2. Danksagung
Hiermit bedanke ich mich f¨ur die sehr gute Betreuung der vorliegenden Arbeit bei Frau
Prof. Dr. Sabine Klapp und die fachlichen Gespr¨ache mit den Mitgliedern ihrer Arbeitsgrup-
pe, insbesondere Herrn Gerald Rosenthal.
Nicht zuletzt gilt mein besonderer Dank meinen Eltern Elisabeth und Wolfgang Heinemann
sowie meinem Bruder Christian Heinemann f¨ur die Durchsicht meiner Arbeit.
Eidesstattliche Erkl¨arung
Hiermit versichere ich, die vorliegende Arbeit selbst¨andig und unter ausschließlicher Ver-
wendung der angegebenen Literatur und Hilfsmittel erstellt zu haben.
Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder ¨ahnlicher Form keiner anderen Pr¨ufungsbeh¨orde
vorgelegt und auch nicht ver¨offentlicht.
Berlin, 19.8.2011
2
3. Inhaltsangabe
Diese Arbeit behandelt die Strukturbildung an Systemen von Janus-Partikeln nach dem Mo-
dell von Somoza et. al. [25] im Bulksystem f¨ur eine inverse Reichweite des Potentials λ = 3.
Dazu wird die Integralgleichungsmethode verwendet. Sie basiert in dieser Arbeit auf der
Ornstein-Zernike-Integralgleichung und der RHNC-Abschlussrelation. Mit ihr ist es m¨oglich,
ausgehend von einem Paarpotential die Paarverteilungsfunktion schrittweise numerisch zu
berechnen, sofern die Dichte gegeben ist. Aus der Paarverteilungsfunktion k¨onnen dann Aus-
sagen ¨uber die Strukturen erstellt werden.
Ein wichtiges Resultat der erfolgten Untersuchungen ist die Bestimmung der
Stabilit¨atsgrenze. Sie kennzeichnet eine Grenze im Parameterraum, aufgespannt aus Tempe-
ratur und Dichte, zwischen einem Bereich homogener und isotroper Gleichgewichtsdichte und
einem sogenannten Tieftemperaturbereich. Bei diesem stellt eine homogene isotrope Dichte
nicht mehr ein energetisches Minimum des zugeh¨origen thermodynamischen Potentials dar.
Ziel dieser Arbeit besteht darin, Strukturprognosen ausgehend von der Paarverteilungsfunkti-
on im homogenen isotropen Bereich nahe der Stabilit¨atsgrenze f¨ur die Tieftemperaturphase zu
erstellen. Dabei sind kleine Agglomerationen von wenigen Teilchen bis hin zu kleinen Clustern
denkbar.
3
7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS
43 Monopolanteil einer Fluktuation δg(1) bei T∗ = 0,43 und η = 0,15 . . . . . . . 91
44 Dipolanteil einer Fluktuation δg(1) bei T∗ = 0,43 und η = 0,15 . . . . . . . . . 91
45 Quadrupolanteil einer Fluktuation δg(1) bei T∗ = 0,43 und η = 0,15 . . . . . . 91
46 Monopolanteil von g bei T∗ = 0,373 und η = 0,3 . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
47 Dipolanteil von g bei T∗ = 0,373 und η = 0,3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
48 Quadropolanteil von g bei T∗ = 0,373 und η = 0,3 . . . . . . . . . . . . . . . . 92
49 Monopolanteil einer Fluktuation δg(1) bei T∗ = 0,373 und η = 0,3 . . . . . . . 93
50 Dipolanteil einer Fluktuation δg(1) bei T∗ = 0,373 und η = 0,3 . . . . . . . . . 93
51 zeigt die Z-Komponente der Orientierung der bedingten Polarisation . . . . . 93
52 Quadrupolanteil einer Fluktuation δg(1) bei T∗ = 0,373 und η = 0,3 . . . . . . 93
53 Monopolanteil einer Fluktuation δg(2) bei T∗ = 0,373 und η = 0,3 . . . . . . . 94
54 Dipolanteil einer Fluktuation δg(2) bei T∗ = 0,373 und η = 0,3 . . . . . . . . . 94
55 Quadropolanteil einer Fluktuation δg(2) bei T∗ = 0,373 und η = 0,3 . . . . . . 94
56 Visualisierung von g bei η = 0,03 und T∗ = 0,41 . . . . . . . . . . . . . . . . 95
57 Visualisierung von g bei η = 0,15 und T∗ = 0,43 . . . . . . . . . . . . . . . . 95
58 Visualisierung von g bei η = 0,3 und T∗ = 0,373 . . . . . . . . . . . . . . . . 96
7
8. 1 EINLEITUNG
1 Einleitung
Das Studium von strukturbildenden Prozessen in kolloidalen Systemen geh¨ort zu den aktu-
ellen Forschungsthemen innerhalb der Statistischen Physik komplexer Fluide. Als Kolloide
werden in diesem Kontext Teilchen oder Tr¨opfchen mit einer Gr¨oßenskala von 1 nm bis 1 µm
bezeichnet. Befinden sich diese Teilchen fein verteilt in einer Tr¨agersubstanz, spricht man von
einem kolloidalen System (siehe [43]). Einen Sonderfall von komplexen Fluiden stellen die
einfachen Fluide dar. Sie repr¨asentieren ein Gas oder eine Fl¨ussigkeit aus Edelgasatomen, bei
denen die Wechselwirkung der Teilchen untereinander nur abstandsabh¨angig ist (siehe [38]
f¨ur eine ausf¨uhrliche Darstellung).
In dieser Arbeit werden spezielle Systeme von Teilchen behandelt, in der Literatur als
Janusteilchen tituliert. Bei der Namensgebung griff man auf die r¨omische Mythologie zur¨uck.
Janus war der r¨omische Gott des Anfangs und des Endes und wurde deshalb meistens dop-
pelk¨opfig abgebildet. Als ein Janusteilchen bezeichnet man in dieser Metapher ein Teilchen
mit zwei chemischen
”
Gesichtern“. In diesem Falle handelt es sich um amphiphile Molek¨ule,
also Molek¨ule mit einem polaren und einem unpolaren Anteil.
Beispiele hierf¨ur w¨aren Phospholipide, welche Grundbestandteile von Membranen in bio-
logischen Zellen sind [13]. Die sogenannten Kasein-Molek¨ule, die in der Milch vorkommen
und daf¨ur sorgen, dass der Hauptbestandteil von Z¨ahnen und Knochen, das wasserunl¨osliche
Kalziumphosphat, durch strukturbildende Prozesse l¨oslich wird, seien als ein anderes Beispiel
genannt [44]. Eine industrielle Anwendung f¨ur amphiphile Molek¨ule sind Waschmitteltenside.
Die unpolare Seite des Tensids bindet sich an den Fettfleck, w¨ahrend die polare Seite zum
Wasser zeigt. Dadurch wird die Oberfl¨achenspannung des Fettflecks reduziert, wodurch eine
schnellere L¨osung im Wasser erfolgt.
Die Herstellung von Janusteilchen l¨asst sich durch viele verschiedene Methoden bewerk-
stelligen [12]. Eine anschauliche Methode ist in [14] n¨aher erl¨autert. Dabei werden die Grund-
teilchen (kleine Kugeln aus Polystyrol) auf einem Substrat unbeweglich platziert. Durch Me-
thoden der Elektrophorese kommt es dann an der Oberseite zur Anlagerung von Goldparti-
keln. Das Ergebnis ist eine bis zur H¨alfte mit Gold beschichtete Polysterolkugel.
In Systemen, die sich aus diesen amphiphilen Molek¨ulen zusammensetzen, finden inter-
essante Strukturbildungsprozesse statt. In dieser Arbeit wird zun¨achst untersucht, welche
Strukturen die betrachteten Janusteilchen (vergleiche [25]) bilden, wenn nur sie in der L¨osung
miteinander wechselwirken. Das zu analysierende System ist in diesem Zusammenhang rand-
los und besteht nur aus dem L¨osungsmittel und den amphiphilen Molek¨ulen. Es werden
hierf¨ur eine feste Packungsdichte der Teilchen und eine feste Temperatur vorgegeben. Das
Teilchensystem befindet sich bei diesen Betrachtungen im thermodynamischen Limes.
Normalerweise setzt man f¨ur solche Strukturuntersuchungen Simulationsmethoden wie
Monte-Carlo-Simulationen oder Molekulardynamiksimulationen an. Diese Simulationen ha-
ben jedoch den Nachteil, dass der thermodynamische Limes aufgrund der endlichen Sys-
temgr¨oße und der endlichen Anzahl an Teilchen nicht angenommen werden kann. Um den
thermodynamischen Limes dennoch m¨oglichst realistisch nachzubilden, ist das System auf
einem großen Gebiet mit vielen Teilchen zu simulieren. Die daraus resultierende hohe Lauf-
zeitkomplexit¨at der entsprechenden Algorithmen l¨asst eine Realisierung nur schwer zug¨anglich
erscheinen. F¨ur die analytische Untersuchung wird in dieser Arbeit die Integralgleichungsme-
thode verwendet, bei der man davon ausgeht, dass die orts- und winkelabh¨angige Einteil-
chendichte der Kolloide homogen ist. Dadurch schr¨ankt sich der Parameterraum, welcher aus
Packungsdichte und Temperatur aufgespannt wird, ein.
8
9. 1 EINLEITUNG
Ein Ziel dieser Arbeit ist es, den Bereich zu kennzeichnen, bei dem die homogene iso-
trope Einteilchendichte stabil ist. Die Begrenzung bildet die Stabilit¨atsgrenze. Im instabilen
Bereich, fortan Tieftemperaturbereich genannt, findet Strukturbildung statt. Ein weiteres
Ziel der Arbeit ist somit auch darin zu sehen, Prognosen ¨uber sich bildende Strukturen im
Tieftemperaturbereich zu erstellen.
Die Grundlage zur Untersuchung von Strukturen aus Janusteilchen bildet die Paarver-
teilungsfunktion. Sie wird aus der Integralgleichungsmethode gewonnen. F¨ur Teilchen ohne
Orientierungsfreiheitsgrade entspricht sie der normierten bedingten Wahrscheinlichkeit, ein
Teilchen am Ort B anzutreffen unter der Bedingung, dass am Ort A bereits ein Teilchen ist.
Als Normierung wird der homogene Fall betrachtet, bei dem keine Bedingung festgelegt ist.
In dieser Arbeit haben die Teilchen zwei Orientierungsfreiheitsgrade. Dadurch gestaltet sich
die Bestimmung der Paarverteilungsfunktion deutlich anspruchsvoller. Aus der Paarvertei-
lungsfunktion k¨onnen Struktur- und Ordnungsparameter gewonnen werden. Diese sind wich-
tige Hilfsmittel, um die strukturbildenden Prozesse im Tieftemperaturbereich zu verstehen.
Unterst¨utzend wirken Untersuchungsergebnisse von ¨ahnlichen Systemen [4, 1]. Als m¨ogliche
Strukturen, die in diesem Modellfluid aus Janusteilchen auftreten, konnten kleine Agglomera-
tionen wie Paare und Trimere bis hin zu kleinen Custern mit meist radial zum Schwerpunkt
orientierten Teilchen ausgemacht werden.
Die Arbeit ist folgendermaßen gegliedert:
Das zweite Kapitel zeigt eine Darstellung des in dieser Arbeit verwendeten Teilchen-
modells. Anf¨anglich wird der durch Harte Kugeln repr¨asentierte Hochtemperaturfall be-
handelt. Im Anschluss erfolgt eine Erweiterung des Modells um eine anisotrope Yukawa-
Wechselwirkung. Diese Erweiterung des klassischen Fluidmodells ist die Grundlage f¨ur die
Untersuchungen in den nachfolgenden Kapiteln.
Das dritte Kapitel behandelt Korrelationsfunktionen, allen voran die entsprechende Paar-
verteilungsfunktion (dort als g bezeichnet). Mit ihr ist es m¨oglich, in einem begrenzten Umfang
Strukturuntersuchungen zu betreiben.
Auf die Grundlagen der Integralgleichungsmethode geht das vierte Kapitel ein. Dazu ist es
n¨otig, die Ornstein-Zernike-Integralgleichung zu motivieren. Im Anschluss wird die Abschluss-
relation behandelt, die einen physikalischen Zusammenhang zwischen der Paarverteilungs-
funktion und der direkten Korrelationsfunktion herstellt. Es werden geeignete N¨aherungen
der Ornstein-Zernike-Gleichung angegeben. Als eine wichtige N¨aherung w¨are an dieser Stel-
le die HNC-N¨aherung zu nennen, die die Grundlage der auch hier vorgestellten RHNC-
Abschlussrelation bildet.
Mit der Bestimmung der Stabilit¨atsgrenze der homogenen isotropen Phase besch¨aftigt sich
das f¨unfte Kapitel. Man bedient sich dazu der Dichtefunktionaltheorie. Das System, welches
im Thermodynamischen Limes existieren soll, wird hierbei im Großkanonischen Ensemble
betrachtet, so dass die sonst vorgegebene Dichte die Gleichgewichtsdichte darstellt.
Das sechste Kapitel zeigt M¨oglichkeiten auf, die Paarverteilungsfunktion strukturell zu
deuten. Zu diesem Zweck werden Strukturparameter definiert, die, wie es sich herausstellt,
den Koeffizienten der Entwicklung der Paarverteilungsfunktion in Rotationsinvarianten ent-
sprechen.
Die Funktionsweise des implementierten Algorithmus hat das siebente Kapitel zum Ge-
genstand. An dieser Stelle erfolgt eine Erl¨auterung der aufgetretenen Schwierigkeiten und
L¨osungsm¨oglichkeiten. Das grundlegende numerische Problem besteht darin, dass die Kor-
9
10. 1 EINLEITUNG
relationsfunktionen von drei Orientierungen mit jeweils zwei Winkeln und vom Abstand
abh¨angen. Diese Funktionen in dieser Form in Tabellen zu speichern, w¨are ein hoffnungs-
loses Unterfangen.
Das achte Kapitel veranschaulicht alle relevanten gewonnenen Ergebnisse der numerischen
Realisierung. Es pr¨asentiert insbesondere die Stabilit¨atsgrenze der homogenen isotropen Phase
f¨ur dieses Fluid und stellt m¨ogliche Agglomerationsstrukturen vor.
Eine Zusammenfassung der Resultate dieser Arbeit und einen Ausblick auf die zuk¨unftige
Arbeit in diesem Bereich gibt das neunte Kapitel.
10
11. 2 MODELL
2 Modell
2.1 Harte-Kugel-Fluid
Zu Beginn dieses Kapitels soll das Hart-Kugel-Modell eines Fluids eingef¨uhrt werden, welches
als erste N¨aherung f¨ur das in dieser Arbeit betrachtete Fluidmodell der Janusteilchen betrach-
tet werden kann (siehe nachfolgender Abschnitt 2.2). Das Konzept der Harten Kugeln stammt
aus einer Zeit, in der die Existenz des Atoms angezweifelt wurde. Im Jahre 1887 entwickelte
van der Waals eine neue Zustandsgleichung zur Beschreibung von Gasen und Fl¨ussigkeiten
(siehe [32]), welche eine pr¨azisere Beschreibung lieferte als die Zustandsgleichung des bisher
bekannten Idealen Gases. Er modellierte dabei Atome und Molek¨ule des Gases durch
”
Harte
K¨orper“ und f¨uhrte noch eine nach ihm benannte Wechselwirkung ein.
