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W E M AK E C OM P AN I E S M OS T C OM P E T I T I V E
BEST-PRACTICE-REGELN
FÜR EIN
LEISTUNGSFÄHIGES
PRODUKTPORTFOLIOMANAGEMENT
Abels & Kemmner GmbH
Supply Chain Management Consultants
Technologiepark Herzogenrath New Broad Street House
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Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 2 -
© Abels & Kemmner GmbH
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produkt-
portfoliomanagement
von Prof. Dr. Götz-Andreas Kemmner
Viele, wenn nicht praktisch alle Unternehmen kämpfen laufend mit den Fol-
gen der „CZ-Explosion“: Die Variantenvielfalt ihres Produktportfolios fliegt
ihnen um die Ohren, Bestände steigen trotz sinkender Lieferbereitschaft, die
Margen erodieren. In den meisten Unternehmen wird Variantenvielfalt noch
immer als die Lösung aller Vertriebsprobleme gesehen. Was erfolgreiche Un-
ternehmen seitens Logistik und Supply Chain Management unternehmen, um
Variantenvielfalt in den Griff zu bekommen, stellen wir Ihnen im Folgenden
genauer vor.
Die Beschäftigung mit dem Produkt-Portfolio wird häufig als die Domäne von Produkt-
management, Vertrieb und Marketing gesehen. Ohne dass wir diesen Bereichen in ihre
Zuständigkeit hineinreden wollen, gibt es gute Argumente, die Stimme von Logistik und
Supply Chain Management nicht zu ignorieren, wenn es um die Pflege des Produktport-
folios geht. Denn oft genug verfügt das Supply Chain Management über eine der sach-
lichsten Stimmen im Chor der Emotionen, die das Thema Produktportfoliomanagement
singen.
Es klingt zunächst furchtbar langweilig, ist aber furchtbar wahr:
Grundprinzip 1: Ein Produkt-Portfolio kostet Geld – und jede Erweiterung
desselben auch.
Jedes neue Produkt verursacht Kosten in Entwicklung, Herstellung und besonders auch
in der Logistik. Logistische Performance ist ein Dienstleistungsmerkmal jedes Produktes
auf dem Markt. Das gilt bei bereits eingeführten Produkten genauso wie für neue.
Selbstverständlich erwarten wir z. B. von dem Online-Versandhändler, dass die bestell-
ten Produkte auf Lager liegen. Mehr noch, wir erwarten, dass sie am nächsten Tag vom
Paketdienst gebracht werden! Erhalten wir von einem Händler jedoch häufiger die In-
formation, dass bestellte Produkte nicht lieferbar sind, wechseln wir zur Konkurrenz –
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 3 -
© Abels & Kemmner GmbH
egal, welches tolle Firmenimage die Marketing- und Werbestrategen in Szene gesetzt
haben.
Solche Anforderungen gelten schon lange nicht mehr nur im Business-to-Consumer-
Bereich. Auch im Business-to-Business-Bereich werden immer kürzere Lieferzeiten und
immer höhere Lieferbereitschaft gefordert. Logistisch bedeuten die Forderungen des
Marktes vor allem zweierlei: Bestände und Kapazitäten. Wenn nicht sowieso Fertigpro-
dukte auf Lager liegen müssen, so sind zumindest Halbfabrikate auf teilweise hohen
Wertschöpfungsstufen vorzuhalten, um kurzfristig zum Fertigprodukt komplettiert wer-
den zu können. Ersteres fordert hohe Bestände, letzteres Flexibilität in den Produktions-
und Transportkapazitäten und, beides verursacht auf jeden Fall Kosten!
Der Preis eines Produktes muss auch die gesamten logistischen Kosten berücksichtigen,
die mit einem bestimmten Leistungsversprechen einhergehen. Bei Neuprodukten sind
diese logistischen Kosten zumeist zu hoch, als dass sie im Preis wirklich berücksichtigt
werden könnten. In der Vorkalkulation wird häufig mit Zuschlagssätzen auf die direkten
Kosten gearbeitet. Diese Zuschlagssätze resultieren aus entsprechenden Kostenumlagen
aus der Betriebsabrechnung und stellen damit eine Mittelwertbetrachtung dar. Wenn
jedes Einzelteil diesen prozentualen Zuschlagsatz trägt, dann sind diese Kosten gedeckt.
Dies ist zwar richtig, berücksichtigt allerdings nicht, dass die tatsächliche Aufwandsver-
teilung und damit Kostenverursachung nicht proportional zu den direkten Kosten ver-
läuft.
Neuprodukte und Exoten verursachen hohe logistische Bereitschaftskosten in Form von
Grundbedarfen und vor allem Sicherheitsbeständen. Beide Gruppen leiden häufig unter
stark schwankender Nachfrage und erfordern damit hohe Sicherheitsbestände, um lie-
ferfähig zu sein. Neue Produkte anzubieten, ohne sie liefern zu können, mag in man-
chen Branchen das Produkt sexy machen, in anderen aber wird es dadurch zum Flop.
Niemand in einem Unternehmen wünscht einem Neuprodukt, ewig im Exotenstatus zu
vegetieren. Man erhofft sich vielmehr, dass die Nachfrage nach dem Produkt steigt und
regelmäßiger wird, sodass die zukünftigen logistischen Kosten sinken werden.
Später überprüfen dann Vertrieb, Disposition und – sofern vorhanden - Produktma-
nagement viel zu selten, ob diese Erwartungen tatsächlich eingetreten sind. Sollten sich
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 4 -
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die Hoffnungen auf den Produkterfolg nicht erfüllt haben, verweist besonders der Ver-
trieb dann gerne auf den Sortimentszwang: Dieser mache es eben erforderlich, ein nicht
kostendeckendes Produkt im Sortiment zu halten, um den Verkauf anderer, lukrativerer
Artikel nicht durch den Verlust guter Kunden zu gefährden. Und so wächst die Anzahl
der Exoten im Produktportfolio, bis die kritische Masse überschritten wird und die „CZ-
Explosion“, die wir uns später noch genauer anschauen werden, ihren Gang nimmt!
Festhalten müssen wir an dieser Stelle:
Best-Practice-Baustein Nr. 1: Jedes neue Produkt erfordert eine „Residual Lifecycle
Cost“ Betrachtung, die alle drei Monate aktualisiert werden muss.
Die wesentlichen Kostenpakete, die bei Neuprodukten unter regelmäßiger, wenn nicht
kontinuierlicher Betrachtung stehen sollten, umfassen die logistischen Bereitschaftskos-
ten, die aktuellen Entsorgungskosten und die Entwicklung der realen Deckungsbeiträge.
Es macht nach unserer Erfahrung keinen Sinn, in diesem Stadium noch auf die „Total
Lifecycle Cost“ abzustellen. „Sunk Cost“, die Kosten, die in der Vergangenheit angefallen
sind, besitzen keine Bedeutung mehr für die Entscheidungen der Zukunft. Hier spielen
nur noch die zukünftig anfallenden Kosten eine Rolle.
Entscheidend bei den logistischen Bereitschaftskosten sind die Lagerhaltungskosten für
die erforderlichen Grundbedarfe und Sicherheitsbestände über die gesamte Supply
Chain. Dabei spielen nicht nur Bestände auf der Fertigwaren- und Komponentenebene
eine Rolle, sondern auch Bestände, die von Lieferanten vorgehalten, aber vom Kunden
finanziert werden.
Wird ein Produkt am Markt nicht mehr angeboten, bleiben gelegentlich Restmengen an
Rohstoffen, Materialien, Halbfabrikaten und Fertigwaren übrig, die nur zu reduzierten
Preisen verkauft oder gar nur noch verschrottet bzw. als Sondermüll entsorgt werden
können. Den Saldo dieser Kosten stellen die Entsorgungskosten dar. Lieferanten fordern
bei spezifischen Rohstoffen, Zeichnungsteilen und produktspezifischen Baugruppen im
Allgemeinen Abnahmeverpflichtungen, wenn diese Teile vom Kunden nicht innerhalb
eines definierten Zeitraums abgenommen werden. All dies zählt ebenfalls zu den Ent-
sorgungskosten.
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 5 -
© Abels & Kemmner GmbH
Letztlich muss bei jedem Neuprodukt kontinuierlich die Entwicklung des Deckungsbei-
trages verfolgt werden. Negative Deckungsbeiträge können aus marktstrategischer Sicht
vorübergehend unvermeidbar sein, sie müssen aber zügig beseitigt werden.
Abbildung 1: Schon das Beispiel einer klassisch berechneten Deckungsbeitragskurve
zeigt das Ausmaß an Ertragsverschwendung
Die Deckungsbeiträge alleine zu betrachten, nutzt nichts: Diese bilden selten weder die
logistischen Bereitschaftskosten realistisch ab, noch berücksichtigen sie die zukünftigen
Entsorgungskosten. Artikel mit negativen Deckungsbeiträgen sind definitiv „rot“ – Artikel
mit positiven Deckungsbeiträgen aber nicht definitiv in den „schwarzen Zahlen“.
Während Produktmanagement, Vertrieb und Marketing in Warengruppen, Warengrup-
penhierarchien, Produktgruppen und Marktsegmenten denken, sind aus logistischer
Sicht diese Strukturen nicht ausreichend differenziert. Strukturierungskriterien für das
Produktportfolio müssen tiefer greifen und die logistisch relevanten Eigenschaften eines
Produkt-Portfolios bewerten:
Grundprinzip 2: Erst durch Strukturieren und Klassifizieren wird ein Produkt-
Portfolio in logistischer Hinsicht transparent.
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 6 -
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Die Bedeutung eines Produktes aus logistischer Sicht drückt sich vor allem in seinem
Lagerdurchsatz aus. Unter dem Lagerdurchsatz versteht man die Lagerabgangsmenge
eines Materials multipliziert mit seinen Gestehungskosten. Auf der Fertigwarenebene
sind dies typischerweise die Verkaufsmengen, bewertet mit den Herstellkosten. Aufbau-
end auf dem Lagerdurchsatz lassen sich die Artikel nach klassischer ABC-Betrachtung –
z.B. 80/15/5 – differenzieren. Ergänzend können ABC-Betrachtungen nach Bestand, De-
ckungsbetrag oder Umsatz wichtige Informationen liefern.
Die Nachfrageschwankungen eines Produktes, mit denen die Wertschöpfungskette fertig
werden muss, werden klassischerweise nach X-, Y- und Z-Klassen beschrieben. X-Artikel
erfreuen sich eines eher regelmäßigen und gleichmäßigen Bedarfs, bei Y-Artikeln
schwankt die Nachfrage bereits deutlich und bei Z-Artikeln flattert die Nachfrage. Aus
verschiedenen statistischen und strategischen Gründen unterscheiden wir darüber hin-
aus noch Z2-Artikel, deren Nachfrage praktisch ausgedrückt, die „bedarfsgewordene
Katastrophe“ darstellen.
Die ABC-/XYZ-Klassifizierung der Artikel und Materialien gehört heute zum Minimalstan-
dard in der Logistik, doch selbst mit diesem ist es in vielen Unternehmen noch nicht
weit her. Um ein Produktportfolio aus logistischer Sicht zu bewerten, reichen diese bei-
den Kriterien zudem nicht aus. Vielmehr müssen auch der Lebenszyklus eines Artikels
und die Zahl der Bedarfsverursacher berücksichtigt werden.
Im Rahmen seines Lebenszyklus durchläuft ein Artikel die Stadien einlaufend (E), le-
bend, (L) und auslaufend (A). Auch die Zahl der Bedarfsverursacher, die hinter dem
Mengenbedarf dieses Artikels stehen, hat große Bedeutung für die richtige Logistikstra-
tegie und lässt sich nach STU klassifizieren. S-Artikel besitzen einen oder zwei, T-Artikel
eine geringe Anzahl und U-Artikel eine große Menge an Bedarfsverursachern. Auf Fer-
tigwarenebene sind dies die direkten Kunden, auf Komponentenebene die übergeordne-
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 7 -
© Abels & Kemmner GmbH
ten Materialien, die Sekundärbedarfe auslösen.
Abbildung 2: In mindestens vier Dimensionen sollten Sie Ihr Produktportfolio strukturie-
ren
Best-Practice-Baustein 2 besagt: Strukturieren Sie Ihr Produktportfolio zumindest
nach den vier wesentlichsten Betrachtungsdimensionen ABC, XYZ, ELA und STU.
Eine erste Erkenntnis, die sich aus dieser Form der logistischen Klassifizierung des Pro-
duktportfolios ergibt, formuliert das
Grundprinzip 3: Ein Großteil der CZ2-Artikel und viele der CZ-Artikel müssen
von den AX-Artikeln quersubventioniert werden. Das verteuert die AX-Artikel
und macht sie weniger wettbewerbsfähig.
