man hat kaum eine
Chance, wenn nicht im Netz selbst jemand
auf einen hinweist.“ Beispielsweise in dem
Fall, dass eine Netzeitungsmeldung bei
„Google News“
gut platziert
landet: „Dann        Z     UR PERSON
                           Günter Bartsch
                     Jahrgang 1979, gelernter
                                                       Z    UR PERSON
                                                              Domenika Ahlrichs
                                                       1973 geboren; Magister in
steigen bei uns
die Klickraten       Tageszeitungsredakteur bei        Amerikanistik und Germanis-
deutlich.“           „Allgäuer Zeitung/Augsburger      tik; journalistische Ausbildung
  Die „Quote“        Allgemeine“; Studium der          an der Evangelischen Jour-
interessiert         Politikwissenschaft an der FU     nalistenschule Berlin; freie
auch Günter          Berlin; freier Autor für Medien   journalistische Tätigkeit; seit
Bartsch: „Ich        wie „Tagesspiegel“, „Freitag“,    August 2007 Chefredakteurin
schätze diese        „Main-Echo“ und „Hauptstadt-      der „Netzeitung“; dort zuvor
Möglichkeit          blog“. Fernseherfahrung durch     ab Juni 2003 freie Mitarbei-
sehr, erfahren       Tätigkeit u. a. für „Deutsche     terin, Chefin vom Dienst und
zu können, wie       Welle TV“.                        Vizechefin.




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REFERAT

Raimondo Sanna will Kompetenzen in Sachen Content ausbauen
Die Pflicht zur Veränderung
Ohne Investitionen in den Online-Bereich werden Verlage nicht bestehen


Nicht nur Journalisten, sondern ebenso
Verlage müssen auf ein sich verändern-
des Mediennutzungsverhalten reagieren,
um auch künftig geschäftlich erfolgreich
zu sein. Warum aus Sicht der Verlagslei-
tung eine ökonomische Notwendigkeit
für Crossmedia besteht, erläutert Rai-
mondo Sanna, Chef der Munich Online
GmbH – einem Tochterunternehmen der
Verlagsgruppe Münchner Zeitungsver-
lag.

  Mit Besorgnis schaut Raimondo Sanna in
die USA: Dort verlieren nach einer aktuellen
Umfrage traditionelle Nachrichtenmedien an
Relevanz, und 48 Prozent der erwachsenen
US-Amerikaner nutzen das Internet inzwi-
schen als primäres Nachrichtenmedium.
„Diese Zahlen müssen sich nicht zwin-
gend mit denen in Deutschland spiegeln“,
schränkt er ein, „aber vor allem im Bereich
Internet war die USA schon oft Vorreiter.“
                                                  früher nur mit Konkurrenten aus der eigenen
Immer mehr Online-Shopper                         Branche befassen, haben sie es heute mit
Schon jetzt boomt auch in Deutschland             Unternehmen wie T-Online, Web.de und Ya-
die Online-Nutzung, führt der 42-Jährige          hoo zu tun, wenn´s um die Werbeetats geht.
aus, vor allem beeinflusst sie nachhaltig           Zwar wächst Online-Werbung in atem-
das Einkaufsverhalten vieler Konsumen-            beraubendem Tempo und für 2008 wird
ten. Sanna illustriert die Entwicklung mit        mit einer Steigerung der Umsätze um 30
Zahlen: 2007 wurden 18,3 Milliarden Euro          Prozent gerechnet, informiert Raimondo
durch Online-Verkäufe erzielt, für 2008 sind      Sanna, aber: „Das Geld wird von der Werbe-
20 Milliarden prognostiziert. Der Anteil der      branche nicht zusätzlich investiert, sondern
Online-Shopper unter den Web-Usern lag            möglicherweise verlagert und von bisherigen
2007 bei fast 80 Prozent, was mehr als 32         Werbemöglichkeiten umgeschichtet.“
Millionen Menschen entspricht. „Die Tages-          Um nicht noch einmal ein Desaster zu
zeitungsverlage haben es mittlerweile mit         erleben wie den Verlust der Rubrikenmärkte
völlig neuen Playern am Werbemarkt zu tun         ans Internet, sind die Verlage nun gezwun-
und konkurrieren mit verlagsunabhängigen          gen, sich Online zu engagieren. Die Tages-
Internetplattformen“, schildert der Geschäfts-    zeitungen bilden mit einem Umsatz von 4,5
führer die Lage. Mussten sich die Verlage         Milliarden Euro 2006 nach wie vor den mit



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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




Abstand größten Werbeträger, was Sanna             zusammen geht nicht.“
aber nicht in Sicherheit wiegt: „Die prognos-       Sanna spricht von der Notwendigkeit, in
tizierten Online-Umsätze für 2008 von 3,7          den Sektor zu investieren. „Aber Fehler aus
Milliarden Euro kommen den Printumsätzen           den 90ern werden schon wieder begangen,
gefährlich näher.“                                 beispielsweise wird viel zu spät Geld in die
  Um inhaltlich einen erfolgreichen cross-         Hand genommen, um den Online-Bereich
medialen Kurs einzuschlagen, sieht der             auszubauen“, kritisiert er, „und es ist ein
Manager ein personelles Problem: „Redak-           Fehler, von Print-Journalisten zu verlangen,
tionell gibt es bei vielen Regionalverlagen        ohne Schulungen Internet zu machen.“ Viel
nach wie vor die Schwierigkeit, dass die           Zeit zu reagieren gibt er den Verlagen nicht
Redaktionen in Print denken und Online als         mehr: „Die ökonomische Notwendigkeit von
Konkurrenz sehen – obwohl die Gegner im            Crossmedialität wird auf Grund der Umsatz-
Netz die Googles und tageszeitungsfremden          verlagerungen immer größer und dringen-
Anbieter sind.“ Ein Umdenken beobachtet er         der.“ Für ihn steht daher fest, „dass wir un-
zumindest bei der Volontärsausbildung; vor         sere Kompetenz in den Bereichen Content
einem Jahr galt die Online-Abteilung noch          ausbauen, egal ob online oder offline, egal
als eher lästige Pflichtstation. „Mittlerweile     ob Bild oder Bewegtbild“.
sind die Volontäre als Kommunikatoren für
die Lokalredaktionen unterwegs und werben          Kontakt:
für unsere Arbeit“, freut sich Sanna.              Tel.: 089 5306-128
                                                   E-Mail: raimondo.sanna@merkur-online.de
VJs als Werbefilmer
 Außerdem sind vier Volontäre als Videore-
porter ausgebildet und 30.000 Euro für ent-
sprechendes Equipment investiert worden.
Ein Teil des Geldes haben die „VJs“ selbst
wieder eingespielt: mit Werbefilmen über
Autohäuser und Bürgermeister-Kandidaten.
„Wir trennen da sehr genau, so dass für
die Nutzer immer zu erkennen ist, wann es
                                                    Z    UR PERSON
                                                          Raimondo Sanna
                                                    Der 42-jährige gelernte Ver-
sich um Werbung oder redaktionelle Inhal-           lagskaufmann begann seine
te handelt“, betont Raimondo Sanna, der             berufliche Karriere bei der
das Vorgehen des Verlags in Richtung auf            „Mittelbayerischen Zeitung“
„Online first“ bei „Münchner Merkur“ und „tz“       in Regensburg; entwickelte
beschreibt.                                         als Assistent der Geschäfts-
  So wurden 2007 zwei Redaktionen ausge-            führung (1994-96) den ersten
wählt, um die neue Strategie umzusetzen             deutschen Verlags-Internet-
– laut Online-Chef erfolgreich: „Sie haben          Auftritt; 1996 beim Süddeut-
uns als Multiplikatoren geholfen, das The-          schen Verlag, München,
ma auch in andere Redaktionen zu trans-             Anzeigenleitung Privat-Rubri-
portieren.“ Doch insgesamt bedeutet der             ken und verantwortlich für An-
Prozess einen steinigen Weg: „Vor allem             zeigen auf sueddeutsche.de;
stoßen wir noch bei den freien Fotografen           2001 Wechsel zur Verlags-
auf absolutes Unverständnis, die Bilder auch        gruppe Münchner Zeitungs-
im Online-Auftritt zu veröffentlichen.“ Auch        verlag; Geschäftsführer der
den Versuch, die festen Fotografen als VJs          Tochter Munich Online GmbH;
einzusetzen, bezeichnet Raimondo Sanna              verantwortet alle Internet-Por-
als gescheitert. „Die haben gesagt: Entwe-          tale der Verlagsgruppe.
der ich mache Fotos oder ich filme. Beides



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Clemens Helldörfer betreut regionalen Wissenspool
Leser in der Rolle von Experten
Das „Franken-Wiki“ als interaktives Angebot für Überzeugungstäter


Während andere Verlage mit einer Viel-
zahl crossmedialer Möglichkeiten expe-
rimentieren, beschränkt sich die „Nürn-
berger Zeitung“ auf die Web-2.0-Formate
Blogs und Wikis. Vor allem das „Franken-
Wiki“ steht im Blickpunkt der Aufmerk-
samkeit. Redakteur Clemens Helldörfer
stellt das Angebot vor und gibt Einblicke
in die Welt der Wikis.

  Ursprünglich sollten Wikis helfen, die
Software-Entwicklung zu vereinfachen:
Programmierer konnten sich schnell unterei-
nander verständigen und Wissen weiterge-
ben. Es dauerte allerdings bis 2001, als sich
erstmals die Idee durchsetzte, das Wiki-
Prinzip auf eine Enzyklopädie anzuwenden.
Mittlerweile kennt wohl jeder Web-Nutzer
Wikipedia, das in mehr als 100 Sprachen
erscheint. Clemens Helldörfer zeichnet kurz
die Erfolgsgeschichte der Wikis nach, bevor         Angebot, in dem darüber hinaus die online
er auf „sein Kind“ zu sprechen kommt: das           erschienenen Artikel der Zeitung nachlesbar
„Franken-Wiki“ der Nürnberger Zeitung.              sind – „und von den Nutzern zwar nicht ver-
  Gestartet im November 2007, bietet es in-         ändert, aber durch eigene Beiträge ergänzt
zwischen etwa 1000 Artikel, verzeichnet 175         werden können“, wie der Hauptadministrator
registrierte User und 175.000 Seitenaufrufe.        Clemens Helldörfer ergänzt.
Als „Geburtshelfer“ mussten allerdings die
60 Redakteure der verschiedenen Ressorts            Fränkisches Mundartwörterbuch
ersten Input beisteuern: Jeder sollte mög-             Erfolgreicher Bestandteil des Franken-Wi-
lichst zehn Beiträge liefern. „Wenn man ein         kis ist das Mundartwörterbuch, in dem Be-
Wiki startet und die Leute treffen auf zu viele     griffe aus dem Fränkischen erklärt werden.
leere Seiten, verabschieden sie sich schnell        Zudem sind Serien aus der Zeitung einge-
wieder“, erklärt Helldörfer das Vorgehen.           stellt worden, etwa zur Nürnberger Architek-
Dazu gehört auch die Suche nach Partnern.           tur der Nachkriegszeit. Eine Reihe über die
Angesprochen wurden beispielsweise die              Personen hinter Nürnberger Straßennamen
Stadtarchive im Verbreitungsgebiet, deren           hat das Franken-Wiki mit Luftbildaufnahmen
bereits online publizierte Artikel zu histo-        illustriert, die via „Google Maps“ eingebun-
rischen Themen ins Wiki übernommen                  den wurden. Wenn ein Nutzer die Artikel
werden durften. Auch die Verkehrsvereine            allerdings auf seiner persönlichen Homepa-
und die Touristik-Zentrale fütterten das            ge veröffentlichen will, reagiert der Verlag



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restriktiv. „Eine Verlinkung ist aber gestat-     pflegen sowie auf Urheberrechte an Bildern
tet“, merkt Helldörfer an. Seine persönliche      und Beiträgen zu achten. „Man muss schon
Wiki-Erfolgsgeschichte war der Artikel über       mit Überzeugung dahinterstehen“, unter-
das Eisbärbaby „Flocke“, der schnell zu den       streicht Clemens Helldörfer, „weil ja immer
beliebtesten Beiträgen gehörte.                   Neues eingestellt werden kann. Da bleibt es
  Rund vier Monate benötigte das Team der         nicht aus, auch mal am Wochenende oder
Nürnberger Zeitung bis zur Realisierung des       im Urlaub reinzuschauen.“ Und das alles,
Franken-Wikis. Am Anfang schlug Clemens           obwohl mit Wikis kein Geld verdient werden
Helldörfer auch Skepsis solcher Art entge-        darf – jedenfalls nicht, ohne sich dadurch
gen: „Es gibt doch schon Wikipedia, wozu          unglaubwürdig zu machen.
wollt Ihr das Rad nochmal neu erfinden?“            Mit Blick auf ähnliche Angebote in anderen
Derartige Einwände kontert der Redakteur          Städten ist er optimistisch, dass auch das
mit dem Hinweis, dass mit dem eigenen             Franken-Wiki erfolgreich wird. „Wir sind ja
Wiki eine höhere Spezialisierung mög-             noch jung“, sagt der NZ-Redakteur, der mit
lich und nicht auf enzyklopädische Inhalte        Spannung auf neue Kooperationen blickt: In
beschränkt ist. „Mit dem Dialekt-Wörterbuch       Kürze steht eine Zusammenarbeit zwischen
wären wir bei Wikipedia gar nicht unterge-        Franken-Wiki und Nürnberger Volkshoch-
kommen“, nennt er ein Beispiel.                   schule an – gemeinsam wollen sie Wiki-Se-
                                                  minare anbieten und so zur aktiven Mitarbeit
Wichtig fürs Image                                an dem regionalen Wissenspool anregen.
  Außerdem bildet das Wiki auch ein „virtu-
elles Zeitungsarchiv“ als Leserservice. Nicht     Kontakt:
zuletzt hält Clemens Helldörfer das Angebot       Tel.: 0177 7050707
aus Image-Gründen für wichtig: „Wir können        E-Mail: clemens.helldoerfer@pressenetz.de
über das Wiki auch bei den Jüngeren auf
uns aufmerksam machen und zusätzliche
Kontakte herstellen, beispielsweise zu den
Vereinen in der Region.“ Und auch die Rolle
als Themen-Quelle für die gedruckte Zeitung
hält der Redakteur für beachtenswert.
  Insofern mag er die Einrichtung eines eige-
nen Wikis nur empfehlen. Die technischen
Voraussetzungen sind gering, die nötige


                                                   Z
Software wie etwa das verbreitete „Media-
                                                        UR PERSON
Wiki“ ist einfach zu bedienen. Zur Demons-
                                                        Clemens Helldörfer
tration präsentiert Helldörfer ein kleines
                                                   Geboren 1961 in Fürth; Studi-
privates Wiki: „Zum Testen kann man mit der
                                                   um der Theaterwissenschaft,
Software auf jedem PC experimentieren.“
                                                   Soziologie und Deutschen Li-
Wer ein solches Angebot startet, muss aber
                                                   teraturgeschichte in Erlangen;
vor allem eins beachten: „Ganz wichtig ist
                                                   Volontariat und Redakteur bei
der neutrale Standpunkt eines Autors, der
                                                   der „Fränkischen Landeszei-
Beiträge liefert“, so der Hauptadministrator,
                                                   tung“, Ansbach; seit 1992 Re-
„ein Wiki ist kein Forum.“
                                                   dakteur bei der „Nürnberger
  Und es bereitet eine Menge Arbeit, vor
                                                   Zeitung“, zunächst Lokalre-
allem zu Beginn, wenn Inhalte her müssen.
                                                   daktion, dann in der Stadtbei-
„Es gilt, den Punkt zu erreichen, dass die
                                                   lage „Nürnberg plus“; Aufbau
meisten Themen von außen kommen“, er-
                                                   und Betreuung des Franken-
läutert er. Später geht es besonders darum,
                                                   Wikis seit Herbst 2007.
die Wiki-Beiträge zu überwachen und zu



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Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




Jan Steeger stellt Best-Practice-Beispiele aus der „drehscheibe“ vor
Crossmedia auf allen Kanälen
Gute Ideen: Lokal- und Regionalzeitungen verzahnen Altes mit Neuem


Von Jan Steeger

Die drehscheibe war ein Papiertiger. Seit
25 Jahren stellt das von der bpb heraus-
gegebene Magazin für Lokalredaktionen
die besten Ideen und beispielhafte Artikel
aus den Lokalteilen der deutschsprachi-
gen Zeitungen vor. Auf Papier, in Form
eines gedruckten Hefts und Ideenlisten,
die lange Zeit per Post in die Redaktionen
verschickt wurden. Doch in dem Maße, in
dem die Tageszeitungen auf Online-Inhal-
te setzen und ihren Nutzern Angebote auf
anderen Kanälen offerieren, wandelt sich
auch die drehscheibe.