Ein Harte-Kugel-Teilchen ist radialsymmetrisch und das Paarpotential f¨ur zwei Teilchen
an den Orten r1 und r2 ist f¨ur Abst¨ande r =| r2 − r1 | kleiner als der Teilchendurchmesser σ
unendlich und sonst Null.
uHK(r) =
∞, r < σ
0, sonst
Das Harte-Kugel-Fluid ist somit ein System aus rein repulsiven Teilchen. F¨ur viele kolloidale
Systeme stellt dieses Fluid h¨aufig eine erste N¨aherung in Bezug auf die Teilchen-Teilchen-
Wechselwirkung dar. Insbesondere bei hohen Temperaturen und hohen Dichten verhalten
sich die meisten Fluide wie das Harte-Kugel-Fluid.
2.2 Modell der Janus-Teilchen
Das in dieser Arbeit betrachtete Modell ist von Somoza et. al. vorgestellt worden (siehe
[25]). Janus-Teilchen sind durch die Eigenschaft charakterisiert, zwei chemisch unterschied-
liche Seiten A und B zu haben. Im hier betrachteten Fall geht es um axialsymmetrische
amphiphile Kolloide. Amphiphil bedeutet: beides liebend. Das heißt, die Kolloide sind sowohl
”
fettliebend“ (hydrophob) als auch
”
wasserliebend“ (hydrophil). In Abbildung 1 ist das Modell
eines Janusteilchens schematisch dargestellt. Der hydrophile Anteil ist gelb und der hydro-
phobe Anteil blau gekennzeichnet. Dadurch, dass die Teilchen axialsymmetrisch sind, kann
die Ausrichtung der Teilchen durch jeweils einen Vektor beschrieben werden, anstatt durch
zwei (f¨ur K¨orper ohne Axialsymmetrie gibt es einen Freiheitsgrad bez¨uglich der Drehung um
die Figurenachse, so dass zur Beschreibung der Orientierung zwei Vektoren notwendig w¨aren).
Abbildung 1: Modellierung vom Janus-
Teilchen
Dieser Ausrichtungsvektor zeigt vom hydropho-
ben zum hydrophilen Abschnitt des Teilchens.
Hierbei stellt das Paarpotential zweier Teilchen
an den Orten r1 und r2 mit den Orientierungs-
vektoren ˆu1 und ˆu2 ein Produkt aus dem so-
genannten isotropen Harte-Kugel-Yukawa-Anteil
(mit r = |r1 − r2|)
YHK(r) :=
exp(−λ (r−σ))
r , r < σ
∞ , sonst
und einem anisotropen Anteil
W(ˆu1, ˆu2, ˆu) := ˆu1 − ˆu2, ˆu (1)
11
12. 2 MODELL
dar. Das Potential lautet somit:
U(r1, r2, ˆu1, ˆu2) = YHK(r) W(ˆu1, ˆu2, ˆu)
=
exp(−λ (r−σ))
r ˆu1 − ˆu2, ˆu , r < σ
∞, sonst.
(2)
An dieser Stelle bezeichnet r = r2 − r1 = r ˆu den Teilchenverbindungsvektor. Normierte
Gr¨oßen sind hierbei mit einem Dach gekennzeichnet.
Im Folgenden identifizieren wir ein Winkelpaar mit seinen Kugelkoordinaten, das heißt,
(θi, φi)ˆ=
cos(φi) sin(θi)
sin(φi) sin(θi)
cos(θi)
= Ωi = ˆui, f¨ur i = 1, 2.
Diese Notation gelte ebenfalls f¨ur den Teilchenverbindungsrichtungsvektor:
(θ, φ)ˆ=
cos(φ) sin(θ)
sin(φ) sin(θ)
cos(θ)
= Ω = ˆu.
Hierbei ist θ’s und φ’s Polar- bzw. Azimutwinkel der Kugelkoordinaten. Die Bezeichnungen
werden im weiteren Verlauf synonym verwendet, wobei jeweils die naheliegendste Notation
gew¨ahlt wird.
Der anisotrope Anteil W(ˆu1, ˆu2, ˆu) (siehe Gleichung (1)) ist aus Symmetriegr¨unden nur von
zwei Winkeln abh¨angig - den von ˆu1 und ˆu bzw. ˆu2 und ˆu eingeschlossenen Winkeln. Dieser
Anteil besagt somit, dass das Potential von der Differenz der Projektion der Figurenachsen
auf die Teilchenverbindungsachse abh¨angt. Jedes Teilchen kann dabei beliebig um die Ver-
bindungsachse rotiert werden. In den Abbildungen 2a - 2c sind Teilchenkonfigurationen mit
ihrem zugeh¨origeren Wert des anisotropen Anteils W(ˆu1, ˆu2, ˆu) dargestellt.
(a) anziehend
W = −2
W = −1
W = − 1
2
(b) abstoßend
W = 2
W = 1
W = 1
2
(c) neutral
W = 0
W = 0
W = 0
Abbildung 2: Energetische Konfigurationen der Janusteilchen
12
13. 2 MODELL
Abbildung 2a zeigt Konfigurationen, bei denen sich hydrophobe Seiten anziehen. In Ab-
bildung 2b hingegen werden abstoßende Konfigurationen von hydrophilen Seiten gezeigt. Al-
lerdings ziehen sich hydrophile Seiten im Allgemeinen an. Im hier betrachteten Fall sorgt eine
Verbindung des L¨osungsmittels mit der hydrophilen Seite daf¨ur, dass sich zwei hydrophile
Seiten abstoßen. Das heißt, das L¨osungsmittel ist implizit im Potential enthalten. Abbildung
2c zeigt neutrale Konfigurationen. Die Projektionen der Ausrichtungsvektoren auf den Ver-
bindungsvektor beider Teilchen sind gleich groß.
Motivation des Modells
Das Besondere an dem hier untersuchten Modell von Somoza et. al. (2.2) ist, dass es aus
der mathematischen Idee heraus entstanden ist, Paarpotentiale, die nur vom gegenseitigen
Abstand und gegenseitiger Orientierung der Teilchen zueinander abh¨angen, in einer Basis zu
entwickeln.
F¨ur das Paarpotential gilt in diesem Fall:
• es soll invariant gegen¨uber einer Verschiebung der Teilchen um den Vektor t ∈ R3 sein:
U(r1, r2, ˆu1, ˆu2) = U(r1 + t, r2 + t, ˆu1, ˆu2) und
• es soll invariant gegen¨uber einer Drehung R ∈ SO(3) sein:
U(r1, r2, ˆu1, ˆu2) = U(R r1, R r2, R ˆu1, R ˆu2).
Mit R wird in der zweiten Bedingung eine beliebige Drehmatrix im Dreidimensionalen be-
zeichnet. Sie ver¨andert die gegenseitigen Orientierungen der Teilchen nicht. Das System aus
beiden Teilchen kann somit geeignet positioniert und gedreht werden (Invarianz unter affinen
Transformationen). Wird das System beider Teilchen so positioniert und gedreht, dass r1 in 0
und ˆu in ˆez abgebildet werden, kann das Paarpotential in k¨orperfesten Rotationsinvarianten
(siehe Anhang, Abschnitt B bzw. [33, 41]) wie folgt beschrieben werden:
U(r, ˆw1, ˆw2) =
∞
l1,l2=0
Max(l1,l2)
χ=−Min(l1,l2)
Ul1,l2
χ (r)Ψl1,l2
χ (ˆw1, ˆw2).
Die Orientierungen ˆu1 und ˆu2 wurden umtransformiert zu ˆw1 = Rˆu→ˆez
ˆu1 bzw. ˆw2 =
Rˆu→ˆez
ˆu2. Dabei kennzeichnet Rˆu→ˆez
eine Drehung, die ˆu in ˆez ¨uberf¨uhrt.
Somoza et. al. haben in dieser Entwicklung des Potentials die Terme u0,0
0 , u1,0
0 und u0,1
0
betrachtet. Dabei ist u0,0
0 (r) = uHK(r), u1,0
0 (r) = 4
3 YHK(r) und u0,1
0 (r) = − 4
3 YHK(r).
Details der Entwicklung des Paarpotentials in raumfesten Rotationsinvarianten sind im Ab-
schnitt B.7 (siehe Anhang) ausf¨uhrlich dargelegt.
Modelleigenschaften - Bulksystem
Im Unterschied zu Simulationsmethoden, bei denen man immer ein bestimmtes thermody-
namisches Ensemble betrachtet, kann mit den Methoden in dieser Arbeit das System als
beliebig groß angenommen werden. Das heißt, es gibt dabei keine feste Teilchenzahl oder ein
begrenzendes Volumen und das System befindet sich somit im thermodynamischen Limes.
Jedes thermodynamische Ensemble kann dabei ¨aquivalent verwendet werden. Zum Beispiel
wird f¨ur die Stabilit¨atsanalyse das Großkanonische Ensemble herangezogen. Eine Systemkon-
figuration ist in dieser Arbeit durch die Teilchendichte ρ0 und die Temperatur T gegeben,
13
14. 2 MODELL
wobei Homogenit¨at und Isotropie gefordert werden m¨ussen (siehe n¨achster Abschnitt 2.3).
Teilchenkonfigurationen sind hier nicht gegeben. Was jedoch berechnet werden kann, sind
bedingte Dichten.
2.3 Homogene isotrope Phase
Alle Berechnungen in dieser Arbeit sind in der homogenen und isotropen Phase durchgef¨uhrt.
Hierbei sind die n-Teilchenwahrscheinlichkeitsdichten per Definition translationsinvariant (we-
gen der Homogenit¨at) und rotationsinvariant (wegen der Isotropie). Sei P(
”
(r1, Ω1), . . . , (rn, Ωn)“)
die Wahrscheinlichkeit, in r1 ein Teilchen mit Orientierung Ω1 und . . . und in rn ein Teil-
chen mit Orientierung Ωn zu finden, dann ist die n-Teilchendichte aus ihr wie folgt implizit
definiert:
P
”
(r1, Ω1), . . . , (rn, Ωn)“ = ρ(n)
(r1, Ω1), . . . , (rn, Ωn) dr1 . . . drndΩ1 . . . dΩn.
Die n-Teilchenwahrscheinlichkeitsdichte ρ(n) (r1, Ω1), . . . , (rn, Ωn) dr¨uckt damit die Wahr-
scheinlichkeit aus, in r1 +dr1 ein Teilchen mit Orientierung Ω1 +dΩ1 und . . . und in rn +drn
ein Teilchen mit Orientierung Ωn + dΩn zu finden.
Abschließend sollen die zentralen Begriffe Homogenit¨at und Isotropie f¨ur die Dichtefunkti-
on ρ(n) erkl¨art werden.
Homogenit¨at:
ρ(n)
({r1, . . . , rn}, {Ω1, . . . , Ωn}) = ρ(n)
({r1 + t, . . . , rn + t}, {Ω1, . . . , Ωn}) ∀t ∈ R3
Isotropie:
ρ(n)
({r1, . . . , rn}, {Ω1, . . . , Ωn}) = ρ(n)
({r1, . . . , rn}, {R ◦ Ω1, . . . , R ◦ Ωn}) ∀R ∈ SO(3)
R f¨uhrt analog zum vorherigen Abschnitt eine Drehung auf die Orientierung aus. Homogenit¨at
und Isotropie der n-Teilchenwahrscheinlichkeitsdichte ¨ubertragen sich auf die Korrelations-
funktionen, da diese ¨uber Mehrteilchendichten definiert sind (siehe Abschnitt 3).
Homogenit¨at und Isotropie bewirken, dass die Einteilchendichte konstant wird. Dabei gilt:
ρ(1)
(r1, Ω1) = ρ(1)
(r1 + t, R ◦ Ω1) ∀R ∈ SO(3), ∀t ∈ R3
.
Dadurch, dass diese Gleichheit f¨ur alle Transformationen gilt, ist ρ(1) nicht mehr von r1 und
Ω1 abh¨angig.
14
15. 3 STRUKTURAUFKL ¨ARUNG MITTELS KORRELATIONSFUNKTIONEN
3 Strukturaufkl¨arung mittels Korrelationsfunktionen
Nachdem im letzten Kapitel das Janusteilchenmodell und der Begriff der homogenen isotropen
Phase erl¨autert wurde, soll hier (aus ¨Ubersichtlichkeitsgr¨unden) der einfachere Fall, bei dem
die n-Teilchendichtefunktionen ρ(n) nicht von der Orientierung abh¨angen, betrachtet werden.
Auf dieser Annahme basierend, werden in den nachfolgenden Ausf¨uhrungen die Korrelations-
funktionen definiert. Die Betrachtungen lassen sich mit den entsprechenden Modifikationen
f¨ur den Fall, dass Orientierungsfreiheitsgrade vorliegen, verallgemeinern.
Im n¨achsten Abschnitt werden zun¨achst die verwendeten Notationen aus der Wahrschein-
lichkeitstheorie skizziert, um sp¨ater darauf aufbauend die Paarverteilungsfunktion und andere
Korrelationsfunktionen einf¨uhren zu k¨onnen. Anschließend wird die Paarverteilungsfunktion
im kanonischen Ensemble definiert (hierbei sind das Volumen V , die Teilchenzahl N und die
Temperatur T fest) und f¨ur Bulksysteme erweitert. Aus der Paarverteilungsfunktion werden
alle anderen Korrelationsfunktionen abgeleitet.
3.1 Wahrscheinlichkeitstheorie f¨ur kanonisches Ensemble
3.1.1 Notationen und Wahrscheinlichkeitsmaße
Die Korrelation ist ein Begriff aus der Wahrscheinlichkeitstheorie, der angibt, wie stark zwei
Zufallsvariablen oder Ereignisse miteinander zusammenh¨angen. Im Folgenden sollen die wich-
tigsten Notationen in diesem Zusammenhang angegeben werden, die im weiteren Verlauf der
Arbeit ben¨otigt werden (f¨ur Details siehe [42]).
Es seien (Ω, F, P) vorgegeben, wobei Ω einen Konfigurationsraum, F eine Ereignisalgebra
und P ein Wahrscheinlichkeitsmaß bezeichnet. Zwei Ereignisse A, B ∈ F heißen nun stochas-
tisch unabh¨angig oder unkorreliert, falls
P(A ∩ B) = P(A) · P(B)
erf¨ullt ist. Eine M¨oglichkeit, den Korrelationsbegriff einzuf¨uhren, besteht darin, den Quoti-
enten aus der linken und der rechten Seite zu bilden. Diese Funktion wird mit gA bezeichnet,
ist durch
gA(A, B) :=
P(A ∩ B)
P(A) · P(B)
f¨ur P(A) = 0 und P(B) = 0 (3)
definiert und l¨asst sich mit Hilfe der bedingten Wahrscheinlichkeit ausdr¨ucken als:
gA(A, B) =
P(A | B)
P(A)
. (4)
F¨ur gA(A, B) ergeben sich folgende Spezialf¨alle:
gA(A, B) =
P(A∩A)
P(A)·P(A) = 1
P(A) , f¨ur B = A
P(A)·P(B)
P(A)·P(B) = 1, f¨ur A und B unabh¨angig voneinander
P(A∩AC )
P(A)·P(B) = P(∅)
P(A)·P(B) = 0, f¨ur B = AC.
(5)
15
16. 3 STRUKTURAUFKL ¨ARUNG MITTELS KORRELATIONSFUNKTIONEN
Im kanonischen Ensemble ist das zu Grunde liegende Wahrscheinlichkeitsmaß das Gibbsmaß
PK : F → [0, 1]. Dieses ist im kanonischen Ensemble wie folgt definiert:
PK(E) := E dPK(ω ∈ E) = E
e−βH(ω)
ZK (β) dλ(ω) ∀E ∈ F.