Wir haben bereits über die Exoten im Produkt-Portfolio gesprochen. Exoten werden in
geringen Mengen verkauft und weisen damit geringe Lagerdurchsätze auf. Für die al-
lermeisten Exoten gilt daher, dass sie äußerst unregelmäßig nachgefragt werden und
damit in die CZ- und CZ2-Klassen des Produkt-Portfolios fallen. Verfolgt man die Zu-
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 8 -
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sammensetzung eines Produktportfolios über die Jahre, so stellt man fest, dass die An-
zahl der Artikel nicht gleichverteilt über alle Portfoliofelder zunimmt, sondern vor allem
im Bereich CZ und CZ2 anwächst.
Das ist nicht verwunderlich, denn jedes Neuprodukt beginnt sein Leben als CZ2 oder
zumindest CZ-Artikel. Ist es am Markt erfolgreich, entwickelt es sich im besten Falle zu
einem AX-Artikel, bewegt sich zumindest aber aus der CZ-/CZ2-Ecke heraus. Die Natur-
gesetze des Marktes bedingen leider, dass den wenigsten Artikeln ein entsprechend
großer Erfolg beschieden ist. Die Mehrheit aller Artikel findet nie den Weg aus den Tie-
fen des Produktportfolios in die Höhen des Markterfolgs. Somit reichert sich das Pro-
duktportfolio weit überproportional im CZ-/CZ2-Bereich mit Artikeln an.
Über die Probleme bei der Kalkulation der Kosten und damit des Preises eines Artikels
sprachen wir bereits am Anfang. Die Kalkulationsprobleme führen tendenziell dazu, dass
CZ- und CZ2-Artikel in ihren tatsächlichen Kosten unterschätzt und AX-Artikel in den
ihrigen überschätzt werden. Diese Kalkulationsverzerrung kann man sich am Beispiel
des Vertriebs einfach vor Augen führen. Viele von uns kennen aus ihren Unternehmen
die Starverkäufer, die für wichtige Key accounts zuständig sind oder dominante Pro-
duktrenner verkaufen. Neben diesen wenigen Stars kämpft im Vertrieb oft eine große
Anzahl an fleißigen Verkäufern an kleinteiligen Produkt- und Kundenfronten. Während
die vermeintlichen Stars kaum verkaufen sondern nur noch notieren müssen, welche
Mengen ihre Kunden wünschen, müht sich die restliche Schar redlich, das berühmte
„saure Bier“ unters Volk zu bringen.
Allzu oft werden die Gesamtkosten des Vertriebs nur nach „Tragfähigkeit“ umgelegt,
was nichts anderes bedeutet, als dass sie proportional zum Umsatz auf die Produktkal-
kulation geschlagen werden. So tragen 20% der Rennerartikel schnell 80% der gesam-
ten Vertriebskosten.
Was dadurch passiert, erleben wir laufend und immer wieder im Wirtschaftsleben und in
praktisch allen Branchen: Bei zu vielen CZ- und CZ2-Artikeln müssen die AX-Artikel zu
teuer verkauft werden. Dies ermöglicht es Wettbewerbern, in das Segment der AX-
Artikel mit kostengünstigeren Angeboten einzubrechen.
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 9 -
© Abels & Kemmner GmbH
Das klassische Beispiel für diese Entwicklung liefern die Lebensmittel-Discounter in
Deutschland. Über Jahre nahmen sie dem klassischen Einzelhandel Marktanteile ab. Sie
konzentrierten sich auf wenige Artikel: die AAXX-Artikel des täglichen Lebens. Dadurch
konnten sie ihre Wertschöpfungskette kostengünstig gestalten und in großen Mengen
mit entsprechenden Rabatten einkaufen. Der klassische Einzelhandel bietet neben Ren-
nerartikeln des Diskoutmarktes ein breites Sortiment weiterer Artikel, auch vielen echter
Exoten an und muss, um dies finanzieren zu können, seine Rennerartikel im Durch-
schnitt teurer verkaufen als der Diskounter.
Halten Sie dies für einen Sonderfall des Einzelhandels? Schauen wir uns die Entwicklung
im deutschen oder schweizer Werkzeugmaschinenbau an, können wir einen ähnlichen
Effekt erkennen. In den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts war die
Werkzeugmaschinenindustrie stolz auf die kundenspezifischen Speziallösungen, die sie
dank ihres Engineeringvorsprungs gegenüber der gerade aufkommenden japanischen
Konkurrenz anbieten konnte. Welcher Kunde wollte schon „butterweiche“ Drehmaschi-
nen, die sich bei jeder Bearbeitung eines größeren Teils verbogen und nur geringe Fer-
tigungstoleranzen einhalten konnten, …meinte man.
Die butterweichen japanischen Drehmaschinen waren aber günstig, weil sich die Her-
steller – wohl mehr aus Engineeringdefiziten als aus marktstrategischen Überlegungen -
auf Standardmaschinen konzentrierten. Vielleicht gar nicht so überraschend, benötigten
viele Kunden diese butterweichen Maschinen. Für kleine, wenig anspruchsvolle Teile
waren sie durchaus wirtschaftlich. Über den Hebel solcher wenig spannender Brot-und-
Butter-Maschinen eröffneten sich die japanischen Hersteller den Weltmarkt. Die mittel-
europäische Werkzeugmaschinenindustrie holte erst wieder Marktanteile zurück, als sie
es dank ihrer Engineeringkompetenz verstand, ihre Produkte nach Baukastenprinzipien
aufzubauen und damit Standard und kundenspezifische Lösungen eng miteinander zu
verknüpfen.
Das AX-Portfolio ist die typische Angriffsstelle, an der neue Konkurrenten in bestehende
Märkte einbrechen. Aus diesem Grunde lautet der
Best-Practice-Baustein 3: Erfolgreiche Unternehmen halten ihr Portfolio-Floß im
Gleichgewicht.
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 10 -
© Abels & Kemmner GmbH
Will ein Unternehmen den Weg gehen und sein Produktportfolio bereinigen, darf es sich
nicht vor dem Gespenst der Sortimentszwänge fürchten, denn es gilt:
Grundprinzip 4: Sortimentszwänge sind die Scheuklappen der Produktpolitik.
Wenn eine wirtschaftliche Partei eine andere zwingt, nicht nur die von der anderen Par-
tei gewünschten Produkte abzunehmen oder zu liefern, sondern ein mehr oder weniger
definiertes breiteres Sortiment, dann spricht man von Sortimentszwang.
Sortimentszwang findet man auf der Anbieterseite, vorwiegend im Business-to-
Business-Geschäft. Sortimentszwang kann durch einen Anbieter ausgeübt werden, der
seine Kunden zwingt, ein Komplettsortiment abzunehmen oder von Kunden, die fordern,
dass ein Lieferant neben den von ihnen regelmäßig und in großen Mengen benötigten
Artikeln auch seltene und unregelmäßig benötigte bereithält.
Ein vom Kunden eingeforderter Sortimentszwang ist selten vertraglich fixiert, sondern
wird vom Vertrieb als Serviceleistung verstanden oder in vorauseilendem Gehorsam er-
bracht.
Unter dem Gesichtspunkt der Produkt-Portfoliomanagements spielt der Sortiments-
zwang durch den Kunden eine ungute Rolle. Mit echten, durch den Markt oder explizite
Kunden ausgeübten Sortimentszwängen ist äußerst vorsichtig umzugehen, trotzdem
stellen wir regelmäßig fest, dass Sortimentszwang eine der meist-überschätzten Krite-
rien im Produkt-Portfoliomanagement darstellt. Dies klingt sehr gewagt für einen Logis-
tiker. Sortimentszwänge sind jedoch keine neblige Angelegenheit, sondern lassen sich
statistisch erfassen und hinterfragen:
• Wie oft wurde, wenn das Produkt A gekauft wurde, auch das Produkt B mitge-
kauft?
• Wenn mit Produkt A häufig auch Produkt B gekauft wird, könnte stattdessen
nicht auch Produkt C angeboten werden?
• handelt es sich dann um einen Zwangszusammenhang für den Kunden oder nur
um eine Sammelbestellung?
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 11 -
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So wichtig, wie Sortimentszwang im Einzelfall sein kann, so unwichtig ist er in vielen
anderen Fällen der Produktsortimentspolitik. Würde ein Unternehmen sein Produktport-
folio nur nach den vermeintlichen Sortimentszwängen seiner Kunden gestalten, würden
sich alle Probleme des Unternehmens mittelfristig in der Insolvenz auflösen.
Über das Produktportfolio entscheiden noch eine ganze Reihe weiterer Kriterien, strate-
gischer, wie betriebswirtschaftlicher Art. Letztlich muss mit dem aktuellen Produktport-
folio Geld verdient werden, deshalb kann niemand die Augen vor den Deckungsbeiträ-
gen der einzelnen Produkte verschließen. Wirtschaftliche Zwänge werden weiterhin von
den Sicherheitsbeständen ausgeübt, die erforderlich sind, um ein Produkt auf dem er-
forderlichen Niveau der Lieferbereitschaft zu halten. Auch die Restbestände, die verblei-
ben würden, wenn man sich kurzfristig von einem Produkt trennt, müssen bei der Be-
reinigung des Produktportfolios berücksichtigt werden.
Von Artikeln mit hohen Umsatzanteilen kann man sich selbst dann schwerer als von Ar-
tikeln mit geringen Umsatzanteilen trennen, wenn sie nur geringe Deckungsbeiträge
aufweisen. Dies nicht zuletzt, weil sie für die Wahrnehmung eines Unternehmens am
Markt wichtig sein können und sie zudem ein großes Ertragspotenzial bergen, wenn es
gelingt, die Deckungsbeiträge zu verbessern.
Unter strategischen Gesichtspunkten ist sicherzustellen, dass sich die Artikel über den
gesamten Produktlebenszyklus verteilen: zumindest bei den Deckungsbeitragsstarken
Artikeln besser linksschief (mehr Artikel bei den Neuanläufern) als rechtsschief (mehr
Artikel bei den Ausläufern).
Aus diesem Grund können wir festhalten:
Best-Practice-Baustein 4: Sechs zentrale Kriterien entscheiden über den Verbleib
eines Artikels im Produktsortiment. Nur eines davon ist der Sortimentszwang.
Jeder, der schon einmal an Diskussionen zur Bereinigung des Produktsortiments eines
Lagerfertigers beteiligt war, weiß, wie intensiv vor allem der Vertrieb die Exoten im Pro-
duktproduktportfolio verteidigt. An einfachsten bekommt man ihn noch dazu, wenn man
die Neueinführung von Produkten an das Aussondern alter Produkte bindet. Ein Ver-
trieb, der an jedem Fisch, den er angelt, verdient und dabei die Angel nicht selbst be-
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 12 -
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zahlen muss, verhält sich völlig konsequent, wenn er sich gegen die Bereinigung des
Produkt-Portfolios stemmt. Aus diesem Grunde werden die Aspekte Neueinführung und
Aussonderung immer im Bezug zueinander gesehen.
Ein weiterer wesentlicher Grund für das zögerliche Verhalten des Vertriebs lässt sich im
Grundprinzip 5 verorten: Viele Unternehmen treffen bei der Produktbereini-
gung Entscheidungen, wie im römischen Circus: Daumen hoch oder Daumen
runter.
Geht es beim Aussortieren von Produkten nur um ein Entweder-Oder, ist dies nicht nur
aus vertrieblicher Sicht schmerzhaft, sondern kann auch der Logistik sehr wehtun. Dies
ist immer dann der Fall, wenn bei einem auszusondernden Produkt noch viele Restbe-
stände oder offene Lieferungen von Lieferanten vorhanden sind, auf denen die Supply
Chain sitzenbleiben würde.
Die Welt des Produktportfoliomanagements ist jedoch nicht einfach schwarz-weiß zu
sehen – vor allem nicht aus dem Blickwinkel der Logistik und des Supply Chain Mana-
gements. Zwischen einem hell strahlenden Artikel mit hoher Lieferbereitschaft und ei-
nem dunkel verschwindenden, nicht mehr zu liefernden Artikel sind feine Abstufungen
möglich. So kann man zuerst einmal darüber nachdenken, den Lieferbereitschaftsgrad
eines Artikels zurückzunehmen. Der Artikel ist damit immer noch verfügbar, es wird je-
doch häufiger vorkommen, dass Kunden auf die Lieferung des Artikels warten müssen.