 Die Ideenlisten stehen jetzt im Netz zum
Download bereit. Auf www.drehscheibe.org
gibt es auch das Archiv, in dem mehr als
7.500 Artikel, die in der drehscheibe vor-
gestellt worden sind, als PDF-Dokumente
herunter geladen werden können. Nicht zu
vergessen der Online-Redaktionskalender         Wiki erweiterte Kassel-Lexikon der HNA war
mit den Umsetzungstipps. Ein Termin aus         – lange bevor andere darauf aufmerksam
dem Kalender wird zudem jeden Tag neu           wurden – ebenso in der drehscheibe vertre-
auf der Startseite vorgestellt. Sogar „onli-    ten wie das Videoblog von Uwe Ralf Heer,
ne-only“-content bietet die drehscheibe an:     dem Chefredakteur der Heilbronner Stimme.
Exklusiv-Interviews mit Journalisten und        Beiträge über Online-Lokalzeitungen wie
Medienmacher finden sich auf dem Seiten         16vor.de und crossmediale Jugendportale
der drehscheibe und der jugenddrehscheibe,      wie fudder.de von der Badischen Zeitung
dem Blog mit den besten Ideen aus Jugend-       und jetzt.de von der Süddeutschen gehören
redaktionen auf www.jugenddrehscheibe.de.       ebenfalls seit Langem zum Themenspekt-
Als Pilotprojekt startete außerdem zu die-      rum der drehscheibe.
sem Seminar das drehscheibeblog, über
das sich alle an den Diskussionen beteiligen    Bocholter Kanäle
können, die nicht als Teilnehmer oder Refe-      Die Ausgabe März 2008 widmet sich
rent vor Ort sein können.                       speziell den crossmedialen Projekten von
 Der Papiertiger drehscheibe hat sich also      Lokal- und Regionalzeitungen. Ein spannen-
nicht nur zum crossmedialen Angebot für         des Beispiel bietet dabei das Bocholter-Bor-
Lokalredaktionen entwickelt, auch die cross-    kener Volksblatt (BBV), das seit einem Jahr
mediale Entwicklung in den Redaktionen          das Programm „BBV – immer und überall“
selbst nimmt einen prominenten Platz im         umsetzt: Die lokale Nachricht wird über ein
Magazin ein. Das inzwischen zum Regio-          Newsdesk an die verschiedenen Kanäle



                                          Seite 27
Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




angepasst. Tägliches Web-TV, Kurzmel-             verknüpft werden, läuft der Service vollau-
dungen und Fotostrecken auf der Webseite          tomatisch und den Redaktionen entsteht bis
sowie die Hintergrundgeschichte im Blatt.         auf das Verschlagworten der Artikel kein zu-
Die Lokalzeitung mit einer Auflage von rund       sätzlicher Aufwand. Dafür erhalten sie aber
24.000 Exemplaren leistet sich daneben            Rückmeldung, welche Themen nachgefragt
noch mit „dieQ“ eine Internet-Community,          sind, auch wenn es sich bei den Nutzern
die sich an jüngere Nutzer wendet. Sämt-          des Dienstes nicht um die Kernleserschaft
liche Redakteure, Fotografen und freien           handelt.
Mitarbeiter des BBV wurden im Umgang mit           Im Hinblick auf die Podcast-Angebote
der Kamera geschult und zusätzlich Medien-        bei Lokal- und Regionalzeitungen sind die
gestalter für Video und Ton eingestellt. Ein      Podcast-Serien des Göttinger Tageblatts
Resultat dieser konsequent crossmedialen          hervorzuheben. Mit durchschnittlich 1.000
Ausrichtung ist die Serie „Jugend in Bewe-        Abrufen pro Tag – bei Aktualisierungen
gung – die 60er“, die im Januar und Februar       sogar bis zu 2.500 – werden die Hörangebo-
2008 in acht ganzseitigen Teilen im Blatt lief    te von den Nutzern sehr gut angenommen.
und durch eine Vielzahl von Web-Angeboten         Wöchentlich gibt es einen neuen Podcast,
ergänzt worden ist: Bildershows, Video-In-        den die GT-Redakteure im eigens eingerich-
terviews mit Zeitzeugen, Mp3-Dateien von          teten Aufnahmeraum erstellen. Inhaltliche
Songs lokaler Bands aus den Sechzigern            Vorgaben gibt es nicht. Momentan laufen bei
und Amateurfilmen aus dieser Zeit. Leser          www.gt-podcast.de fünf Serien, unter ande-
senden mehr als 200 Fotos ein, die online         rem ein Mundart-Podcast und ein moderier-
gestellt werden. Ein Diskussionsforum im          tes Stammtischgespräch.
Netz findet regen Zulauf. Die Serie wird dar-
aufhin im Blatt um drei Folgen mit Leserbei-      Kontakt:
trägen erweitert.                                 Tel.: 030 695665-24
                                                  E-Mail: steeger@raufeld.de
Service per SMS
  Die Verzahnung von verschiedenen Ka-
nälen demonstriert auch auf exemplarische
Weise der SMS-Dienst „zelection“, den
die Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung
(SZ/BZ) seit Januar 2008 anbietet. Die Idee
hinter dieser White-Label-Plattform von der
Stuttgarter zelect GmbH ist so einfach wie
überzeugend: Die registrierten Nutzer des
Dienstes geben Themen an, die sie span-
nend finden, und werden am Vortag per
SMS informiert, sobald ein für sie inter-
essanter Beitrag in der Zeitung erscheint.
Wenn sie auf diese SMS mit „OK“ antwor-
ten, wird ihnen automatisch am nächsten
Tag die Zeitung zugestellt oder eine perso-
nalisierte PDF-Zeitung per E-Mail geschickt.
Das Modell suchen sich die Nutzer selbst
aus. Bezahlen müssen sie nur das ver-
sendete PDF oder die zugestellte Zeitung
– der SMS-Service ist kostenfrei. Dadurch,
dass die „zelect“-Plattform mit dem Redak-
tions- und dem Vertriebssystem der Zeitung



                                            Seite 28
Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen




Katja Riefler rät Journalisten, die Angst vorm Publikum abzulegen
Von „Hyperlocal“ bis zum „Evergreen“
Medien www: weit weit weg – Lokaljournalismus in den USA


Immer wieder zeichnen sich in den
USA Trends ab, die mit Zeitverzöge-
rung auch Europa treffen. Wie sich
crossmediale Modelle im US-amerika-
nischen Zeitungsmarkt derzeit entwi-
ckeln, schildert die Medienberaterin
Katja Riefler im Interview.

Wie stellt sich die Situation des Lokal-
journalismus in den USA derzeit dar?

Riefler: Zeitungen in den USA
leiden unter kontinuierlichem
Auflagenschwund – gemessen an dem
Teil der Bevölkerung, der noch mit der           ausgestatteter Motorroller oder Kleinwagen
gedruckten Regionalzeitung erreicht wird, ist    erregt natürlich in einer Kleinstadt größere
die Situation schon wesentlich dramatischer      Aufmerksamkeit als im Gewimmel einer
als bei uns. Durch ein kontinuierliches          Metropole, ganz abgesehen davon, dass die
Engagement im Internet können die                Konkurrenz um Exklusivberichte aus einer
Zeitungen jedoch seit zwei Jahren wieder         kleinen Region geringer ist als bei Groß-
auf steigende Gesamtreichweiten verweisen,       ereignissen, wobei für die Menschen, die
das heißt die Zahl der Menschen, die             dort leben, beides gleich wichtig sein kann.
entweder die gedruckte Zeitung, das              Es gibt also Podcasts, Vodcasts, lokale
Online-Angebot oder beides nutzen, steigt.       Musikszene mit Titel-Downlaod etc. sogar
Dennoch stehen die Zeitungen aufgrund der        eher auf den Angeboten kleinerer Verlage.
Auflagenverluste und eines kontinuierlichen
Anzeigenrückgangs enorm unter Druck. In          Auf welchen Wegen werden die lokalen
vielen Redaktionen gibt es Entlassungen.         Inhalte in den Online-Zeitungen transpor-
Es gibt aber auch und gerade bei lokalen         tiert? Wo liegt der Schwerpunkt?
Zeitungen herausragende Beispiele für
erfolgreiche Angebote – in gedruckter Form       Der Schwerpunkt im Nachrichtenteil
und/oder als Websites.                           liegt bei US-Zeitungen auf Text und Bild,
                                                 ergänzt um Videos und zum Teil auch von
Mit welchen Formaten wird                        Podcasts. Die Masse der Angebote ist
experimentiert?                                  ganz vergleichbar wie bei uns. Fast überall
                                                 gibt es Blogs, nicht überall allerdings mit
Es wird mit sehr sehr vielen Formaten            großem Erfolg. Der Umgang und die Mitwir-
experimentiert und es sind nicht selten          kungsmöglichkeiten des Publikums haben
gerade kleinere Häuser, die innovative           jedoch bei erfolgreichen Angeboten ein
Ideen vorantreiben und mit relativ geringen      anderes Gewicht und auch die Aktualität.
Investitionen vergleichsweise große Wirkung      US-Zeitungen vermitteln ihren Usern, dass
erzielen. Das ist auch kein Wunder. Ein          sie auf der Website aktuelle Informationen
mit live-Video-Übertragungsmöglichkeit           finden, wann immer in der Region etwas