H : Ω → R+ ist hierbei die Energiefunktion und ZK(β) die kanonische Zustandssumme.
F¨ur sie gilt:
ZK(β) =
Ω
dPK(ω ∈ Ω) =
Ω
e−βH(ω)
dλ(ω). (6)
Mit β wird die reziproke Temperatur bezeichnet. ¨Uber die Boltzmann-Konstante kB ist sie
wie folgt definiert: β = 1
kBT . Der ¨Ubergang vom Lebesque-Maß λ zu Orten und Impulsen kann
mit der Quantenstatistik erkl¨art werden. Dabei wird die Gleichung (6) wie folgt ausgedr¨uckt:
Z = tr e−β ˆH
.
Unter Benutzung der Vollst¨andigkeitsrelation 1 = |q, p q, p| dq dp
h kann die Zustandssumme
als Integration ¨uber Orte und Impulse aufgefasst werden. Das h bezeichnet das Plancksche
Wirkungsquantum und hat die Dimension einer Wirkung. Es ergibt sich
ZK(β) =
1
N!
·
1
h3N
e−βH(p1,...,pN ,r1,...,rN )
dp1...dpN dr1...drN .
Der Faktor 1
N! resultiert aus der Ununterscheidbarkeit der Teilchen. Wird vorausgesetzt, dass
in der Energiefunktion die Orts- und Impulskoordinaten durch
H(p1, ..., pN , r1, ..., rN ) = K(p1, ..., pN ) + V (r1, ..., rN ) (kinetischer Anteil K + potentieller
Anteil V ) entkoppelt werden, so folgt:
ZK(β) =
1
N!
·
1
h3N
e−βK(p1,...,pN )
dp1...dpN
2πm 1
β
3N
e−βV (r1,...,rN )
dr1...drN
=
1
N!
·
1
Λ3N
e−βV (r1,...,rN )
dr1...drN . (7)
F¨ur den kinetischen Anteil gilt: K(p1, ..., pN ) = N
j=1
p2
j
2m (werden Orientierungen mit hin-
zugenommen, so h¨angt K zus¨atzlich von den Eigendrehimpulsen ab). Dadurch k¨onnen die
Integrationen ¨uber die Impulse als Gaußintegrale aufgefasst werden. Das neu eingef¨uhrte
Λ := h
2πm 1
β
entspricht der thermischen Wellenl¨ange eines Teilchens der Masse m bei der
Temperatur T.
F¨ur das Wahrscheinlichkeitsmaß P f¨ur das Ereignis, dass in r1 bis ri ein Teilchen ist, gilt:
PK(E =
”
r1, ..., ri“)
=
1
(N − i)!
1
h3N
E e−βH(p1,...,pN ,r1,...,rN )dp1 . . . dpN dr1 . . . dridri+1 . . . drN
ZK(β)
=
1
(N − i)!
1
h3N
dr1 . . . dri
E e−βK(p1,...,pN )dp1 . . . dpN E e−βV (r1,...,rN )dri+1 . . . drN
ZK(β)
=
1
(N − i)!
1
Λ3N
dr1 . . . dri
E e−βV (r1,...,rN )dri+1 . . . drN
ZK(β)
. (8)
16
17. 3 STRUKTURAUFKL ¨ARUNG MITTELS KORRELATIONSFUNKTIONEN
Die Zustandsumme wird im Folgenden zu ˜ZK := ZK · N! · Λ3N umskaliert. Damit erh¨alt man
mit der Gleichung (8)
PK(E = “r1, ..., ri“) =
N
(N − i)!
E e−βV (r1,...,rN )dri+1 . . . drN
˜ZK(β)
ρ(i)(r1,...,ri)
dr1 . . . dri.
Hier ist ρ(i)(r1, . . . , ri) die i-Teilchenwahrscheinlichkeitsdichte. F¨ur die Normierung der Wahr-
scheinlichkeitsdichte gilt [36]:
ρ(i)
(r1, . . . , ri)dr1...dri =
N!
(N − i)!
. (9)
Leider kann f¨ur dieses Wahrscheinlichkeitsmaß kein g wie in Gleichung (3) definiert werden,
da die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen an einem bestimmten Ort ist, eine Nullmenge
darstellt (P(
”
r“) → 0). Um dieses Problem zu l¨osen, m¨ussen Annahmen gemacht werden. Da
sich das System im Gleichgewicht befindet und hohe Temperaturen herrschen, ist es nahe-
liegend, die Einteilchenwahrscheinlichkeitsdichte als homogen anzunehmen. Damit kann ¨uber
die Wahrscheinlichkeitsdichten eine Korrelation zweier Teilchen im kanonischen Ensemble
definiert werden.
3.1.2 Homogenit¨at und Paarverteilungsfunktion
Der Begriff Homogenit¨at ist in Abschnitt 2.3 definiert und steht f¨ur eine Translationsinvarianz
des Systems. Hier wird nat¨urlich von den R¨andern abgesehen (im thermodynamischen Limes,
der im n¨achsten Schritt definiert wird, gibt es keine R¨ander mehr).
Homogenisieren dieses Ausdrucks hieße, eine Mittelwertbildung < ... >:= V Tt...dt
V aus-
zuf¨uhren. Tt ist hierbei ein Translationsoperator, der auf alle Teilchen wirkt (in dem Fall nur
auf r1). Im Folgenden wird der Ausdruck ˜ρ(i)(r1, . . . , ri) homogenisiert, das heißt,
ρ
(i)
H (r1, . . . , ri) := ρ(i)
(r1, . . . , ri) = V Ttρ(i)(r1, . . . , ri)dt
V
.
In dieser Arbeit wird jedoch ρ nicht homogenisiert, sondern die Homogenit¨at wird bereits
gefordert. F¨ur die homogene Einteilchendichte gilt:
ρ
(1)
H (r1) = V Ttρ(1)(r1)dt
V
= V T−r1+tρ(1)(r1)d(−r1 + t)
V
= V ρ(1)(r1 − r1 + t)d(−r1 + t)
V
= V ρ(1)(t)dt
V
.
Mit Gleichung (9) folgt daraus:
ρ
(1)
H (r1) =
N
V
.
Durch die Homogenit¨at ist es m¨oglich, die Paarverteilungsfunktion gK : F1 × F1 → +
mit F1 := {{ω ∈ Ω | ein beliebiges Teilchen ist am Ort x} | x ∈ V } ⊂ F im kanonischen
Ensemble zu definieren. Sie lautet:
gK(A, B) =
ρ(2)(A ∩ B)
ρ · ρ
f¨ur A, B ∈ F1
17
18. 3 STRUKTURAUFKL ¨ARUNG MITTELS KORRELATIONSFUNKTIONEN
bzw. in der vereinfachten Schreibweise
gK(r1, r2) =
ρ(2)(r2 − r1)
ρ · ρ
.
Da das betrachtete System das Bulksystem ist, gibt es auch kein begrenztes Volumen. Um
das g f¨ur dieses System zu definieren, wird der thermodynamische Limes angewendet. Hierbei
geht N → ∞ und V → ∞ und zwar so, dass N
V erhalten bleibt und der Rand gegen¨uber dem
Volumen verschwindet. Damit folgt: gN → gTL =: g und PK → PTL =: P. Dieses g ist nun
die Paarverteilungsfunktion f¨ur ein Vielteilchensystem im thermodynamischen Limes.
Interpretation
Um die Paarverteilungsfunktion zu interpretieren, ist es g¨unstiger, zuerst die Radialvertei-
lungsfunktion zu verstehen. Diese ist f¨ur zus¨atzliche Isotropie in Bezug auf die Teilchenver-
bindungsvektoren definiert. Dabei gilt
g(r1, r2)
Homogenit¨at
−−−−−−−−→ g(0, r) = g(r)
Isotropie
−−−−−→ g(| r |) = g(r),
so dass
g(r) =
ρ
(2)
0 (r)
ρ2
0
folgt. Hierbei entspricht ρ0g(r) der Wahrscheinlichkeitsdichte f¨ur ein zweites Teilchen, wel-
ches sich in einem beliebigen, aber festen Punkt im Abstand r um Teilchen 1 befindet. Es
ist somit eine bedingte Wahrscheinlichkeitsdichte. ¨Uber die Wahrscheinlichkeitsdichte eines
dritten Teilchens ist im Allgemeinen jedoch nichts bekannt.
F¨ur den allgemeinen Fall der Anisotropie der Teilchenverbindungsvektoren gilt: ρ0g(r).
Dies entspricht dann der Wahrscheinlichkeitsdichte f¨ur ein zweites Teilchen, welches sich, um
r versetzt, zu Teilchen 1 befindet.
Eigenschaften der Paarverteilungsfunktion f¨ur Homogenit¨at
Die wichtigsten Eigenschaften der Paarverteilungsfunktion g seien im Folgenden zusammen-
gefasst.
(i) g ist unbeschr¨ankt,
(ii) g is positiv definit,
(iii) g = 1 f¨ur den Fall, dass keine Korrelation vorliegt,
(iv) g > 1 wenn die Anwesenheit von einem Teilchen in r1 die Anwesenheit von einem
zweiten Teilchen in r2 bevorzugt,
(v) g = 1 f¨ur große Abst¨ande (f¨ur große Abst¨ande liegt keine Korrelation mehr vor),
(vi) g = 0 wenn die Anwesenheit eines Teilchens die eines anderen ausschließt und
(vii) g strebt gegen unendlich, wenn die Anwesenheit eines Teilchens ein anderes bedingt.
18
19. 3 STRUKTURAUFKL ¨ARUNG MITTELS KORRELATIONSFUNKTIONEN
3.2 Weitere Korrelationsfunktionen
Die totale Korrelationsfunktion h ist ¨uber die Paarverteilungsfunktion g, die eine Korrela-
tionfunktion darstellt, definiert:
h = g − 1.
Sie betr¨agt Null, wenn keine Korrelation vorliegt. Insbesondere f¨ur große Abst¨ande ist sie
somit Null. Die totale Korrelationsfunktion kann in zwei Teile - in einen direkten Anteil
hdirekt und in einen indirekten Anteil hindirekt - zerlegt werden:
h = hdirekt + hindirekt.
Die Zerlegung wird dabei so gew¨ahlt, dass sie der sogenannten Ornstein-Zernike-Gleichung
entspricht (siehe Abschnitt 4.1). Sie ist hier vereinfacht dargestellt (Orte und eventuell zu-
geh¨orige Orientierungen sind mit Zahlen versehen):
h(12) = c(12) + η(12) mit η(12) = ρ(3)h(13)c(32)d(3). (10)
Wird ein System mit nur zwei Teilchen betrachtet, so entsprechen h und c einander und η
ist 0. Der direkte Anteil c bildet somit die direkte Korrelationsfunktion und η die indirekte
Korrelationsfunktion.
Die direkte Korrelationsfunktion c repr¨asentiert den Anteil, der angibt, auf welche Weise
die Wahrscheinlichkeiten f¨ur Teilchen an den Orten 1 und 2 direkt korrelliert sind. Den rest-
lichen Teil der Zerlegung bildet die indirekte Korrelationsfunktion η. Sie repr¨asentiert den
Anteil, der nicht direkt zwischen den beiden betrachteten Teilchen hervorgerufen wird. Die
Expansion von h als eine Entwicklung in ρ0 ist in Abschnitt 4.1 dargestellt.
Im Folgenden ist die diagrammatische Expansion der totalen Korrelationsfunktion abgebildet
(Genaueres in Abschnitt 4.1).
h(12) = g g+
1 2
g w g+
1 2
g w w g+
1 2
g w w w g+ . . .
1 2
Vorteile der Zerlegung
Der Informationsgehalt von c und h ist gleich (c kann direkt in h umgewandelt werden bei
gegebener Dichte). Das heißt, c ist durch h bzw. g eindeutig bestimmt. Durch eine zus¨atzliche
Relation, die h in c umwandelt, entsteht ein System aus zwei Gleichungen mit zwei un-
bekannten Funktionen, das rekursiv gel¨ost werden kann. Diese zus¨atzliche Relation wird als
Abschlussrelation der OZ-Integralgleichung bezeichnet. In sie fließt das Paarpotential mit ein.
Explizite Darstellung von c ¨uber die Ornstein-Zernike-Gleichung
Nun wird versucht, mit Hilfe der bereits bekannten Definition der totalen Korrelationsfunk-
tion
h(12) =
ρ(12)
ρ(1) · ρ(2)
− 1
die OZ-Gleichung (10) in die Form
X(13)Y (32)d(3) = δ(12)
19
20. 3 STRUKTURAUFKL ¨ARUNG MITTELS KORRELATIONSFUNKTIONEN
zu bringen [27]. Auch in diesem Falle wird die vereinfachte Notation verwendet, welche die
Orte ¨uber Zahlen beschreibt. Ist dies erf¨ullt, so ist Y = X−1. Es resultiert folgende Gleichung:
(ρ(13) − ρ(1) · ρ(3) + ρ(1) · δ(13))
=:G(13)
·
δ(31)
ρ(3)
− c(31) d(3)
mit G als Dichte-Dichte-Korrelationsfunktion. Damit ist c wie folgt definiert:
c(12) =
1
ρ(1)
· δ(12) − G−1
(12). (11)
Expliziter Ausdruck f¨ur c mit Hilfe der Dichtefunktionaltheorie
Die direkte Korrelationsfunktion c kann nach Gleichung (11) definiert werden. Jedoch ist eine
Definition, die unabh¨angig ist von anderen Korrelationsfunktionen ¨uber physikalische Gr¨oßen,
physikalisch von h¨oherem Nutzen. F¨ur die großkanonische Zustandsumme als Funktional der
Dichte in einem N-Teilchensystem ohne Orientierungsfreiheitsgrade gilt:
ZGK =
∞
N=0
e−βµN
ZK
=
∞
N=0
1
N!Λ3N
V
. . .
V
dr1 . . . drN exp β
V
dru(r)ˆρr1...rN (r) − βU(r1, . . . , rN ) .
(Orientierungen k¨onnen analog wie die Orte mit eingebaut werden. Sie sind jedoch auch hier
aus ¨Ubersichtlichkeitsgr¨unden vernachl¨assigt.) Hierbei ist
ˆρr1...rN (r) =
N
x=0
δ(rx − r) (12)
eine Funktion, die eine bestimmte Teilchenkonfiguration r1, . . . , rN beschreibt. Die Funktion u
fasst das externe Potential Vext(r) und das chemische Potential µ wie folgt zusammen: u(r) =
µ−Vext(r). Das Potential ist in einen Anteil U, der nur aus der Paarwechselwirkung resultiert
und einen Anteil Vext, der das externe Potential, das hier ortsabh¨angig auf jedes Teilchen
unabh¨angig von anderen Teilchen wirkt, aufgespalten. Die großkanonische Freie Energie kann
¨uber die Relation
Φ = −
1
β
lnZGK
mit Hilfe der großkanonischen Zustandssumme ausgedr¨uckt werden.