Nach unserer Erfahrung aus zahlreichen Projekten akzeptieren die Kunden dies, wenn
es sich um exotische Artikel handelt, die entweder nur von einem spezifischen Lieferan-
ten angeboten werden oder bei allen einschlägigen Lieferanten schwer zu bekommen
sind.
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 13 -
© Abels & Kemmner GmbH
Abbildung 3: Mindestens sieben Stufen der Produktbereinigung lassen sich unterschei-
den
Noch einen Schritt weiter geht die Strategie, Produkte mit einer Lieferzeit zu versehen
und nur die erforderlichen Rohmaterialien und Halbfabrikate vorzuhalten. Aus diesen
kann dann der benötigte Artikel bei Bedarf hergestellt werden. Auch bei dieser Strategie
wird der betroffene Artikel in Teilen ab Lager lieferfähig sein, da er in den meisten Fäl-
len in Losen und nicht in Einzelstücken produziert wird. Die über den Kundenbedarf hin-
ausgehenden Losmengen liegen dann als Fertigware auf Lager. In verschiedenen Fällen
haben unsere Simulationen gezeigt, dass damit noch eine Sofortlieferfähigkeit von 50 %
erreicht werden kann.
Verzichtet man darauf, Halbfabrikate, spezifische Rohmaterialien oder Zukaufteile be-
reitzuhalten, um das Endprodukt herstellen zu können, gelangt man zum „Produkt auf
Bestellung“, bei dem die Lieferzeiten schon deutlich lang werden können und bei dem
darauf geachtet werden muss, dass der Verkaufspreis auch die Gestehungskosten
deckt.
Erst der letzte Schritt erst besteht darin, ein Produkt überhaupt nicht mehr zu liefern.
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 14 -
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In vielen Fällen ist es gar nicht erforderlich, über die stufenweise Elimination eines Arti-
kels nachzudenken, wenn man zuvor die Aggregation oder Substitution von Artikeln be-
dacht hat. So kann es deutlich kostengünstiger sein, auf verschiedene geringwertigere
Varianten eines Produktes zu Gunsten einer höherwertigen, alle ersetzenden Variante zu
verzichten. Die höheren Material- und Gestehungskosten können durch die eingesparten
Bestands- und Entsorgungskosten überkompensiert werden. In dieselbe Richtung zielen
Sie, wenn Sie mehrere gleichwertige Varianten zu einer Variante zusammenfassen, z. B.
indem Sie die Zahl der angebotenen Produktgrößen verringern.
Eine manchmal mutige, aber zuweilen sehr erfolgreiche Strategie kann das Cross-
Stocking darstellen. Beim Cross-Stocking teilen sich zwei Wettbewerber ihren Ärger mit
CZ- und CZ2-Teilen, indem sich die beiden Parteien das entsprechende Produktportfolio
aufteilen und sich wechselseitig beliefern.
Sie sehen, die Bereinigung des Produktportfolios kann eine farbenfrohe Angelegenheit
mit spannenden neuen Möglichkeiten sein. Deshalb halten wir fest als
Best-Practice-Baustein Nr. 5: Erfolgreiche Unternehmen pflegen ihr Produktportfolio
regelmäßig und konsequent, dafür aber differenziert.
Bei der Pflege des Produktportfolios müssen Sie die richtigen Antworten nicht immer
selbst finden, wenn Sie sich einlassen auf
Grundprinzip 6: Kunden reagieren sensibel auf Preisdifferenzierungen.
Jeder, der im Vertrieb zu tun hat, kennt das Schachern um den Preis eines Produktes
oder einer Dienstleistung: die Verkäuferin in der Modeboutique genauso wie der Ver-
triebschef des Großkonzerns. Häufig unabhängig von dem Wert, den ein Produkt oder
eine Dienstleistung für einen Kunden hat, versuchen die Kunden und Einkäufer den
Preis zu drücken. Die extreme Preissensibilität des Marktes kann man zuweilen geschickt
zur Sortimentsbereinigung einsetzen.
So können Sie in einem ersten Schritt bevorzugte Varianten vergünstigen und damit die
Nachfrage von ungeliebten Varianten abziehen. Kurzzeitig kann dies Ertragseinbußen
bedingen, mittelfristig aber durch Mengeneffekte zu steigen Erträgen führen.
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 15 -
© Abels & Kemmner GmbH
Kunden, die trotz der Preisdifferenzierung bei ihren ursprünglichen Produktvarianten
geblieben sind, sind entweder weniger preissensibel oder benötigen aus bestimmten
Gründen „ihre“ Stamm-Produktvarianten.
In einem zweiten Schritt sollten Sie nun überlegen, die ungeliebten Produktvarianten zu
verteuern. Das wird einen weiteren Teil der Kunden zu den günstigeren Varianten zie-
hen und damit die dortigen Mengeneffekte verstärken. Einen Teil der Kunden wird die-
ser Schritt veranlassen, Sie als Lieferanten zu wechseln. Doch der bei seinen ange-
stammten Produktvarianten verbleibende Teil der Kunden, wird Ihnen nicht glücklich,
aber gezwungenermaßen die höheren Preise und damit bessere Deckungsbeiträge be-
zahlen.
Mit je weniger Kunden sie es zu tun haben, desto vorsichtiger müssen Sie mit Schritt 2
dieser Strategie umgehen. Auf diesen Aspekt werden wir später nochmals zurückkom-
men. Trotzdem gilt für erfolgreiche Unternehmen
Best-Practice-Baustein 6: Erfolgreiche Unternehmen beteiligen ihre Kunden an der
Sortimentsbereinigung über eine Preisdifferenzierung.
Auf welchen Wegen Sie auch immer zu einer Bereinigung Ihres Produkt-Portfolios ge-
langen mögen, damit eine Produktbereinigung aus logistischer Sicht möglichst kosten-
günstig verläuft, müssen Sie beachten:
Grundprinzip 7: Eine Supply Chain braucht Zeit zum Leerlaufen, um die Kos-
ten für Restbestände gering zu halten.
Restbestände sind ein regelmäßiges Ärgernis in der Logistik. Sie entstehen immer dann,
wenn Produktionsmengen am Markt nicht mehr verkauft werden können und dafür gibt
es unterschiedlichste Gründe:
Zu hohe Bedarfsprognosen für Neuanläufer oder lebende Produkte führen zu Mengen,
die Sie entweder nie mehr abverkaufen können, die das Haltbarkeitsdatum überschrei-
ten oder durch technische Änderungen nicht mehr oder nur noch im Customer Service
als Ersatzteile einsetzbar sind.
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 16 -
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Eine weitere, oft jedoch vernachlässigte Ursache von Restbeständen und Entsorgungs-
kosten resultiert aus der Produktbereinigung. Bei Unternehmen, die für einen anonymen
Markt produzieren, sollte ein Produktauslauf immer in zwei Stufen erfolgen: In Stufe 1
wird das Produkt „intern“ abgekündigt. Logistisch bedeutet dies, dass das Sourcing des
Produktes selbst oder der produktspezifischen Rohstoffe, Materialien und Halbfabrikate
angehalten wird. Lassen Sie die Wertschöpfungs-Pipeline möglichst weitgehend leerlau-
fen, ehe Sie in Stufe 2 das Produkt „extern“ abkündigen. Ist das Produkt erst einmal aus
dem Markt genommen und nicht mehr im Katalog oder auf den Webseiten zu finden,
können Sie die Restbestände auf den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette
nur noch für Ersatzteil- und Garantiezwecke verwerten.
Abbildung 4: Eine zweistufige Abkündigung eines Produktes stellt sicher, dass die Rest-
bestände in der Supply Chain abfließen können
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 17 -
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Aus diesem Grunde lautet
Best-Practice-Baustein 7: Bei Unternehmen, die für einen anonymen Markt fertigen,
erfolgt ein Produktauslauf immer in zwei Stufen: interne Abkündigung und externe Ab-
kündigung.
Auf anonymen Märkten kennen Sie Ihre Kunden zwar statistisch, nicht aber persönlich.
Im Gegensatz dazu muss in bekannten Märkten, vor allem im Investitionsgüterbereich,
der Kunde als individueller Vertragspartner verstanden werden. Unternehmen, die dies
nicht berücksichtigen, lernen Grundprinzip 8 schnell kennen:
Grundprinzip 8: Kunden reagieren negativ auf Produktbereinigungen, wenn
sie nicht informiert werden und keine Zeit zum Reagieren haben.
Freiwillig verzichtet wohl niemand gerne auf Produkte, an die er sich gewöhnt hat. Viele
Kunden, die Sie fragen und damit praktisch um die Genehmigung einer Produktbereini-
gung bitten, werden zuerst einmal widerstreben. Aus diesem Grunde sollte im Vorfeld
der Kundeninformation schon klar sein, um welche Produkte und Varianten Sie Ihr Pro-
duktportfolio bereinigen wollen. Der Vertrieb kann die Kunden dann über Alternativpro-
dukte, möglichst natürlich aus dem eigenen Unternehmen, informieren. Wenn es kein
Alternativprodukt im eigenen Unternehmen mehr gibt, Sie aber eine geeignete Alterna-
tive eines Wettbewerbers kennen, sollten Sie den Kunden darauf hinweisen. Wenn er
das Produkt benötigt, wird er Ihren Wettbewerber sowieso finden. Wenn Sie ihm gleich
den richtigen Weg weisen, verbessern Sie Ihre Karten ein wenig; besonders, wenn der
Kunde mit anderen Produkten weiterhin bei Ihnen bleibt. Den Kunden eine Frist für letz-
te Bestellungen einzuräumen, sollte dabei selbstverständlich sein.
Besonders kundenorientierte Unternehmen gehen zuweilen noch einen Schritt weiter
und unterstützen guten Kunden im Rahmen einer Produktbereinigung mit besonderen
Dienstleistungen. So können Sie den Kunden Sonderkonditionen für weiterhin bezogene
Produkte einräumen oder Kunden bei den erforderlichen Prozessanpassungen auf ein
alternatives Produkt oder einen neuen Rohstoff unterstützen. Auch die Übernahme von
Entwicklungs- oder Qualitätsprüfungskosten für die Alternativprodukte kann in Frage
kommen.
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 18 -
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Zusammenfassend lässt sich diese Strategie festhalten als
Best-Practice-Baustein 8: Die von einer Sortimentsbereinigung im b2b-Bereich be-
troffenen Artikel sind unabhängig von den Kunden festzulegen. Die anschließende Um-
setzung muss in Interaktion mit den Kunden erfolgen.
Ohne Neuheiten und Weiterentwicklungen der bestehenden Produkte überlebt das Un-
ternehmen meist nicht lange oder verliert zumindest Marktanteile. Gerade auch der in-
ternationale Wettbewerb macht es nötig, „den Anderen“ einen Schritt voraus zu sein.
Die Welt der langlebigen und der kurzlebigen Güter unterscheidet sich hier jedoch dras-
tisch. Für Unternehmen, die mit kurzlebigen Gütern ihr Geld verdienen, gilt
Grundprinzip 9:Bei kurzlebigen Gütern hat man es fast nur mit Neuheiten zu
tun und kämpft meist mit Über- oder Unterverfügbarkeit.
Das Paradebeispiel in diesem Bereich stellt die Modeindustrie dar, die zu großen Teilen
nur mit „Oneshots“, also Artikeln, die nur für eine einzige Saison produziert werden,
arbeitet und die diese Artikel auch nur kurz am Markt absetzen kann.
Idealerweise sollten Sie möglichst früh möglichst gute Bedarfsforecasts aufstellen. Die
statistischen und methodischen Hilfsmittel, die in diesem Bereich heute zur Verfügung
stehen, lassen jedoch zu wünschen übrig. Wir analysieren in diesem Bereich gegenwär-
tig verschiedene Ansätze zur Verbesserung der Prognosequalität, hier handelt es sich
aber noch eher um Grundlagenforschung, als um konkrete Lösungsansätze. Letztlich
kommt es bei der Prognose von Neuprodukten, speziell auf Märkten mit kurzen Ver-
brauchszeiträumen, noch immer auf das „Bauchgefühl“ des Produktmanagements an,
um die Bedarfsmengen für ein neues Produkt abzuschätzen.
Immer wieder konnten wir feststellen, dass Produkte, die beworben werden, später ei-
nen deutlich höheren Umsatz generieren, als diejenigen, die nicht explizit beworben
wurden. Dies ist nicht weiter verwunderlich. Wir staunen aber doch, wenn wir feststel-
len, dass in vielen Unternehmen die Entscheidung, welche neuen Produkte beworben
werden sollen, erst getroffen wird, nachdem die Beschaffungsprozesse undteilweise so-
gar die Produktionsprozesse bereits begonnen haben. Zu diesem Zeitpunkt ist es natür-
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 19 -
© Abels & Kemmner GmbH
lich zu spät, die Mengen anzupassen und das beworbene Produkt in höheren Stückzah-
len zu produzieren.
