Energieintensive Unternehmen haben Eigeninteresse an effizientem Energieeinsatz. Es gibt aber intelligente Lösungen der Energieproblematik, die weit über die reine Energieeinsparung hinausgehen.
Vorlesung Optimierungspotential Energieintensiver Unternehmen
1. Darstellung der Entwicklung und der
Zukunftsperspektiven der
energiewirtschaftlichen
Optimierungspotentiale im
Strombereich am Beispiel eines
energieintensiven Unternehmens
Bingen, 18. Mai 2015
Dr. Thomas Dirksmeyer
2. Dr. Thomas Dirksmeyer
— Diplom-Physiker, Dr. rer. nat.
— 25 Jahre Berufstätigkeit in der Energiewirtschaft
— Schwerpunkt Gaswirtschaft
— Lehraufträge an Hochschulen in NRW
— Seit Januar 2015 freiberuflich tätig
3. Agenda
— Was ist die energieintensive Industrie?
— Energieintensive Industrie im Zeichen der
Energiewende
— Handlungsoptionen und Herausforderungen für
energieintensive Unternehmen
— Optimierungspotentiale in einem Unternehmen der
Aluminiumindustrie
— Fazit
4. Wer sind die energieintensiven Branchen?
www.energieintensive.de
Baustoffe
Chemie
Glas
NE-Metalle
Papier
Stahl
An welche Branchen denken Sie zuerst?
5. Ist auch die IT-Branche energieintensiv?
— Riesige Unternehmen mit riesigem Stromverbrauch
— Rolle der Energiekosten für die Branche ist eher
gering
Google:
2.26 TWh Stromverbrauch
ca. 50 Mrd. $ Umsatz
6. Was ist die Interessenslage von
energieintensiven Unternehmen?
— Energie ist wichtiger Rohstoff
=> Verfügbarkeit, Versorgungssicherheit
— Energie ist wichtiger Kostenfaktor
=> absolutes Energiepreisniveau
— Häufig internationaler Wettbewerb
=> Preisdifferenzen / relatives Energiepreisniveau
— Gebundenes Kapital in Produktionsanlagen
=> langfristige Planbarkeit von Energiekosten
7. Welche Rolle spielen diese Branchen?
— Aus volkswirtschaftlicher Sicht
— Arbeitsplätze
— Steuereinnahmen
— Aus umweltpolitischer Sicht
— kritisch für Erreichung der Klimaziele
— “belasten” die Umweltbilanz
— viele energieintensive Produkte werden eingesetzt für
Erreichung der Klimaziele
— Verdrängen ins Ausland wäre umweltpolitisch nicht
sinnvoll - Warum?
8. EU Klimaziele für 2030
— Senkung der CO2-Emissionen um 40%
— Erhöhung des Anteils Erneuerbarer Energien am
Energieverbrauch um 27%
— Erhöhung der Energieeffizienz
Senkung des spez. Energieverbrauchs um 27%
9. Kernziel des Unternehmens:
Kosten reduzieren
— Kosten = Menge * Preis
— Weniger Energie verbrauchen
— Verschwendung vermeiden
— Investieren in Energiesparmaßnahmen
— Prozesse optimieren
— Preiswertere Energie einkaufen
— geschickt einkaufen
— Ansprüche senken ?
— Steuererleichterungen / Subventionen
10. Energieintensive Stromverbraucher
Kriterien nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz:
— Liste von 219 Branchen
— Verbrauch von mehr als 1 GWh Elektrizität pro Jahr
— Stromkosten-Intensität über 16%
(d.h. Stromkosten > 16% der Bruttowertschöpfung)
— Unternehmen, die diese Kriterien erfüllen, sind
weitgehend von der EEG-Umlage befreit.
11. Aluminium-Herstellung
Beispiel energieintensiver Industrie
— Aluminiumgewinnung aus Bauxit ist ein sehr
energieaufwändiger Prozess
— Bauxit wird zunächst zu Aluminiumoxid Al2O3
aufbereitet
— Das Al2O3 wird dann in einer Schmelze
elektrolytisch reduziert
— Dieses Verfahren bedingt einen sehr hohen
Stromverbrauch von ca 12 - 15 MWh pro Tonne
Rohaluminium
— Inwiefern ist das viel?
12. Aluminiumherstellung
Hoher Stromverbrauch bei kleinen
Spannungen (5 V), aber sehr hohen
Strömen
(> 100 kA)
Strom bewirkt Elektrolyse und
dient gleichzeitig als Heizung.