Wird die Variationsableitung des großkanonischen Energiefunktionals nach u gebildet, so
ergibt sich:
δΦ([u], [ˆρ])
δu(r)
= −
1
β
1
ZGK([u], [ˆρ])
δZGK([u], [ˆρ])
δu(r)
= −
1
β
βˆρ(r) = − ˆρ(r) = −ρ0(r). (13)
20
21. 3 STRUKTURAUFKL ¨ARUNG MITTELS KORRELATIONSFUNKTIONEN
Der zweifachen Ableitung entspricht die Dichte-Dichte-Korrelationsfunktion G:
δ2Φ([u], [ˆρ])
δu(˜r)δu(r)
= −
1
β
δ
δu(˜r)
1
ZGK([u], [ˆρ])
δZGK([u], [ˆρ])
δu(r)
= −
1
β
1
ZGK([u], [ˆρ])
δZGK([u], [ˆρ])
δu(˜r)
1
ZGK([u], [ˆρ])
δZGK([u], [ˆρ])
δu(r)
−
1
β
1
ZGK([u], [ˆρ])
δ2ZGK([u], [ˆρ])
δu(r)δu(˜r)
= − β (−ρ0(˜r)ρ0(r) + ˆρ(r)ˆρ(˜r) GK) . (14)
Der rechte Summand in der unteren Summe kann noch umgeformt werden zu
ˆρ(r)ˆρ(˜r) GK =
i=j
δ(r − ri)δ(˜r − rj) GK +
i
δ(r − ri)δ(˜r − ri) GK
= ρ
(2)
0 (r,˜r) + ρ0(r) · δ(r − ˜r).
Damit gilt schließlich
δ2Φ([u], [ˆρ])
δu(˜r)δu(r)
= −
δρ0(r)
δu(˜r)
= −βG(r,˜r). (15)
F¨ur c folgt weiter
c(r,˜r) =
δ(r − ˜r)
ρ(r)
− G−1
(r,˜r) =
δ(r − ˜r)
ρ(r)
−
1
β
δu(˜r)
δρ(r)
. (16)
Nun wird nach einer funktionalen Abh¨angigkeit von u([ρ]) gesucht. Diese Abh¨angigkeit wird
aus der Ableitung des großkanonischen Dichtefunktionals nach der Dichte gewonnen. Das
großkanonische Dichtefunktional lautet:
Φ([ρ]) = Fid([ρ]) + Fex([ρ]) −
V
u(r)ρ(r)dr. (17)
Fid ist die Freie Energie des Idealen Gases, Fex stellt den Unterschied der Freien Energie
des Idealen Gases zu der des wechselwirkenden Systems dar. Der letzte Summand kennzeich-
net den Anteil, der durch das ¨außere Potential Vext und durch das chemische Potential µ
hervorgerufen wird.
Die Gleichgewichtsdichte ρ0(r) hingegen kann aus δΦ([ρ])
δρ(r) = 0 gewonnen werden. Damit
kann u wie folgt geschrieben werden
u(r, [ρ]) =
δFid([ρ])
δρ(r)
+
δFex([ρ])
δρ(r)
.
Jetzt kann die Variationsableitung von u nach ρ bestimmt werden, so dass aus Gleichung (15)
G−1 bestimmt werden kann.
G−1
(r,˜r) = β
δu(r, [ρ])
δρ(˜r)
= β
δ2Fid([ρ])
δρ(˜r)δρ(r)
+
δ2Fex([ρ])
δρ(˜r)δρ(r)
=
δ(r − ˜r)
ρ(r)
+ β
δ2Fex([ρ])
δρ(˜r)δρ(r)
.
Mit dieser Relation wird aus Gleichung (16):
c(r,˜r) =
δ(r − ˜r)
ρ(r)
− G−1
(r,˜r) =
δ(r − ˜r))
ρ(r)
−
δ(r − ˜r)
ρ(r)
+ β
δ2Fex([ρ])
δρ(˜r)δρ(r)
.
21
22. 3 STRUKTURAUFKL ¨ARUNG MITTELS KORRELATIONSFUNKTIONEN
Zusammengefasst ergibt dies schließlich:
c(r,˜r) = −β
δ2Fex([ρ])
δρ(˜r)δρ(r)
. (18)
Die Ornstein-Zernike-Gleichung kann auch begr¨undet werden, indem mit Gleichung (18)
als Definition gestartet wird. Die Idee der Ornstein-Zernike-Gleichung wird erst durch die
diagrammatische Expansion intuitiv (siehe Abschnitt 4.1).
Die Korrelationsfunktionen lassen sich auch f¨ur den Fall von Orientierungsfreiheitsgraden
verallgemeinern. Um sie im kontinuierlichen Wahrscheinlichkeitsraum mit Ereignissen, wie
1≤i≤N
”
Teilchen i ist am Ort Ai mit Orientierung Bi“
definieren zu k¨onnen, muss wie beim Ort die Homogenit¨at bei der Winkelabh¨angigkeit analog
bei der Orientierung die Isotropie gefordert werden.
3.3 Experimentelle Methoden der Strukturaufkl¨arung
Experimentell kann die Struktur eines Fluides durch verschiedenste Methoden bestimmt wer-
den. Beispielsweise kann eine Anisotropie im Fluid die Polarisation oder die Durchl¨assigkeit
f¨ur Licht winkelabh¨angig beeinflussen. Das kann gemessen werden. Sollen die Orte der Teil-
chen untersucht werden, sind Streuexperimente geeignet. Im Folgenden wird gezeigt, wie aus
einem Streuexperiment das Streuverm¨ogen und somit die Paarverteilungsfunktion bestimmt
werden kann. In Abbildung 3 ist der schematische Aufbau zu erkennen (diese Abbildung ist
aus [37] entnommen).
Abbildung 3: Aufbau eines Streuexperiments zur Bestimmung des Strukturfaktors
Hierbei trifft Laserlicht der Wellenl¨ange λ auf die Teilchen, an denen es gestreut wird. Mit
Hilfe eines Detektors kann dann ein Intensit¨atsprofil in Abh¨angigkeit vom reziproken Git-
tervektor q aufgenommen werden. q ist durch die Streuwinkel gegeben. Das Intensit¨atsprofil
ist in der Regel jedoch konzentrisch um den Einfallsvektor konstant, da der Verbindungs-
vektor zweier beliebiger Teilchen meistens keine Vorzugsrichtung hat (jede Gitterkonstante
zeigt gleichm¨aßig in alle Richtungen). Ist dies der Fall, reicht ein Winkel ϑ zur Messung aus
22
23. 3 STRUKTURAUFKL ¨ARUNG MITTELS KORRELATIONSFUNKTIONEN
(das heißt ϑ bestimmt q). Die gemessene Intensit¨at in Abh¨angigkeit vom reziproken Gitter-
vektor q = 0 in einer festen Entfernung ist dabei proportional zum Formfaktor und zum
Strukturfaktor:
Intensit¨at (q) ∼ F(q)S(q) mit
F(q) - Formfaktor,
S(q) - Strukturfaktor.
Der Formfaktor kann in der Regel als konstant angesehen werden, da die Orientierung der
Teilchen f¨ur die Lichtreflektion kaum eine Rolle spielt. Das Licht kann nur an den Streu-
zentren, also den Teilchenorten, gestreut werden. Beim Beobachter kommen die gestreuten
Lichtwellen mit unterschiedlicher Phase an. In die Intensit¨at geht das Betragsquadrat der
Summe aus komplexen Phasen ein, wobei hier mit komplexer Phase Elemente des komple-
xen Einheitskreises gemeint sind. Es wird jedoch noch durch die Teilchenzahl normiert. Da
die Teilchenorte unbekannt sind (sonst w¨are das Experiment nicht sinnvoll), wird noch der
Ensemblemittelwert gebildet (es werden alle Kombinationen mit einer Wichtung summiert).
Das entsprechende Symbol ist < ... >. Der Strukturfaktor ist demnach [40]:
S(q) =<
1
N
| ΣN
i=1eiqT ri
|2
> .
Das Betragsquadrat kann auch wie folgt umgeschrieben werden:
S(q) = 1+ <
1
N
ΣN
i,j=1,i=jeiqT (ri−rj)
> .
Die Summe N
i,j=1 wird nun in Integrale ¨uberf¨uhrt, so dass ˆρ aus Gleichung (12) benutzt
werden kann:
S(q) = 1 +
1
N
< du dveiqT (u−v)
· Σiδ(u − ri)Σjδ(v − rj) >
= 1 +
1
N
< du dveiqT (u−v)
· ˆρ(u)ˆρ(v) > .
Durch Anwenden der Homogenit¨at kann erreicht werden, dass der Integrand nur von einer
Ortsvariablen abh¨angt. Der Ausdruck wird nun wie folgt vereinfacht:
S(q) = 1 +
V
N
< dreiqT r
· ˆρ(r)ˆρ(0) > −ρ0δ(q) = dreiqT r
·
ˆρ(r)ˆρ(0)
ρ0
− ρ0 + δ(r) .
Schließlich wird nun die Paarverteilungsfunktion eingesetzt:
S(q) = dreiqT r
·
ρ(2)(r)
ρ0
+ δ(r) − ρ0 = dreiqT r
· (ρ0 · g(r) − ρ0 + δ(r))
n(r)
.
Interpretation
Der Strukturfaktor entspricht der Fouriertransformierten des Streuverm¨ogens n(r), welches
durch n(r) := ρ0 · g(r) − ρ0 + δ(r) definiert ist. Es dr¨uckt somit aus, wie stark (in absolu-
ten Werten) die Dichte um ein Teilchen am Ort 0 von der homogenen Einteilchendichte ρ0
abweicht.
23
24. 4 INTEGRALGLEICHUNGSMETHODE
4 Integralgleichungsmethode
Die Integralgleichungsmethode ist ein wichtiges Hilfsmittel, um die Paarverteilungsfunktion
g aus einem gegebenen Paarpotential U zu berechnen. Das
”
Kernst¨uck“ der Integralglei-
chungsmethode (Genaueres in Abschnitt 4.3) wird aus einer Integralgleichung [34] und einer
sogenannten Abschlussrelation gebildet. Diese werden im Folgenden spezifiziert.
4.1 Ornstein-Zernike-Integralgleichung
Die Ornstein-Zernike-Gleichung (kurz OZ-Gleichung) dient zur Definition der direkten Kor-
relationsfunktion c aus der totalen Korrelationsfunktion h. Entwickelt wurde sie von Leonard
Ornstein und Frits Zernike im Jahre 1914 [36, 5, 28]. Sie beschreibt ganz allgemein eine
Zerlegung der totalen Korrelationsfunktion in einen direkten Anteil c := hdirekt und einen
indirekten Anteil η = hindirekt. Sie lautet:
h(12) = c(12) +
X
ρ(3)h(13)c(32)d(3)
η(12)
Homogenit¨at
=
Isotropie
c(12) + ˜ρ0
X
h(13)c(32)d(3). (19)
X bezeichnet hier den Raum der Orte und Orientierungen. Die OZ-Gleichung kann aus der
Dichtefunktionaltheorie hergeleitet werden (siehe [27]). F¨ur diese Vorgehensweise wird jedoch
c ben¨otigt, was die Idee der OZ-Gleichung nicht widerspiegelt. Der umgekehrte Weg, das
heißt, mit Hilfe der OZ-Gleichung c explizit zu definieren, wurde in Abschnitt 3.2 bereits
dargestellt. Die Idee der OZ-Gleichung kann besser verstanden werden, wenn sie ohne Re-
kursion aufgeschrieben und anschließend diagrammatisch dargestellt wird. Dadurch, dass die
OZ-Gleichung rekursiv definiert ist, l¨asst sie sich wie folgt umschreiben:
h(12) = c(12) +
X
ρ(3) c(13) +
X
ρ(4)h(14)c(43)d(4) c(32)d(3)
= c(12) +
X
ρ(3)c(13)c(32)d(3) +
X X
ρ(3)ρ(4)h(14)c(43)c(32)d(4)d(3)
= c(12) +
X
ρ(3)c(13)c(32)d(3) +
X X
ρ(3)ρ(4)c(14)c(43)c(32)d(4)d(3)
+
X X X
ρ(3)ρ(4)ρ(5)c(15)c(54)c(43)c(32)d(5)d(4)d(3) + . . . (20)
Da die Einteilchendichte jedoch homogen und isotrop ist, vereinfacht sich die OZ-Gleichung,
indem sie sich als Entwicklung nach Dichten darstellen l¨asst. Im hier betrachteten Fall (orien-
tierungsabh¨angig mit axialer Symmetrie) gilt ˜ρ0 = ρ0
vollen Raumwinkel = ρ0
4π . F¨ur Gleichung (20)
folgt damit
h(12) = c(12) + ˜ρ0
X
c(13)c(32)d(3) + ˜ρ2
0
X X
c(14)c(43)c(32)d(4)d(3) + . . . . (21)
In der rekursiven Schreibweise lautet sie nun
h(12) = c(12) + ˜ρ0
X
h(13)c(32)d(3)
η(12)
. (22)
24
25. 4 INTEGRALGLEICHUNGSMETHODE
Das bedeutet, dass die totale Korrelationsfunktion zwischen zwei bestimmten Teilchen so
umgeschrieben werden kann, dass sie von direkten Korrelationsfunktionen aller Teilchenpaare
abh¨angt. Die direkte Korrelationsfunktion zweier bestimmter Teilchen entspricht genau der
totalen Korrelationsfunktion, falls nur diese beiden Teilchen vorhanden sind. In diagramma-
tischer Schreibweise sieht diese Zerlegung nun wie folgt aus:
h(12) = g g
c
+
1 2
g w g
c c
+
1 2
g w w g
c c c
+
1 2
g w w w g
c c c c
+ . . .
1 2
Die weiß gef¨arbten Knoten kennzeichnen die betrachteten Teilchen und die schwarzen Knoten
stehen f¨ur eine Integration ¨uber dritte bzw. vierte Teilchen und so weiter. Die Bindungen
zwischen den Kreisen und Knoten werden als c-Bindungen bezeichnet, da c f¨ur die direkte
Korrelationsfunktion steht.
4.2 Abschlussrelationen
Die Abschlussrelation verkn¨upft die direkte Korrelationsfunktion c mit der Paarverteilungs-
funktion g, der Temperatur T und dem Paarpotential U. In diesem Abschnitt ist aufgef¨uhrt,
in welcher Art das
”
Potential of Mean Force“ ¨uber die Korrelationsfunktionen h und c aus-
gedr¨uckt werden kann und welche N¨aherungen vorgenommen werden (vergleiche [10]). Das
”
Potential of Mean Force“ wird mit W bezeichnet und implizit durch die Gleichung
g(12) = exp(−βW(12))
gegeben. Die zugeh¨orige Kraft
FMean force(1|2) = − 1W(12) =
1
β
1ln(g)(12)
kann als die Kraft angesehen werden, die Teilchen 1 im Durchschnitt erf¨ahrt, wenn Teilchen
2 festgehalten wird (siehe [37]). Daher r¨uhrt auch die Bezeichnung
”
Potential of Mean Force“.
Berechnen der Gleichgewichtsdichte in einem externen Potential
Zun¨achst besteht das Ziel darin, einen Ausdruck f¨ur die Gleichgewichtsdichte f¨ur das be-
trachtete Fluid unter dem Einfluss eines externen Potentials Vext zu berechnen. Dazu wird
das großkanonische Potential Φ als Funktional der Dichte ρ betrachtet.
Φ([ρ]) = Fref ([ρ]) + Fex([ρ])
F([ρ])
−µ
V
dr
S2
dΩρ(r, Ω)
N
+
V
dr
S2
dωρ(r, ω)Vext(r, Ω) (23)
Fref bildet den Referenz- und Fex den Wechselwirkungsbeitrag der Freien Energie F([ρ]). Als
Referenz dient ein System aus wechselwirkungsfreien, axialsymmetrischen Teilchen.
