1. Op Liichtmëssdag
gi mir liichten!
Léiwer Härgottsblieschen,
gitt ons Speck an Ierbëssen.
Ee Pond, zwee Pond,
dat anert Joer da gitt Der gesond,
da gitt Der gesond.
Loosst déi jonk Leit liewen,
loosst déi al Leit stierwen
(oder: an dei Al derniewent).
Kommt Der net bal,
d’Féiss ginn ons kal.
Kommt Der net gläich,
da gi mer op d’Schläich.
Kommt Der net geschwënn,
d’Féiss ginn ons dënn.
Kommt Der net gewëss,
da kritt Der e Schouss voll Nëss.1
Auf „Liichtmëssdag“ tragen die Kinder hierzulande singend das Licht zu den Menschen in ihre Häu-‐
ser. Welche Wurzeln haben Tradition, Lied und Symbole, die an diesem Tag erfahrbar werden?
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Quelle: Nik WELTER, Das Luxemburgische und sein Schrifttum, 1929.
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Op Liichtmëssdag gi mir liichten
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Zwei Feste greifen ineinander
Am Vorabend vom 3. Februar – am Festtag „Mariä Lichtmess“ – verbinden sich zwei Feste mit-‐
einander. Mit dem Lied „Léiwer Härgottsblieschen“ ziehen die Kinder in Scharen – früher mit
Wachslichtern, heute mit Lampions – von Haus zu Haus. Dabei wird der Heilige Blasius („Blies-‐
chen“) angerufen, dessen Fest am darauffolgenden Tag gefeiert wird.
Heiliger Blasius am 3. Februar
Wer ist eigentlich dieser „Léiwer Härgottsblies-‐
chen“, der im Eingangslied besungen wird? Blasius
war ein Bischof, der im 3. Jahrhundert in der Stadt
Sebaste (Türkei) lebte. Bereits als Arzt war seine
Hilfsbereitschaft und Toleranz allen Menschen ge-‐
genüber legendär. Ob arm, ob reich, ob Christ oder
Nicht-‐Christ, sein Einsatz für alle Mitmenschen
hatte nicht nur zu seiner Wahl als Bischof geführt,
sondern auch zahlreiche Legenden inspiriert, die
seine Heilkraft zum Ausdruck bringen möchten.
Die bekannteste Erzählung vom heiligen Blasius
stand Pate für die kirchliche Halssegnung, die noch
heute an seinem Gedenktag oder an Lichtmesstag
vorgenommen wird: während seiner Gefangen-‐
schaft in einem römischen Gefängnis soll er einem
Kind, das an einer Fischgräte zu ersticken drohte,
das Leben gerettet haben. Zum Schutz vor Hals-‐
krankheiten werden deshalb noch heute viele
Christen mit Kerzen gesegnet; sie lassen sich an
diesem Festtag „den Hals seenen“.
Mit zwei gekreuzten Kerzen wird der Blasius-‐Segen erteilt. Die Verbin-‐
dung zwischen Kerze und dem Blasius-‐Segen geht auch auf eine Legende
zurück, laut der das verschleppte Schwein einer armen Frau dank dem
Einsatz von Blasius ihr wieder zurückgebracht wurde. Die Frau bedankte
sich u. a. mit einer Kerze bei Blasius. Daher wird er häufig im Gewand ei-‐
nes Bischofs mit zwei gekreuzten Kerzen dargestellt, wie zum Beispiel in
Schieren auf einem spätgotischen Seitenaltar.
Heiliger Blasius auf einem Seitenaltar
in der Kirche in Schieren
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Als Kirchenpatron gilt er darüber hinaus in Berlé und Elvange/Beckerich. Da er zu den vierzehn
Nothelfern gehört, ist seine Darstellung auch in so manchen anderen Kirchen zu finden.
Während vieler Jahrzehnte trugen die Kindergruppen in Stadt Luxemburg und anderen Ort-‐
schaften des Landes deshalb brennende Wachslichter in einem Umzug durch die Straßen. Spä-‐
ter wurden sie ausgestattet mit Liichtebengelcher, heute vorwiegend mit Lampions und so gehen
sie „liichten“ und ziehen singend von Haus zu Haus mit der Weise des Heiligen Blasius: „Léiwer
Härgotts-‐blieschen, gitt ons Speck an Ierbëssen…“.
1962 waren die Kinder noch mit „Liichtebengelcher“ unterwegs
Halssegnung an Lichtmesstag
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Dabei forderten sie anfänglich ein Wachslicht, aber sie nahmen natürlich auch alles was von
ihnen im obigen Lied erbeten wurde: Speck, Erbsen und andere Lebensmittel.
Dabei wurden die sogenannten Brauchspeisen eingesammelt, die der damaligen Zeit entspre-‐
chend auch bei anderen Gebräuchen eine kulinarische Rolle spielten (Ierzebulli an Buergsonndeg
oder Nüsse, die auch auf keinem Niklosteller fehlen durften).
Liichtmëssdag und Fetten Donneschdeg liegen zeitlich so nahe aneinander, was dazu führte, dass
im Oesling Liichtmëssdag nie so richtig Wurzeln fassen konnte. Dort wurde vor allem der Fetten
Donneschdeg gefeiert, während Liichtmëssdag sich vor allem im Gutland als Brauchtum etablierte.
Traditionen wandeln sich: Heutzutage werden vor allem Süßigkeiten gereicht, aber auch Geld-‐
beträge werden gerne von der Kinderschar entgegengenommen, um anschließend unter allen
Gruppenmitgliedern aufgeteilt zu werden. Mancherorts wird ein Teil der gesammelten Geldbe-‐
träge für wohltätige Zwecke (Kinder helfen Kindern in der Not) gespendet.