                                           Seite 29
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  • 1. JOURNALISTEN-READER ERFOLG AUF ALLEN KANÄLEN Crossmedialer Lokalteil: von neuen Lesern und einem Berufsbild im Wandel Modellseminar 3. bis 7. März 2008 in Klink an der Müritz
  • 2. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen INHALT Impressum ............................................................................................................................... 4 DISKUSSION AUF DEM SOFA Trüffelschweine fürs Champagner-Blatt ........................................................................5 Chefredakteursrunde diskutiert übers ideale Personal der Zeitung von morgen Dirk Lübke, Chefredakteur Zeitungsgruppe Lahn-Dill Folker Quack, Leitender Redakteur Main-Post Paul-Josef Raue, Chefredakteur Braunschweiger Zeitung IMPULSREFERATE Regionale Kompetenz auf allen Kanälen ......................................................................7 Online-Projekte als Experimentierfeld: gucken, was funktioniert Uwe Ralf Heer, Heilbronner Stimme Frank Möllers, Die Glocke, Oelde Jürgen Oehler, Kölner Stadt-Anzeiger REFERATE Zukunftschancen durch Lesernähe ................................................................................9 Web 2.0 wird Teil des Mediennutzungsverhaltens werden Steffen Büffel, Medienberater, Düren Zwischen Euphorie und Überlastung ............................................................................11 „Crossmediale Redaktionen in Deutschland“: Studierende stellen Projekt vor Julia Andert, Lena Leondaris, Hochschule Darmstadt Kompetenz gegen kulturelle Widerstände ..................................................................13 Convergence Journalism: Veränderung von Berufsbild und Ausbildung Dr. Sonja Kretzschmar, Universität Münster Mehrwert dank ungewohnter Perspektiven ................................................................15 Unterwegs mit der Videokamera: worauf es beim Dreh ankommt Björn Förster, Videojournalist, Berlin Optische Transparenz für hektische User ...................................................................17 „Multimediale Informationspakete“ als ideale Form von Crossmedia Michael Bechtel, QualityNews, Bonn „Die Größe haben, klein zu sein“ ....................................................................................19 Die Schweizer „Jungfrau Zeitung“ setzt konsequent auf Lokales Urs Gossweiler, Jungfrau Zeitung, Interlaken/CH DISKUSSION Print-Marken haben´s gut ..................................................................................................21 „Netzeitung“ und „Hauptstadtblog“ suchen ihre Zukunft im Web Domenika Ahlrichs, Netzeitung, Berlin Günter Bartsch, Hauptstadtblog, Berlin Seite 2
  • 3. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen REFERATE Die Pflicht zur Veränderung ..............................................................................................23 Ohne Investitionen in den Online-Bereich werden Verlage nicht bestehen Raimondo Sanna, Munich Online GmbH, München Leser in der Rolle von Experten ......................................................................................25 Das „Franken-Wiki“ als interaktives Angebot für Überzeugungstäter Clemens Helldörfer, Nürnberger Zeitung Crossmedia auf allen Kanälen .........................................................................................27 Gute Ideen: Lokal- und Regionalzeitungen verzahnen Altes mit Neuem Jan Steeger, drehscheibe, Berlin INTERVIEW Von „Hyperlocal“ bis zum „Evergreen“ .........................................................................29 Medien www: weit weit weg – Lokaljournalismus in den USA Katja Riefler, RISolutions, München Menschlichem Verhalten auf der Spur ..........................................................................31 Neurolinguistisches Programmieren in der beruflichen Kommunikation Axel Bürger, Lippische Landeszeitung, Detmold ARBEITSGRUPPEN Ein Redakteur kann alles ...................................................................................................32 Brauchen wir Spezialisten oder Eier legende Wollmilchsäue? Arbeitsgruppe 1 Eine Nachricht, viele Wege ...............................................................................................34 Wie organisiert sich eine Multimedia-Redaktion? Arbeitsgruppe 2 Leser, User, Loser ................................................................................................................36 Welche Ansprüche hat der Leser? Arbeitsgruppe 3 Die Enkel der Revolution ...................................................................................................38 Web 4.0: Lokale Zeitung funkt rund um die Uhr auf allen Kanälen Arbeitsgruppe 4 ANHANG ..................................................................................................................................40 - Programm - Teilnehmendenliste Seite 3
  • 4. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen IMPRESSUM Veranstalter Bundeszentrale für politische Bildung/bpb Fachbereich Multimedia Journalistenprogramm Berthold L. Flöper Adenauerallee 86 53113 Bonn Uwe Röndigs Telefon 0228 99515-558 Zeitungsgruppe Lahn-Dill Telefax 0228 99515-498 Weilburger Tageblatt E-Mail Berthold.Floeper@bpb.bund.de E-Mail: u.roendigs@mittelhessen.de Tagungsorganisation Anke Vehmeier Gabriele Prues (bpb) medienfabrik Telefon 0228 99515-555 Büro Bonn Telefax 0228 99515-405 E-Mail: vehmeier@medienfabrik.de E-Mail Gabriele.Prues@bpb.bund.de Journalisten-Reader Seminarleitung Volker Dick Joachim Braun Freier Journalist Tölzer Kurier 51643 Gummersbach Bad Tölz Telefon 02261 926212 E-Mail: joachim.braun@merkur-online.de Telefax 02261 926224 E-Mail Volker.Dick@buchstabensuppe.net Regina Krömer Main-Post Live-Blog Kitzingen http://www.drehscheibe.org/weblog E-Mail: regina.kroemer@mainpost.de Steffen Büffel Medienberater Modellseminar-Team Telefon 0151 17278431 Katja Dartsch E-Mail steffen.bueffel@media-ocean.de Braunschweiger Zeitung Braunschweig Tagungsstätte E-Mail: katja.dartsch@bzv.de Schlosshotel Klink Schlossstraße 6 Eberhard Renz 17192 Klink (Müritz) Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten Telefon 03991 747-0 Stuttgart Fax 03991 747-299 E-Mail: e.renz@blick-vom-fernsehturm.zgs.de Web: www.schlosshotel-klink.de Seite 4
  • 5. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen DISKUSSION AUF DEM SOFA Der neue Redakteur: Alleskönner oder Spezialist? Trüffelschweine fürs Champagner-Blatt Chefredakteursrunde diskutiert übers ideale Personal der Zeitung von morgen Welche Journalisten wer- den in Zukunft gefragt sein? Vor allem die mul- timedialen Alleskönner oder die spezialisierten Rechercheure? Darüber diskutieren Dirk Lüb- ke, Chefredakteur Zei- tungsgruppe Lahn-Dill, Folker Quack, Leitender Redakteur der „Main- Post“, und Paul-Josef Raue, Chefredakteur der „Braunschweiger Zei- Dirk Lübke, Folker Quack, Regina Krömer, Paul-Josef Raue (v. l.) tung“. Raue formuliert es gleich in seinem Ein- übernehmen“. gangs-Statement: „Journalismus wird online Dass auch im Netz wann immer möglich nicht neu erfunden“, betont er, „wir sollten Qualitätsjournalismus gepflegt werden soll, uns darauf konzentrieren, was wir schon formuliert Folker Quack als Ziel. Aber wenn seit Jahren mit dem Printprodukt erfolgreich es mal besonders schnell gehen muss, betreiben.“ Zwar hält auch er Veränderun- kann man im Internet von diesem Anspruch gen für wahrscheinlich, doch zweifelt er an auch mal Abstriche zulassen, schränkt er einem grundsätzlichen Wandel des Berufs- ein. Besonders weist Quack auf die Not- bilds. „Die Redaktion der Zukunft wird klei- wendigkeit hin, die Mitarbeiter zu schulen. ner sein, die Redakteure werden vor allem „Im Web müssen ganz andere Regeln planerisch sowie strategisch arbeiten und beachtet werden, etwa bei der Verwendung viele gut bezahlte Freie betreuen“, so Raue. von Hypertext oder wenn es darum geht, Auch Dirk Lübke hält die bewährten Fähig- ein Storyboard für ein Video zu schreiben“, keiten eines Journalisten hoch, weist gleich- unterstreicht er. Als Beispiel nennt er eine zeitig aber darauf hin, dass inzwischen mehr erfolgreiche Fortbildung der Main-Post in verlangt wird: „Der Redakteur von heute Sachen Suchmaschinen: Nachdem die muss das Können entwickeln, mehrkanalig maßgeblichen Redakteure gelernt hatten, zu denken.“ In erster Linie hat Lübke dabei wie Google funktioniert, landeten Artikel des drei Wege vor Augen – Print-Text, Foto und Blattes wesentlich öfter auf den vorderen die aktuelle Kurzmeldung fürs Web: „Das Plätzen bei Suchanfragen – die Quote der muss ein Redakteur bedienen können.“ Als Spitzenränge stieg von 5 auf 30 Prozent. Kameramann sieht er ihn aber auch künftig Die Ansicht, dass crossmediale Elemente nicht, „das können freie Videoproduzenten „mal eben schnell“ in Webauftritte zu inte- Seite 5
  • 6. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen grieren sind, zerstreut auch Dirk Lübke: „Um viel besseren Ausbildung hin. Die fordert eine gewisse Qualität zu erreichen, muss ich Folker Quack besonders mit Blick auf cross- Zeit investieren“, schildert er eigene Erfah- mediales Wissen und Fertigkeiten. Denn rungen im Umgang mit der Kamera, „selbst seiner Ansicht nach wird die Zeitung in zehn ,Quick & Dirty‘ braucht gewisse Zeit.“ Im Jahren Material für gehobene Leseansprü- Zusammenhang mit Crossmedia besteht für che liefern, zu einer „Champagner-Zeitung“ ihn die Weiterbildungsaufgabe eines Zei- werden mit weniger Abonnenten, aber vielen tungshauses zunächst darin: „Die Redakteu- „Beibooten“ – „und deren wichtigstes wird re müssen verstehen und ein Bewusstsein das Web sein“. Deshalb plädiert er dafür, dafür entwickeln, was mit Multimedialität den Online-Bereich personell zu stärken: gemeint ist.“ „Das Internet ist das einzige Medium, das Zuwachsraten verzeichnet. Wenn´s so wei- Zeitung bleibt Leitmedium tergeht, wird es auch finanziell interessant“, Paul-Josef Raue hält das allerdings für kontert er einen Einwand Paul-Josef Raues kein neues Thema und blickt zurück auf im Hinblick auf die Finanzierbarkeit von jahrzehntelange Volontärsausbildung, wo Web-Angeboten. das Kennenlernen von Radio und Fernse- „Wir sollten nicht noch einmal den An- hen für Printjournalisten selbstverständlich schluss im Netz verpassen wie bei den war. „Jemand, der eine Kamera hält, muss Kleinanzeigenmärkten und auch noch nicht Journalist sein“, leitet er über zu unsere journalistische Kompetenz im Web seiner Kernthese, dass dank exzellenter an andere verlieren“, mahnt er und fährt fort: Journalisten und einer Konzentration auf „Wir müssen vor allem eine zielgruppenspe- die eigentliche Profession die gedruckte zifische Ansprache lernen.“ Zeitung auch in Zukunft Leitmedium bleiben wird. Raue sieht „idyllische Zeiten“ nahen, Kontakt: in denen gleich mehrere Blätter, Bücher und Dirk Lübke Zeitschriften ein regionales Info-Monopol Tel.:06441 959595 begründen werden und Journalisten als E-Mail: d.luebke@mittelhessen.de recherchierende „Trüffelschweine“ das We- sentliche im Chaos der Informationen finden. Folker Quack Dirk Lübke schätzt, dass Zeitungen künftig Tel.: 0931 6001-236 in erster Linie für Hintergrundinformationen E-Mail: folker.quack@mainpost.de sorgen müssen. „Bestimmte Inhalte werden in zehn Jahren aus dem Blatt verschwunden Paul-Josef Raue sein, etwa rein Chronistisches“, prophezeit Tel.: 0531 3900-300 er und weist auf den Bedarf nach einer noch E-Mail: paul-josef.raue@bzv.de Z UR PERSON Dirk Lübke Jahrgang 1960, seit Febru- Z UR PERSON Folker Quack Geboren 1961 in Bad Z UR PERSON Paul-Josef Raue 1950 geboren; Chefredakteur ar 1999 Chefredakteur der Neustadt/Saale; Studium der der „Braunschweiger Zeitung“; Zeitungsgruppe Lahn-Dill im Politik, Germanistik, Soziolo- davor Chefredakteur u. a. bei hessischen Wetzlar mit Vollre- gie und Geschichte; seit 1990 der „Volksstimme“ Magdeburg, daktion und acht Lokalredak- bei der Main-Post, 2003 Leiter „Frankfurter Neue Presse“, tionen. Zuvor Chefredakteur des Newsdesks Aktuelles; „Oberhessische Presse“, Mar- beim „Remscheider Gene- seit Oktober 2005 Leitender burg. Mit Wolf Schneider Autor ral-Anzeiger“ (1995-99) und Redakteur und Mitglied der von „Das neue Handbuch des Ressortleiter bei der „Neuen Chefredaktion der Main-Post; Journalismus“. Tätigkeit in der Presse Hannover“. verantwortlich für Crossmedia. Journalisten-Fortbildung. Seite 6