F¨ur Fref gilt allgemein
Fref = −
1
β
ln(Zref )
25
26. 4 INTEGRALGLEICHUNGSMETHODE
mit
Zref =
1
N!
1
h(3+2)N
e−βK(p1,...,pN ,l1,...,lN )
dl1 . . . dlN dp1 . . . dpN dΩ1 . . . dΩN r1 . . . drN
und dem Integrationsgebiet
=
R3
. . .
R3 S2
. . .
S2 R3
. . .
R3 T1
. . .
TN
.
Die Teilchen haben nur zwei Rotationsfreiheitsgrade. Dadurch liegt der jeweilige Drehimpuls
li (f¨ur das i-te Teilchen) in der Ebene senkrecht zur Symmetrieachse. Diese Ebene wird an
dieser Stelle mit Ti bezeichnet, d.h.
Ti = {x ∈ R3
| x ⊥ Symmetriesachse des i-ten Teilchens}.
F¨ur die kinetische Energie K (die Potentielle Energie ist per Definition gleich 0) gilt:
K(p1, ..., pN , l1, ..., lN ) =
N
j=1
(pj)2
2m
Translationsenergie von
Teilchen j
+
(lj)2
2I
Rotationsenergie von Teilchen j
(Masseverteilung als
kugelf¨ormig angenommen)
.
Nun kann die Zustandssumme Zref vereinfacht werden zu
Zref =
1
N!
V 2πI
β
Λ3 h2
4π
N
.
Im n¨achsten Schritt werden Terme so zusammengefasst, dass Zref die Gestalt einer Zustand-
summe des Idealen Gases besitzt:
Zref =
1
N!
V
˜Λ3
N
mit ˜Λ := Λ ·
h2 β
8π2I
1
3
.
Dadurch erh¨alt man f¨ur die Freie Energie des Referenzsystems analog zur Freien Energie des
Idealen Gases, folgendes Resultat:
Fref =
N
β
ln(˜Λ3
ρ) − 1
⇒ Fref ([ρ]) =
1
β V S2
ρ(r, ω) ln(˜Λ3
ρ(r, ω)) − 1 dΩ dr. (24)
Bis auf Fex sind nun alle Gr¨oßen in Gleichung (23) bestimmt.
F¨ur die Gleichgewichtsdichte ρ0 gilt nun
ρ(r, Ω) = ρ0(r, Ω) ⇔
δΦ([ρ])
δρ(r, Ω)
= 0. (25)
26
27. 4 INTEGRALGLEICHUNGSMETHODE
Mit Hilfe dieser Bedingung sowie Gleichung (23) und Gleichung (24) ergibt sich f¨ur die Gleich-
gewichtsdichte in einem externen Potential Vext die Formel
ρ0V (rX, ΩX) =
1
˜Λ3N
exp(βµ − βVext(rX, ΩX) −β
δFex([ρ])
δρ(rX, ΩX)
|ρ0V
c(1)([ρ0V ],rX ,ΩX )
). (26)
Der letzte Summand im Exponenten definiert zugleich die direkte Einteilchenkorrelations-
funktion c(1).
Entwicklung des
”
Potential of Mean Force“ in Korrelationsfunktionen
F¨ur die Gleichgewichtsdichte ohne externes Potential Vext gilt zun¨achst
˜ρ0 =
1
˜Λ3
exp(βµ − β
δFex([ρ])
δρ(rX, ΩX)
|˜ρ0 ) =
1
˜Λ3N
exp(βµ + c(1)
([˜ρ0])). (27)
Diese Gleichung kann wie folgt ¨aquivalent umgeformt werden:
1 =
˜ρ0
1
˜Λ3N
exp(βµ + c(1)([˜ρ0]))
. (28)
Benutzt man nun die Identit¨at (28) f¨ur die Gleichung (26), so kann diese in die Form
ρ0V (rX, ΩX) =
˜ρ0
1
˜Λ3N
exp(βµ − c(1)([˜ρ0]))
1
˜Λ3N
exp(βµ − βVext(rX, ΩX)
+ c(1)
([ρ0V ], rX, ΩX))
= ˜ρ0exp(−βVext(rX, ΩX) + c(1)
([ρ0V ], rX, ΩX) − c(1)
([˜ρ0])) (29)
gebracht werden. Diese Gleichgewichtsdichte kann als bedingte Gleichgewichtsdichte angese-
hen werden, wenn man das externe Potential als Bedingung auffasst. Wird nun Vext(rX, ΩX) =
U(rX, ΩX, rY , ΩY ) gesetzt, mit U als das Paarpotential der betrachteten Janusteilchen (siehe
Gleichung (2)), repr¨asentiert ein festes Teilchen die Bedingung in obiger Gleichung. Das heißt,
in rY wird ein Teilchen platziert, welches mit ΩY orientiert ist. Dann wird die Gleichgewichts-
dichte ρ0(rX, ΩX) zu ˜ρ0 g(rX, rY , ΩX, ΩY ).
Mit der Homogenit¨at folgt nun
˜ρ0 g(rX, rY , ΩX, ΩY ) = ˜ρ0 g(rX − rY , ΩX, ΩY ) = ˜ρ0 g(r, ΩX, ΩY ) =: ρ0Y (r, ΩX).
Die Gleichung (29) wird schließlich vereinfacht zu
g(r, ΩX, ΩY ) = exp(−βU(r, ΩX, ΩY ) + c(1)
([ρ0Y ], r, ΩX) − c(1)
([˜ρ0])). (30)
Der Term c(1)([ρ0Y ], r, ΩX) − c(1)([˜ρ0]) kann wiederum ¨uber Zweiteilchenkorrelationsfunktio-
nen ausgedr¨uckt werden. Allgemein werden dazu die direkten Einteilchenkorrelationsfunktio-
nen c(1)([ρ0Y ], r, ΩX) und c(1)([˜ρ0]) ¨uber eine Integration einer Zweiteilchenkorrelationsfunk-
tion c(2)([τ], r, ΩX, rI, ΩI) ausgedr¨uckt. Es gilt der Zusammenhang
c(1)
([ρ0Y ], r, ΩX) − c(1)
([˜ρ0]) = drI dΩI
ρ0Y
˜ρ0
dτ c([τ], r, ΩX, rI, ΩI). (31)
27
28. 4 INTEGRALGLEICHUNGSMETHODE
F¨ur die Dichtefunktion τ wird hierbei abh¨angig von einem Parameter λ gew¨ahlt:
τ = τλ = ˜ρ0 + λ (ρ0Y − ˜ρ0) .
Die Wahl des Dichtepfades beeinflusst nicht den Wert des Integrals, so lange der Weg die glei-
chen Anfangs- und Enddichten besitzt. Das kann aus dem Hauptsatz der Analysis begr¨undet
werden (vergleiche [15]). Mit Hilfe der Integralsubstitution l¨asst sich aus (31) die Identit¨at
c(1)
([ρ0Y ], r, ΩX) − c(1)
([˜ρ0])
= drI dΩI (ρ0Y (r, ΩX) − ˜ρ0)
=˜ρ0 (
ρ0Y (r,ΩX )
˜ρ0
−1)=˜ρ0 h(r,ΩX ,ΩY )
1
0
dλ c([τλ], r, ΩX, rI, ΩI) (32)
ableiten.
Da die Funktion c([ρλ], r, ΩX, rI, ΩI) im Allgemeinen nicht bekannt ist, werden N¨aherungen
dazu vorgenommen. Die Gleichung (32) kann umgeschrieben werden zu
c(1)
([ρ0,1], 2) − c(1)
([˜ρ0]) = ˜ρ0
X
d(3) h(13)
1
0
dλ c([τλ,12], 32), (33)
womit die Paarverteilungsfunktion (30) die Form
g(12) = exp(−βW(12)) = exp(−βU(12) + ˜ρ0
X
d(3) h(13)
1
0
dλ c([τλ,12], 32)) (34)
annimmt.
Hypernetted-chain - Abschlussrelation (HNC)
In der HNC-Abschlussrelation [23] wird Gleichung (33) so gen¨ahert, dass die direkte Kor-
relationsfunktion f¨ur den Dichtepfad c([τλ], 32) durch die direkte Korrelationsfunktion mit
der homogenen Dichte ersetzt wird, das heißt, c([˜ρ0], 32) = c(32).
Der Term ˜ρ0 X d(3) h(13)
1
0 dλ c([τλ,12], 32) in (33) wird somit zu ˜ρ0 X d(3) h(13)c(32), was
dem Faltungsterm der Ornstein-Zernike-Gleichung f¨ur eine homogene und isotrope Einteil-
chendichte entspricht und somit die Indirekte Korrelation η(12) darstellt. Es ergibt sich
g(12) ≈ e−βU(12)+h(12)−c(12)
= e−βU(12)+η(12)
. (35)
Harte-Kugel-Bedingung
F¨ur das betrachtete Potential in Gleichung (2) ergeben sich allerdings f¨ur den Fall r < σ
Probleme, da in diesem Fall U(r) = ∞ wegen der Harten Kugeln gilt. Hier muss die Iden-
tit¨at g = 0 bzw. h = −1 gelten. Da jedoch c nicht bestimmt werden kann, muss eine andere
Abschlussbedingung genommen werden. Diese lautet
c(12) = −1 − η(12). (36)
Im Anhang in Absatz D.3 wird darauf eingegangen, wie die Harte-Kugel-Bedingung durch
die Bedingung, dass h = −1 sein muss, motiviert werden kann.
28
29. 4 INTEGRALGLEICHUNGSMETHODE
Bridge-Funktion
Da die HNC-Abschlussrelation nicht exakt ist, sorgt eine Bridge-Funktion nun daf¨ur, dass
die HNC-Abschlussrelation zur exakten Abschlussrelation korrigiert wird. W¨are hingegen die
exakte Abschlussrelation bekannt, m¨usste der Algorithmus auch nicht rekursiv ausgef¨uhrt
werden. Der Ansatz basiert darauf, dass die Gleichung (32) wie folgt umgeschrieben wird:
g(12) = e−βU(12)+h(12)−c(12)+B(12)
= e−βU(12)+
w(12):=
η(12) + B(12). (37)
Der Ausdruck w(12), welches in (37) definiert ist, ist identisch mit (31). Es entspricht dem
”
Potential of Mean Force“ abz¨uglich des Paarpotentials U. Die Bridge-Funktion tr¨agt diesen
Namen, weil die diagrammatische Schreibweise aus Br¨uckendiagrammen besteht. Der Forma-
lismus zu den Diagrammen kann in [36] bzw. in [23] nachgelesen werden. In der HNC-Theorie
kommen nur Kettendiagramme vor (Diagramme, bei denen mindestens ein Knoten vorhanden
ist).
Es werden die Diagramme von w(12) definiert:
w(12) =
”the sum of all distinct connected diagrams consisting of two
non-adjacent white 1-circles, labeled 1 and 2, at least one black,
ρ(1)-circle and f-bonds, such that the two white circles do not
form an articulation pair“
=: X,
sowie die von η(12):
η(12) =
”sum of all distinct diagrams consisting of two white 1-circles, labeled 1
and 2, black ρ(1)-circles and f-bonds, which are free of articulation
circles but have at least one nodal circle“
=: Y.
Hier ist auf eine deutschsprachige ¨Ubersetzung dieser Diagramme verzichten aus [36] verzich-
tet worden, da mir bislang keine ¨Ubersetzungen bekannt sind. Die sogenannten
”
f-bonds“
sind durch Mayer-Funktionen, welche in der Regel mit f bezeichnet werden, gegeben (genau-
er: f(12) = e−βU(12) − 1, siehe [36, 23]). Aus den Definitionen folgt, dass die Diagramme von
η(12) in w(12) enthalten sind. In der HNC-Theorie gilt nun Beziehung
w(12) ≈ η(12) =: wHNC(12).
Dies bedeutet, dass wHNC(12) aus allen Diagrammen X Y bzw. aus allen Diagrammen von
w(12) besteht, die frei von Knotenkreisen (engl. nodal circles) sind. Die Bridge-Funktion ist
somit gleich 0.
Genauigkeit der HNC-N¨aherung
Die HNC-Abschlussrelation wird f¨ur große Abst¨ande exakt bestimmt, so dass sie f¨ur langreich-
weitige Potentiale gut geeignet ist. Weiterhin eignet sie sich f¨ur attraktive Wechselwirkungen.
Im hier betrachteten Paarpotential (Gleichung 2) sind sowohl attraktive als auch repulsive
Wechselwirkungen vorhanden. Bei kleinen Abst¨anden ist die HNC-N¨aherung unzureichend
29
30. 4 INTEGRALGLEICHUNGSMETHODE
und wird durch andere N¨aherungen, wie zum Beispiel durch die Percus-Yevick-N¨aherung,
gegeben durch
c(12) ≈ g(12) − exp(−βW(12) − U(12)), (38)
ersetzt. Auch eine Mischung aus beiden N¨aherungen ergibt eine sinnvolle Abschlussrelati-
on, die als Roger-Young-N¨aherung bezeichnet wird. Es kann noch eine weitere Methode
verwendet werden, um die HNC-Abschlussrelation ohne Mehraufwand zu verbessern. Da-
bei wird die Bridge-Funktion geeignet gen¨ahert. Das hat eine erhebliche Verbesserung der
HNC-Abschlussrelation im Nahbereich zur Folge. F¨ur eine ausf¨uhrliche Abhandlung dieser
Thematik sei auf die Monografie [37] verwiesen.
Reference Hypernetted Chain - Abschlussrelation (RHNC)
In der RHNC-Abschlussbedingung [24] wird die Bridge-Funktion durch die einer bekannten
Referenz ersetzt, wodurch sich die Beziehung
g(12) ≈ e−βU(12)+η(12)+BRef (12)
mit
BRef (12) = βURef (12) − ηRef (12) + ln(gRef (12)) (39)
ergibt. Der Fall U = Uref impliziert die G¨ultigkeit obiger Gleichung (39) und damit die
Exaktheit der N¨aherung. In dieser Betrachtung werden Harte Kugeln verwendet, weil sie
zum einen dem Janus-Teilchenmodell zu Grunde liegen und zum anderen, weil die Bridge-
Funktion numerisch leicht zu handhaben ist. Letzteres h¨angt damit zusammen, dass bei den
Harten Kugeln alle Korrelationsfunktionen nur radial abh¨angig sind, womit es deren Bridge-
Funktion auch ist. Dadurch kann sie in Rotationsinvarianten geschrieben werden, bei der nur
eine konstante Rotationsinvariante als Basisvektor vorkommt (Details dazu sind in Kapitel 7
zu finden).
4.3 Anwendung der Integralgleichungsmethode
Die Integralgleichungsmethode l¨asst sich mittels eines rekursiven L¨osungsalgorithmus imple-
mentieren. Dabei werden, abh¨angig von einer Startfunktion der gesuchten Funktion, die In-
tegralgleichung und die Abschlussrelation abwechselnd ausgewertet. Nach jedem i-ten Zyklus
wird die (i + 1)-te N¨aherungsl¨osung berechnet, indem alte N¨aherungsl¨osungen und die des
aktuellen Zyklus kombiniert werden. Dieser rekursive Vorgang ist im Folgenden grafisch ver-
anschaulicht.
30
31. 4 INTEGRALGLEICHUNGSMETHODE
?
?
?
?
