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Performative (wie man spricht so wird man)

„Performativ sind nach J. L. Austin Aussagen, die nicht nur Handlungen
beschreiben, sondern selbst Handlungen sind: «Hiermit taufe ich dich auf den
Namen ...», «Hiermit bestätige ich ...». Performative Äußerungen sind immer
präsentisch und affirmativ. «Ich verspreche euch ...».” [Heupel, C., S. 170]

„Performatorisch (lat. performare = hervorbringen)

Nach Austin Eigenschaft einer Äußerung, mit der die beschriebene Handlung in der
außersprachlichen Wirklichkeit zugleich vollzogen wird; Koinzidenz, Zusammenfall
von Sprachhandeln und referentieller Aktion; formale Kennzeichen: Subj. in 1. Pers.,
direktes oder indirektes Obj. in 2. Pers., Verb im Präs.; z.B.: Ich gratuliere dir zum
Geburtstag. Wir versprechen euch, dass wir pünktlich erscheinen werden.“ [Ulrich,
Winfried, Ling. Grundbegriffe, S. 87]

                                          ●

„Performative Äußerung [engl. to perform „vollziehen‟]. Terminus von J. L.
Austin (in einer Vorstufe zu seiner Sprechakttheorie) zur Bezeichnung von
Äußerungen, mit denen man jeweils bestimmte Handlungen vollzieht, im
Unterschied zu Konstativen Äußerungen, die nur etwas beschreiben oder
konstatieren. Diese Unterscheidung von zwei unterschiedlichen Typen von
Äußerungen wurde dann in der weiteren Entwicklung der Sprechakttheorie durch die
Unterscheidung von zwei verschiedenen Sprechhandlungen, dem lokutionären und
dem illokutionären Akt. Nachdem somit alle Sprechhandlungen unter einem
bestimmten Aspekt als performative Äußerungen zu betrachten sind, wird die
ursprüngliche Unterscheidung zwischen „konstatativ“ vs. „performativ“ hinfällig.
Notwendig hingegen bleibt die Unterscheidung von

  (a) implizit performativen Äußerungen (auch: primäre/primitive) und

  (b) explizit performativen Äußerung:

Mit der (primären) implizit performativen Äußerung von Du irrst kann man genauso
gut behaupten, dass der Adressat irrt, wie mit der explizit performativen Äußerung
von Ich behaupte, dass du irrst. Primäre performative Äußerungen weisen im
allgemeinen keine lexikalischen illokutionären Indikatoren auf, explizit performative
Äußerungen hingegen haben meist die Form eines Matrixsatzes mit einem
performativem Verb in der 1. Pers. Ind. Präsens, einem (den Adressaten
bezeichnenden), meist indirekten Objekt und einem eingebetteten Satz. Der
Selbstbezug der explizit performativen Äußerung lässt sich durch hiermit
unterstreichen: Ich taufe dich (hiermit) auf den Namen „Stadt Passau“.“




In gewisser Weise als sprachphilosophischer Wegbereiter der Sprechakttheorie kann Ludwig
Wittgenstein betrachtet werden. In den 1953 postum veröffentlichten Philosophischen
Untersuchungen spricht er sich bereits explizit gegen die Theorie aus, dass Wörter generell
nur der Benennung von Dingen dienten:

„Als ob mit dem Akt des Benennens schon das, was wir weiter tun, gegeben wäre. Als ob es
nur Eines gäbe, was heißt:'von den Dingen reden.' Während wir doch das Verschiedenartigste
mit unseren Sätzen tun.“ (PU[1] S. 28, §27) Der These von Sprache als „Benennung“ (und
nichts als Benennung) stellt Wittgenstein bereits die Idee entgegen, dass „Sprechen“ auch
„Handeln“ ist: „Das Wort ‚Sprachspiel‘ soll hier hervorheben, dass das Sprechen der
Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform“ (ebd.,[1] S. 26, §23) Als einige
solcher „Sprachspiele“ nennt Wittgenstein z. T. auch später von Austin exemplarisch für
Sprechakte verwendete Beispiele, wie Befehlen, Bitten oder Danken.



Diese Traditionslinie muss allerdings mit größter Vorsicht genommen werden, da die
Erkenntnisinteressen Ludwig Wittgensteins und besonders John Searles, aber auch schon John
Austins, sehr verschieden sind. Insbesondere der Versuch der weiteren Fundierung der
Sprechakttheorie Searles in einer Theorie des menschlichen Geistes macht deutlich, dass die
Leitfragen der Sprechakttheorie mit Wittgensteins Sprachspiel-Denken eher zu kritisieren sind. Die
ungeprüfte Berufung auf Wittgenstein, dessen noch unsystematische Ideen Searle systematisiert
habe, stimmt ideengeschichtlich nicht. Am Begriff Regel-Regelfolgen wird dies besonders deutlich, da
die Sprechakttheorie – wie andere Grammatiktheorien auch (z. B. Noam Chomskys Generative
Transformationsgrammatik) – über die Einführung eines technischen Regel-Begriffs davon ausgehen
muss, man könne Regeln folgen, ohne sie (in welcher Form auch immer!) ausdrücken zu können.
Diese Idee findet in Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen ihre schärfste Kritik (siehe Ohler,
Matthias: Sprache und ihre Begründung).