  • 7. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen IMPULSREFERATE Die Crossmedialen – Wo die Zukunft schon begonnen hat „Regionale Kompetenz“ auf allen Kanälen Online-Projekte als Experimentierfeld: gucken, was funktioniert Für manche klingen sie noch nach Zukunfts- musik, doch viele Verlage experi- mentieren bereits mit Crossmedia- Projekten – bei unterschiedli- chem Erfolg. Drei ambitionierte Beispiele liefern Uwe Ralf Heer, Chefredakteur der „Heilbronner Uwe Ralf Heer, Jürgen Oehler, Frank Möllers (v. l.) daktion auf Filme, Stimme“, Jürgen die die Pressekon- Oehler, Onlinechef des „Kölner Stadt- ferenzen des Eishockey-Clubs „Heilbronner Anzeigers“, und Frank Möllers, Leiter Falken“ dokumentieren. Über den Online- Organisation bei „Die Glocke“, Oelde. Auftritt sind aber auch Einzelstücke abrufbar, etwa exklusive Bilder aus dem Innern eines Knapp ein Jahr alt ist „Stimme TV“, das noch nicht eröffneten Einkaufszentrums. Web-TV-Angebot aus Heilbronn. Drei Manches, was die Filmer der Stimme ablich- Absolventen der Hochschule für Medien ten, kann nachher auch für kleines Geld auf in Stuttgart hat der Verlag dafür eingestellt DVD angefordert werden. – aus gutem Grund. „Nichts wäre peinlicher, „Was wir zu bieten haben, ist regionale als sich vor der Kamera lächerlich zu ma- Kompetenz“, unterstreicht Ralf Uwe Heer, chen“, sagt Chefredakteur Uwe Ralf Heer. „damit müssen wir wuchern.“ Um die im Deswegen muss auch kein Redakteur ins Web-TV umsetzen zu können, ist Fortbil- Bild, der nicht wirklich will. Heer selbst wollte dung nötig und die Bereitschaft, Zeit zu und bestreitet einmal pro Woche „360°“, investieren: „Einen News-Beitrag zu produ- seine in Szene gesetzte Print-Kolumne, fünf zieren, kann bis zu sechs Stunden dauern.“ Minuten lang und an verschiedenen Plätzen 1300 Zuschauer erreicht Stimme TV im aufgenommen. „Das gucken vor allem die, Schnitt, der Fokus bleibt für Heer aber klar: die fürchten, darin vorzukommen.“ „Das Entscheidende ist die Tageszeitung, da Außerdem bietet Stimme TV weitere For- entsteht journalistische Qualität.“ mate, beispielsweise „Traut Euch“, in dem Auf die Stärken Individualität und Regio- sich Hochzeitspaare vorstellen und eine nalität setzt auch der Kölner Stadt-Anzeiger Traumhochzeit gewinnen können. Zwischen mit seinen vielfältigen Web-TV-Angeboten, 1000 und 1500 Zugriffe verzeichnet die Re- die teilweise auf Inhalte des Print-Produkts Seite 7
  • 8. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen aufsetzen. Etwa „Alles wird gut“, in der neue Handy-Dienste erarbeitet. Frank Möllers Besitzer für Tiere gesucht werden. Die Reihe erklärt, warum: „Mit dem Handy habe ich erscheint bereits seit Jahren in der Zeitung, den direkten Draht zum Kunden und den bis die Autorin beschloss, vor die Kamera zu sollte ich auch nutzen.“ Er spricht von „1000 gehen. Der Aufwand für die TV-Formate ist Möglichkeiten“, die in Frage kommen und unterschiedlich: Manchmal dauert eine Pro- besonders dann interessant sind, wenn es duktion zwei Wochen, bisweilen aber auch um regionale Dienste geht – beispielsweise nur einen Nachmittag. Künftig sollen auch schnelle Handy-Infos bei Wahlen oder die Lokalredaktionen Videobilder liefern – alle Unfallmeldung mit integrierter Umleitungs- werden derzeit mit Camcordern ausgestat- Empfehlung. Nutzwert muss dabei sein, ob- tet. Mit der Gestaltung der Filme haben die wohl nur 160 Zeichen zur Verfügung stehen. Redakteure allerdings nichts zu tun: Das „Solche Angebote funktionieren nur, wenn wird in der Online-Redaktion erledigt. man sie vernünftig bewirbt und crossmedial Der Ansatz „Online first“ bedeutet laut angeht“, betont Möllers. Daher wird in der Jürgen Oehler auch, sich personell besser Glocke immer wieder auf den Dienst hinge- aufzustellen. In seiner Redaktion wurde ein wiesen und es werden Erklärstücke geliefert zusätzlicher Frühdienst eingeführt, damit mit genauen Anleitungen zur Bedienung. nun von 7 bis 23.30 Uhr Inhalte aktualisiert „Wir haben derzeit dreistellige Nutzerzah- werden können. Teilweise gestalten die len“, informiert er. Das Handy-Portal birgt Lokalredaktionen ihre Online-Seiten selbst. acht Rubriken, wobei die regionalen Inhalte Insgesamt werden im Haus Themen häufig ganz oben stehen. Möllers: „Bundesliga-Er- crossmedial aufbereitet. So gab es eine klei- gebnisse liefert schließlich jeder.“ ne Printserie zum Thema „Straßen“, die im Web mit großer Resonanz fortgeführt wurde: Kontakt: „Da kamen mehr als 200 Beiträge zusam- Ralf Uwe Heer men“, berichtet Oehler – und einer bot genü- Tel.: 07131 615365 gend Stoff für eine filmische Umsetzung. E-Mail: uwe.heer@stimme.de Der Kölner Online-Chef hebt zudem den experimentellen Charakter des Angebots Jürgen Oehler hervor: „Wenn etwas im Netz nicht funktio- Tel.: 0179 1350760 niert, dann lassen wir es eben.“ Maßgeblich E-Mail: juergenoehler@web.de ist für ihn: „Wir wollen uns mit Themen aus- einandersetzen, die auch mit der Printredak- Frank Möllers tion zusammen realisiert werden können.“ Tel.: 02522 73-134 „Die Zukunft ist mobil“, lautet das Motto der E-Mail: moellers@die-glocke.de in Oelde erscheinenden „Glocke“, die mobile Z UR PERSON Uwe Ralf Heer Jahrgang 1965; Studium Z UR PERSON Frank Möllers Geboren 1974 in Enniger; Stu- Z UR PERSON Jürgen Oehler Der 54-jährige Ressortleiter Deutsch, Geschichte und dium der Volkswirtschaftsleh- Online des „Kölner Stadt-An- Politik; sieben Jahre Sportre- re, Uni Bielefeld; 2000-2002 zeigers“ wurde in Hamburg dakteur bei der „Heilbronner Volontariat bei der „Glocke“, geboren; studierte Deutsch, Stimme“; 2000 Abstecher als Oelde, danach Redakteur der Geschichte, Erziehungswis- Sportchef zum „Wiesbadener Kreisredaktion Gütersloh und senschaft und Sport; ab 1988 Kurier“; seit Juli 2006 Chefre- in der Mantelredaktion; ab Redakteur Lokalsport beim dakteur der „Stimme“, zuvor März 2006 Vertreter des CvD; Stadt-Anzeiger; seit 2001 in ab 2002 dort Redaktionsleiter seit August 2007 Leiter Organi- der Online-Redaktion, seit bei der „Hohenloher Zeitung“. sation der Redaktion. 2005 als deren Leiter. Seite 8
  • 9. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen REFERATE Steffen Büffel warnt vor Wunschdenken in Zeitungshäusern Zukunftschancen durch Lesernähe Web 2.0 wird Teil des Mediennutzungsverhaltens werden Eine Zukunft, in der Zeitungen keine Rolle mehr spielen? Der Kurzfilm „epic 2015“ zeichnet ein solches Szenario. Medienberater Steffen Büffel zeigt ihn zu Beginn seines Referats und würzt den Vortrag mit provokanten Thesen – die allerdings sämtlich auf wis- senschaftlicher Basis stehen. „Zeitung & Co., Medien zum Weg- rennen“; „die Zeitung ist das Medium der Urgroßeltern, das Fernsehen das der Eltern“: Angesichts solcher Formulierungen muss Steffen Büffel nicht mit mangelnder Aufmerksam- keit rechnen – im Gegensatz zur Zeitung, deren Reichweite während der vergangenen zehn Jahre bei den der Befragten das Internet als wichtigste In- unter 50-Jährigen stark abgenommen hat. formationsquelle. „Was die Zeitung vor zehn Büffel liefert Zahlen aus der ARD/ZDF-Lang- Jahren war, ist nun das Netz, das hat sich zeitstudie Massenkommunikation. Danach gedreht“, informiert er. In den USA steckt der haben bei der Mediennutzung die elektro- Journalismus in der Krise, so Büffel, viele nischen Medien immer gewonnen, wäh- Menschen fühlen sich durch ihn nicht mehr rend es bei der Zeitung abwärts ging. Das angesprochen. Internet dagegen verzeichnet seit dem Jahr 2000 steile Zuwächse. Insgesamt nutzten Erfolg mit Nischenthemen die Deutschen 2005 täglich im Schnitt 600 Umso mehr boomt das Bloggen. Die Minuten lang verschiedene Medien. Suchmaschine Technorati verzeichnet über Warum davon immer weniger für die Zei- 70 Millionen bestehende Blogs und täglich tung abfallen? „Die Alternativen zur Zeitung kommen laut Steffen Büffel 120.000 dazu. sind zahlreich“, stellt der Medienberater fest, Zur Erklärung des Erfolgs dient der „Long- „das Bewusstsein darüber ist nur noch nicht Tail-Ansatz“: Entlang des langen Ratten- bei den Machern angekommen.“ Und das, schwanzes der Medienwelt tummeln sich die obwohl Web-Formate wie Wikis und Blogs Nischenthemen und Netzwerkmedien; der längst nicht mehr wirklich neu sind. Steffen Versandhändler Amazon erzielt 57 Prozent Büffel richtet den Blick auf die USA, wo sei- seines Umsatzes aus Büchern, die nur in ner Auskunft nach das Internet in bestimm- Mini-Auflagen erscheinen. „Der Long Tail ten Altersgruppen bereits als Leitmedium wächst immens“, bekräftigt der Medienbera- gilt. In einer Studie bezeichneten 48 Prozent ter, um daran anschließend zu fragen: „Wie Seite 9
  • 10. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen kann die Zeitung davon profitieren?“ Seine Die Zeitung wird sich in Richtung eines tägli- Antwort dazu: „Die Zeitung sollte Teil dieser chen Nachrichtenmagazins wandeln. Plattform werden, sollte mitspielen auf der 3. Der Qualitätsjournalist der Zukunft muss Internet-Bühne.“ Als Beispiel nennt Büffel die ein Abitur im Fach „Netzkultur“ vorweisen! Diskussionen in Blogs über Themen, die von Eine fundierte Kenntnis wird entscheidend den traditionellen Medien transportiert wur- für seine Urteilsfähigkeit sein. den: „Diese Auseinandersetzungen könnten 4. Der Journalist der Zukunft muss alle Ka- die Zeitungen ihrerseits wieder aufgreifen.“ näle beherrschen, auch den Rückkanal! Das heißt, er muss Kontakte herstellen, pflegen Web 2.0 kein Hype und nutzen. Steffen Büffel: „Natürlich gibt Blogs zu ignorieren und für einen kurzlebi- es Besserwisser, aber auch solche, die es gen Trend zu halten, scheint ihm fahrlässig. tatsächlich besser wissen.“ „Web 2.0 wird Teil des Mediennutzungsver- 5. Der Qualitätsjournalist der Zukunft haltens werden“, unterstreicht er, „das ist braucht Streit- und Kritikfähigkeit! „Er muss kein Hype.“ Tatsächlich nennt er beachtliche vom hohen Ross herunterkommen“, fordert Zahlen: 2006 gab es in Deutschland 6,6 der Medienberater. Millionen Blog-Leser, was 32 Prozent der In- ternet-Nutzer entspricht; 7 Prozent betrieben Kontakt: ein eigenes Weblog. Es sind vor allem die Tel.: 02421 2048831 jungen Nutzer, die sich mit Web 2.0 befas- E-Mail: steffen.bueffel@media-ocean.de sen – und bei den Angeboten liegt Wikipedia vorn, erläutert Steffen Büffel, der mit seinen Aussagen keine Illusionen über eine neue Zeitungsära aufkommen lassen will: „Wieso sollten die Jungen in einem bestimmten Alter plötzlich Zeitung lesen? Das ist Wunschden- ken.“ Kinderzimmer als Multimediaräume Kinderzimmer sind inzwischen Multimedia- räume, „die Zeitung wird durchgereicht“, so Büffel. Und die Kannibalisierungsdebatte dreht er um: „Wer im Web keine Inhalte anbietet, der kannibalisiert sich selbst, weil er im Netz nicht gefunden wird.“ Besonders vor dem Hintergrund, dass nach seiner Einschätzung künftig im Internet „ein Batzen Z UR PERSON Steffen Büffel Geboren 1975, Studium der Geld“ zu verdienen ist. Bisher aber gibt es Medienwissenschaft, germa- kaum Online-Werbevermarktung bei den nistischen und anglistischen Zeitungen, berichtet er. Viele Anzeigenab- Linguistik in Trier. Freiberuflich teilungen haben keine Ahnung vom Internet: tätig als Experte in Sachen „Es wird nicht einmal darüber nachgedacht, Social Media. Berät und sich darum zu kümmern.“ unterstützt Unternehmen in Wie die Zeitung dennoch zu retten ist, schil- den Bereichen Crossmedia, dert Steffen Büffel anhand von fünf Thesen: Usability und Weiterbildung. 1. Die Zeitung der Zukunft ist nicht crossme- Verschiedene Projekte für dial. Sie ist lesernah! deutsche Zeitungsverlage im 2. Die gedruckte Zeitung wird künftig die Sektor Neue Medien. ideale Ergänzung für das (mobile) Web sein! Seite 10
  • 11. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen Journalisten 3.0 beta – Herausforderungen und Anforderungen Zwischen Euphorie und Überlastung „Crossmediale Redaktionen in Deutschland“: Studierende stellen Projekt vor „Crossmediale Redaktionen in Deutschland“: Diesen Titel trägt ein Projekt der Hoch- schule Darmstadt in Koope- ration mit CCI Europe und der Ifra. Die Ergebnisse sind Gegenstand des Referats von Julia Andert und Lena Leondaris, die beide Online- Journalismus an der Hoch- schule Darmstadt studieren und an dem ein Semester umfassenden Projekt für Stu- dierende beteiligt waren. Fünf Zeitungsredaktionen Julia Andert (l.) und Lena Leondaris hatte das Projektteam unter die Lupe genommen, sich an Ort die Vorteile der räumlichen Nähe für eine und Stelle ein Bild gemacht und Interviews intensivere Kommunikation.“ Dennoch wie- mit Redakteuren geführt – nicht nur mit sen beide Studentinnen auf die kontroverse deren Chefs. Untersucht wurden die „Welt- Diskussion hin, ob Großraumbüros journa- Gruppe“ in Berlin, das „Handelsblatt“ in listische Qualität eher mindern oder steigern. Düsseldorf, der „Kölner Stadt-Anzeiger“, der „Südkurier“ in Konstanz und die „Hessische/ Größter Newsroom Deutschlands Niedersächsische Allgemeine“ in Kassel. Vor Julia Andert beschreibt den riesigen News- allem interessierte die 19 Studierenden, wie room der „Welt“, den größten in Deutsch- die Redaktionen mit den Herausforderun- land. Dort orientiert sich die „Sitzordnung“ gen der Konvergenz umgehen, wie sie die an „Chefbalken“ und „Ressortbalken“, die Arbeitsabläufe strukturiert haben und was Redakteure sind eingeteilt nach der „Coca- künftig auf sie zukommen könnte. Cola-Formel“: 70 Prozent arbeiten horizontal Dabei stießen sie trotz der unterschiedli- für nur ein Medium, 30 Prozent vertikal für chen Größe der Einheiten auf zwei Gemein- mehrere Medien der Welt-Gruppe. Zu deren samkeiten: Keine Redaktion verfügte über Angebot zählen laut Julia Andert das dreimal ein gemeinsames Content-Management- täglich aktualisierte „Welt Online TV“ mit System für Print und Online; bevorzugt Nachrichten und das Internet-Forum „Debat- wurde in Großraumbüros gearbeitet, den te“. Beim Handelsblatt saßen ihrer Auskunft sogenannten „Newsrooms“. „Die Atmos- nach die Online-Redakteure zunächst an phäre dort schilderten die Redakteure nicht einem eigenen Desk ohne Integration in ausschließlich als laut und unruhig“, be- Ressorts, gehören aber seit April 2007 auch richtet Lena Leondaris, „viele lobten auch zur Newsroom-Besatzung. Eins fiel den Seite 11