Wenn Ihnen Prognosemethoden nicht helfen, die Bedarfsmengen bestimmter Artikel im
Produktportfolio genauer zu bestimmen, müssen Sie Ihre Supply Chain und Wertschöp-
fungskette möglichst flexibel gestalten, Ihr logistisches Geschäftsmodell also entspre-
chend ausrichten. Wie das geht, können wir hier nicht diskutieren . Wichtig für das Pro-
duktportfoliomanagement ist jedoch, dass das Obsoleszenzrisiko, also das Risiko, auf
Produktbeständen sitzen zu bleiben und diese verschrotten oder verramschen zu müs-
sen, als Restrisiko in die Gewinnmarge des Produktes eingerechnet wird. Somit lautet
Best-Practice-Baustein 9: Gestalten Sie bei der Herstellung und Vermarktung kurzle-
biger Güter die Supply Chain möglichst flexibel und kalkulieren Sie das Restrisiko in die
Gewinnmarge ein.
Unter dem Aspekt der Produktportfolio-Pflege müssen wir aus logistischer Sicht auch
einen Blick auf die langlebigen Güter werfen, denn hier gilt
Grundprinzip 10: Bei langlebigen Gütern verursachen Neuheiten häufig gro-
ßen Planungsaufwand, hohe Bestandskosten und ein hohes Kostenrisiko in
der gesamten Supply Chain, was bei Fehlplanungen von den lebenden Pro-
dukten mitgetragen werden muss.
Auch bei langlebigen Gütern besteht die Gefahr, dass man den Bedarf an Neuprodukten
über- oder unterschätzt. Im Unterschied zu den kurzlebigen Gütern besteht jedoch die
Möglichkeit, im Zeitverlauf Bestände und Lieferbereitschaft besser auszutarieren. Vor
allem besteht eine Chance, eventuelle Überbestände über einen längeren Zeitraum hin-
weg abverkaufen zu können. So fallen zwar Lagerhaltungskosten, aber keine Verschrot-
tungskosten an. Dies gilt natürlich nur, solange ein sich schlecht verkaufendes Produkt
am Markt weiter angeboten und nicht zu früh aus dem Produktportfolio herausgenom-
men wird (siehe Best-Practice-Baustein 7). Allerdings zeigen unsere Erfahrungen aus
zahlreichen Projekten, dass bei Herstellern technischer Produkte mehr als 30 % neuer
Fertigprodukte pro Jahr logistisch nicht mehr wirtschaftlich zu handhaben sind und
vermeintliche Marketingvorteile durch eine hohe Neuproduktrate wieder auffressen.
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 20 -
© Abels & Kemmner GmbH
Genaugenommen geht es bei dieser Schwelle nicht um den Anteil der Neuprodukte an
der Gesamtzahl der Artikel im Produktportfolio, sondern um den Prozentsatz der für die
Neuprodukte in der gesamten Supply Chain zu haltenden Bestände im Verhältnis zu den
Gesamtbeständen in der Supply Chain. Aus diesem Grunde solle parallel zum Einführen
neuer Produkte stets geprüft werden, welche "alten" CZ und CZ2-Produkte aus dem
Sortiment genommen werden können. Logistisch betrachtet ist dies aber eine andere
Front. Das Aussondern schlecht laufender Artikel ist eine wichtige Aufgabe an sich. Es
legitimiert aber nicht eine überzogene Einführung neuer Produkte.
Aus diesem Grunde müssen wir für langlebige Güter berücksichtigen:
Best-Practice-Baustein 10: Bei technischen Produkten markieren 30 % Neuheiten
pro Jahr, die per "big bang" eingeführt werden, die Grenze zum logistischen Selbst-
mord. Erfolgreiche Unternehmen bleiben darunter.
In vielen Branchen ist es üblich, mit neuen Produkten auf allen Märkten zur gleichen
Zeit aktiv zu werden und bei vielen Produkten mag dies auch nicht anders möglich sein.
Mode hat beispielsweise nur einen begrenzten Lebenszeitraum und muss schnell auf
allen Märkten, auf denen sie verkauft werden soll, präsentiert werden. Was für die Mode
gilt, gilt generell für den Großteil der kurzzyklischen Lagerprodukte.
Mit einem Neuprodukt überall zugleich in die Geschäfte zu kommen, erfordert hohen
Aufwand in der gesamten Supply Chain, denn als Grundprinzip 11 lässt sich festhalten:
Grundprinzip 11: Neuprodukteinführungen per "big bang", d.h. auf allen
Märkten zur gleichen Zeit, erfordern bei Lagerfertigern hohe Bestände und
hohe Flexibilitätskosten in der Supply Chain, verbunden mit langen Vorlauf-
zeiten.
Bei Neuprodukten besteht eben typischerweise das Problem, die zukünftige Marktnach-
frage vorherzusagen. Wollen Sie trotz Unsicherheiten lieferfähig sein, müssen Sie sich
gut mit den neuen Produkten eindecken. Im schlimmsten Fall benötigen Sie Sicherheits-
bestände auf allen Märkten. Die erforderlichen Bestände wollen erst einmal aufgebaut
sein, ehe sie gegebenenfalls nicht verkauft werden können und dazu müssen die erfor-
derlichen Komponenten beschafft, gefertigt und montiert werden. Ein solches Neupro-
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 21 -
© Abels & Kemmner GmbH
dukt-Ferkel muss somit durch die Schlange der gesamten Supply Chain hindurchge-
presst und langsam verdaut werden.
Schlimmer noch, häufig müssen ganze Kollektionen an Teilen auf den Markt gebracht
werden. Die Schlange aus Zulieferern und eigener Produktion muss somit zur selben
Zeit eine ganze Ferkelherde verdauen. Wie die Schlange sich dehnen muss, so muss
sich auch die Supply Chain dehnen und das bedeutet, es fallen zusätzliche Kosten für
die erforderliche Flexibilität an.
Die Realität ist jedoch noch gemeiner, als bisher beschrieben. Nicht nur Ihr Unterneh-
men, sondern auch die meisten Ihrer Marktbegleiter denken und arbeiten in demselben
Rhythmus, belasten teilweise dieselbe Supply Chain, dieselben Lieferanten mit Ihren
Ferkelherden zur selben Zeit, was die Kosten der Zulieferer und damit auch Ihre Kosten
noch weiter in die Höhe treibt.
Nicht in allen Branchen und bei allen Unternehmen, die Produkte per „big bang“ Strate-
gie einführen, wäre diese Strategie unbedingt erforderlich, hätte man den Mut, sich von
diesem Lemming-Verhalten abzukoppeln.
In vielen Branchen ist es seit langem üblich, die Nachfrage nach Neuprodukten auf
„Testmärkten“ zu erproben. In der Nahrungsmittelindustrie ist dies beispielswiese ein
typisches Vorgehen vieler Anbieter. Bei langlebigeren Gütern, wie technischen Produk-
ten oder Luxusgütern, besteht bei dieser Strategie die Chance, die von vorne herein
geringeren Materialbestände auf anderen Märkten loszuschlagen, wenn ein Produkt auf
seinem Einführungsmarkt nicht erfolgreich ist.
Verläuft die Einführung erfolgreich, können Sie die Supply Chain hochfahren. Die zu-
nehmende Auslastung der Supply Chain können Sie bei Produkten wie Konsumgütern,
bei denen hohe Lieferfähigkeit und damit eine gute Marktversorgung wichtig sind, nut-
zen, um die steigende Nachfrage auf dem Einführungsmarkt zu befriedigen. Erst dann
sollten Sie die Belieferung auf neue Märkte ausdehnen.
Bei Produkten, bei denen eine gewisse Exklusivität zu den Merkmalen zählt, würden Sie
möglicherweise erst weitere Vertriebsmärkte hinzunehmen oder die Erstmärkte besser
versorgen und auf den Folgemärkten damit den Exklusivitätscharakter weiter anheizen.
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 22 -
© Abels & Kemmner GmbH
Mit der Diskussion, wie wir den wachsenden Ausstoß der Supply Chain auf die Märkte
verteilen, wildern wir jedoch im Bereich von Marketing- und Vertriebsstrategie und dies
sollten wir den entsprechenden Fachleuten überlassen. Hauptsache, die Fachleute den-
ken darüber nach, ob anstatt einer „big bang“ Markteinführung nicht auch eine „Long
Chime“ Strategie denkbar ist, bei der die Märkte sukzessive bedient und gefüllt werden
und die Supply Chain besser leerlaufen kann, wenn die Produkte am Markt nicht an-
kommen.
Abbildung 5: Nicht immer müssen big bangs bei der Markteinführung sein
Stellen wir uns einmal vor, wie schön die Supply Chain Welt werden kann, wenn nicht
alle Produkte kollektionsweise auf alle Märkte zur selben Zeit gebracht würden. Viel ge-
ringere Flexibilitätskosten in der gesamten Supply Chain, geringere Verschrottungskos-
ten und eine bessere Lieferfähigkeit wären die Folge. Für viele Unternehmen wäre eine
solche Welt undenkbar. Doch es gibt immer wieder Unternehmen, die Undenkbares ma-
chen, damit ihre Margen deutlich verbessern, sich nebenbei vom Markt abheben und
damit Best-Practice-Baustein 11 belegen:
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 23 -
© Abels & Kemmner GmbH
Best-Practice-Baustein 11: Big bang oder Long Chime: Erfolgreiche Unternehmen
prüfen, ob und wie abrupt Neuprodukte wirklich eingeführt werden müssen.
Bekannterweise muss an einem neuen Produkt nicht immer alles neu sein. Neue Pro-
dukte stellen häufig nur Produktvarianten dar. Nun kann man Produktvarianten so ent-
wickeln, dass die Variantenspreizung früh oder dass sie spät in der Supply Chain erfol-
gen muss. Logistisch betrachtet ist eine späte Variantenspreizung besser als eine frühe.
Die beste Variantenspreizung für den Logistiker ist aber diejenige, die gar nicht stattfin-
det...
Egal ob die neuen Produkte Varianten bestehender Produkte sind oder nicht. Immer
kann man über die Verwendung von Gleichteilen nachdenken. Die Gleichteilestrategie
beginnt bei wenigen Standard-Schrauben in unterschiedlichen Produkten und reicht bis
zu gleichen Baugruppen in unterschiedlichen Produkten. Das Nachdenken lohnt sich,
denn wie Grundprinzip 12 feststellt:
Grundprinzip 12: Je weniger unterschiedliche Produkte auf gemeinsame Tei-
le, Baugruppen und Fertigungsprozesse zurückgreifen können, desto kosten-
günstiger und beherrschbarer werden Wertschöpfungskette und Supply
Chain.
Eine Variantenvielfalt, bei der die Variantenbildung spät im Wertstrom erfolgt, wirkt ei-
ner CZ-Explosion auf Fertigwarenebene entgegen, die jedem Unternehmen den Hals
brechen kann. Ideal wäre es, wenn Varianten auf der Fertigwarenebene überhaupt nicht
mehr gelagert, sondern auftragsbezogen endmontiert würden. Dies ist eine Strategie,
die in vielen Branchen und bei zahllosen Unternehmen möglich und üblich ist. So arbei-
tet die Automobilindustrie auf dem europäischen Markt und so arbeitet auch der größte
Teil der Werkzeugmaschinenindustrie.
Eine standardisierte Variantenvielfalt, bei der möglichst viele Gleichteile verwendet wer-
den, beugt darüber hinaus auch der CZ-Explosion auf Komponenten- und Baugrup-
pen-Ebene vor.
Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 24 -
© Abels & Kemmner GmbH
Ausgehend von einem bestehenden breiten Produkt-Portfolio ist der Weg zu einer stan-
dardisierten Variantenvielfalt lang und der Aufwand dafür beträchtlich, sofern man das
Konzept nicht direkt zu Beginn einer Neuproduktentwicklung berücksichtigt.
Wir können deshalb festhalten als
Best-Practice-Baustein 12: Erfolgreiche Unternehmen standardisieren ihre Varian-
tenvielfalt. Und Sie beginnen damit direkt zu Beginn des Lebenszyklus‘ eines neuen Pro-
duktes, indem sie mögliche Varianten bereits vorausdenken.