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  • 1. Performative (wie man spricht so wird man) „Performativ sind nach J. L. Austin Aussagen, die nicht nur Handlungen beschreiben, sondern selbst Handlungen sind: «Hiermit taufe ich dich auf den Namen ...», «Hiermit bestätige ich ...». Performative Äußerungen sind immer präsentisch und affirmativ. «Ich verspreche euch ...».” [Heupel, C., S. 170] „Performatorisch (lat. performare = hervorbringen) Nach Austin Eigenschaft einer Äußerung, mit der die beschriebene Handlung in der außersprachlichen Wirklichkeit zugleich vollzogen wird; Koinzidenz, Zusammenfall von Sprachhandeln und referentieller Aktion; formale Kennzeichen: Subj. in 1. Pers., direktes oder indirektes Obj. in 2. Pers., Verb im Präs.; z.B.: Ich gratuliere dir zum Geburtstag. Wir versprechen euch, dass wir pünktlich erscheinen werden.“ [Ulrich, Winfried, Ling. Grundbegriffe, S. 87] ● „Performative Äußerung [engl. to perform „vollziehen‟]. Terminus von J. L. Austin (in einer Vorstufe zu seiner Sprechakttheorie) zur Bezeichnung von Äußerungen, mit denen man jeweils bestimmte Handlungen vollzieht, im Unterschied zu Konstativen Äußerungen, die nur etwas beschreiben oder konstatieren. Diese Unterscheidung von zwei unterschiedlichen Typen von Äußerungen wurde dann in der weiteren Entwicklung der Sprechakttheorie durch die Unterscheidung von zwei verschiedenen Sprechhandlungen, dem lokutionären und dem illokutionären Akt. Nachdem somit alle Sprechhandlungen unter einem bestimmten Aspekt als performative Äußerungen zu betrachten sind, wird die ursprüngliche Unterscheidung zwischen „konstatativ“ vs. „performativ“ hinfällig. Notwendig hingegen bleibt die Unterscheidung von (a) implizit performativen Äußerungen (auch: primäre/primitive) und (b) explizit performativen Äußerung: Mit der (primären) implizit performativen Äußerung von Du irrst kann man genauso gut behaupten, dass der Adressat irrt, wie mit der explizit performativen Äußerung
  • 2. von Ich behaupte, dass du irrst. Primäre performative Äußerungen weisen im allgemeinen keine lexikalischen illokutionären Indikatoren auf, explizit performative Äußerungen hingegen haben meist die Form eines Matrixsatzes mit einem performativem Verb in der 1. Pers. Ind. Präsens, einem (den Adressaten bezeichnenden), meist indirekten Objekt und einem eingebetteten Satz. Der Selbstbezug der explizit performativen Äußerung lässt sich durch hiermit unterstreichen: Ich taufe dich (hiermit) auf den Namen „Stadt Passau“.“ In gewisser Weise als sprachphilosophischer Wegbereiter der Sprechakttheorie kann Ludwig Wittgenstein betrachtet werden. In den 1953 postum veröffentlichten Philosophischen Untersuchungen spricht er sich bereits explizit gegen die Theorie aus, dass Wörter generell nur der Benennung von Dingen dienten: „Als ob mit dem Akt des Benennens schon das, was wir weiter tun, gegeben wäre. Als ob es nur Eines gäbe, was heißt:'von den Dingen reden.' Während wir doch das Verschiedenartigste mit unseren Sätzen tun.“ (PU[1] S. 28, §27) Der These von Sprache als „Benennung“ (und nichts als Benennung) stellt Wittgenstein bereits die Idee entgegen, dass „Sprechen“ auch „Handeln“ ist: „Das Wort ‚Sprachspiel‘ soll hier hervorheben, dass das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform“ (ebd.,[1] S. 26, §23) Als einige solcher „Sprachspiele“ nennt Wittgenstein z. T. auch später von Austin exemplarisch für Sprechakte verwendete Beispiele, wie Befehlen, Bitten oder Danken. Diese Traditionslinie muss allerdings mit größter Vorsicht genommen werden, da die Erkenntnisinteressen Ludwig Wittgensteins und besonders John Searles, aber auch schon John Austins, sehr verschieden sind. Insbesondere der Versuch der weiteren Fundierung der Sprechakttheorie Searles in einer Theorie des menschlichen Geistes macht deutlich, dass die Leitfragen der Sprechakttheorie mit Wittgensteins Sprachspiel-Denken eher zu kritisieren sind. Die ungeprüfte Berufung auf Wittgenstein, dessen noch unsystematische Ideen Searle systematisiert habe, stimmt ideengeschichtlich nicht. Am Begriff Regel-Regelfolgen wird dies besonders deutlich, da die Sprechakttheorie – wie andere Grammatiktheorien auch (z. B. Noam Chomskys Generative Transformationsgrammatik) – über die Einführung eines technischen Regel-Begriffs davon ausgehen muss, man könne Regeln folgen, ohne sie (in welcher Form auch immer!) ausdrücken zu können. Diese Idee findet in Wittgensteins Philosophischen Untersuchungen ihre schärfste Kritik (siehe Ohler, Matthias: Sprache und ihre Begründung). ●