  • 12. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen beiden Studentinnen in Düsseldorf auf: In Organisationsstruktur wird seit 2003 durch Sachen Fortbildung absolvierten die Printre- vier regionale Newsdesks bestimmt. dakteure Praktika bei ihren Online-Kollegen. Generell stießen die Studierenden auf zwei Der Claim beim Handelsblatt insgesamt gegensätzliche Einstellungen von Redak- lautete: „Die Marke Handelsblatt kann ohne teuren in puncto Crossmedia. „Es gibt sehr das Web nicht bestehen.“ euphorische Journalisten, die sich über Experimentiergeist stellten die Studieren- die neuen Aufgaben freuen, andere klagen den bei der Hessischen/Niedersächsischen dagegen vor allem über die zusätzliche Allgemeinen fest, vor allem anhand ihrer Arbeitsbelastung“, so Lena Leondaris. Profilierung mit „online only“-Inhalten. „Dort Als Fazit des Projekts halten die beiden wird sehr viel mit Video und Web 2.0 ge- Studentinnen fest, dass ein neuer Arbeits- arbeitet“, erläutert Julia Andert. Mit den rhythmus gefragt sein wird – weg vom star- „Breaking News“ verfügt die HNA über ein ren Redaktionsschluss, hin zu mehr Flexibi- Videoformat zur Nachrichtenpräsentation lität. „Außerdem müssen Themen frühzeitig im Web. „Und am Kassel-Wiki dürfen sich und Plattform übergreifend geplant werden“, auch Leute beteiligen, die ihr Wissen nur auf lautet eine weitere Folgerung aus den Pro- Papier weitergeben können – das wird dann jekt-Erfahrungen. Das aktive Publikum im ins System eingepflegt“, ergänzt sie. Internet scheint den Studentinnen ideal, um „Die Redakteure werden dazu angehalten, Rückschlüsse auch auf Inhalte der gedruck- multimedial zu denken“, lenkt Lena Leonda- ten Ausgabe zu ziehen: „Print-Redakteure ris den Blick auf die Online-Abteilung beim interessieren sich für die Klicks im Web und „Kölner Stadt-Anzeiger“. Multimedia ist dort sind oft erstaunt, welche Themen online gut nach ihren Informationen bereits seit Jah- gehen. Das kann die Druckausgabe positiv ren ständiges Thema. Beim Besuch in der beeinflussen.“ Redaktion bemerkte das Projektteam eine positive Grundstimmung der Online-Journa- Kontakt: listen, gepaart mit der Einschätzung, dass Julia Andert die Arbeit viel Abwechslung bedeutet. Tel.: 0177 8532797 Viel Spaß an der Arbeit registrierten die E-Mail: julia.andert@gmx.net Studierenden auch beim Südkurier in Konstanz. „Das Blatt widmet den Lesern Lena Leondaris besondere Aufmerksamkeit“, bemerkt Lena Tel.: 0176 23309270 Leondaris mit Blick auf die Einrichtung des E-Mail: lleondaris@web.de „Leserreporters“: „Außerdem fokussiert der Südkurier sein Online-Angebot stark und will Download der Ifra-Studie unter: die Nummer 1 in der Region werden.“ Die www.ifra.com/newsplex_hda Z UR PERSON Julia Andert Jahrgang 1984; Studentin Z UR PERSON Lena Leondaris 1985 geboren; studiert Online- Online-Journalismus, Schwer- Journalismus, Schwerpunkt punkt Journalismus, an der Journalismus, an der Hoch- Hochschule Darmstadt; schule Darmstadt; Praktika Praktikum und freie Mitar- u. a. bei ProSiebenSat1 beit bei „Karriere Magazin“, GmbH und SevenOne In- Verlagsgruppe Handelsblatt; termedia in München; freie Werksstudentin bei FAZ.NET Mitarbeit bei der Mannheimer in Frankfurt/Main; Tätigkeit als Wochenblatt GmbH; Referen- Referentin für Fachkongresse. tin auf Fachkongressen. Seite 12
  • 13. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen Dr. Sonja Kretzschmar schildert die Folgen von Crossmedia Kompetenz gegen kulturelle Widerstände Convergence Journalism: Veränderung von Berufsbild und Ausbildung Was hierzulande unter „crossmedialem Journalismus“ läuft, heißt in den USA: „Convergence Journalism“. Gemeint ist im Grunde das Gleiche: das Zusammen- wachsen einst verschiedener Welten – mit allen Konsequenzen für die Medien- landschaft und die Anforderungen an Journalisten. Welche Folgen zu erwarten sind, skizziert Dr. Sonja Kretzschmar vom Institut für Kommunikationswissenschaft der Uni Münster. „Convergence Journalism oder Konzentra- tionsjournalismus entsteht, wenn verschie- dene Medien in Konzentrationsprozessen gefangen sind“, beginnt Sonja Kretzschmar ihr Referat mit einer Definition, um gleich darauf ganz praktisch in die USA zu blicken. Dort hat der Begriff eine andere Qualität erhalten, seit durch neue Rechtsvorschriften vielfältige Verflechtungen der Medienhäuser möglich geworden sind. In einem liberalisier- ten Medienmarkt haben sich Großkonzerne gebildet, die auf ein verändertes Nutzungs- verhalten junger Konsumenten mit verschie- denen Projekten reagieren. Und die weisen prägt ist. „Content sharing“ dagegen zeich- unterschiedliche Grade von Kooperation auf, net sich durch Gemeinsamkeit aus, wobei die im „Convergence Continuum“ ablesbar allerdings weiterhin Kollegen verschiedener sind, das die Wissenschaftlerin erläutert. Mediengattungen parallel arbeiten. Unter „Convergence“ schließlich wird die vollstän- Abgestufte Kooperation dige Vereinigung verstanden, ein Zustand, in Demnach besteht die geringste Form der dem beispielsweise ein Kollege alle Medien Zusammenarbeit in der „Cross Promotion“ bedient. zwischen Medien, während die nächste Stu- Ist das dann der viel beschworene Su- fe, das „Cloning“, bereits die 1:1-Übernahme perreporter? An dieser Stelle weist Sonja von Print-Inhalten in den Online-Auftritt um- Kretzschmar auf mehrere Gefahren hin, fasst. Die „Coopetition“ sieht schon eine weit die ein solches Berufsbild einschließt: „Je gehende Kooperation vor, die aber noch von mehr Medien zu bedienen sind, desto eher Misstrauen und Wettbewerbsgedanken ge- werden Deadlines verpasst“, schildert sie Seite 13
  • 14. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen eine Folge, und: „Die Wahrscheinlichkeit dazu geht es um eine flexible Denk- und steigt, sich inhaltlich auf den verschiedenen Arbeitsweise sowie um Softskills wie bei- Plattformen zu wiederholen und auch die spielsweise Teamfähigkeit. Gerade in die- Spezifika der jeweiligen Medien werden sem Punkt sieht die Referentin noch große nicht genutzt.“ Das Resultat: „Journalistische Probleme, auch in Deutschland: „Es gibt oft Angebote verlieren an Qualität.“ kulturelle Widerstände in den Redaktionen, die Journalisten haben eher das Einzel- Neuer Workflow kämpfertum gelernt. Außerdem pflegen viele Als mögliche Lösung des Dilemmas be- ihre Vorurteile gegenüber den Kollegen aus schreibt sie eine „Workflow-Vision“, die mit anderen Medien.“ In Sachen Ausbildung neuen Berufsbildern verbunden wäre: Es wird ihrer Auskunft nach jedenfalls viel Neu- gäbe den „Newsflow-Editor“, eine Mischung es in die Lehrpläne aufgenommen werden aus Chefredakteur und CvD, der sich auf müssen; denn selbst handwerkliche Kompe- Themen konzentriert und überlegt, über wel- tenzen verändern sich, etwa mit Blick auf die chen Kanal sie am besten vermittelt werden Methoden der Internet-Recherche. könnten. Dann käme der „Storybuilder“ als Schnittstelle zwischen Editor und Reporter Neue kreative Möglichkeiten ins Spiel, bei dem Elemente zusammenlau- Trotzdem bietet Konvergenz ihrer Ein- fen, die er an die jeweiligen Redaktionen schätzung nach neue kreative Möglichkeiten weiterleitet. Die Position des „News Resour- bei der Umsetzung von Themen. Und zum cers“ dient vor allem dazu, Informationen zu Beispiel auch das multimediale Erzählen recherchieren, zu archivieren und zugäng- innerhalb von Schulprojekten der Zeitungen lich zu machen: eine Art Super-Bibliothe- betrachtet sie als neue Chance. Ihre Contra- kar. Schließlich sieht das Modell noch den Argumente: mögliche Entwertung journalis- „Multiskilled Journalist“ vor, einen Redakteur, tischer Arbeit, Tarifflucht und Outsourcing, der zumindest bimedial arbeiten kann und jüngere ersetzen ältere Redakteure, werden für Texte, Töne und Bilder zuständig ist. dabei aber schlechter bezahlt, wie eine Sonja Kretzschmar erläutert die Kon- Studie von 2006 zeigt. „Mehr als 50 Prozent sequenzen solcher Änderungen auf das der Befragten berichteten von Einkommens- Z Berufsbild, verlusten in den vergangenen fünf Jahren“, UR PERSON bezogen auf so Sonja Kretzschmar. Steht also bald ein Dr. Sonja Kretzschmar US-Verhältnisse: journalistischer Mindestlohn zur Debatte? Geboren 1970 in Frankfurt/ Kompetenz in Main; 1990-96 Journalistik- einem bestimm- Kontakt: studium in Dortmund und ten Medium ist Tel.: 089 45080102 Edinburgh; Volontariat bei entscheidendes E-Mail: sonja.kretzschmar@googlemail.com der „Berliner Zeitung“, freie Einstellungs- journalistische Tätigkeit bei kriterium; das Online- und elektronischen Schreiben gilt als Links zum Beitrag: Medien; Moderationsredakteu- Schlüsselqualifi- rin bei den „Tagesthemen“; seit kation; mehrme- • http://cmp.journalistik-dortmund.de/ 2002 am Institut für Kommu- • crossmedia uni dortmund diale Produktion nikationswissenschaft der Uni • http://risingfromruin.msnbc.com/ wird gefragt; Münster, Forschungsschwer- stories.html rhetorische und punkte: internationale und • multimedia award analytische interkulturelle Kommunikation, • http://www.montgomeryboycott.com/ Fähigkeiten sind • multimedia award Journalismus und europäische ebenso wichtig • http://multimedia.journalism.berkeley.edu/ Öffentlichkeit, Konfliktjournalis- wie Manage- tutorials/reporting/starttofinish/ mus, Fernsehpraxis. ment-Qualitäten; • multimedia tutorial Seite 14
  • 15. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen Björn Förster gibt Tipps – damit die Einstellung stimmt Mehrwert dank ungewohnter Perspektiven Unterwegs mit der Videokamera: worauf es beim Dreh ankommt Mal eben ein Video drehen? Dass so etwas auf die Schnelle nicht funktioniert, zeigt der Berliner Videojournalist Björn Förster. Er geht in seinem Vortrag zwar auch auf die optimale technische Ausrüs- tung ein, erklärt aber vor allem, worauf beim Erstellen qualitativ ansprechender Filme geachtet werden muss – abseits von Home-Videos und Youtube-Gewa- ckel. Die Technik macht´s möglich: Während vor zehn Jahren digitale Videokameras noch 12 Kilo gewogen haben, bekommt man die glei- che Leistung heute im kompakten leichten Gehäuse. Doch sollte beim Kauf auf einiges geachtet werden, informiert Björn Förster – beispielsweise darauf, nicht auf die Kame- raautomatik angewiesen zu sein. „Manuelle Einstellungen sind im Zweifel immer besser.“ So können Schärfe, Brennweite (Zoom) und Weißabgleich optimal eingestellt werden. Außerdem weist er darauf hin, dass zu gu- Gelegenheit zu suchen sich abzustützen. ten Bildern auch guter Ton gehört. Und der Außerdem sollten Bilder immer 7 Sekunden lässt sich mit Hilfe eines externen Mikrofons, lang stehen gelassen werden, was sich laut befestigt an einer „Tonangel“, eher erreichen Förster günstig im späteren Schnitt bemerk- als mit eingebauten Mikros. Aus seiner Sicht bar macht. Deutlich warnt er vor unnötigen außerdem unverzichtbar ist das Kamerasta- Zooms und Schwenks, die man nur bewusst tiv: „Das sorgt für ruhige Bilder und man einsetzen sollte. „Der Sucher ist nicht dazu sollte es so oft es geht verwenden.“ da, die Bilder zu suchen“, ergänzt der Kame- So eine komplette Ausrüstung kann schnell ramann, „wenn jemand zoomt, sollte er im- bis zu 10.000 Euro kosten: mehr, als viele mer ein klares Anfangs- und Endbild haben.“ Verlage zu zahlen bereit sind. Doch die Grundregeln fürs Filmen, die Björn Förster Gegenlicht meiden aufzählt, werten auch mit billigen Kameras Eine weitere Grundregel lautet, Gegenlicht gedrehte Videos auf. Denn schlechte Bilder und überhaupt zu große Lichtunterschie- können eine gute Geschichte verderben, de zu vermeiden. Da ist laut Björn Förster gibt er zu bedenken. Dazu gehören verwa- Mut gefragt, die Leute vor der Kamera zu ckelte Aufnahmen, weswegen er dringend dirigieren, sie in eine günstigere Position rät, das Stativ zu wählen oder nach einer zu bringen. Generell regt er an, beim Dreh Seite 15