U, cstart,hstart,ρ,βVoraussetzungen
hi
Abschlussrelation cneu = cneu U, hi, β
Ornstein-Zernike-Gleichung hneu = hneu (cneu, ρ)
Mischen ci+1 = ci+1 . . . , ci−1, ci, cneu
hi+1 = hi+1 . . . , hi−1, hi, hneu
Schleife
Abbildung 4: L¨osungsschema der Integralgleichungsmethode
Gegeben sind hierbei das Paarpotential U, ein Anfangswert f¨ur die direkte Korrelati-
onsfunktion cstart, ein Startwert f¨ur die totale Korrelationsfunktion hstart sowie die Dichte
ρ und die inverse Temperatur β. Die Abschlussrelation erzeugt aus dem Paarpotential U,
der inversen Temperatur β und der totalen Korrelationsfunktion nach i-Iterationen eine neue
N¨aherung der direkten Korrelationsfunktion. Mit ihr und der Dichte ρ kann in der Ornstein-
Zernike-Integralgleichung wiederum eine neue N¨aherung der totalen Korrelationsfunktion h
berechnet werden. Anschließend wird im Mischvorgang mit den neu berechneten Korrelati-
onsfunktionen und den alten Korrelationsfunktionen die (i + 1)-te L¨osung berechnet und der
Zyklus kann erneut beginnen. Die numerische Realisierung dieses L¨osungsschemas sowie die
unterschiedlich eingesetzten Techniken, zum Erreichen einer hohen Genauigkeit, werden im
Kapitel 7 erl¨autert.
31
32. 5 STABILIT ¨ATSGRENZE DURCH DICHTEFUNKTIONALTHEORIE
5 Stabilit¨atsgrenze durch Dichtefunktionaltheorie
Die homogene isotrope Phase ist nicht f¨ur alle Temperaturen und Packungsdichten sta-
bil. Im großkanonischen Ensemble k¨onnen aus der Paarkorrelationsfunktion nahe der Sta-
bilit¨atsgrenze Aussagen ¨uber die Strukturen jenseits der homogenen und isotropen Phase
gemacht werden. Hierbei sind die Temperatur T, das chemische Potential µ und das Volumen
V fest vorgegeben. Der stabile Bereich ist dadurch gekennzeichnet, dass die vorgegebene ho-
mogene isotrope Dichte ˜ρ0 als Gleichgewichtsdichte des großkanonischen Potentials fungiert.
Das heißt, das großkanonische Potential Φ h¨angt von der Dichtefunktion ab und nimmt bei
˜ρ0 ein Minimum ein, so dass selbst kleine St¨orungen den Potentialwert dort nur erh¨ohen
k¨onnen (siehe [10, 29, ?, 31]). Erst wenn die homogene isotrope L¨osung instabil wird, treten
Strukturbildungsprozesse auf. Im Folgenden soll eine Dichteabweichung von δρ = ρ − ˜ρ0 mit
der homogen isotropen Dichte ˜ρ0 = ρ0
4π untersucht werden. Die dadurch gegebene St¨orung des
großkanonischen Potentials Φ l¨asst sich als
δΦ = Φ[ρ0 + δρ] − Φ[ρ0]
aufschreiben. Der Potentialwert Φ[˜ρ0 + δρ] kann ¨uber eine Taylorentwicklung um ˜ρ0 als
Φ[˜ρ0 + δρ] = Φ[˜ρ0] +
X
δΦ
δρ(1)
[˜ρ0]
=0
δρ(1) d(1) +
X X
δ2Φ
δρ(1)δρ(2)
[˜ρ0]δρ(1)δρ(2)d(1)d(2) + . . .
ausgedr¨uckt werden. Dabei bezeichnet X den Konfigurationsraum aus Orten und Orientie-
rungen (X = V × S2). Damit ergibt sich
δΦ[ρ] ≈
X X
δ2Φ
δρ(1)δρ(2)
[˜ρ0]δρ(1)δρ(2)d(1)d(2). (40)
Die zweifache Variationsableitung des großkanonischen Potentials nach der Dichte im Gleich-
gewicht kann ¨uber die direkte Korrelationsfunktion c beschrieben werden (siehe (17) zusam-
men mit (18) und (24)):
δ2Φ
δρ(2)δρ(1)
[˜ρ0] =
1
β
δ(12)
˜ρ0
− c(12) . (41)
Falls der obige Ausdruck f¨ur alle Konfigurationen von r1 und Ω1 sowie r2 und Ω2 positiv
ist, so ist die gew¨ahlte (µ, V, T)-Konfiguration zur stabilen homogenen und isotropen Phase
zugeh¨orig und man erh¨alt
δΦ[ρ] > 0, (42)
was auch als Stabilit¨atsbedingung bezeichnet wird. Im n¨achsten Abschnitt wird gezeigt, wie
die Bedingung (42) als ein Eigenwertproblem zu einer passenden Stabilit¨atsmatrix umformu-
liert werden kann. Am Ende dieses Kapitels in Abschnitt 5.2 sollen dann wichtige Eigenschaf-
ten dieser Matrix studiert werden.
5.1 Stabilit¨atsmatrix
Ein
”
verschwindender“ Eigenwert charakterisiert eine bestimmte divergierende Fluktuation
[29], die daf¨ur sorgt, dass die Ungleichung (42) verletzt wird. Zun¨achst werden die Gleichungen
32
33. 5 STABILIT ¨ATSGRENZE DURCH DICHTEFUNKTIONALTHEORIE
(40) und (41) in die Stabilit¨atsbedingung (42) eingesetzt und man erh¨alt
S2
dΩ1
R
dr1
S2
dΩ2
R
dr2 δρ(r1, Ω1)
δ(r2 − r1) δ(Ω2 − Ω1)
˜ρ0
− c(r2 − r1, Ω1, Ω2) δρ(r2, Ω2) > 0. (43)
Die Dichtefluktuationen k¨onnen ¨uber ihre Fourierkoeffizienten ausgedr¨uckt werden:
δρ(r1(2), Ω1(2)) =
W
dk1(2) e−ik1(2)r1(2) δˆρ(k1(2), Ω1(2)). (44)
Mit den Indizes 1(2) wird verdeutlicht, dass obige Identit¨at f¨ur Index 1 und 2 gilt. Außerdem
erh¨alt man dadurch, dass der Imagin¨arteil der Dichtefunktion δρ(r2, Ω2) verschwindet (wie
sp¨ater noch ersichtlich wird), die adjungierte Darstellung
δρ(r2, Ω2) = δρ∗
(r2, Ω2) =
W
dk2eik2r2
δˆρ∗
(k2, Ω2). (45)
Der Wellenzahlraum wird in diesem Falle mit W bezeichnet (bei einem endlichen zusam-
menh¨angenden Volumen ist er diskret). Die linke Seite aus Ungleichung (43) l¨asst sich mit
(44) und (45) als
S2
dΩ1
V
dr1
S2
dΩ2
V
dr2
W
dk1
W
dk2ei(k2r2−k1r1)
δˆρ(k1, Ω1)
δ(r2 − r1) δ(Ω2 − Ω1)
˜ρ0
− c(r2 − r1, Ω1, Ω2) δˆρ∗
(k2, Ω2)
schreiben. Nach einer Integraltransformation r2 → r + r1 folgt:
S2
dΩ1
S2
dΩ2
W
dk1
W
dk2
V
dr1ei(k2−k1)r1
δ(k2−k1)
δˆρ(k1, Ω1)
V
dr eik2r δ(r) δ(Ω2 − Ω1)
˜ρ0
− c(r, Ω1, Ω2)
( )
δˆρ∗
(k2, Ω2).
Der mit ( ) bezeichnete Ausdruck ist die Fouriertransformierte von δ(r) δ(Ω2−Ω1)
˜ρ0
−c(r, Ω1, Ω2).
Insgesamt erh¨alt man
S2
dΩ1
S2
dΩ2
W
dk δˆρ(k, Ω1)
δ(Ω2 − Ω1)
˜ρ0
− c(k, Ω1, Ω2) δˆρ∗
(k, Ω2) > 0. (46)
Im n¨achsten Schritt werden die einzelnen Funktionen im Integranden in einer winkelabh¨angigen
Basis entwickelt.
• Korrelationsfunktion c:
c(k, Ω1, Ω2) =
l1,l2,χ
cl1,l2
χ (k)Ψl1,l2
χ (Ω1 + Ωk, Ω2 + Ωk)
Isotropie
−−−−−→
l1,l2,χ
cl1,l2
χ (k · ez)
c
l1,l2
χ (k)
Ψl1,l2
χ (Ω1, Ω2)
33
34. 5 STABILIT ¨ATSGRENZE DURCH DICHTEFUNKTIONALTHEORIE
mit
Ψl1,l2
χ (Ω1, Ω2) = 4π
Yl1,χ(Ω1)Yl2,−χ(Ω2)
(2l1 + 1)(2l2 + 1)
= 4π
(−1)χ Y ∗
l1,−χ(Ω1)Yl2,−χ(Ω2)
(2l1 + 1)(2l2 + 1)
,
• Dichtefunktion δˆρ:
δˆρ(k, Ω1) =
l,m
δˆρl
m(k)Yl,m(Ω1)
• adjungierte Dichtefunktion δˆρ∗:
δˆρ∗
(k, Ω2) =
l ,m
(δˆρl
m (k))∗
Y ∗
l ,m (Ω2).
Durch die Orthonormalit¨atsrelation f¨ur Ω1
S2
dΩ1Yl,m(Ω1)Y ∗
l1,−χ(Ω1) = δl1,l δm,−χ,
als auch f¨ur Ω2
S2
dΩ2Yl2,−χ(Ω2)Y ∗
l ,m (Ω2) = δl2,l δm ,−χ,
vereinfacht sich die Ungleichung (46) zu
W
dk
l1,l2,χ
δˆρl1
χ (k)
δl1,l2
˜ρ0
− 4π
(−1)χ cl1,l2
χ (k)
(2l1 + 1)(2l2 + 1)
(δˆρl2
χ (k))∗
> 0. (47)
Da χ symmetrische Werte annimmt, kann χ in dieser Umformung durch −χ ersetzt werden.
Die Ungleichung (47) wird anschließend mit ˜ρ0 multipliziert und es ergibt sich
W
dk
χ l1,l2
δˆρl1
χ (k) δl1,l2 − ρ0
(−1)χ cl1,l2
χ (k)
(2l1 + 1)(2l2 + 1)
=:[Mχ(k)]l1,l2
(δˆρl2
χ (k))∗
> 0. (48)
Es sei mit Mχ(k) die Stabilit¨atsmatrix bezeichnet. Sie h¨angt von k und auch von χ ab. Bei
der Umformung wurde die Summation von χ mit l1 und l2 vertauscht, wodurch
lmax
l1=0
lmax
l2=0
χ=Min(l1,l2)
χ=−Min(l1,l2)
zu
lmax
χ=−lmax
lmax
l1=χ
lmax
l2=χ
¨ubergeht. In der Matrixdarstellung sieht Gleichung (48) nun folgendermaßen aus:
W
dk
χ
δˆρχ(k)Mχ(k)(δˆρχ(k))∗
> 0, (49)
34
35. 5 STABILIT ¨ATSGRENZE DURCH DICHTEFUNKTIONALTHEORIE
wobei δˆρχ(k) den Zeilenvektor δˆρχ
χ(k) δˆρχ+1
χ (k) . . . δˆρlmax
χ (k) repr¨asentiert. Da die Un-
gleichung (49) f¨ur alle δˆρχ(k) gelten soll, muss die Ungleichung f¨ur jedes k und jedes χ
unabh¨angig voneinander erf¨ullt sein. Dies ergibt
δˆρχ(k)Mχ(k)(δˆρχ(k))∗
> 0. (50)
Diese so entstandene quadratische Form ist genau dann positiv definit, wenn die Stabi-
lit¨atsmatrix Mχ(k) positiv definit ist, also nur positive Eigenwerte besitzt [29].
5.2 Informationen aus der Stabilit¨atsmatrix
Die Interpretation der Stabilit¨atsbedingung (50) kann durch eine Darstellung in Summen-
schreibweise veranschaulicht werden, das heißt,
a,b
[δˆρχ(k)]a[Mχ(k)]ab([δˆρχ(k)]b)∗
> 0.
Die Indizes a und b kennzeichnen das jeweilige Vektor- bzw. Matrixelement. [Mχ(k)]ab fungiert
somit als komplexes Gewicht der Fluktuation [δˆρχ(k)]a([δˆρχ(k)]b)∗ in der Stabilit¨atsbedingung.
Im Anhang Abschnitt F.2 ist aufgezeigt, wie die Stabilit¨atsmatrix Mχ ¨uber die totale
Korrelationsfunktion bestimmt werden kann. F¨ur die inverse Stabilit¨atsmatrix gilt dann die
Gleichung
[M−1
χ ]l1,l2 (k) = δl1,l2 + (−1)χ ρ0
√
2l1 + 1
√
2l2 + 1
hl1,l2
χ (k). (51)
Diese inverse Matrix soll im Folgenden ausf¨uhrlicher studiert werden.
Interpretation der Matrixelemente von M−1
χ (k) im Ortsraum
Die Gleichung (51) kann auf nachfolgende Weise algebraisch umgeformt und anschließend
approximiert werden:
˜hl1,l2
χ (k) = ([M−1
χ ]l1,l2 (k) − δl1,l2 )
√
2l1 + 1
√
2l2 + 1(−1)χ
ρ0
≈ [M−1
χ ]l1,l2 (k)
√
2l1 + 1
√
2l2 + 1(−1)χ
ρ0
.
Die N¨aherung erscheint auch f¨ur Diagonalelemente sinnvoll, sofern ein Element aus M−1
χ stark
dominiert und solange dieser Beitrag endlich ist, hat er keinen Einfluss auf die ¨ortliche totale
Korrelationsfunktion h(r, ...).
Um den Einfluss zu untersuchen, den diese Funktion bei k = p auf den Ortsraum aus¨ubt,
wird zun¨achst ein neuer Koeffizient definiert:
˜l1,l2
χ (k) := hl1,l2
χ (k)δ(k − p). (52)
Hieraus kann der raumfeste Koeffizient ˜l1,l2,l(k) berechnet werden. Dieser Koeffizient charak-
terisiert die Fluktuation der totalen Korrelationsfunktion im Fourierraum. Das Dirac-Delta
35
36. 5 STABILIT ¨ATSGRENZE DURCH DICHTEFUNKTIONALTHEORIE
δ(k −p) in der Definition sorgt daf¨ur, dass bei der ¨Uberf¨uhrung von ˜l1,l2
χ (p) in den Ortsraum
die ortsabh¨angige totale Korrelationsfunktion nicht verschwindet. Es wird angenommen, dass
˜˜l1,˜l2
˜χ = 0 f¨ur (˜l1, ˜l2, ˜χ) = (l1, l2, χ) gilt, um nur den Einfluss eines Matrixelements zu untersu-
chen. Nun folgt eine Transformation in den zugeh¨origen raumfesten Koeffizient, verm¨oge
˜l1,l2,l
(k) =
4π
2l + 1
CG(l1, l2, l, χ, −χ, 0)˜l1,l2
χ (k).
Diese Funktion wird anschließend wiederum in den Ortsraum ¨uberf¨uhrt und man erh¨alt
l1,l2,l
(r) =
(−i)l
2π2
∞
0
dkk2
jl(k · r)˜l1,l2,l
(k).
Durch Einsetzen von Gleichung (52) ergibt sich
l1,l2,l
(r) =
(−i)l
2π2
4π
2l + 1
CG(l1, l2, l, χ, −χ, 0)˜l1,l2
χ (p) p2
=:q
l1,l2,l
χ (p)
jl(p · r).