Und mit dieser letzten Überlegung sind wir endgültig im Grenzgebiet zwischen Portfoli-
omanagement, Produktmanagement und Produktentwicklung angekommen - und haben
damit eine erste Ziellinie für das optimale Produktportfoliomanagement erreicht.

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  • 1. W E M AK E C OM P AN I E S M OS T C OM P E T I T I V E BEST-PRACTICE-REGELN FÜR EIN LEISTUNGSFÄHIGES PRODUKTPORTFOLIOMANAGEMENT Abels & Kemmner GmbH Supply Chain Management Consultants Technologiepark Herzogenrath New Broad Street House Kaiserstr. 100 , 52 134 Herzogenrath / Aachen New Broad Street, London EC2M 1NH T +49-24 07-95 65-0 T +44-845-130 5966 F +49-24 07-95 65-40 F +44-845-130 5968 E-Mail: ak@ak-online.de E-Mail: ak@ak-online.biz WEB: http://www.ak-online.de WEB: http://www.ak-online.biz Unser Service Supply Chain Optimierung ERP-Beratung Restrukturierung
  • 2. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 2 - © Abels & Kemmner GmbH Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produkt- portfoliomanagement von Prof. Dr. Götz-Andreas Kemmner Viele, wenn nicht praktisch alle Unternehmen kämpfen laufend mit den Fol- gen der „CZ-Explosion“: Die Variantenvielfalt ihres Produktportfolios fliegt ihnen um die Ohren, Bestände steigen trotz sinkender Lieferbereitschaft, die Margen erodieren. In den meisten Unternehmen wird Variantenvielfalt noch immer als die Lösung aller Vertriebsprobleme gesehen. Was erfolgreiche Un- ternehmen seitens Logistik und Supply Chain Management unternehmen, um Variantenvielfalt in den Griff zu bekommen, stellen wir Ihnen im Folgenden genauer vor. Die Beschäftigung mit dem Produkt-Portfolio wird häufig als die Domäne von Produkt- management, Vertrieb und Marketing gesehen. Ohne dass wir diesen Bereichen in ihre Zuständigkeit hineinreden wollen, gibt es gute Argumente, die Stimme von Logistik und Supply Chain Management nicht zu ignorieren, wenn es um die Pflege des Produktport- folios geht. Denn oft genug verfügt das Supply Chain Management über eine der sach- lichsten Stimmen im Chor der Emotionen, die das Thema Produktportfoliomanagement singen. Es klingt zunächst furchtbar langweilig, ist aber furchtbar wahr: Grundprinzip 1: Ein Produkt-Portfolio kostet Geld – und jede Erweiterung desselben auch. Jedes neue Produkt verursacht Kosten in Entwicklung, Herstellung und besonders auch in der Logistik. Logistische Performance ist ein Dienstleistungsmerkmal jedes Produktes auf dem Markt. Das gilt bei bereits eingeführten Produkten genauso wie für neue. Selbstverständlich erwarten wir z. B. von dem Online-Versandhändler, dass die bestell- ten Produkte auf Lager liegen. Mehr noch, wir erwarten, dass sie am nächsten Tag vom Paketdienst gebracht werden! Erhalten wir von einem Händler jedoch häufiger die In- formation, dass bestellte Produkte nicht lieferbar sind, wechseln wir zur Konkurrenz –
  • 3. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 3 - © Abels & Kemmner GmbH egal, welches tolle Firmenimage die Marketing- und Werbestrategen in Szene gesetzt haben. Solche Anforderungen gelten schon lange nicht mehr nur im Business-to-Consumer- Bereich. Auch im Business-to-Business-Bereich werden immer kürzere Lieferzeiten und immer höhere Lieferbereitschaft gefordert. Logistisch bedeuten die Forderungen des Marktes vor allem zweierlei: Bestände und Kapazitäten. Wenn nicht sowieso Fertigpro- dukte auf Lager liegen müssen, so sind zumindest Halbfabrikate auf teilweise hohen Wertschöpfungsstufen vorzuhalten, um kurzfristig zum Fertigprodukt komplettiert wer- den zu können. Ersteres fordert hohe Bestände, letzteres Flexibilität in den Produktions- und Transportkapazitäten und, beides verursacht auf jeden Fall Kosten! Der Preis eines Produktes muss auch die gesamten logistischen Kosten berücksichtigen, die mit einem bestimmten Leistungsversprechen einhergehen. Bei Neuprodukten sind diese logistischen Kosten zumeist zu hoch, als dass sie im Preis wirklich berücksichtigt werden könnten. In der Vorkalkulation wird häufig mit Zuschlagssätzen auf die direkten Kosten gearbeitet. Diese Zuschlagssätze resultieren aus entsprechenden Kostenumlagen aus der Betriebsabrechnung und stellen damit eine Mittelwertbetrachtung dar. Wenn jedes Einzelteil diesen prozentualen Zuschlagsatz trägt, dann sind diese Kosten gedeckt. Dies ist zwar richtig, berücksichtigt allerdings nicht, dass die tatsächliche Aufwandsver- teilung und damit Kostenverursachung nicht proportional zu den direkten Kosten ver- läuft. Neuprodukte und Exoten verursachen hohe logistische Bereitschaftskosten in Form von Grundbedarfen und vor allem Sicherheitsbeständen. Beide Gruppen leiden häufig unter stark schwankender Nachfrage und erfordern damit hohe Sicherheitsbestände, um lie- ferfähig zu sein. Neue Produkte anzubieten, ohne sie liefern zu können, mag in man- chen Branchen das Produkt sexy machen, in anderen aber wird es dadurch zum Flop. Niemand in einem Unternehmen wünscht einem Neuprodukt, ewig im Exotenstatus zu vegetieren. Man erhofft sich vielmehr, dass die Nachfrage nach dem Produkt steigt und regelmäßiger wird, sodass die zukünftigen logistischen Kosten sinken werden. Später überprüfen dann Vertrieb, Disposition und – sofern vorhanden - Produktma- nagement viel zu selten, ob diese Erwartungen tatsächlich eingetreten sind. Sollten sich
  • 4. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 4 - © Abels & Kemmner GmbH die Hoffnungen auf den Produkterfolg nicht erfüllt haben, verweist besonders der Ver- trieb dann gerne auf den Sortimentszwang: Dieser mache es eben erforderlich, ein nicht kostendeckendes Produkt im Sortiment zu halten, um den Verkauf anderer, lukrativerer Artikel nicht durch den Verlust guter Kunden zu gefährden. Und so wächst die Anzahl der Exoten im Produktportfolio, bis die kritische Masse überschritten wird und die „CZ- Explosion“, die wir uns später noch genauer anschauen werden, ihren Gang nimmt! Festhalten müssen wir an dieser Stelle: Best-Practice-Baustein Nr. 1: Jedes neue Produkt erfordert eine „Residual Lifecycle Cost“ Betrachtung, die alle drei Monate aktualisiert werden muss. Die wesentlichen Kostenpakete, die bei Neuprodukten unter regelmäßiger, wenn nicht kontinuierlicher Betrachtung stehen sollten, umfassen die logistischen Bereitschaftskos- ten, die aktuellen Entsorgungskosten und die Entwicklung der realen Deckungsbeiträge. Es macht nach unserer Erfahrung keinen Sinn, in diesem Stadium noch auf die „Total Lifecycle Cost“ abzustellen. „Sunk Cost“, die Kosten, die in der Vergangenheit angefallen sind, besitzen keine Bedeutung mehr für die Entscheidungen der Zukunft. Hier spielen nur noch die zukünftig anfallenden Kosten eine Rolle. Entscheidend bei den logistischen Bereitschaftskosten sind die Lagerhaltungskosten für die erforderlichen Grundbedarfe und Sicherheitsbestände über die gesamte Supply Chain. Dabei spielen nicht nur Bestände auf der Fertigwaren- und Komponentenebene eine Rolle, sondern auch Bestände, die von Lieferanten vorgehalten, aber vom Kunden finanziert werden. Wird ein Produkt am Markt nicht mehr angeboten, bleiben gelegentlich Restmengen an Rohstoffen, Materialien, Halbfabrikaten und Fertigwaren übrig, die nur zu reduzierten Preisen verkauft oder gar nur noch verschrottet bzw. als Sondermüll entsorgt werden können. Den Saldo dieser Kosten stellen die Entsorgungskosten dar. Lieferanten fordern bei spezifischen Rohstoffen, Zeichnungsteilen und produktspezifischen Baugruppen im Allgemeinen Abnahmeverpflichtungen, wenn diese Teile vom Kunden nicht innerhalb eines definierten Zeitraums abgenommen werden. All dies zählt ebenfalls zu den Ent- sorgungskosten.
  • 5. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 5 - © Abels & Kemmner GmbH Letztlich muss bei jedem Neuprodukt kontinuierlich die Entwicklung des Deckungsbei- trages verfolgt werden. Negative Deckungsbeiträge können aus marktstrategischer Sicht vorübergehend unvermeidbar sein, sie müssen aber zügig beseitigt werden. Abbildung 1: Schon das Beispiel einer klassisch berechneten Deckungsbeitragskurve zeigt das Ausmaß an Ertragsverschwendung Die Deckungsbeiträge alleine zu betrachten, nutzt nichts: Diese bilden selten weder die logistischen Bereitschaftskosten realistisch ab, noch berücksichtigen sie die zukünftigen Entsorgungskosten. Artikel mit negativen Deckungsbeiträgen sind definitiv „rot“ – Artikel mit positiven Deckungsbeiträgen aber nicht definitiv in den „schwarzen Zahlen“. Während Produktmanagement, Vertrieb und Marketing in Warengruppen, Warengrup- penhierarchien, Produktgruppen und Marktsegmenten denken, sind aus logistischer Sicht diese Strukturen nicht ausreichend differenziert. Strukturierungskriterien für das Produktportfolio müssen tiefer greifen und die logistisch relevanten Eigenschaften eines Produkt-Portfolios bewerten: Grundprinzip 2: Erst durch Strukturieren und Klassifizieren wird ein Produkt- Portfolio in logistischer Hinsicht transparent.