Um die Zuhörer mancherorts nicht zu viel zu schockieren, wurde der zweite Teil des Liedsatzes
dann bisweilen umgewandelt von „Loosst déi jonk Leit liewen, Loosst déi al Leit stierwen“, in „Loosst
déi jonk Leit liewen, an déi al derniewent“. Gerade dieser Liedsatz führt uns zu dem zweiten Fest,
das hier begangen wird.
Heutzutage wird das Licht mit Lampions in die Häuser gebracht
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Mariä Lichtmess am 2. Februar
Dem alten weisen, gerechten und frommen Simeon in Jerusalem war versprochen worden, dass
er nicht sterben werde, ehe er den Retter gesehen habe. Als Jesus 40 Tage nach seiner Geburt
von seinen Eltern dann im Tempel „dargestellt“ (= vorgestellt) wird, erkennt Simeon in ihm den
Retter, das Licht der Welt:
Darstellung Jesu im Tempel
Sie brachten das Kind nach Jerusalem hinauf, um es dem Herrn zu weihen, gemäß dem Gesetz des Herrn,
in dem es heißt: Jede männliche Erstgeburt soll dem Herrn geweiht sein. Auch wollten sie ihr Opfer dar-‐
bringen, wie es das Gesetz des Herrn vorschreibt: ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben.
In Jerusalem lebte damals ein Mann namens Simeon. Er war gerecht und fromm und wartete auf die Ret-‐
tung Israels und der Heilige Geist ruhte auf ihm. Vom Heiligen Geist war ihm offenbart worden, er werde
den Tod nicht schauen, ehe er den Messias des Herrn gesehen habe.
Jetzt wurde er vom Geist in den Tempel geführt; und als die Eltern Jesus hereinbrachten, um zu erfüllen
was nach dem Gesetz üblich war, nahm Simeon das Kind in seine Arme und pries Gott mit den Worten:
„Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben
das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herr-‐
lichkeit für dein Volk Israel.“
Sein Vater und seine Mutter staunten über die Worte, die über Jesus gesagt wurden. Und Simeon segne-‐
te sie und sagte zu Maria, der Mutter Jesu: Dieser ist dazu bestimmt, dass in Israel viele durch ihn zu Fall
kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird.2
Darstellung des Herrn im Tempel aus dem Codex Aureus Escorialensis
(Pergamenthandschrift von 1046 des Klosters Echternach)
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Hermann-‐Josef FRISCH, Die Bibel. Das Buch fürs Leben, Patmos, 2004.
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Dieses Fest der Darstellung des Herrn ist bekannt unter dem Namen „Mariä Lichtmess“ oder
Lichtmëssdag. Lukas beschreibt hier im Kapitel 2 die Erstgeburtsweihe von Jesus an Gott, wobei
durch die Intervention von Simeon, der ganze Vorgang eine zusätzliche Bedeutung erhält. Dabei
muss man sagen, dass hier im Lukasevangelium Jesus, als das Licht der Welt, weitaus mehr im
Mittelpunkt steht, als seine Mutter Maria (Lk 2, 21-‐40).
So wird Lichtmëssdag entsprechend der biblischen Textvorlage am 2. Februar, dem vierzigsten
Tag nach Weihnachten, gefeiert. Die Bezeichnung Lichtmess setzt das Wort „mess“ (das, wie in
Kir-‐„mes“, so viel wie Fest bedeutet) in Beziehung zum Licht. Dies kommt zum Ausdruck
in der
Kerzenweihe und Lichterprozession an diesem 2. Februar. Solch eine Lichterprozession gab es
in Rom bereits zu Zeiten des römischen Reiches und fand alle fünf Jahre im Februar statt. Wir
sehen hier sehr gut, wie christliche Feste mit ursprünglichen religiösen Bräuchen verbunden
wurden.
Die christliche Segnung der Kerzen, die dann bei der Prozession mitgenommen werden, steht so
in Beziehung zum Loblied des Simeon, der Jesus als Licht der Welt preist. Hier geht es um eine
zentrale Aussage, die wiederholt im Neuen Testament zum Ausdruck gebracht wird: Jesus ist
das Licht der Welt. Aus christlicher Sicht bringen die Kinder dieses Licht an diesem Festtag dann
auch symbolisch zu den Menschen in ihre Häuser. Der religiöse Charakter ist durch die Mess-‐
feiern an diesen Tagen gekennzeichnet, wobei mancherorts die umherziehenden Kinder auch
mit ihren Lampions gesegnet werden.
So verbinden sich die Lichtmotive der beiden Feste Mariä Lichtmess und Sankt Blasius eng mit-‐
einander und werden in der Tradition des Liichtegoen auf die Straßen Luxemburgs gebracht.
Text: Jean-‐Louis Zeien
Fotos: Fotothek intranet.cathol.lu [cc by-‐nc-‐nd]: Nicole Knoch, Domingos Martins, Nathalie Nilles-‐
Schosseler, Jim Wanderscheid; Alex Langini, Archiv Luxemburger Wort
Layout: Gilberte Bodson
Lesenswert
Edmond DE LA FONTAINE, Luxemburger Sitten und Bräuche, Imprimerie Saint-‐Paul, 1986.
Hermann-‐Josef FRISCH, Die Bibel. Das Buch fürs Leben, Patmos, 2004.
ERWUESSEBILDUNG, Vu Klacken, Klibberen a Kleeschen, Éditions Saint-‐Paul, 2014.