  • 16. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen fotografisch zu denken, verschiedene Blick- weiteren Hinweis, der auch beim Schnitt winkel auszuprobieren und auch mal mit bessere Möglichkeiten eröffnet. interessanten Nahaufnahmen zu experimen- Zur inhaltlichen Qualität eines Videos tieren. Das Ziel dabei ist, unterschiedliche gibt der Kameramann zu bedenken, dass Bilder zu sammeln, unter anderem dadurch, es einen Zusatznutzen gegenüber einem die Einstellungen zu wechseln. gedruckten Interview geben muss. Und er Die wichtigsten Einstellungsgrößen von weist auf eine Eigenheit von Videos hin: der (Super-) Totalen bis zur Detailaufnahme „Komplexe Themen sind nicht im Detail demonstriert Förster anhand von Fotos: Die darstellbar, die Komplexität wird reduziert.“ Totale zeigt möglichst viel: „Sie gibt dem Die bildbegleitenden Kommentartexte sind Zuschauer erstmal einen Einblick, damit er dazu da, zusätzliche Informationen zu sich orientieren kann“, erklärt er. Dagegen vermitteln und nicht dass zu erzählen, was geht die „Amerikanische Einstellung“ schon man sowieso schon sieht, sagt Förster – es näher ran – in Westernfilmen musste immer geht darum, die Aufmerksamkeit zu lenken. der Colt zu sehen sein, daher der Name. Die Eine weitere Warnung des Experten gilt der halbnahe Einstellung zeigt die Person bis „Text-Bild-Schere“: „Man sollte im Kommen- zur Hüfte, die nahe ab der Schulter aufwärts. tar nicht über Dinge reden, die gar nichts mit „Das ist die klassische O-Ton-Einstellung“, den Bildern zu tun haben.“ so Björn Förster. Die Großaufnahme und Um Videos mit Musik zu untermalen, rät das Detail schließlich kommen im journalis- Björn Förster zur Verwendung von Sounds, tischen Alltag seltener vor: Es entsteht eine die unter einer „Creative Commons“-Lizenz intime Distanz zum Gegenüber. stehen: oftmals angeboten von Bands, die ihre Musik in freier Lizenz anbieten. Auch die Ungewöhnliche Perspektiven Nutzung Gema-freier Musik kommt seiner Eher ungewöhnliche Bilder versprechen Erfahrung nach in Frage. Nicht immer muss auch Frosch- (von unten) und Vogelperspek- dazu eine teure CD erworben werden – ein- tive (von oben). Als Richtlinie für gute Bilder zelne Songs sind auch im Web über Musik- beschreibt der Berliner Videojournalist den datenbanken erwerbbar. schon aus der Antike bekannten „Goldenen Schnitt“, bei dem das Bild ideal proportio- Kontakt: niert wird und eine Teilung „ein Drittel zu Tel.: 0171 5441849 zwei Drittel“ erfährt. Diese Aufteilung emp- E-Mail: post@bjoernfoerster.de fiehlt Björn Förster auch für klassische Inter- viewbilder. Dabei sollen die Personen nicht aus dem Bild heraus sprechen, sondern es Z muss „Raum für deren Sprache geben“, wie UR PERSON sich Förster ausdrückt. Björn Förster Grundsätzlich dürfen Interviewpartner nicht 1977 in Berlin geboren; von direkt ins Bild gucken. „Das will man nicht, 1998 bis 2000 Ausbildung als weil die Kamera nur Beobachter des Ge- Mediengestalter Bild und Ton; sprächs ist.“ Es lässt sich in der Regel ver- danach selbstständiger freier meiden, wenn der Fragesteller gleich neben Kamera- und Tonmann. Tätig der Kamera positioniert wird, so der Tipp des für Industrie, Behörden, Initia- Experten. Durch Kameraposition und Licht tiven; Drehs für TV-Produktio- lässt sich der Befragte auch optisch vom nen sowie aktuelle Programme Hintergrund lösen. „Bei längeren Interviews der ARD wie „Tagesschau“ und sollte man die Einstellungsgrößen variieren „Tagesthemen“; filmische Ver- und wichtige Aussagen mit näheren Auf- anstaltungsdokumentationen. nahmen unterstreichen“, gibt Förster einen Seite 16
  • 17. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen Michael Bechtel: Entwicklung von Web-Sprache braucht seine Zeit Optische Transparenz für hektische User „Multimediale Informationspakete“ als ideale Form von Crossmedia Die zentrale Botschaft steht gleich am Anfang seines Vortrags: „Was wir brau- chen, sind multimedial geschnürte Infor- mationspakete“, betont Michael Bechtel, freier Journalist und Texttrainer. Aller- dings beobachtet er derzeit eine „Nei- gung, das Thema Text zu unterschätzen“. Im Plenum schildert er, warum er eine „spezielle Art der Schreiberei“ für nötig hält und was dazugehört. „Seit Erfindung des Buchdrucks hat sich Sprache immer wieder verändert“, blickt er zunächst in die Vergangenheit der Zei- tung, um anschließend gleich nach vorn zu schauen: „Wir werden immer wieder neue Ausdrucksformen entwickeln.“ Die Wege zu einer guten Vermittlung von Inhalten im Netz sind für ihn durch die Printmedien vorgezeichnet: „Vieles können wir schon.“ Lernbedarf sieht Michael Bechtel im Hinblick auf sich ändernde Beziehungen zwischen am Schirm zu erleichtern: „Durchschnittlich einzelnen Elementen. So muss nicht immer braucht man am Bildschirm 10 bis 25 Pro- der Text im Mittelpunkt stehen, sondern er zent mehr Zeit, um einen Text zu erfassen.“ kann auch mal Mittel sein, um ein Video zu Außerdem bietet der Screen keinen Über- featuren und Hintergründe dazu zu liefern. blick über einen längeren Text. Unterhalb der Bildschirmkante liegende Inhalte haben Optische Transparenz fehlt laut Bechtel auch deshalb schlechte Chan- „Die Sprache im Web wird nicht am grünen cen gelesen zu werden, weil viele User Tisch entwickelt, sondern in der Praxis – und grundsätzlich nicht scrollen. das braucht seine Zeit“, stellt Bechtel fest. Als wichtig schildert er zudem, die Psy- Seinen Beobachtungen nach fehlt Texten chologie des Internet-Nutzers zu beachten: zudem häufig die „optische Transparenz“. „User sind hektisch und immer auf der Doch gerade bei langen Beiträgen benötigt Suche nach Informationen, ein Großteil der der Leser Hilfestellung. Die erhält er nicht Leser befindet sich auf der Durchreise“, so durch die exzessive Nutzung von Hypertext, der Schreibtrainer, „wenn sie aber etwas ge- der in den frühen Jahren der Diskussion funden haben, werden viele zu anspruchs- über Netzsprache die Hauptrolle zu spielen vollen Lesern, die auch umfangreiche Beiträ- schien. Der Schreibtrainer hält es für wichti- ge konsumieren.“ Und dieses Lesen findet ger, Texte klar zu gliedern, um so das Lesen durchaus am Bildschirm statt, während Seite 17
  • 18. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen früher geglaubt wurde, das viele sich die der Klassen 6 bis 8 entspricht. In einem em- Artikel zunächst ausdrucken würden. pirischen Vergleichstest des „Swiss Usability Den geschilderten Problemen hält Michael Centers“ konnte die Leseleistung so um 135 Bechtel fünf Lösungen entgegen: Prozent gesteigert werden – und auch von 1. Textökonomie beachten, was in sinnvol- „Normalnutzern“ bekamen die Angebote lem Maß verknappte Texte bedeutet, die Traumnoten für ihre Verständlichkeit. sachlich knapp, in jedem Fall aber sprach- Ergänzend fügt Michael Bechtel hinzu, lich knapp sein sollten. dass Artikel erst dann wirklich zu Hypertext 2. Sprachliche Verständlichkeit, also in werden, wenn sie sich durch sinnvolle Links Wortschatz und Grammatik der Sprache mit ergänzenden Informationstexten verbin- einer möglichst großen Zahl von Usern den – und durch Verbindungen mit sinn- angepasst. vollen multimedialen Erweiterungen einen 3. Medienadäquate formale Textstruktur Mehrwert liefern. Seine für sprachzentrierte realisieren, womit kurze, möglichst modular Journalisten provokante Schlussbemerkung: gestaltete Abschnitte mit prägnanten und „In multimedialen Informationspaketen muss aussagekräftigen Überschriften gemeint Sprache keineswegs immer die Hauptrolle sind. Bechtel: „Man sollte Lesern die Mög- spielen, sondern kann sehr wohl hinter Bild, lichkeit geben, das Angebot zu überblicken Ton sowie Bewegtbild-Anteile zurücktreten und schnell Zugang zu Abschnitten eröffnen, und eine dienende Funktion übernehmen.“ die auf spezielles Interesse stoßen könnten.“ 4. Adäquate grafische Gestaltung, was Text Kontakt: und grafisches Design angeht. Tel.: 02224 9016836 5. Text sollte sinnvoll mit multimedialen E-Mail: info@michael-bechtel.de Elementen verklammert werden, die Ele- mente sollten sich strategisch aufeinander Link zur Studie des Swiss Usability Centers: beziehen. http://www.usability.ch/Alertbox/ 20050314.htm Sprache optimieren „Texte, die alle diese Forderungen glei- chermaßen verwirklichen, gibt es bisher kaum“, tröstet Michael Bechtel. Die Regeln zur Optimierung von Sprache setzt er als bekannt voraus: keine Fremdwörter, klare Z kurze Sätze, geringe Informationsdichte UR PERSON – was heißt, die Sätze nicht mit Fakten zu Michael Bechtel überfrachten. Als wichtiges strukturierendes Der 1949 geborene freie Jour- Element hebt er Zwischentitel hervor: nicht nalist betreibt das Redakti- solche feuilletonistischer Art, sondern derge- onsbüro „QualityNews“ in Bad stalt, dass sie den Lesern mitteilen, was sie Honnef bei Bonn. Texter für in den nächsten Zeilen erwartet. Die Absätze Unternehmenspublikationen sollten außerdem kurz sein und mit Leerzei- von Firmen wie Aral, Ford und len voneinander abgesetzt werden. TÜV Rheinland, außerdem Aufmerksamkeit lenkt Bechtel zudem auf für Verbände und Behörden; die „Usability“-Strategie der kommerziellen Schreibtrainings im Auftrag Konkurrenz großer Internetfirmen, bei der renommierter Seminarveran- es um die Optimierung von Webseiten für stalter; langjähriger Dozent leseschwache Benutzer geht. Im Sinne der im Bereich journalistisches Usability sollen Webseiten so formuliert Handwerk. werden, dass die Inhalte dem Sprachniveau Seite 18
  • 19. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen Verleger Urs Gossweiler und sein Modell der „Mikrozeitung“ „Die Größe haben, klein zu sein“ Die Schweizer „Jungfrau Zeitung“ setzt konsequent auf Lokales Zwischen grandiosen Ber- gen an einem herrlichen See liegt der Ort Interlaken in der Schweiz. Und so einmalig wie die Natur mutet auch das Modell der „Jungfrau Zeitung“ an: Sie erscheint rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr online im Internet. Nur zweimal in der Woche gibt´s dagegen die gedruckte Zeitung. Wie das alles funktioniert, berichtet Urs Gossweiler, Verleger und Interims-Chefredakteur des Exoten aus den Bergen. „Sie haben es mit einem sehr konservativen Menschen zu tun“, stellt sich Urs Gossweiler im Plenum vor – „Mikrokosmos Jungfrau“ die klare Nummer augenzwinkernd, wie überhaupt sein Vortrag 1 sein. Aus 29 Gemeinden mit rund 45.000 zeitweise an die Qualität eines Kabarettpro- Einwohnern besteht dieser Mikrokosmos gramms heranreicht. Gepaart mit viel Fach- mitten in den Schweizer Alpen. „Vier Ge- kompetenz präsentiert er eine große Portion meinden halten sich für wichtiger, weshalb Selbstironie. So platziert er die Jungfrau wir dort auch mit Redaktionen vertreten Zeitung in einer Reihe mit der „International sind“, beschreibt der 37-Jährige und erklärt Herald Tribune“ und dem „Spiegel“: weil alle gleich die Herkunft des Namens: Die Zei- drei Blätter seiner Auffassung nach die gol- tung wurde nach dem höchsten Berg um dene Regel erfolgreichen Zeitungmachens Interlaken benannt, der über 4000 Meter umsetzen, nämlich Publizistik, Werbung und hohen „Jungfrau“: „Mit dem Namen fällt man Nutzer perfekt unter einen Hut zu bringen. jedenfalls schonmal auf.“ Die Tribune agiert konsequent global, der Spiegel vorwiegend national und die Online an erster Stelle Jungfrau Zeitung lokal. Dazwischen gibt es Aber auch mit dem Konzept: „Online ist bei für Urs Gossweiler keine überzeugenden uns das absolut Wichtigste“, hebt Gosswei- Modelle. „Die regionale Tageszeitung mit ler hervor, „die Redaktionen sind das ganze überregionalem Anspruch und dem Lokalteil Jahr über von 8 bis 20 Uhr besetzt, bei im fünften Buch hat keine Zukunft“, zeigt besonderen Ereignissen bis 24 Uhr.“ Wobei sich der Verleger überzeugt. Sein Credo: ein solches Ereignis auch ein Amateur- „Man muss die Größe haben, klein zu sein.“ Eishockeyspiel sein kann, das um 23 Uhr Deshalb will er auch ausschließlich im abgepfiffen wird und sich schon eine Stunde Seite 19
  • 20. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen später im Web nacherleben lässt: anhand wird, geht eben auf eine andere Website“, von Text, Fotos und bewegten Bildern. Urs bleibt der Verleger gelassen. Motto: „Man Gossweiler gibt zu, dass es sich dabei um muss nicht alles machen, fürs Überregionale ein „Extrembeispiel“ handelt: „Dieser Re- gibt es andere Kanäle.“ dakteur schafft das, weil er es will und weil Auch bei den kommerziellen Angeboten er sonst Druck von einigen Kollegen be- pflegt das Medienhaus seine Strategie „Web kommt, die Eishockeyfans sind.“ Eins steht first“. Bei der Anzeigen-Schaltung wird kein aber für die gesamte Belegschaft fest: Sie Unterschied gemacht zwischen Online und pflegt einen permanenten Newsfluss und Print: „Die Kunden werben in der Jungfrau gibt aktuelle Ereignisse umgehend an die Zeitung insgesamt.“ Und das Blatt schafft Leser weiter, die nur fürs Abo des gedruck- kostenlosen Zusatznutzen, etwa mit dem ten Blatts zahlen, das ca. 90 Euro pro Jahr „virtuellen Friedhof“ im Netz, laut Gossweiler kostet. 30.000 Nutzer zählt die Jungfrau „ein riesiger Knüller: Richtige Grabsteine Zeitung, davon beziehen 67 Prozent zusätz- sind nach 25 Jahren weg, wir bieten 50 lich die Printausgabe. Die erscheint in einem Jahre.“ Wer auf den virtuellen Grabstein Umfang von 32 Seiten jeweils dienstags und klickt, findet dahinter sämtliche Anzeigen freitags, ergänzt um Supplements. „Der Um- der Familie und Fotos des Verstorbenen, bruch ist relativ schnell erledigt“, berichtet zusammengefasst in Dossiers. Urs Gossweiler, „innerhalb von sechs Stun- Angesichts von 88 Prozent an zusätzli- den produziert ein Redakteur 20 Seiten.“ chen Erlösen in der jüngsten Vergangenheit wundert das Fazit des Verlegers nicht: „Gebt Zeitungmachen ohne Mühe das ganze Geld ins Lokale!“, lautet seine Die Online-Zeitung bereitet dagegen offen- Botschaft, „das Lokalressort wird alles über- bar gar keine Mühe, „die Site fällt einfach leben.“ Exklusive lokale Inhalte in kleinen hinten raus“, wie sich der Verleger ausdrückt Einheiten, den „Mikrozeitungen“, publizieren – als „Abfallprodukt des Workflows“. Der und das Internet als Basis aller Tätigkeiten sieht so aus, dass sich die Redakteure über nutzen – so stellt sich Urs Gossweiler die er- einen Browser ins System einloggen, dort folgreiche Zukunft vor. „Sonst kommt Google die wichtigsten internen Meldungen lesen, local und schnappt Euch Eure Anzeigen- sich einen Überblick über Termine verschaf- märkte weg – da müsst´s aufpassen!“ fen sowie dort ihre Texte, Fotos und Videos einfügen und per Knopfdruck publizieren. Kontakt: Die 30.000 User lesen aufmerksam und Tel.: +41 33 952 13 60 melden auch Fehler. „Wir haben also 30.000 E-Mail: urs@mountain.ch Korrektoren, was die Qualität der Printaus- gabe noch erhöht“, freut sich Urs Gosswei- ler, der fortfährt: „Es ist viel einfacher, aus der Online-Version eine Printausgabe zu Z UR PERSON Urs Gossweiler 1971 in Unterseen bei In- fertigen als umgekehrt.“ terlaken geboren; Lehre als Da die 1875 gegründete Jungfrau Zeitung Schriftsetzer in einer Zei- komplett lokal ausgerichtet ist, hat sie auch tungsdruckerei; übernimmt keine Nachrichtenagentur abonniert. „Wir nach dem frühen Tod des produzieren exklusive Stories, alle unsere Vaters 1993 mit 22 Jahren als Ressorts sind lokal bestimmt“, betont der Verleger die Gossweiler Media Schweizer. Die wichtigsten oder skurrilsten AG in vierter Generation. Seit Meldungen werden zudem ins Englische September 2007 auch Chefre- übersetzt. Selbst der Wetterbericht der Zei- dakteur für einen Übergangs- tung beschränkt sich auf die engere Heimat. zeitraum bis Mai 2008. „Wer wissen will, wie das Wetter in Bern Seite 20