Quelle: Fa. Trimet
13. Aluminiumherstellung
— Firma Trimet, Standort Essen
— Stromverbrauch Trimet gesamt: ca. 6 TWh/a
— Stromverbrauch Standort Essen: ca. 2,5 TWh/a
— Deutschland:
511 TWh
14. Kostendruck
— Da Stromkosten einen extrem hohen Anteil an den
Herstellungskosten haben, wurde der Prozess immer weiter
energetisch optimiert.
— Laut Aussage der Industrie ist hier das vorhandene Potential
weitgehend ausgeschöpft
15. Geschäftsidee Flüssigaluminium
— Traditionell wird das elektrolytisch hergestellt
Aluminium in Barren gegossen und so gehandelt.
— Bei der Weiterverarbeitung wird das Aluminium
wieder geschmolzen und in Formen gegossen.
— Kann man nicht direkt flüssiges Aluminium
verkaufen?
16. Flüssigaluminium / Umsetzung
— Fa. Trimet liefert flüssiges Aluminium in Spezial-
behältern an Kunden, die dieses direkt einsetzen.
— Logistische Herausforderung (Timing)
— Einsparung ca. 0,5 MWh/t
— Aktuell ca. 70 000 t pro Jahr
17. Aluhütte Essen – ein sehr großer Stromkunde
mit konstantem Strombedarf
Konstanter Strombedarf:
Vorteil oder Nachteil für den Netzbetreiber?
18. Geschäftsidee “virtueller Stromspeicher”
Ausgangspunkt:
— Unvorhergesehene Lastwechsel sind eine der großen
Herausforderungen in der Netzsteuerung von
Stromversorgungssystemen.
— Schwankungen in der Einspeisung erneuerbarer Energien
verstärken diese Herausforderung noch.
— Aluminiumschmelzen sind schon insofern “dankbare”
Stromabnehmer, als sie sehr kontinuierlichen Strombedarf
haben. (Gute Prognostizierbarkeit, gute Auslastung der
Infrastruktur)
— Sie können sogar dem Stromanbieter anbieten, kurzfristig im
Strombezug eingeschränkt oder gar vom Netz abgeschaltet zu
werden (“abschaltbarer Verbraucher”).
19.
20. Frequenzabhängige Last als Primärreserve
Primärreserve: Leistungsanpassung innerhalb 30 Sekunden verfügbar
für mindestens 15 Minuten; geregelt über Netzfrequenz.
21. Weiterentwicklung vom “abschaltbaren
Kunden” zum “virtuellen Stromspeicher”
— “Stromspeicher”
Nimmt bei Bedarf Strom auf
(“Laden”) und gibt bei Bedarf
Strom wieder ab (“Entladen”)
— “Virtueller Stromspeicher”
Nimmt bei Bedarf mehr Strom
auf als die geplante
Dauerabnahme und nimmt bei
Bedarf weniger Strom ab als
die geplante Dauerabnahme.
22. Regelbare Last als Virtueller Speicher
Virtueller Speicher: Netzbetreiber darf bis zu 70 MW mehr oder
weniger liefern, darf Überschuss oder Defizit bis zu 3,4 GWh
aufbauen.
23. Virtuelle Batterie - Fazit
— Nützlicher und kostengünstiger Beitrag zu Stabilisierung des Netzes
— Zusätzliche Ertragsquelle für das bereitstellende Unternehmen
— Positiver Imageeffekt
— Erfordert Anpassungsmaßnahmen in der Prozessführung
24. Zusammenfassung
— Energieintensive Unternehmen spielen eine Schlüsselrolle bei der
Umsetzung von Klimazielen
— ... und erscheinen zunächst als problematische Elemente in der
Energielandschaft.
— Sie haben naturgemäß großes Interesse an effizientem
Energieeinsatz,
— ... benötigen aber oft zusätzliche Unterstützung in Bezug auf ihre
Energieversorgung (Steuererleichterungen etc).
— Im Einzelfall liefern kreative Ideen zum Energieeinsatz sogar einen
Beitrag zur Unterstützung der Energiewende.
— Es reicht meist nicht aus, nur den gesamtwirtschaftlichen Nutzen
nachzuweisen. Ein Konzept muss für alle Beteiligten von Nutzen sein.
25. Fragen, Anregung zur Diskussion
— Warum verzichtet der Staat auf Einnahmen aus der
EEG-Umlage? Ist das eine Subvention?
— Flüssigaluminium: wer profitiert von den
Energieeinsparungen durch Flüssigaluminium?
Wie profitiert der andere Part?
— Wo profitiert die Öffentlichkeit von den
vorgeschlagenen virtuellen Stromspeichern?
Wo profitiert der Aluminiumproduzent?
— Wird der Bedarf an Stromspeichern zukünftig
steigen oder eher sinken? Warum?