  • 6. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 6 - © Abels & Kemmner GmbH Die Bedeutung eines Produktes aus logistischer Sicht drückt sich vor allem in seinem Lagerdurchsatz aus. Unter dem Lagerdurchsatz versteht man die Lagerabgangsmenge eines Materials multipliziert mit seinen Gestehungskosten. Auf der Fertigwarenebene sind dies typischerweise die Verkaufsmengen, bewertet mit den Herstellkosten. Aufbau- end auf dem Lagerdurchsatz lassen sich die Artikel nach klassischer ABC-Betrachtung – z.B. 80/15/5 – differenzieren. Ergänzend können ABC-Betrachtungen nach Bestand, De- ckungsbetrag oder Umsatz wichtige Informationen liefern. Die Nachfrageschwankungen eines Produktes, mit denen die Wertschöpfungskette fertig werden muss, werden klassischerweise nach X-, Y- und Z-Klassen beschrieben. X-Artikel erfreuen sich eines eher regelmäßigen und gleichmäßigen Bedarfs, bei Y-Artikeln schwankt die Nachfrage bereits deutlich und bei Z-Artikeln flattert die Nachfrage. Aus verschiedenen statistischen und strategischen Gründen unterscheiden wir darüber hin- aus noch Z2-Artikel, deren Nachfrage praktisch ausgedrückt, die „bedarfsgewordene Katastrophe“ darstellen. Die ABC-/XYZ-Klassifizierung der Artikel und Materialien gehört heute zum Minimalstan- dard in der Logistik, doch selbst mit diesem ist es in vielen Unternehmen noch nicht weit her. Um ein Produktportfolio aus logistischer Sicht zu bewerten, reichen diese bei- den Kriterien zudem nicht aus. Vielmehr müssen auch der Lebenszyklus eines Artikels und die Zahl der Bedarfsverursacher berücksichtigt werden. Im Rahmen seines Lebenszyklus durchläuft ein Artikel die Stadien einlaufend (E), le- bend, (L) und auslaufend (A). Auch die Zahl der Bedarfsverursacher, die hinter dem Mengenbedarf dieses Artikels stehen, hat große Bedeutung für die richtige Logistikstra- tegie und lässt sich nach STU klassifizieren. S-Artikel besitzen einen oder zwei, T-Artikel eine geringe Anzahl und U-Artikel eine große Menge an Bedarfsverursachern. Auf Fer- tigwarenebene sind dies die direkten Kunden, auf Komponentenebene die übergeordne-
  • 7. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 7 - © Abels & Kemmner GmbH ten Materialien, die Sekundärbedarfe auslösen. Abbildung 2: In mindestens vier Dimensionen sollten Sie Ihr Produktportfolio strukturie- ren Best-Practice-Baustein 2 besagt: Strukturieren Sie Ihr Produktportfolio zumindest nach den vier wesentlichsten Betrachtungsdimensionen ABC, XYZ, ELA und STU. Eine erste Erkenntnis, die sich aus dieser Form der logistischen Klassifizierung des Pro- duktportfolios ergibt, formuliert das Grundprinzip 3: Ein Großteil der CZ2-Artikel und viele der CZ-Artikel müssen von den AX-Artikeln quersubventioniert werden. Das verteuert die AX-Artikel und macht sie weniger wettbewerbsfähig. Wir haben bereits über die Exoten im Produkt-Portfolio gesprochen. Exoten werden in geringen Mengen verkauft und weisen damit geringe Lagerdurchsätze auf. Für die al- lermeisten Exoten gilt daher, dass sie äußerst unregelmäßig nachgefragt werden und damit in die CZ- und CZ2-Klassen des Produkt-Portfolios fallen. Verfolgt man die Zu-
  • 8. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 8 - © Abels & Kemmner GmbH sammensetzung eines Produktportfolios über die Jahre, so stellt man fest, dass die An- zahl der Artikel nicht gleichverteilt über alle Portfoliofelder zunimmt, sondern vor allem im Bereich CZ und CZ2 anwächst. Das ist nicht verwunderlich, denn jedes Neuprodukt beginnt sein Leben als CZ2 oder zumindest CZ-Artikel. Ist es am Markt erfolgreich, entwickelt es sich im besten Falle zu einem AX-Artikel, bewegt sich zumindest aber aus der CZ-/CZ2-Ecke heraus. Die Natur- gesetze des Marktes bedingen leider, dass den wenigsten Artikeln ein entsprechend großer Erfolg beschieden ist. Die Mehrheit aller Artikel findet nie den Weg aus den Tie- fen des Produktportfolios in die Höhen des Markterfolgs. Somit reichert sich das Pro- duktportfolio weit überproportional im CZ-/CZ2-Bereich mit Artikeln an. Über die Probleme bei der Kalkulation der Kosten und damit des Preises eines Artikels sprachen wir bereits am Anfang. Die Kalkulationsprobleme führen tendenziell dazu, dass CZ- und CZ2-Artikel in ihren tatsächlichen Kosten unterschätzt und AX-Artikel in den ihrigen überschätzt werden. Diese Kalkulationsverzerrung kann man sich am Beispiel des Vertriebs einfach vor Augen führen. Viele von uns kennen aus ihren Unternehmen die Starverkäufer, die für wichtige Key accounts zuständig sind oder dominante Pro- duktrenner verkaufen. Neben diesen wenigen Stars kämpft im Vertrieb oft eine große Anzahl an fleißigen Verkäufern an kleinteiligen Produkt- und Kundenfronten. Während die vermeintlichen Stars kaum verkaufen sondern nur noch notieren müssen, welche Mengen ihre Kunden wünschen, müht sich die restliche Schar redlich, das berühmte „saure Bier“ unters Volk zu bringen. Allzu oft werden die Gesamtkosten des Vertriebs nur nach „Tragfähigkeit“ umgelegt, was nichts anderes bedeutet, als dass sie proportional zum Umsatz auf die Produktkal- kulation geschlagen werden. So tragen 20% der Rennerartikel schnell 80% der gesam- ten Vertriebskosten. Was dadurch passiert, erleben wir laufend und immer wieder im Wirtschaftsleben und in praktisch allen Branchen: Bei zu vielen CZ- und CZ2-Artikeln müssen die AX-Artikel zu teuer verkauft werden. Dies ermöglicht es Wettbewerbern, in das Segment der AX- Artikel mit kostengünstigeren Angeboten einzubrechen.
  • 9. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 9 - © Abels & Kemmner GmbH Das klassische Beispiel für diese Entwicklung liefern die Lebensmittel-Discounter in Deutschland. Über Jahre nahmen sie dem klassischen Einzelhandel Marktanteile ab. Sie konzentrierten sich auf wenige Artikel: die AAXX-Artikel des täglichen Lebens. Dadurch konnten sie ihre Wertschöpfungskette kostengünstig gestalten und in großen Mengen mit entsprechenden Rabatten einkaufen. Der klassische Einzelhandel bietet neben Ren- nerartikeln des Diskoutmarktes ein breites Sortiment weiterer Artikel, auch vielen echter Exoten an und muss, um dies finanzieren zu können, seine Rennerartikel im Durch- schnitt teurer verkaufen als der Diskounter. Halten Sie dies für einen Sonderfall des Einzelhandels? Schauen wir uns die Entwicklung im deutschen oder schweizer Werkzeugmaschinenbau an, können wir einen ähnlichen Effekt erkennen. In den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts war die Werkzeugmaschinenindustrie stolz auf die kundenspezifischen Speziallösungen, die sie dank ihres Engineeringvorsprungs gegenüber der gerade aufkommenden japanischen Konkurrenz anbieten konnte. Welcher Kunde wollte schon „butterweiche“ Drehmaschi- nen, die sich bei jeder Bearbeitung eines größeren Teils verbogen und nur geringe Fer- tigungstoleranzen einhalten konnten, …meinte man. Die butterweichen japanischen Drehmaschinen waren aber günstig, weil sich die Her- steller – wohl mehr aus Engineeringdefiziten als aus marktstrategischen Überlegungen - auf Standardmaschinen konzentrierten. Vielleicht gar nicht so überraschend, benötigten viele Kunden diese butterweichen Maschinen. Für kleine, wenig anspruchsvolle Teile waren sie durchaus wirtschaftlich. Über den Hebel solcher wenig spannender Brot-und- Butter-Maschinen eröffneten sich die japanischen Hersteller den Weltmarkt. Die mittel- europäische Werkzeugmaschinenindustrie holte erst wieder Marktanteile zurück, als sie es dank ihrer Engineeringkompetenz verstand, ihre Produkte nach Baukastenprinzipien aufzubauen und damit Standard und kundenspezifische Lösungen eng miteinander zu verknüpfen. Das AX-Portfolio ist die typische Angriffsstelle, an der neue Konkurrenten in bestehende Märkte einbrechen. Aus diesem Grunde lautet der Best-Practice-Baustein 3: Erfolgreiche Unternehmen halten ihr Portfolio-Floß im Gleichgewicht.
  • 10. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 10 - © Abels & Kemmner GmbH Will ein Unternehmen den Weg gehen und sein Produktportfolio bereinigen, darf es sich nicht vor dem Gespenst der Sortimentszwänge fürchten, denn es gilt: Grundprinzip 4: Sortimentszwänge sind die Scheuklappen der Produktpolitik. Wenn eine wirtschaftliche Partei eine andere zwingt, nicht nur die von der anderen Par- tei gewünschten Produkte abzunehmen oder zu liefern, sondern ein mehr oder weniger definiertes breiteres Sortiment, dann spricht man von Sortimentszwang. Sortimentszwang findet man auf der Anbieterseite, vorwiegend im Business-to- Business-Geschäft. Sortimentszwang kann durch einen Anbieter ausgeübt werden, der seine Kunden zwingt, ein Komplettsortiment abzunehmen oder von Kunden, die fordern, dass ein Lieferant neben den von ihnen regelmäßig und in großen Mengen benötigten Artikeln auch seltene und unregelmäßig benötigte bereithält. Ein vom Kunden eingeforderter Sortimentszwang ist selten vertraglich fixiert, sondern wird vom Vertrieb als Serviceleistung verstanden oder in vorauseilendem Gehorsam er- bracht. Unter dem Gesichtspunkt der Produkt-Portfoliomanagements spielt der Sortiments- zwang durch den Kunden eine ungute Rolle. Mit echten, durch den Markt oder explizite Kunden ausgeübten Sortimentszwängen ist äußerst vorsichtig umzugehen, trotzdem stellen wir regelmäßig fest, dass Sortimentszwang eine der meist-überschätzten Krite- rien im Produkt-Portfoliomanagement darstellt. Dies klingt sehr gewagt für einen Logis- tiker. Sortimentszwänge sind jedoch keine neblige Angelegenheit, sondern lassen sich statistisch erfassen und hinterfragen: • Wie oft wurde, wenn das Produkt A gekauft wurde, auch das Produkt B mitge- kauft? • Wenn mit Produkt A häufig auch Produkt B gekauft wird, könnte stattdessen nicht auch Produkt C angeboten werden? • handelt es sich dann um einen Zwangszusammenhang für den Kunden oder nur um eine Sammelbestellung?
  • 11. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 11 - © Abels & Kemmner GmbH So wichtig, wie Sortimentszwang im Einzelfall sein kann, so unwichtig ist er in vielen anderen Fällen der Produktsortimentspolitik. Würde ein Unternehmen sein Produktport- folio nur nach den vermeintlichen Sortimentszwängen seiner Kunden gestalten, würden sich alle Probleme des Unternehmens mittelfristig in der Insolvenz auflösen. Über das Produktportfolio entscheiden noch eine ganze Reihe weiterer Kriterien, strate- gischer, wie betriebswirtschaftlicher Art. Letztlich muss mit dem aktuellen Produktport- folio Geld verdient werden, deshalb kann niemand die Augen vor den Deckungsbeiträ- gen der einzelnen Produkte verschließen. Wirtschaftliche Zwänge werden weiterhin von den Sicherheitsbeständen ausgeübt, die erforderlich sind, um ein Produkt auf dem er- forderlichen Niveau der Lieferbereitschaft zu halten. Auch die Restbestände, die verblei- ben würden, wenn man sich kurzfristig von einem Produkt trennt, müssen bei der Be- reinigung des Produktportfolios berücksichtigt werden. Von Artikeln mit hohen Umsatzanteilen kann man sich selbst dann schwerer als von Ar- tikeln mit geringen Umsatzanteilen trennen, wenn sie nur geringe Deckungsbeiträge aufweisen. Dies nicht zuletzt, weil sie für die Wahrnehmung eines Unternehmens am Markt wichtig sein können und sie zudem ein großes Ertragspotenzial bergen, wenn es gelingt, die Deckungsbeiträge zu verbessern. Unter strategischen Gesichtspunkten ist sicherzustellen, dass sich die Artikel über den gesamten Produktlebenszyklus verteilen: zumindest bei den Deckungsbeitragsstarken Artikeln besser linksschief (mehr Artikel bei den Neuanläufern) als rechtsschief (mehr Artikel bei den Ausläufern). Aus diesem Grund können wir festhalten: Best-Practice-Baustein 4: Sechs zentrale Kriterien entscheiden über den Verbleib eines Artikels im Produktsortiment. Nur eines davon ist der Sortimentszwang. Jeder, der schon einmal an Diskussionen zur Bereinigung des Produktsortiments eines Lagerfertigers beteiligt war, weiß, wie intensiv vor allem der Vertrieb die Exoten im Pro- duktproduktportfolio verteidigt. An einfachsten bekommt man ihn noch dazu, wenn man die Neueinführung von Produkten an das Aussondern alter Produkte bindet. Ein Ver- trieb, der an jedem Fisch, den er angelt, verdient und dabei die Angel nicht selbst be-
  • 12. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 12 - © Abels & Kemmner GmbH zahlen muss, verhält sich völlig konsequent, wenn er sich gegen die Bereinigung des Produkt-Portfolios stemmt. Aus diesem Grunde werden die Aspekte Neueinführung und Aussonderung immer im Bezug zueinander gesehen. Ein weiterer wesentlicher Grund für das zögerliche Verhalten des Vertriebs lässt sich im Grundprinzip 5 verorten: Viele Unternehmen treffen bei der Produktbereini- gung Entscheidungen, wie im römischen Circus: Daumen hoch oder Daumen runter. Geht es beim Aussortieren von Produkten nur um ein Entweder-Oder, ist dies nicht nur aus vertrieblicher Sicht schmerzhaft, sondern kann auch der Logistik sehr wehtun. Dies ist immer dann der Fall, wenn bei einem auszusondernden Produkt noch viele Restbe- stände oder offene Lieferungen von Lieferanten vorhanden sind, auf denen die Supply Chain sitzenbleiben würde. Die Welt des Produktportfoliomanagements ist jedoch nicht einfach schwarz-weiß zu sehen – vor allem nicht aus dem Blickwinkel der Logistik und des Supply Chain Mana- gements. Zwischen einem hell strahlenden Artikel mit hoher Lieferbereitschaft und ei- nem dunkel verschwindenden, nicht mehr zu liefernden Artikel sind feine Abstufungen möglich. So kann man zuerst einmal darüber nachdenken, den Lieferbereitschaftsgrad eines Artikels zurückzunehmen. Der Artikel ist damit immer noch verfügbar, es wird je- doch häufiger vorkommen, dass Kunden auf die Lieferung des Artikels warten müssen. Nach unserer Erfahrung aus zahlreichen Projekten akzeptieren die Kunden dies, wenn es sich um exotische Artikel handelt, die entweder nur von einem spezifischen Lieferan- ten angeboten werden oder bei allen einschlägigen Lieferanten schwer zu bekommen sind.