  • 21. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen DISKUSSION Reine Internet-Medien und ihr steiniger Weg zu mehr Bekanntheit Print-Marken haben´s gut „Netzeitung“ und „Hauptstadtblog“ suchen ihre Zukunft im Web Beide sind überzeugte Onliner – und ausgebil- dete Print-Journalisten: Domenika Ahlrichs, Chefredakteurin der von Berlin aus ins Web gehenden „Netzeitung“, und Günter Bartsch vom „Hauptstadtblog“, ebenfalls Berlin. In der Diskussion sprechen sie über ihre jeweiligen Medien, die Macht einer Marke und die Zukunft der gedruckten Zeitung. betont Domenika Ahlrichs und weist auf „Für uns ist es schwierig, größeren Be- die multimedialen Möglichkeiten hin, etwa kanntheitsgrad zu erlangen“, bekennt Dome- Youtube-Videos in Beiträge einzubauen. Der nika Ahlrichs und blickt auf die Konkurrenz Anspruch hat sich mit dem neuen Besitzer „Spiegel online“, wo die starke Marke nach nicht gewandelt: „Die Netzeitung will eine außen strahlt. Am Namen will die Chefin der Tageszeitung im Netz für ganz Deutschland Netzeitungsredaktion aber nicht rütteln, ob- sein.“ wohl sie sich jetzt an die „Berliner Zeitung“ hängen könnte: Die Netzeitung gehört inzwi- Bloggen im Kollektiv schen dem britischen Verleger Montgomery Ausschließlich mit dem Fokus auf Ber- – wie auch das renommierte Blatt. Es soll lin agiert dagegen der „Hauptstadtblog“, allerdings bei der deutlichen Trennung bei- gegründet 2005 und mittlerweile zu einem der Produkte bleiben. „Mit uns hat Montgo- Autorenkollektiv von 20 bis 25 Leuten an- mery Netzkompetenz gekauft“, äußert sich gewachsen. „Uns geht es vor allem darum, die 34-Jährige. Acht fest angestellte Redak- Themen aus den Bezirken zu publizieren“, teure sollen täglich ihre Rolle als „Vertiefer“ erklärt Günter Bartsch, einer der Blogger. wahrnehmen, Themen gründlich aufarbeiten Denn was in diesen Bezirken geschieht, sowie fürs Netz editieren und so den Lesern kommt nach Ansicht der Macher des Blogs Mehrwert bieten. viel zu wenig in den etablierten lokalen Zei- Fürs schnelle Aktuelle sind bei der Net- tungen vor. Trotzdem ist der Hauptstadtblog zeitung freie Mitarbeiter zuständig, die in kein rein journalistisches Angebot. „Jeder verschiedenen Schichten zwischen 7 und schreibt nach Lust und Laune“, berichtet 23 Uhr die Inhalte aktualisieren, hauptsäch- Bartsch, „wir sehen das als unser Freizeit- lich auf der Basis von Agenturmaterial. „Wir vergnügen und kommen ohne Redaktions- gehen im Web anders ran an die Themen“, sitzungen aus.“ Ein paar feste Rubriken Seite 21
  • 22. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen gibt es dennoch im Blog, beispielsweise viele meine Beiträge lesen und was für Kom- die Presseschau am Morgen: „Die soll ein mentare kommen.“ Allerdings sind die Mög- Anreiz sein, täglich zum Hauptstadtblog zu lichkeiten, den Hauptstadtblog bekannter zu kommen.“ Die Themenauswahl ist seiner machen, begrenzt. „Das läuft hauptsächlich Auskunft nach stark von den verschiedenen über die gute Vernetzung zu anderen Blogs“, Autoren abhängig; teilweise werden Alltags- erklärt Bartsch. dinge behandelt, wozu etwa Beobachtungen Angesprochen auf die Entwicklung, Print- in der U-Bahn gehören. Andererseits finden Journalisten auch ins Online-Geschäft Leser auch Bezirkspolitik im Blog oder die einzubeziehen, findet Domenika Ahlrichs Diskussion um die Zukunft des Flughafens klare Worte: „Ich glaube, wenn man Zei- Tempelhof. tungsjournalisten zusätzliche Aufgaben auflädt, schmälert das die Qualität der Print- Flapsigere Sprache Ausgabe.“ Und die wird ihrer Einschätzung „Ich schreibe hier oft ein bisschen anders nach nicht vom Markt verschwinden: „Zei- als ein Journalist“, erzählt Bartsch, „bedie- tung muss sich ändern, aber Gedrucktes hat ne mich einer flapsigeren Sprache. Ande- nochmal ein anderes Gewicht als Online.“ rerseits liefere ich aber auch Texte, die in Dass sich vor allem Monopolzeitungen wan- jeder Tageszeitung stehen könnten.“ Geld deln müssen, schätzt Günter Bartsch: „Da bekommt er für seine Beiträge nicht. Statt- wird sich künftig noch manche Regionalzei- dessen holt er sich über das Blog eine Art tung umschauen wenn sie merkt, dass Blogs „publizistische Erfüllung“. kommen und die Themen übernehmen.“ Die allein reicht Domenika Ahlrichs bei der Netzeitung nicht. Phasenweise kann sich Kontakt: das Medium wirtschaftlich selbst tragen. Domenika Ahlrichs „Aber im Grunde haben wir schon immer Tel.: 030 2408880 ums Überleben gekämpft“, blickt sie zurück. E-Mail: domenika.ahlrichs@netzeitung.de Obwohl der Etat und das Team viel kleiner sind, vergleicht sich die Netzeitung mit der Günter Bartsch Konkurrenz von „Spiegel online“. „Manchmal Tel.: 0170 3267581 ärgern wir uns, dass der Erfolg ausbleibt, E-Mail: gueb@guenterbartsch.de obwohl wir Exklusivität praktizieren“, so die Chefredakteurin, „aber man hat kaum eine Chance, wenn nicht im Netz selbst jemand auf einen hinweist.“ Beispielsweise in dem Fall, dass eine Netzeitungsmeldung bei „Google News“ gut platziert landet: „Dann Z UR PERSON Günter Bartsch Jahrgang 1979, gelernter Z UR PERSON Domenika Ahlrichs 1973 geboren; Magister in steigen bei uns die Klickraten Tageszeitungsredakteur bei Amerikanistik und Germanis- deutlich.“ „Allgäuer Zeitung/Augsburger tik; journalistische Ausbildung Die „Quote“ Allgemeine“; Studium der an der Evangelischen Jour- interessiert Politikwissenschaft an der FU nalistenschule Berlin; freie auch Günter Berlin; freier Autor für Medien journalistische Tätigkeit; seit Bartsch: „Ich wie „Tagesspiegel“, „Freitag“, August 2007 Chefredakteurin schätze diese „Main-Echo“ und „Hauptstadt- der „Netzeitung“; dort zuvor Möglichkeit blog“. Fernseherfahrung durch ab Juni 2003 freie Mitarbei- sehr, erfahren Tätigkeit u. a. für „Deutsche terin, Chefin vom Dienst und zu können, wie Welle TV“. Vizechefin. Seite 22
  • 23. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen REFERAT Raimondo Sanna will Kompetenzen in Sachen Content ausbauen Die Pflicht zur Veränderung Ohne Investitionen in den Online-Bereich werden Verlage nicht bestehen Nicht nur Journalisten, sondern ebenso Verlage müssen auf ein sich verändern- des Mediennutzungsverhalten reagieren, um auch künftig geschäftlich erfolgreich zu sein. Warum aus Sicht der Verlagslei- tung eine ökonomische Notwendigkeit für Crossmedia besteht, erläutert Rai- mondo Sanna, Chef der Munich Online GmbH – einem Tochterunternehmen der Verlagsgruppe Münchner Zeitungsver- lag. Mit Besorgnis schaut Raimondo Sanna in die USA: Dort verlieren nach einer aktuellen Umfrage traditionelle Nachrichtenmedien an Relevanz, und 48 Prozent der erwachsenen US-Amerikaner nutzen das Internet inzwi- schen als primäres Nachrichtenmedium. „Diese Zahlen müssen sich nicht zwin- gend mit denen in Deutschland spiegeln“, schränkt er ein, „aber vor allem im Bereich Internet war die USA schon oft Vorreiter.“ früher nur mit Konkurrenten aus der eigenen Immer mehr Online-Shopper Branche befassen, haben sie es heute mit Schon jetzt boomt auch in Deutschland Unternehmen wie T-Online, Web.de und Ya- die Online-Nutzung, führt der 42-Jährige hoo zu tun, wenn´s um die Werbeetats geht. aus, vor allem beeinflusst sie nachhaltig Zwar wächst Online-Werbung in atem- das Einkaufsverhalten vieler Konsumen- beraubendem Tempo und für 2008 wird ten. Sanna illustriert die Entwicklung mit mit einer Steigerung der Umsätze um 30 Zahlen: 2007 wurden 18,3 Milliarden Euro Prozent gerechnet, informiert Raimondo durch Online-Verkäufe erzielt, für 2008 sind Sanna, aber: „Das Geld wird von der Werbe- 20 Milliarden prognostiziert. Der Anteil der branche nicht zusätzlich investiert, sondern Online-Shopper unter den Web-Usern lag möglicherweise verlagert und von bisherigen 2007 bei fast 80 Prozent, was mehr als 32 Werbemöglichkeiten umgeschichtet.“ Millionen Menschen entspricht. „Die Tages- Um nicht noch einmal ein Desaster zu zeitungsverlage haben es mittlerweile mit erleben wie den Verlust der Rubrikenmärkte völlig neuen Playern am Werbemarkt zu tun ans Internet, sind die Verlage nun gezwun- und konkurrieren mit verlagsunabhängigen gen, sich Online zu engagieren. Die Tages- Internetplattformen“, schildert der Geschäfts- zeitungen bilden mit einem Umsatz von 4,5 führer die Lage. Mussten sich die Verlage Milliarden Euro 2006 nach wie vor den mit Seite 23
  • 24. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen Abstand größten Werbeträger, was Sanna zusammen geht nicht.“ aber nicht in Sicherheit wiegt: „Die prognos- Sanna spricht von der Notwendigkeit, in tizierten Online-Umsätze für 2008 von 3,7 den Sektor zu investieren. „Aber Fehler aus Milliarden Euro kommen den Printumsätzen den 90ern werden schon wieder begangen, gefährlich näher.“ beispielsweise wird viel zu spät Geld in die Um inhaltlich einen erfolgreichen cross- Hand genommen, um den Online-Bereich medialen Kurs einzuschlagen, sieht der auszubauen“, kritisiert er, „und es ist ein Manager ein personelles Problem: „Redak- Fehler, von Print-Journalisten zu verlangen, tionell gibt es bei vielen Regionalverlagen ohne Schulungen Internet zu machen.“ Viel nach wie vor die Schwierigkeit, dass die Zeit zu reagieren gibt er den Verlagen nicht Redaktionen in Print denken und Online als mehr: „Die ökonomische Notwendigkeit von Konkurrenz sehen – obwohl die Gegner im Crossmedialität wird auf Grund der Umsatz- Netz die Googles und tageszeitungsfremden verlagerungen immer größer und dringen- Anbieter sind.“ Ein Umdenken beobachtet er der.“ Für ihn steht daher fest, „dass wir un- zumindest bei der Volontärsausbildung; vor sere Kompetenz in den Bereichen Content einem Jahr galt die Online-Abteilung noch ausbauen, egal ob online oder offline, egal als eher lästige Pflichtstation. „Mittlerweile ob Bild oder Bewegtbild“. sind die Volontäre als Kommunikatoren für die Lokalredaktionen unterwegs und werben Kontakt: für unsere Arbeit“, freut sich Sanna. Tel.: 089 5306-128 E-Mail: raimondo.sanna@merkur-online.de VJs als Werbefilmer Außerdem sind vier Volontäre als Videore- porter ausgebildet und 30.000 Euro für ent- sprechendes Equipment investiert worden. Ein Teil des Geldes haben die „VJs“ selbst wieder eingespielt: mit Werbefilmen über Autohäuser und Bürgermeister-Kandidaten. „Wir trennen da sehr genau, so dass für die Nutzer immer zu erkennen ist, wann es Z UR PERSON Raimondo Sanna Der 42-jährige gelernte Ver- sich um Werbung oder redaktionelle Inhal- lagskaufmann begann seine te handelt“, betont Raimondo Sanna, der berufliche Karriere bei der das Vorgehen des Verlags in Richtung auf „Mittelbayerischen Zeitung“ „Online first“ bei „Münchner Merkur“ und „tz“ in Regensburg; entwickelte beschreibt. als Assistent der Geschäfts- So wurden 2007 zwei Redaktionen ausge- führung (1994-96) den ersten wählt, um die neue Strategie umzusetzen deutschen Verlags-Internet- – laut Online-Chef erfolgreich: „Sie haben Auftritt; 1996 beim Süddeut- uns als Multiplikatoren geholfen, das The- schen Verlag, München, ma auch in andere Redaktionen zu trans- Anzeigenleitung Privat-Rubri- portieren.“ Doch insgesamt bedeutet der ken und verantwortlich für An- Prozess einen steinigen Weg: „Vor allem zeigen auf sueddeutsche.de; stoßen wir noch bei den freien Fotografen 2001 Wechsel zur Verlags- auf absolutes Unverständnis, die Bilder auch gruppe Münchner Zeitungs- im Online-Auftritt zu veröffentlichen.“ Auch verlag; Geschäftsführer der den Versuch, die festen Fotografen als VJs Tochter Munich Online GmbH; einzusetzen, bezeichnet Raimondo Sanna verantwortet alle Internet-Por- als gescheitert. „Die haben gesagt: Entwe- tale der Verlagsgruppe. der ich mache Fotos oder ich filme. Beides Seite 24