Der radiale Koeffizient besteht aus einer sph¨arischen Besselfunktion jl(p · r), welche mit
ql1,l2,l
χ (p) skaliert und mit 1
p gestreckt ist. In Abbildung 5 sind die sph¨arischen Besselfunktionen
f¨ur l = 0, . . . , 4 zu sehen.
-0.6
-0.4
-0.2
0
0.2
0.4
0.6
0.8
1
0 5 10 15 20
jl(x)
x
j0
j1
j2
j3
j4
Abbildung 5: Sph¨arische Besselfunktionen
Man erh¨alt im Ortsraum die Summendarstellung
(r, Ω1, Ω2, Ω) =
l
ql1,l2,l
χ (p) jl(p · r)Φl1,l2,l
(Ω1, Ω2, Ω),
wobei hier angemerkt sei, dass (r, Ω1, Ω2, Ω) nur den Einfluss von [M−1
χ (k)]l1,l2 auf die totale
Korrelationsfunktion wiedergibt.
Dominante Fluktuationen
36
37. 5 STABILIT ¨ATSGRENZE DURCH DICHTEFUNKTIONALTHEORIE
Aus der Diagonalisierbarkeit der Stabilit¨atsmatrix Mχ(k) (dies folgt aus der Diagonalisier-
barkeit der Cχ(k)-Matrix im Anhang in Abschnitt F.3) folgt, dass eine Basis {vi} aus Ei-
genvektoren mit den jeweiligen Eigenwerten {λi} existiert. Um die dominierende Fluktuation
zu bestimmen, wird die Stabilit¨atsmatrix einer Konfiguration f¨ur verschiedene Temperatu-
ren ausgerechnet. Konvergiert dabei ein Eigenwert gegen Null, gibt es Fluktuationen, die zur
Instabilit¨at f¨uhren. Daher l¨asst sich die dominierende Fluktuation durch diesen Eigenvektor
beschreiben. Mit ihm kann bestimmt werden, welcher Anteil der totalen Korrelationsfunktion
zur Divergenz f¨uhrt. In [29, 30] ist beschrieben, wie aus einem verschwindenden Eigenwert
mit dem zugeh¨origen Eigenvektor die instabile Dichtefluktuation analysiert werden kann. Im
Folgenden ist konkret dargestellt, welche ¨Anderungen eine starke Fluktuation in der totalen
Korrelationsfunktion bewirkt. Da in diesem Modell die Stabilit¨atsmatrizen hermitesch sind
(siehe Anhang Abschnitt F.1), was eine eine schwierige Interpretation der Eigenvektoren zur
Folge hat, hat sich folgendes Verfahren als vorteilhaft erwiesen.
Behauptung 1 Die Stabilit¨atsmatrix kann in der Basis von Projektoren geschrieben werden,
welche auf die jeweiligen Eigenvektoren projizieren.
Beweis. Da die Stabilit¨atsmatrix normal ist, das heißt M∗
M = M M∗
mit M ∈ Mat(Cn,n)
erf¨ullt, ist sie unit¨ar diagonalisierbar. Es existiert somit eine unit¨are Basis aus Eigenvektoren
mit jeweils reellen Eigenwerten.
Es bezeichne B nun die Basiswechselmatrix und D die Diagonalmatrix aus Eigenwerten.
Die Spalten in B sind aufgrund der Normalit¨at von M unit¨ar zueinander. Daher gilt B−1
=
B∗
. Die Diagonaldarstellung laut damit
M = B D B∗
und es ergibt sich weiter
M =
| |
v1 v2 ...
| |
B
λ1 0
λ2
0
...
D
− v∗
1 −
− v∗
2 −
...
B∗
.
Nach dem Ausf¨uhren der Matrixmultiplikation von B mit D folgt
M =
| |
λ1v1 λ2v2 ...
| |
B D
− v∗
1 −
− v∗
2 −
...
B∗
.
Wird die Matrixmultiplikation nochmals ausgef¨uhrt, erh¨alt man die Summe
M = λ1 v1v∗
1
P1
+λ2 v2v∗
2
P2
+ · · · = λ1P1 + λ2P2 + . . . .
Hierbei wurde Pi := viv∗
i f¨ur i ∈ {1, . . . , n} eingef¨uhrt. Aus dieser Definition folgt auch, dass
f¨ur die Spektralnorm der Pi’s
Pi := sup
x∈Cn
Pix 2
x 2
= 1
37
38. 5 STABILIT ¨ATSGRENZE DURCH DICHTEFUNKTIONALTHEORIE
gilt. Damit die Pi’s Projektoren sind, muss Pi Pj = δi,jPi gezeigt werden. Das ergibt sich
aus der Tatsache, dass die Eigenvektoren unit¨ar sind.
Damit die Projektoren eine Basis bilden, bleibt zu zeigen, dass sie linear unabh¨angig sind.
Annahme. F¨ur eine beliebige Indexmenge I aus {1, . . . , n} gelte:
j∈I
ajPj = 0. (53)
Wird auf diese Gleichung der Projektor Pq angewandt, erh¨alt man aus (53)
aqPq = 0.
Das bedeutet aq = 0 f¨ur Pq = 0. F¨uhrt man diese Prozedur f¨ur alle q ∈ I aus, ergibt sich,
dass alle Koeffizienten aq verschwinden, womit die lineare Unabh¨angigkeit gezeigt ist.
Behauptung 2 Analog kann die Inverse Stabilit¨atsmatrix M−1
χ (k) in Projektoren zerlegt
werden. Die inverse Matrix M−1
χ (k) besitzt die gleiche Basis und die inversen Eigenwerte wie
Mχ(k).
Beweis. Eine elementare Rechnung zeigt
vi = vi ⇔ M−1
Mvi = vi ⇔ M−1
λivi = vi ⇔ M−1
vi =
1
λi
vi.
F¨ur die inverse Stabilit¨atsmatrix folgt somit
M−1
χ =
1
λ1
P1 +
1
λ2
P2 + · · · +
1
λn
Pn = ˜λ1P1 + ˜λ2P2 + · · · + ˜λnPn.
Strebt nun ein Eigenwert ˜λi von M−1
χ (k) mit fallender Temperatur T∗ T∗
S gegen unend-
lich, so konvergiert M−1
χ (k) → ˜λiPi(k) f¨ur T∗ T∗
S. Aus ˜λiPi(k) kann dann ein divergenter
Anteil der totalen Korrelationsfunktion bestimmt werden. Hierbei wird angenommen, dass
sich in der N¨ahe der Stabilit¨atsgrenze der Projektor (bzw. der Eigenvektor) zu einem diver-
gierenden Eigenwert ˜λi nicht mehr ¨andert.
38
39. 6 METHODEN DER STRUKTURANALYSE
6 Methoden der Strukturanalyse
6.1 Multipolentwicklung der Paarverteilungsfunktion g
In der Elektrostatik geh¨ort zu einer Ladungsverteilung ρ(r) immer ein Potentialfeld φ(r).
Durch die Poisson-Gleichung der Elektrostatik ∆φ(r) = − 1
0
ρ(r) stehen beide zueinander
in Beziehung. Die Permittivit¨atszahl 0 dient der passenden Skalierung des so definierten
Potentials und gibt diesem die Einheit Volt. Es gilt 0 = 1
4π · Skalierungsfaktor · As
V m.
Das Potentialfeld kann dabei in Multipolanteile entwickelt werden. Analog zur Elektrosta-
tik wird nun die Paarverteilungsfunktion als Funktion des Orientierungsvektors des zweiten
Teilchens als Ladungsverteilung angesehen (daher gr,ˆu1,ˆu(ˆu2) =: g(ˆu2)ˆ=ρ(r)). Ganz allgemein
gilt:
g(ˆu2) =
S2
dˆwg(ˆw)δ(ˆw − ˆu2).
Die Deltadistribution im Dreidimensionalen kann dabei umgeschrieben werden:
δ(ˆw − ˆu2) = −
1
4π
∆ˆu2
1
| ˆw − ˆu2 |
.
Es folgt aus der Analogie zur Elektrostatik ein analytischer Ausdruck f¨ur φ:
−4πg(ˆu2) = ∆ˆu2
S2
dˆwg(ˆw)
1
| ˆw − ˆu2 |
φ(ˆu2)
.
Der Faktor 1
|ˆw−ˆu2| wird nun als eine Taylorreihe um ˆu2 = 0 entwickelt:
1
| ˆw − ˆu2 |
=
1
w
+
ˆuT
2 ˆw
w3
+
1
2
·
1
w5
ˆuT
2 3 · ˆw ˆwT
− ˆwT
ˆw ˆu2 + . . .
Wird nun | ˆu2 |=| ˆw |= 1 gesetzt, vereinfacht sich der Ausdruck zu:
1
| ˆw − ˆu2 |
= 1 + ˆuT
2 ˆw +
1
2
· ˆuT
2 3 · ˆw ˆwT
− ˆu2 + . . .
= 1 + ˆuT
2 ˆw +
1
2
3 ˆuT
2 ˆw
2
− 1 + . . .
= 1 + cos (α) +
1
2
3 (cos (α))2
− 1 + . . . (54)
mit cos(α) = ˆuT
2 ˆw. Es kann nun gezeigt werden, dass dieser Ausdruck als Summe von Legen-
drepolynomen angesehen werden kann (vergleiche [33]):
1
| ˆw − ˆu2 |
=
∞
X=0
Min(| ˆw |, | ˆu2 |)X
Max(| ˆw |, | ˆu2 |)X+1
· PX(cos(α)) =
∞
X=0
PX(cos(α)). (55)
Dies erm¨oglicht eine einfache Multipolentwicklung des Potentials zu
φ(ˆu2) = φMonopol(ˆu2) + φDipol(ˆu2) + φQuadrupol(ˆu2) + . . .
39
40. 6 METHODEN DER STRUKTURANALYSE
mit
φMonopol(ˆu2) =
S2
dˆwg(ˆw) · 1 (56)
φDipol(ˆu2) =
S2
dˆwg(ˆw) · ˆuT
2 ˆw (57)
φQuadrupol(ˆu2) =
S2
dˆwg(ˆw) ·
1
2
3 ˆuT
2 ˆw
2
− 1 (58)
...
Jeder X-te Summand in Gleichung (55) entspricht dabei dem X-ten Summand in Gleichung
(54). Folglich resultiert folgendes Potential f¨ur den 2X-ten Pol:
φ2X −Pol(ˆu2) =
S2
dˆwg(ˆw)PX(ˆuT
2 ˆw). (59)
Potential in Rotationsinvarianten
Unter Ausnutzung der Identit¨at
S2
dˆw Φl1,l2,l
(ˆu1, ˆw, ˆu) Pl3 (ˆuT
2 ˆw) = δl2,l3
4π
2l2 + 1
Φl1,l2,l
(ˆu1, ˆu2, ˆu) (60)
und der Zerlegung von g in Rotationsinvarianten
g(ˆu1, ˆw, ˆu) =
l1,l2,l
gl1,l2,l
(r) Φl1,l2,l
(ˆu1, ˆw, ˆu), (61)
kann das Potential aus Gleichung (59) folgendermaßen ausgedr¨uckt werden:
φ2X −Pol(ˆu1, ˆu2, ˆu) =
l1,l2,l
4π
gl1,l2,l(r)
2l2 + 1
· δl2,X · Φl1,l2,l
(ˆu1, ˆu2, ˆu)
=
l1,l
4π
gl1,X,l(r)
2X + 1
Φl1,X,l
(ˆu1, ˆu2, ˆu). (62)
Das heißt, in der Basis der Rotationsinvarianten tragen f¨ur φ2X −Pol(ˆu2) nur die Koeffizienten
l1, X, l bei und nicht alle l1, l2, l. Zum Monopol haben also nur die Koeffizienten mit l2=0, zum
Dipol nur die Koeffizienten mit l2 = 1, zum Quadrupol nur die Koeffizienten mit l2 = 2 usw.
einen Einfluss. Die Paarverteilungsfunktion g kann nun ¨uber die Multipolpotentiale ohne
Laplace-Operator ausgedr¨uckt werden, da durch Koeffizientenvergleich von Gleichung (62)
mit Gleichung (61) folgt:
g(ˆu1, ˆu2, ˆu) =
1
4π
φMonopol(ˆu1, , ˆu)
gMonopol(ˆu1,,ˆu)
+
3
4π
φDipol(ˆu1, ˆu2, ˆu)
gDipol(ˆu1,ˆu2,ˆu)
+
5
4π
φQuadrupol(ˆu1, ˆu2, ˆu)
gQuadrupol(ˆu1,ˆu2,ˆu)
+ . . . (63)
Diese Zerlegung von g zeigt insbesondere, warum die Koeffizienten gl1,l2,l von g f¨ur den jewei-
ligen Term in Gleichung (63) f¨ur konstantes l2 strukturell zusammengefasst werden m¨ussen.
40
41. 6 METHODEN DER STRUKTURANALYSE
6.2 Radiale Strukturparameter
Die Koeffizienten gl1,l2,l(r) lassen sich als Mittelung ¨uber Kombinationen der Orientierungen
ˆu1,ˆu2 und ˆu darstellen (Details in [41]). Sie bilden deshalb Strukturparameter, welche nur
vom radialen Abstand der Teilchen abh¨angen. Es gilt
gl1,l2,l
(r) =
S2
dˆu1
S2
dˆu2
S2
dˆu g(ˆu1, ˆu2, ˆu) Φl1,l2,l
(ˆu1, ˆu2, ˆu)
∗
siehe Fußnote 1
·
1
Nl1,l2,l
=
S2
dˆu1
S2
dˆu2
S2
dˆug(ˆu1, ˆu2, ˆu)
Φl1,l2,l(ˆu1, ˆu2, ˆu)
Nl1,l2,l
=:
Φl1,l2,l(ˆu1, ˆu2, ˆu)
Nl1,l2,l
ˆu1,ˆu2,ˆu
.
Der Ausdruck Nl1,l2,l = S2 dˆu1 S2 dˆu2 S2 dˆu Φl1,l2,l(ˆu1, ˆu2, ˆu)
2
im Nenner bildet die Nor-
mierung. Um den Z¨ahler Φl1,l2,l(ˆu1, ˆu2, ˆu) zu deuten, wird die Identit¨at (60) folgendermaßen
umgeformt:
Φl1,l2,l
(ˆu1, ˆu2, ˆu) =
2l2 + 1
4π S2
dˆwΦl1,l2,l
(ˆu1, ˆw, ˆu) Pl2 (ˆuT
2 ˆw). (64)
Mit Hilfe von Gleichung (62) k¨onnen auf diese Weise f¨ur festes l2 Strukturparameter gewonnen
werden, die sich auf nur einen der Multipole beziehen - zum Beispiel nur auf Parameter, die
die Dichteverteilung des zweiten Teilchens beschreiben.
Im Folgenden wird die Hierarchie an Strukturparametern f¨ur l2 = 0, 1, 2 entwickelt.