  • 13. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 13 - © Abels & Kemmner GmbH Abbildung 3: Mindestens sieben Stufen der Produktbereinigung lassen sich unterschei- den Noch einen Schritt weiter geht die Strategie, Produkte mit einer Lieferzeit zu versehen und nur die erforderlichen Rohmaterialien und Halbfabrikate vorzuhalten. Aus diesen kann dann der benötigte Artikel bei Bedarf hergestellt werden. Auch bei dieser Strategie wird der betroffene Artikel in Teilen ab Lager lieferfähig sein, da er in den meisten Fäl- len in Losen und nicht in Einzelstücken produziert wird. Die über den Kundenbedarf hin- ausgehenden Losmengen liegen dann als Fertigware auf Lager. In verschiedenen Fällen haben unsere Simulationen gezeigt, dass damit noch eine Sofortlieferfähigkeit von 50 % erreicht werden kann. Verzichtet man darauf, Halbfabrikate, spezifische Rohmaterialien oder Zukaufteile be- reitzuhalten, um das Endprodukt herstellen zu können, gelangt man zum „Produkt auf Bestellung“, bei dem die Lieferzeiten schon deutlich lang werden können und bei dem darauf geachtet werden muss, dass der Verkaufspreis auch die Gestehungskosten deckt. Erst der letzte Schritt erst besteht darin, ein Produkt überhaupt nicht mehr zu liefern.
  • 14. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 14 - © Abels & Kemmner GmbH In vielen Fällen ist es gar nicht erforderlich, über die stufenweise Elimination eines Arti- kels nachzudenken, wenn man zuvor die Aggregation oder Substitution von Artikeln be- dacht hat. So kann es deutlich kostengünstiger sein, auf verschiedene geringwertigere Varianten eines Produktes zu Gunsten einer höherwertigen, alle ersetzenden Variante zu verzichten. Die höheren Material- und Gestehungskosten können durch die eingesparten Bestands- und Entsorgungskosten überkompensiert werden. In dieselbe Richtung zielen Sie, wenn Sie mehrere gleichwertige Varianten zu einer Variante zusammenfassen, z. B. indem Sie die Zahl der angebotenen Produktgrößen verringern. Eine manchmal mutige, aber zuweilen sehr erfolgreiche Strategie kann das Cross- Stocking darstellen. Beim Cross-Stocking teilen sich zwei Wettbewerber ihren Ärger mit CZ- und CZ2-Teilen, indem sich die beiden Parteien das entsprechende Produktportfolio aufteilen und sich wechselseitig beliefern. Sie sehen, die Bereinigung des Produktportfolios kann eine farbenfrohe Angelegenheit mit spannenden neuen Möglichkeiten sein. Deshalb halten wir fest als Best-Practice-Baustein Nr. 5: Erfolgreiche Unternehmen pflegen ihr Produktportfolio regelmäßig und konsequent, dafür aber differenziert. Bei der Pflege des Produktportfolios müssen Sie die richtigen Antworten nicht immer selbst finden, wenn Sie sich einlassen auf Grundprinzip 6: Kunden reagieren sensibel auf Preisdifferenzierungen. Jeder, der im Vertrieb zu tun hat, kennt das Schachern um den Preis eines Produktes oder einer Dienstleistung: die Verkäuferin in der Modeboutique genauso wie der Ver- triebschef des Großkonzerns. Häufig unabhängig von dem Wert, den ein Produkt oder eine Dienstleistung für einen Kunden hat, versuchen die Kunden und Einkäufer den Preis zu drücken. Die extreme Preissensibilität des Marktes kann man zuweilen geschickt zur Sortimentsbereinigung einsetzen. So können Sie in einem ersten Schritt bevorzugte Varianten vergünstigen und damit die Nachfrage von ungeliebten Varianten abziehen. Kurzzeitig kann dies Ertragseinbußen bedingen, mittelfristig aber durch Mengeneffekte zu steigen Erträgen führen.
  • 15. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 15 - © Abels & Kemmner GmbH Kunden, die trotz der Preisdifferenzierung bei ihren ursprünglichen Produktvarianten geblieben sind, sind entweder weniger preissensibel oder benötigen aus bestimmten Gründen „ihre“ Stamm-Produktvarianten. In einem zweiten Schritt sollten Sie nun überlegen, die ungeliebten Produktvarianten zu verteuern. Das wird einen weiteren Teil der Kunden zu den günstigeren Varianten zie- hen und damit die dortigen Mengeneffekte verstärken. Einen Teil der Kunden wird die- ser Schritt veranlassen, Sie als Lieferanten zu wechseln. Doch der bei seinen ange- stammten Produktvarianten verbleibende Teil der Kunden, wird Ihnen nicht glücklich, aber gezwungenermaßen die höheren Preise und damit bessere Deckungsbeiträge be- zahlen. Mit je weniger Kunden sie es zu tun haben, desto vorsichtiger müssen Sie mit Schritt 2 dieser Strategie umgehen. Auf diesen Aspekt werden wir später nochmals zurückkom- men. Trotzdem gilt für erfolgreiche Unternehmen Best-Practice-Baustein 6: Erfolgreiche Unternehmen beteiligen ihre Kunden an der Sortimentsbereinigung über eine Preisdifferenzierung. Auf welchen Wegen Sie auch immer zu einer Bereinigung Ihres Produkt-Portfolios ge- langen mögen, damit eine Produktbereinigung aus logistischer Sicht möglichst kosten- günstig verläuft, müssen Sie beachten: Grundprinzip 7: Eine Supply Chain braucht Zeit zum Leerlaufen, um die Kos- ten für Restbestände gering zu halten. Restbestände sind ein regelmäßiges Ärgernis in der Logistik. Sie entstehen immer dann, wenn Produktionsmengen am Markt nicht mehr verkauft werden können und dafür gibt es unterschiedlichste Gründe: Zu hohe Bedarfsprognosen für Neuanläufer oder lebende Produkte führen zu Mengen, die Sie entweder nie mehr abverkaufen können, die das Haltbarkeitsdatum überschrei- ten oder durch technische Änderungen nicht mehr oder nur noch im Customer Service als Ersatzteile einsetzbar sind.
  • 16. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 16 - © Abels & Kemmner GmbH Eine weitere, oft jedoch vernachlässigte Ursache von Restbeständen und Entsorgungs- kosten resultiert aus der Produktbereinigung. Bei Unternehmen, die für einen anonymen Markt produzieren, sollte ein Produktauslauf immer in zwei Stufen erfolgen: In Stufe 1 wird das Produkt „intern“ abgekündigt. Logistisch bedeutet dies, dass das Sourcing des Produktes selbst oder der produktspezifischen Rohstoffe, Materialien und Halbfabrikate angehalten wird. Lassen Sie die Wertschöpfungs-Pipeline möglichst weitgehend leerlau- fen, ehe Sie in Stufe 2 das Produkt „extern“ abkündigen. Ist das Produkt erst einmal aus dem Markt genommen und nicht mehr im Katalog oder auf den Webseiten zu finden, können Sie die Restbestände auf den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette nur noch für Ersatzteil- und Garantiezwecke verwerten. Abbildung 4: Eine zweistufige Abkündigung eines Produktes stellt sicher, dass die Rest- bestände in der Supply Chain abfließen können
  • 17. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 17 - © Abels & Kemmner GmbH Aus diesem Grunde lautet Best-Practice-Baustein 7: Bei Unternehmen, die für einen anonymen Markt fertigen, erfolgt ein Produktauslauf immer in zwei Stufen: interne Abkündigung und externe Ab- kündigung. Auf anonymen Märkten kennen Sie Ihre Kunden zwar statistisch, nicht aber persönlich. Im Gegensatz dazu muss in bekannten Märkten, vor allem im Investitionsgüterbereich, der Kunde als individueller Vertragspartner verstanden werden. Unternehmen, die dies nicht berücksichtigen, lernen Grundprinzip 8 schnell kennen: Grundprinzip 8: Kunden reagieren negativ auf Produktbereinigungen, wenn sie nicht informiert werden und keine Zeit zum Reagieren haben. Freiwillig verzichtet wohl niemand gerne auf Produkte, an die er sich gewöhnt hat. Viele Kunden, die Sie fragen und damit praktisch um die Genehmigung einer Produktbereini- gung bitten, werden zuerst einmal widerstreben. Aus diesem Grunde sollte im Vorfeld der Kundeninformation schon klar sein, um welche Produkte und Varianten Sie Ihr Pro- duktportfolio bereinigen wollen. Der Vertrieb kann die Kunden dann über Alternativpro- dukte, möglichst natürlich aus dem eigenen Unternehmen, informieren. Wenn es kein Alternativprodukt im eigenen Unternehmen mehr gibt, Sie aber eine geeignete Alterna- tive eines Wettbewerbers kennen, sollten Sie den Kunden darauf hinweisen. Wenn er das Produkt benötigt, wird er Ihren Wettbewerber sowieso finden. Wenn Sie ihm gleich den richtigen Weg weisen, verbessern Sie Ihre Karten ein wenig; besonders, wenn der Kunde mit anderen Produkten weiterhin bei Ihnen bleibt. Den Kunden eine Frist für letz- te Bestellungen einzuräumen, sollte dabei selbstverständlich sein. Besonders kundenorientierte Unternehmen gehen zuweilen noch einen Schritt weiter und unterstützen guten Kunden im Rahmen einer Produktbereinigung mit besonderen Dienstleistungen. So können Sie den Kunden Sonderkonditionen für weiterhin bezogene Produkte einräumen oder Kunden bei den erforderlichen Prozessanpassungen auf ein alternatives Produkt oder einen neuen Rohstoff unterstützen. Auch die Übernahme von Entwicklungs- oder Qualitätsprüfungskosten für die Alternativprodukte kann in Frage kommen.