  • 25. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen Clemens Helldörfer betreut regionalen Wissenspool Leser in der Rolle von Experten Das „Franken-Wiki“ als interaktives Angebot für Überzeugungstäter Während andere Verlage mit einer Viel- zahl crossmedialer Möglichkeiten expe- rimentieren, beschränkt sich die „Nürn- berger Zeitung“ auf die Web-2.0-Formate Blogs und Wikis. Vor allem das „Franken- Wiki“ steht im Blickpunkt der Aufmerk- samkeit. Redakteur Clemens Helldörfer stellt das Angebot vor und gibt Einblicke in die Welt der Wikis. Ursprünglich sollten Wikis helfen, die Software-Entwicklung zu vereinfachen: Programmierer konnten sich schnell unterei- nander verständigen und Wissen weiterge- ben. Es dauerte allerdings bis 2001, als sich erstmals die Idee durchsetzte, das Wiki- Prinzip auf eine Enzyklopädie anzuwenden. Mittlerweile kennt wohl jeder Web-Nutzer Wikipedia, das in mehr als 100 Sprachen erscheint. Clemens Helldörfer zeichnet kurz die Erfolgsgeschichte der Wikis nach, bevor Angebot, in dem darüber hinaus die online er auf „sein Kind“ zu sprechen kommt: das erschienenen Artikel der Zeitung nachlesbar „Franken-Wiki“ der Nürnberger Zeitung. sind – „und von den Nutzern zwar nicht ver- Gestartet im November 2007, bietet es in- ändert, aber durch eigene Beiträge ergänzt zwischen etwa 1000 Artikel, verzeichnet 175 werden können“, wie der Hauptadministrator registrierte User und 175.000 Seitenaufrufe. Clemens Helldörfer ergänzt. Als „Geburtshelfer“ mussten allerdings die 60 Redakteure der verschiedenen Ressorts Fränkisches Mundartwörterbuch ersten Input beisteuern: Jeder sollte mög- Erfolgreicher Bestandteil des Franken-Wi- lichst zehn Beiträge liefern. „Wenn man ein kis ist das Mundartwörterbuch, in dem Be- Wiki startet und die Leute treffen auf zu viele griffe aus dem Fränkischen erklärt werden. leere Seiten, verabschieden sie sich schnell Zudem sind Serien aus der Zeitung einge- wieder“, erklärt Helldörfer das Vorgehen. stellt worden, etwa zur Nürnberger Architek- Dazu gehört auch die Suche nach Partnern. tur der Nachkriegszeit. Eine Reihe über die Angesprochen wurden beispielsweise die Personen hinter Nürnberger Straßennamen Stadtarchive im Verbreitungsgebiet, deren hat das Franken-Wiki mit Luftbildaufnahmen bereits online publizierte Artikel zu histo- illustriert, die via „Google Maps“ eingebun- rischen Themen ins Wiki übernommen den wurden. Wenn ein Nutzer die Artikel werden durften. Auch die Verkehrsvereine allerdings auf seiner persönlichen Homepa- und die Touristik-Zentrale fütterten das ge veröffentlichen will, reagiert der Verlag Seite 25
  • 26. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen restriktiv. „Eine Verlinkung ist aber gestat- pflegen sowie auf Urheberrechte an Bildern tet“, merkt Helldörfer an. Seine persönliche und Beiträgen zu achten. „Man muss schon Wiki-Erfolgsgeschichte war der Artikel über mit Überzeugung dahinterstehen“, unter- das Eisbärbaby „Flocke“, der schnell zu den streicht Clemens Helldörfer, „weil ja immer beliebtesten Beiträgen gehörte. Neues eingestellt werden kann. Da bleibt es Rund vier Monate benötigte das Team der nicht aus, auch mal am Wochenende oder Nürnberger Zeitung bis zur Realisierung des im Urlaub reinzuschauen.“ Und das alles, Franken-Wikis. Am Anfang schlug Clemens obwohl mit Wikis kein Geld verdient werden Helldörfer auch Skepsis solcher Art entge- darf – jedenfalls nicht, ohne sich dadurch gen: „Es gibt doch schon Wikipedia, wozu unglaubwürdig zu machen. wollt Ihr das Rad nochmal neu erfinden?“ Mit Blick auf ähnliche Angebote in anderen Derartige Einwände kontert der Redakteur Städten ist er optimistisch, dass auch das mit dem Hinweis, dass mit dem eigenen Franken-Wiki erfolgreich wird. „Wir sind ja Wiki eine höhere Spezialisierung mög- noch jung“, sagt der NZ-Redakteur, der mit lich und nicht auf enzyklopädische Inhalte Spannung auf neue Kooperationen blickt: In beschränkt ist. „Mit dem Dialekt-Wörterbuch Kürze steht eine Zusammenarbeit zwischen wären wir bei Wikipedia gar nicht unterge- Franken-Wiki und Nürnberger Volkshoch- kommen“, nennt er ein Beispiel. schule an – gemeinsam wollen sie Wiki-Se- minare anbieten und so zur aktiven Mitarbeit Wichtig fürs Image an dem regionalen Wissenspool anregen. Außerdem bildet das Wiki auch ein „virtu- elles Zeitungsarchiv“ als Leserservice. Nicht Kontakt: zuletzt hält Clemens Helldörfer das Angebot Tel.: 0177 7050707 aus Image-Gründen für wichtig: „Wir können E-Mail: clemens.helldoerfer@pressenetz.de über das Wiki auch bei den Jüngeren auf uns aufmerksam machen und zusätzliche Kontakte herstellen, beispielsweise zu den Vereinen in der Region.“ Und auch die Rolle als Themen-Quelle für die gedruckte Zeitung hält der Redakteur für beachtenswert. Insofern mag er die Einrichtung eines eige- nen Wikis nur empfehlen. Die technischen Voraussetzungen sind gering, die nötige Z Software wie etwa das verbreitete „Media- UR PERSON Wiki“ ist einfach zu bedienen. Zur Demons- Clemens Helldörfer tration präsentiert Helldörfer ein kleines Geboren 1961 in Fürth; Studi- privates Wiki: „Zum Testen kann man mit der um der Theaterwissenschaft, Software auf jedem PC experimentieren.“ Soziologie und Deutschen Li- Wer ein solches Angebot startet, muss aber teraturgeschichte in Erlangen; vor allem eins beachten: „Ganz wichtig ist Volontariat und Redakteur bei der neutrale Standpunkt eines Autors, der der „Fränkischen Landeszei- Beiträge liefert“, so der Hauptadministrator, tung“, Ansbach; seit 1992 Re- „ein Wiki ist kein Forum.“ dakteur bei der „Nürnberger Und es bereitet eine Menge Arbeit, vor Zeitung“, zunächst Lokalre- allem zu Beginn, wenn Inhalte her müssen. daktion, dann in der Stadtbei- „Es gilt, den Punkt zu erreichen, dass die lage „Nürnberg plus“; Aufbau meisten Themen von außen kommen“, er- und Betreuung des Franken- läutert er. Später geht es besonders darum, Wikis seit Herbst 2007. die Wiki-Beiträge zu überwachen und zu Seite 26
  • 27. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen Jan Steeger stellt Best-Practice-Beispiele aus der „drehscheibe“ vor Crossmedia auf allen Kanälen Gute Ideen: Lokal- und Regionalzeitungen verzahnen Altes mit Neuem Von Jan Steeger Die drehscheibe war ein Papiertiger. Seit 25 Jahren stellt das von der bpb heraus- gegebene Magazin für Lokalredaktionen die besten Ideen und beispielhafte Artikel aus den Lokalteilen der deutschsprachi- gen Zeitungen vor. Auf Papier, in Form eines gedruckten Hefts und Ideenlisten, die lange Zeit per Post in die Redaktionen verschickt wurden. Doch in dem Maße, in dem die Tageszeitungen auf Online-Inhal- te setzen und ihren Nutzern Angebote auf anderen Kanälen offerieren, wandelt sich auch die drehscheibe. Die Ideenlisten stehen jetzt im Netz zum Download bereit. Auf www.drehscheibe.org gibt es auch das Archiv, in dem mehr als 7.500 Artikel, die in der drehscheibe vor- gestellt worden sind, als PDF-Dokumente herunter geladen werden können. Nicht zu vergessen der Online-Redaktionskalender Wiki erweiterte Kassel-Lexikon der HNA war mit den Umsetzungstipps. Ein Termin aus – lange bevor andere darauf aufmerksam dem Kalender wird zudem jeden Tag neu wurden – ebenso in der drehscheibe vertre- auf der Startseite vorgestellt. Sogar „onli- ten wie das Videoblog von Uwe Ralf Heer, ne-only“-content bietet die drehscheibe an: dem Chefredakteur der Heilbronner Stimme. Exklusiv-Interviews mit Journalisten und Beiträge über Online-Lokalzeitungen wie Medienmacher finden sich auf dem Seiten 16vor.de und crossmediale Jugendportale der drehscheibe und der jugenddrehscheibe, wie fudder.de von der Badischen Zeitung dem Blog mit den besten Ideen aus Jugend- und jetzt.de von der Süddeutschen gehören redaktionen auf www.jugenddrehscheibe.de. ebenfalls seit Langem zum Themenspekt- Als Pilotprojekt startete außerdem zu die- rum der drehscheibe. sem Seminar das drehscheibeblog, über das sich alle an den Diskussionen beteiligen Bocholter Kanäle können, die nicht als Teilnehmer oder Refe- Die Ausgabe März 2008 widmet sich rent vor Ort sein können. speziell den crossmedialen Projekten von Der Papiertiger drehscheibe hat sich also Lokal- und Regionalzeitungen. Ein spannen- nicht nur zum crossmedialen Angebot für des Beispiel bietet dabei das Bocholter-Bor- Lokalredaktionen entwickelt, auch die cross- kener Volksblatt (BBV), das seit einem Jahr mediale Entwicklung in den Redaktionen das Programm „BBV – immer und überall“ selbst nimmt einen prominenten Platz im umsetzt: Die lokale Nachricht wird über ein Magazin ein. Das inzwischen zum Regio- Newsdesk an die verschiedenen Kanäle Seite 27
  • 28. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen angepasst. Tägliches Web-TV, Kurzmel- verknüpft werden, läuft der Service vollau- dungen und Fotostrecken auf der Webseite tomatisch und den Redaktionen entsteht bis sowie die Hintergrundgeschichte im Blatt. auf das Verschlagworten der Artikel kein zu- Die Lokalzeitung mit einer Auflage von rund sätzlicher Aufwand. Dafür erhalten sie aber 24.000 Exemplaren leistet sich daneben Rückmeldung, welche Themen nachgefragt noch mit „dieQ“ eine Internet-Community, sind, auch wenn es sich bei den Nutzern die sich an jüngere Nutzer wendet. Sämt- des Dienstes nicht um die Kernleserschaft liche Redakteure, Fotografen und freien handelt. Mitarbeiter des BBV wurden im Umgang mit Im Hinblick auf die Podcast-Angebote der Kamera geschult und zusätzlich Medien- bei Lokal- und Regionalzeitungen sind die gestalter für Video und Ton eingestellt. Ein Podcast-Serien des Göttinger Tageblatts Resultat dieser konsequent crossmedialen hervorzuheben. Mit durchschnittlich 1.000 Ausrichtung ist die Serie „Jugend in Bewe- Abrufen pro Tag – bei Aktualisierungen gung – die 60er“, die im Januar und Februar sogar bis zu 2.500 – werden die Hörangebo- 2008 in acht ganzseitigen Teilen im Blatt lief te von den Nutzern sehr gut angenommen. und durch eine Vielzahl von Web-Angeboten Wöchentlich gibt es einen neuen Podcast, ergänzt worden ist: Bildershows, Video-In- den die GT-Redakteure im eigens eingerich- terviews mit Zeitzeugen, Mp3-Dateien von teten Aufnahmeraum erstellen. Inhaltliche Songs lokaler Bands aus den Sechzigern Vorgaben gibt es nicht. Momentan laufen bei und Amateurfilmen aus dieser Zeit. Leser www.gt-podcast.de fünf Serien, unter ande- senden mehr als 200 Fotos ein, die online rem ein Mundart-Podcast und ein moderier- gestellt werden. Ein Diskussionsforum im tes Stammtischgespräch. Netz findet regen Zulauf. Die Serie wird dar- aufhin im Blatt um drei Folgen mit Leserbei- Kontakt: trägen erweitert. Tel.: 030 695665-24 E-Mail: steeger@raufeld.de Service per SMS Die Verzahnung von verschiedenen Ka- nälen demonstriert auch auf exemplarische Weise der SMS-Dienst „zelection“, den die Sindelfinger Zeitung/Böblinger Zeitung (SZ/BZ) seit Januar 2008 anbietet. Die Idee hinter dieser White-Label-Plattform von der Stuttgarter zelect GmbH ist so einfach wie überzeugend: Die registrierten Nutzer des Dienstes geben Themen an, die sie span- nend finden, und werden am Vortag per SMS informiert, sobald ein für sie inter- essanter Beitrag in der Zeitung erscheint. Wenn sie auf diese SMS mit „OK“ antwor- ten, wird ihnen automatisch am nächsten Tag die Zeitung zugestellt oder eine perso- nalisierte PDF-Zeitung per E-Mail geschickt. Das Modell suchen sich die Nutzer selbst aus. Bezahlen müssen sie nur das ver- sendete PDF oder die zugestellte Zeitung – der SMS-Service ist kostenfrei. Dadurch, dass die „zelect“-Plattform mit dem Redak- tions- und dem Vertriebssystem der Zeitung Seite 28
  • 29. Modellseminar: Erfolg auf allen Kanälen Katja Riefler rät Journalisten, die Angst vorm Publikum abzulegen Von „Hyperlocal“ bis zum „Evergreen“ Medien www: weit weit weg – Lokaljournalismus in den USA Immer wieder zeichnen sich in den USA Trends ab, die mit Zeitverzöge- rung auch Europa treffen. Wie sich crossmediale Modelle im US-amerika- nischen Zeitungsmarkt derzeit entwi- ckeln, schildert die Medienberaterin Katja Riefler im Interview. Wie stellt sich die Situation des Lokal- journalismus in den USA derzeit dar? Riefler: Zeitungen in den USA leiden unter kontinuierlichem Auflagenschwund – gemessen an dem Teil der Bevölkerung, der noch mit der ausgestatteter Motorroller oder Kleinwagen gedruckten Regionalzeitung erreicht wird, ist erregt natürlich in einer Kleinstadt größere die Situation schon wesentlich dramatischer Aufmerksamkeit als im Gewimmel einer als bei uns. Durch ein kontinuierliches Metropole, ganz abgesehen davon, dass die Engagement im Internet können die Konkurrenz um Exklusivberichte aus einer Zeitungen jedoch seit zwei Jahren wieder kleinen Region geringer ist als bei Groß- auf steigende Gesamtreichweiten verweisen, ereignissen, wobei für die Menschen, die das heißt die Zahl der Menschen, die dort leben, beides gleich wichtig sein kann. entweder die gedruckte Zeitung, das Es gibt also Podcasts, Vodcasts, lokale Online-Angebot oder beides nutzen, steigt. Musikszene mit Titel-Downlaod etc. sogar Dennoch stehen die Zeitungen aufgrund der eher auf den Angeboten kleinerer Verlage. Auflagenverluste und eines kontinuierlichen Anzeigenrückgangs enorm unter Druck. In Auf welchen Wegen werden die lokalen vielen Redaktionen gibt es Entlassungen. Inhalte in den Online-Zeitungen transpor- Es gibt aber auch und gerade bei lokalen tiert? Wo liegt der Schwerpunkt? Zeitungen herausragende Beispiele für erfolgreiche Angebote – in gedruckter Form Der Schwerpunkt im Nachrichtenteil und/oder als Websites. liegt bei US-Zeitungen auf Text und Bild, ergänzt um Videos und zum Teil auch von Mit welchen Formaten wird Podcasts. Die Masse der Angebote ist experimentiert? ganz vergleichbar wie bei uns. Fast überall gibt es Blogs, nicht überall allerdings mit Es wird mit sehr sehr vielen Formaten großem Erfolg. Der Umgang und die Mitwir- experimentiert und es sind nicht selten kungsmöglichkeiten des Publikums haben gerade kleinere Häuser, die innovative jedoch bei erfolgreichen Angeboten ein Ideen vorantreiben und mit relativ geringen anderes Gewicht und auch die Aktualität. Investitionen vergleichsweise große Wirkung US-Zeitungen vermitteln ihren Usern, dass erzielen. Das ist auch kein Wunder. Ein sie auf der Website aktuelle Informationen mit live-Video-Übertragungsmöglichkeit finden, wann immer in der Region etwas Seite 29