  • 18. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 18 - © Abels & Kemmner GmbH Zusammenfassend lässt sich diese Strategie festhalten als Best-Practice-Baustein 8: Die von einer Sortimentsbereinigung im b2b-Bereich be- troffenen Artikel sind unabhängig von den Kunden festzulegen. Die anschließende Um- setzung muss in Interaktion mit den Kunden erfolgen. Ohne Neuheiten und Weiterentwicklungen der bestehenden Produkte überlebt das Un- ternehmen meist nicht lange oder verliert zumindest Marktanteile. Gerade auch der in- ternationale Wettbewerb macht es nötig, „den Anderen“ einen Schritt voraus zu sein. Die Welt der langlebigen und der kurzlebigen Güter unterscheidet sich hier jedoch dras- tisch. Für Unternehmen, die mit kurzlebigen Gütern ihr Geld verdienen, gilt Grundprinzip 9:Bei kurzlebigen Gütern hat man es fast nur mit Neuheiten zu tun und kämpft meist mit Über- oder Unterverfügbarkeit. Das Paradebeispiel in diesem Bereich stellt die Modeindustrie dar, die zu großen Teilen nur mit „Oneshots“, also Artikeln, die nur für eine einzige Saison produziert werden, arbeitet und die diese Artikel auch nur kurz am Markt absetzen kann. Idealerweise sollten Sie möglichst früh möglichst gute Bedarfsforecasts aufstellen. Die statistischen und methodischen Hilfsmittel, die in diesem Bereich heute zur Verfügung stehen, lassen jedoch zu wünschen übrig. Wir analysieren in diesem Bereich gegenwär- tig verschiedene Ansätze zur Verbesserung der Prognosequalität, hier handelt es sich aber noch eher um Grundlagenforschung, als um konkrete Lösungsansätze. Letztlich kommt es bei der Prognose von Neuprodukten, speziell auf Märkten mit kurzen Ver- brauchszeiträumen, noch immer auf das „Bauchgefühl“ des Produktmanagements an, um die Bedarfsmengen für ein neues Produkt abzuschätzen. Immer wieder konnten wir feststellen, dass Produkte, die beworben werden, später ei- nen deutlich höheren Umsatz generieren, als diejenigen, die nicht explizit beworben wurden. Dies ist nicht weiter verwunderlich. Wir staunen aber doch, wenn wir feststel- len, dass in vielen Unternehmen die Entscheidung, welche neuen Produkte beworben werden sollen, erst getroffen wird, nachdem die Beschaffungsprozesse undteilweise so- gar die Produktionsprozesse bereits begonnen haben. Zu diesem Zeitpunkt ist es natür-
  • 19. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 19 - © Abels & Kemmner GmbH lich zu spät, die Mengen anzupassen und das beworbene Produkt in höheren Stückzah- len zu produzieren. Wenn Ihnen Prognosemethoden nicht helfen, die Bedarfsmengen bestimmter Artikel im Produktportfolio genauer zu bestimmen, müssen Sie Ihre Supply Chain und Wertschöp- fungskette möglichst flexibel gestalten, Ihr logistisches Geschäftsmodell also entspre- chend ausrichten. Wie das geht, können wir hier nicht diskutieren . Wichtig für das Pro- duktportfoliomanagement ist jedoch, dass das Obsoleszenzrisiko, also das Risiko, auf Produktbeständen sitzen zu bleiben und diese verschrotten oder verramschen zu müs- sen, als Restrisiko in die Gewinnmarge des Produktes eingerechnet wird. Somit lautet Best-Practice-Baustein 9: Gestalten Sie bei der Herstellung und Vermarktung kurzle- biger Güter die Supply Chain möglichst flexibel und kalkulieren Sie das Restrisiko in die Gewinnmarge ein. Unter dem Aspekt der Produktportfolio-Pflege müssen wir aus logistischer Sicht auch einen Blick auf die langlebigen Güter werfen, denn hier gilt Grundprinzip 10: Bei langlebigen Gütern verursachen Neuheiten häufig gro- ßen Planungsaufwand, hohe Bestandskosten und ein hohes Kostenrisiko in der gesamten Supply Chain, was bei Fehlplanungen von den lebenden Pro- dukten mitgetragen werden muss. Auch bei langlebigen Gütern besteht die Gefahr, dass man den Bedarf an Neuprodukten über- oder unterschätzt. Im Unterschied zu den kurzlebigen Gütern besteht jedoch die Möglichkeit, im Zeitverlauf Bestände und Lieferbereitschaft besser auszutarieren. Vor allem besteht eine Chance, eventuelle Überbestände über einen längeren Zeitraum hin- weg abverkaufen zu können. So fallen zwar Lagerhaltungskosten, aber keine Verschrot- tungskosten an. Dies gilt natürlich nur, solange ein sich schlecht verkaufendes Produkt am Markt weiter angeboten und nicht zu früh aus dem Produktportfolio herausgenom- men wird (siehe Best-Practice-Baustein 7). Allerdings zeigen unsere Erfahrungen aus zahlreichen Projekten, dass bei Herstellern technischer Produkte mehr als 30 % neuer Fertigprodukte pro Jahr logistisch nicht mehr wirtschaftlich zu handhaben sind und vermeintliche Marketingvorteile durch eine hohe Neuproduktrate wieder auffressen.
  • 20. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 20 - © Abels & Kemmner GmbH Genaugenommen geht es bei dieser Schwelle nicht um den Anteil der Neuprodukte an der Gesamtzahl der Artikel im Produktportfolio, sondern um den Prozentsatz der für die Neuprodukte in der gesamten Supply Chain zu haltenden Bestände im Verhältnis zu den Gesamtbeständen in der Supply Chain. Aus diesem Grunde solle parallel zum Einführen neuer Produkte stets geprüft werden, welche "alten" CZ und CZ2-Produkte aus dem Sortiment genommen werden können. Logistisch betrachtet ist dies aber eine andere Front. Das Aussondern schlecht laufender Artikel ist eine wichtige Aufgabe an sich. Es legitimiert aber nicht eine überzogene Einführung neuer Produkte. Aus diesem Grunde müssen wir für langlebige Güter berücksichtigen: Best-Practice-Baustein 10: Bei technischen Produkten markieren 30 % Neuheiten pro Jahr, die per "big bang" eingeführt werden, die Grenze zum logistischen Selbst- mord. Erfolgreiche Unternehmen bleiben darunter. In vielen Branchen ist es üblich, mit neuen Produkten auf allen Märkten zur gleichen Zeit aktiv zu werden und bei vielen Produkten mag dies auch nicht anders möglich sein. Mode hat beispielsweise nur einen begrenzten Lebenszeitraum und muss schnell auf allen Märkten, auf denen sie verkauft werden soll, präsentiert werden. Was für die Mode gilt, gilt generell für den Großteil der kurzzyklischen Lagerprodukte. Mit einem Neuprodukt überall zugleich in die Geschäfte zu kommen, erfordert hohen Aufwand in der gesamten Supply Chain, denn als Grundprinzip 11 lässt sich festhalten: Grundprinzip 11: Neuprodukteinführungen per "big bang", d.h. auf allen Märkten zur gleichen Zeit, erfordern bei Lagerfertigern hohe Bestände und hohe Flexibilitätskosten in der Supply Chain, verbunden mit langen Vorlauf- zeiten. Bei Neuprodukten besteht eben typischerweise das Problem, die zukünftige Marktnach- frage vorherzusagen. Wollen Sie trotz Unsicherheiten lieferfähig sein, müssen Sie sich gut mit den neuen Produkten eindecken. Im schlimmsten Fall benötigen Sie Sicherheits- bestände auf allen Märkten. Die erforderlichen Bestände wollen erst einmal aufgebaut sein, ehe sie gegebenenfalls nicht verkauft werden können und dazu müssen die erfor- derlichen Komponenten beschafft, gefertigt und montiert werden. Ein solches Neupro-
  • 21. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 21 - © Abels & Kemmner GmbH dukt-Ferkel muss somit durch die Schlange der gesamten Supply Chain hindurchge- presst und langsam verdaut werden. Schlimmer noch, häufig müssen ganze Kollektionen an Teilen auf den Markt gebracht werden. Die Schlange aus Zulieferern und eigener Produktion muss somit zur selben Zeit eine ganze Ferkelherde verdauen. Wie die Schlange sich dehnen muss, so muss sich auch die Supply Chain dehnen und das bedeutet, es fallen zusätzliche Kosten für die erforderliche Flexibilität an. Die Realität ist jedoch noch gemeiner, als bisher beschrieben. Nicht nur Ihr Unterneh- men, sondern auch die meisten Ihrer Marktbegleiter denken und arbeiten in demselben Rhythmus, belasten teilweise dieselbe Supply Chain, dieselben Lieferanten mit Ihren Ferkelherden zur selben Zeit, was die Kosten der Zulieferer und damit auch Ihre Kosten noch weiter in die Höhe treibt. Nicht in allen Branchen und bei allen Unternehmen, die Produkte per „big bang“ Strate- gie einführen, wäre diese Strategie unbedingt erforderlich, hätte man den Mut, sich von diesem Lemming-Verhalten abzukoppeln. In vielen Branchen ist es seit langem üblich, die Nachfrage nach Neuprodukten auf „Testmärkten“ zu erproben. In der Nahrungsmittelindustrie ist dies beispielswiese ein typisches Vorgehen vieler Anbieter. Bei langlebigeren Gütern, wie technischen Produk- ten oder Luxusgütern, besteht bei dieser Strategie die Chance, die von vorne herein geringeren Materialbestände auf anderen Märkten loszuschlagen, wenn ein Produkt auf seinem Einführungsmarkt nicht erfolgreich ist. Verläuft die Einführung erfolgreich, können Sie die Supply Chain hochfahren. Die zu- nehmende Auslastung der Supply Chain können Sie bei Produkten wie Konsumgütern, bei denen hohe Lieferfähigkeit und damit eine gute Marktversorgung wichtig sind, nut- zen, um die steigende Nachfrage auf dem Einführungsmarkt zu befriedigen. Erst dann sollten Sie die Belieferung auf neue Märkte ausdehnen. Bei Produkten, bei denen eine gewisse Exklusivität zu den Merkmalen zählt, würden Sie möglicherweise erst weitere Vertriebsmärkte hinzunehmen oder die Erstmärkte besser versorgen und auf den Folgemärkten damit den Exklusivitätscharakter weiter anheizen.
  • 22. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 22 - © Abels & Kemmner GmbH Mit der Diskussion, wie wir den wachsenden Ausstoß der Supply Chain auf die Märkte verteilen, wildern wir jedoch im Bereich von Marketing- und Vertriebsstrategie und dies sollten wir den entsprechenden Fachleuten überlassen. Hauptsache, die Fachleute den- ken darüber nach, ob anstatt einer „big bang“ Markteinführung nicht auch eine „Long Chime“ Strategie denkbar ist, bei der die Märkte sukzessive bedient und gefüllt werden und die Supply Chain besser leerlaufen kann, wenn die Produkte am Markt nicht an- kommen. Abbildung 5: Nicht immer müssen big bangs bei der Markteinführung sein Stellen wir uns einmal vor, wie schön die Supply Chain Welt werden kann, wenn nicht alle Produkte kollektionsweise auf alle Märkte zur selben Zeit gebracht würden. Viel ge- ringere Flexibilitätskosten in der gesamten Supply Chain, geringere Verschrottungskos- ten und eine bessere Lieferfähigkeit wären die Folge. Für viele Unternehmen wäre eine solche Welt undenkbar. Doch es gibt immer wieder Unternehmen, die Undenkbares ma- chen, damit ihre Margen deutlich verbessern, sich nebenbei vom Markt abheben und damit Best-Practice-Baustein 11 belegen:
  • 23. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 23 - © Abels & Kemmner GmbH Best-Practice-Baustein 11: Big bang oder Long Chime: Erfolgreiche Unternehmen prüfen, ob und wie abrupt Neuprodukte wirklich eingeführt werden müssen. Bekannterweise muss an einem neuen Produkt nicht immer alles neu sein. Neue Pro- dukte stellen häufig nur Produktvarianten dar. Nun kann man Produktvarianten so ent- wickeln, dass die Variantenspreizung früh oder dass sie spät in der Supply Chain erfol- gen muss. Logistisch betrachtet ist eine späte Variantenspreizung besser als eine frühe. Die beste Variantenspreizung für den Logistiker ist aber diejenige, die gar nicht stattfin- det... Egal ob die neuen Produkte Varianten bestehender Produkte sind oder nicht. Immer kann man über die Verwendung von Gleichteilen nachdenken. Die Gleichteilestrategie beginnt bei wenigen Standard-Schrauben in unterschiedlichen Produkten und reicht bis zu gleichen Baugruppen in unterschiedlichen Produkten. Das Nachdenken lohnt sich, denn wie Grundprinzip 12 feststellt: Grundprinzip 12: Je weniger unterschiedliche Produkte auf gemeinsame Tei- le, Baugruppen und Fertigungsprozesse zurückgreifen können, desto kosten- günstiger und beherrschbarer werden Wertschöpfungskette und Supply Chain. Eine Variantenvielfalt, bei der die Variantenbildung spät im Wertstrom erfolgt, wirkt ei- ner CZ-Explosion auf Fertigwarenebene entgegen, die jedem Unternehmen den Hals brechen kann. Ideal wäre es, wenn Varianten auf der Fertigwarenebene überhaupt nicht mehr gelagert, sondern auftragsbezogen endmontiert würden. Dies ist eine Strategie, die in vielen Branchen und bei zahllosen Unternehmen möglich und üblich ist. So arbei- tet die Automobilindustrie auf dem europäischen Markt und so arbeitet auch der größte Teil der Werkzeugmaschinenindustrie. Eine standardisierte Variantenvielfalt, bei der möglichst viele Gleichteile verwendet wer- den, beugt darüber hinaus auch der CZ-Explosion auf Komponenten- und Baugrup- pen-Ebene vor.
  • 24. Best-Practice-Regeln für ein leistungsfähiges Produktportfoliomanagement - 24 - © Abels & Kemmner GmbH Ausgehend von einem bestehenden breiten Produkt-Portfolio ist der Weg zu einer stan- dardisierten Variantenvielfalt lang und der Aufwand dafür beträchtlich, sofern man das Konzept nicht direkt zu Beginn einer Neuproduktentwicklung berücksichtigt. Wir können deshalb festhalten als Best-Practice-Baustein 12: Erfolgreiche Unternehmen standardisieren ihre Varian- tenvielfalt. Und Sie beginnen damit direkt zu Beginn des Lebenszyklus‘ eines neuen Pro- duktes, indem sie mögliche Varianten bereits vorausdenken. Und mit dieser letzten Überlegung sind wir endgültig im Grenzgebiet zwischen Portfoli- omanagement, Produktmanagement und Produktentwicklung angekommen - und haben damit eine erste Ziellinie für das optimale Produktportfoliomanagement erreicht.