6.2.1 Strukturparameter f¨ur mittlere Dichten (l2 = 0)
F¨ur diesem Falle sollen die Koeffizienten von gMonopol studiert werden. Wegen der zu erf¨ullenden
Dreiecksrelation |l1 − l2| ≤ l ≤ l1 + l2 der l-Indizes, reicht es aus, nur die Koeffizienten gl,0,l
zu betrachten. Man erh¨alt
Φl,0,l
(ˆu1, ˆu2, ˆu) =
2 · 0 + 1
4π S2
dˆwΦl,0,l
(ˆu1, ˆw, ˆu) P0(ˆuT
2 ˆw)
1
=
1
4π S2
dˆw
4π
√
2 · l + 1
√
2 · 0 + 1
·
m1,m2,m
CG(l, 0, l, m1, m2, m)Yl,m1 (ˆu1)Y0,m2 (ˆw)Y ∗
l,m(ˆu)
=
1
4π
4π
√
2 · l + 1 m
CG(l, 0, l, m, 0, m)
√
4π
Yl,m(ˆu1)
S2
dˆwY0,0(ˆw)
1
Y ∗
l,m(ˆu)
=
1
√
4π
4π
√
2 · l + 1 m
Yl,m(ˆu1)Y ∗
l,m(ˆu). (65)
1
F¨ur l1 +l2 +l - gerade ist Φl1,l2,l
reell und sonst rein imagin¨ar. Dadurch gilt (Φl1,l2,l
)∗
= (−1)l1+l2+l
Φl1,l2,l
.
g hat aber aus Symmetriegr¨unden nur die Koeffizienten, die l1 + l2 + l - gerade erf¨ullen. Demzufolge braucht
hier nur Φl1,l2,l
zu stehen.
41
42. 6 METHODEN DER STRUKTURANALYSE
Aufgrund des Additionstheorems der Kugel߬achenfunktionen ist
Φl,0,l
(ˆu1, ˆu2, ˆu) =
1
√
4π
√
2l + 1Pl(ˆuT
1 ˆu) = Yl,0(| (ˆu1, ˆu)|)
nur vom Winkel zwischen ˆu und ˆu1 abh¨angig. Das Monopolpotential h¨angt nicht von der
Orientierung des zweiten Teilchens ab, sondern nur vom Betrag des Winkels zwischen dem
Orientierungsvektor des Teilchens 1 und dem Teilchenverbindungsvektor. F¨ur gMonopol gilt
somit die vereinfachte Zerlegung:
gMonopol(r, Ω2 − Ω1, Ω − Ω1) =
l
gl,0,l
(r)Yl,0(| (ˆu1, ˆu)|).
Die untere Tabelle gibt eine ¨Ubersicht zu den Struktur-
parametern mit l2 = 0. Das Polardiagramm in der rech-
ten Spalte der Tabelle ist dabei in der Art zu verstehen,
dass der Radius entlang ˆu die L¨ange | Pl(cos(θ)) | hat
(mit cos(θ) = ˆuT
1 ˆu). Im rechten Bild ist dies schemen-
haft skizziert. Positive L¨angen sind dabei mit gr¨uner und
negative L¨angen mit roter Farbe gekennzeichnet.
l1 l2 l gl1,l2,l = Φl,0,l
Nl,0,l
ˆu1,ˆu2,ˆu
∝ Pl(ˆuT
1 ˆu) ˆu1,ˆu2,ˆu
Beschreibung Polardiagramm
000 ∝ 1 ˆu1,ˆu2,ˆu
Dichte des zweiten Teil-
chens ist unabh¨angig
vom Verbindungsvektor
101 ∝ ˆuT
1 ˆu ˆu1,ˆu2,ˆu
Dichte des zweiten Teil-
chens ist am Nordpol
erh¨oht und am S¨udpol
verringert
202 ∝ P2(ˆuT
1 ˆu) ˆu1,ˆu2,ˆu
Dichte des zweiten Teil-
chens ist an beiden Po-
len erh¨oht, jedoch in der
¨Aquatorialebene verrin-
gert
42
43. 6 METHODEN DER STRUKTURANALYSE
6.2.2 Strukturparameter f¨ur mittlere Polarisationen (l2 = 1)
Der Dipolanteil von g kann als Projektion einer Orientierungspolarisation P(r, ˆu1, u) auf ˆu2
angesehen werden. In diesem Fall erh¨alt man
gDipol(r, ˆu1, ˆu2, ˆu) =
3
4π
S2
dˆwg(ˆu1, ˆw, ˆu) · ˆuT
2 ˆw
= ˆuT
2
3
4π
S2
dˆwg(ˆu1, ˆw, ˆu)ˆw
= ˆuT
2 P(ˆu1, ˆu).
Nun wird f¨ur die Rotationsinvarianten Φl1,1,l(ˆu1, ˆu2, ˆu) ein Zusammenhang zur Orientie-
rungspolarisation mit Hilfe von (64) hergestellt:
Φl1,1,l
(ˆu1, ˆu2, ˆu) =
3
4π S2
dˆwΦl1,1,l
(ˆu1, ˆw, ˆu)ˆuT
2 ˆw
= ˆuT
2
3
4π S2
dˆwΦl1,1,l
(ˆu1, ˆw, ˆu)ˆw
Pl1,l(ˆu1,ˆu)
.
Sie bilden eine winkelabh¨angige Basis zur vektoriellen Dipoldichte (Orientierungspolarisation)
P(r, ˆu1, ˆu), so dass
gDipol(ˆu1, ˆu2, ˆu) =
l1,l
gl1,1,l
(r)Φl1,1,l
(ˆu1, ˆu2, ˆu) = ˆuT
2
l1,l
gl1,1,l
(r)Pl1,l
(ˆu1, ˆu)
P(r,ˆu1,ˆu)
(66)
gilt. Folgende Koeffizienten werden in hierbei in der Notation (l1, l2, l) betrachtet:
(1, 1, 0), (0, 1, 1), (1, 1, 1), (2, 1, 1), (1, 1, 2), (2, 1, 2), (2, 1, 3).
Aus Symmetriegr¨unden des zu Grunde liegenden Potentials sind die rot-markierte Koeffizi-
enten gleich 0. Die nachfolgende Tabelle gibt eine ¨Ubersicht ¨uber die Strukturparameter der
Polarisation f¨ur den Fall l2 = 1.
43
44. 6 METHODEN DER STRUKTURANALYSE
l1 l2 l gl1,l2,l = Φl1,1,l(ˆu1,ˆu2,ˆu)
Nl1,1,l =
ˆuT
2 Pl1,l(ˆu1,ˆu)
Nl1,1,l
ˆu1,ˆu2,ˆu
Beschreibung von Pl1,l(ˆu1, ˆu)
110 ∝ ˆuT
2 (−ˆu1) ˆu1,ˆu2,ˆu
antiparallele Ausrich-
tung
011 ∝ ˆuT
2 ˆu ˆu1,ˆu2,ˆu
radiale Ausrichtung
211 ∝ ˆuT
2 − 3ˆu1ˆuT
1 ˆu ˆu1,ˆu2,ˆu
Ausrichtung eines Di-
pols im Inneren eines
ausgedehnten Quadru-
pols
112 ∝ ˆuT
2 3ˆuT
1 ˆu · ˆu − ˆu1 ˆu1,ˆu2,ˆu
Ausrichtung eines Di-
pols im Feld eines Di-
pols
213 ∝ ˆuT
2 Pl1,l(ˆu1, ˆu) ˆu1,ˆu2,ˆu
Ausrichtung eines Di-
pols im Quadrupolfeld
Eine grafische ¨Ubersicht gibt es im Anhang Abschnitt H.2. Die Parameter g1,1,1 und g2,1,2, die
hier aus Symmetriegr¨unden verschwinden und deshalb nicht aufgef¨uhrt sind, beschreiben zir-
kumpolare Orientierungen (das sind Orientierungen, die in ˆeφ Richtung bei Kugelkoordinaten
zeigen).
6.2.3 Strukturparameter f¨ur mittlere Quadrupoldichte (l2 = 2)
Das Problem bei der mittleren Ausrichtung des zweiten Teilchens besteht darin, dass zum
Beispiel eine nematische Ausrichtung dabei nicht erkannt wird. Das heißt, die mittlere Polari-
sation ist dann gleich Null. Die letzte f¨ur dieses System relevante Klasse von Strukturparame-
tern entsteht nicht etwa durch eine Mittelung des Ausrichtungsvektors ˆw, sondern durch eine
Mittelung des Tensors 1
2 3 · ˆw ˆwT − ¨uber alle Winkel (repr¨asentiert durch den Vektor ˆw
). Hiermit ist es m¨oglich, die restlichen Koeffizienten als Strukturparameter zu identifizieren:
(0, 2, 2), (1, 2, 1), (1, 2, 2), (1, 2, 3), (2, 2, 0), (2, 2, 1), (2, 2, 2), (2, 2, 3), (2, 2, 4)
44
45. 6 METHODEN DER STRUKTURANALYSE
Die rot-markierten Koeffizienten sind auch hier aus Symmetriegr¨unden des zu Grunde liegen-
den Potentials gleich 0. F¨ur den Quadrupolanteil von g gilt nach (58) und (63) die Gleichheit2:
gQuadrupol(r, ˆu1, ˆu2, ˆu) =
5
4π S2
dˆwg(ˆu1, ˆw, ˆu) ·
1
2
3 ˆuT
2 ˆw
2
− 1
= ˆuT
2
5
4π S2
dˆwg(ˆu1, ˆw, ˆu) ·
1
2
3ˆw ˆwT
−
Q(r,ˆu1,ˆu)
ˆu2. (67)
Mit Q(r, ˆu1, ˆu) wird eine Quadrupoldichte bezeichnet, welche ein Tensor zweiter Stufe ist. Die
Rotationsinvarianten Φl1,2,l(ˆu1, ˆu2, ˆu) korrespondieren zu einer rein winkelabh¨angigen Basis
Ql1,l
(ˆu1, ˆu) der Quadrupoldichte Q(r, ˆu1, ˆu). ¨Uber die Identit¨at (64) kann diese Basis ein-
gef¨uhrt werden.
Φl1,2,l
(ˆu1, ˆu2, ˆu) =
5
4π S2
dˆwΦl1,2,l
(ˆu1, ˆw, ˆu)(ˆuT
2 ˆw)2
= ˆuT
2
5
4π S2
dˆwΦl1,2,l
(ˆu1, ˆw, ˆu)
1
2
3ˆw ˆwT
− 1
Ql1,l
(ˆu1,ˆu)
ˆu2.
Die Entwickung der Quadrupoldichte in der Basis Ql1,l
(ˆu1, ˆu) ist dann durch
gQuadrupol(r, ˆu1, ˆu2, ˆu) =
l1,l
gl1,2,l
(r)Φl1,2,l
(ˆu1, ˆu2, ˆu)
= ˆuT
2
l1,l
gl1,1,l
(r)Ql1,l
(ˆu1, ˆu)
Q(ˆu1,ˆu)
ˆu2
gegeben.
Auch in diesem Fall sei ¨Ubersicht ¨uber die Strukturparameter der Polarisation f¨ur l2 = 1
in der untenstehenden Tabelle angegeben.
2
Hier werden f¨ur die Rechnung die Identit¨aten ˆuT
2 ˆw
2
= ˆuT
2 ˆw ˆuT
2 ˆw = ˆuT
2 ˆw ˆuT
2 ˆw
T
=
ˆuT
2 ˆw ˆwT
ˆu2 = ˆuT
2 ˆw ˆwT
ˆu2 und |ˆu2| = 1 ⇒ 1 = ˆuT
2 ˆu2 benutzt.
45
46. 6 METHODEN DER STRUKTURANALYSE
l1 l2 l gl1,l2,l = Φl1,2,l(ˆu1,ˆu2,ˆu)
Nl1,2,l =
ˆuT
2 Ql1,l
(ˆu1,ˆu)ˆu2
Nl1,2,l
ˆu1,ˆu2,ˆu
Beschreibung von Ql1,l
(ˆu1, ˆu)ˆu2
022 ∝ ˆuT
2 3ˆuˆuT − ˆu2 ˆu1,ˆu2,ˆu
radiale nematische Aus-
richtung von Teilchen 2
121 ∝ ˆuT
2 3ˆu1ˆuT − ˆu2 ˆu1,ˆu2,ˆu
positiver nematischer
Beitrag am S¨udpol und
negativer nematischer
Beitrag am Nordpol
220 ∝ ˆuT
2 3ˆu1ˆuT
1 − ˆu2 ˆu1,ˆu2,ˆu
nematische Orientie-
rung von Teilchen 2 zu
Teilchen 1
Eine Deutung der anderen Koeffizienten erfordert eine weitere Methode, die in Abschnitt 6.4
ausgef¨uhrt wird.
6.3 Nichtradiale Strukturparameter
Im vorherigen Abschnitt wurden die radialen Strukturparameter gl1,l2,l(r) definiert. Sie sind
ein Maß daf¨ur, wie stark die entsprechende Dichteverteilung bzw. Polarisationsverteilung oder
Quadrupolverteilung dominiert. Dadurch, dass die Teilchen zwei unterschiedliche Seiten ha-
ben, ist eine rein radiale Strukturcharakterisierung nicht immer m¨oglich. Um dennoch eine
Stukturcharakterisierung vornehmen zu k¨onnen, soll in diesem Abschnitt die Idee erkl¨art wer-
den, Parameter zu definieren, die zus¨atzlich eine Orientierungsabh¨angigkeit ˆu haben [35].
Z-Komponente der Orientierungspolarisation
Dieser Ordnungsparameter beschreibt die Orientierung zweier Teilchen in Abh¨angigkeit ihres
Verbindungsvektors zueinander. Er ist durch
S1(r, ˆu1, ˆu) = S2 dˆu2 uT
1 u2 g(r, ˆu1, ˆu2, ˆu)
S2 dˆu2 g(r, ˆu1, ˆu2, ˆu)
=: uT
1 u2 u2
gegeben. F¨ur eine parallele Ausrichtung hat er den Wert 1, f¨ur eine antiparalle Ausrichtung
-1, f¨ur eine senkrechte Ausrichtung 0 und im Falle von Isotropie ebenfalls gleich 0.
Maier-Saupe-Ordnungsparameter
Von Maier und Saupe wurde ein Ordnungsparameter konstruiert, der die axiale Orientierung
eines zweiten Teilchens zu einem gegebenen Teilchen, unabh¨angig vom Orientierungsvektor,
46
47. 6 METHODEN DER STRUKTURANALYSE
beschreibt und durch
S2(r, ˆu1, ˆu) = P2(uT
1 u2) u2
bestimmt ist. F¨ur eine isotrope Ausrichtung des zweiten Teilchens ist dieser gleich 0, f¨ur eine
axiale Parallelstellung (Figurenachse parallel oder antiparallel) ist er gleich 1 und f¨ur eine
senkrechte Ausrichtung der Achse des zweiten Teilchens wird er gleich −1
2 . Wird durch die
Isotropie ˆu1 = ˆez gesetzt, sind die Parameter nur von r und ˆu abh¨angig. Die Axialsymmetrie
der Teilchen hat zudem zur Folge, dass ˆu nur durch den Polarwinkel θ beschrieben wird.
Skalare Multipoldichten
Zum Abschluss sei bemerkt, dass sich die skalaren Anteile der Multipoldichten als Struk-
turparameter auffassen lassen. Genauer ausgedr¨uckt, erh¨alt man:
• Monopoldichte:
gMonopol(r, θ) := gMonopol(ˆez, ˆu2, ˆu),
• skalare Dipoldichte:
gDipol(r, θ) := P(r,ˆez, ˆu) 2
mit P aus Gleichung (66),
• skalare Quadrupoldichte
gQuadrupol(ˆez, ˆu2, ˆu) := Q(r, ˆu1, ˆu) 2
mit Q aus (67).
Wie ¨ublich bezeichnet . . . 2 die Euklidische Norm bei der skalaren Dipoldichte und die
Spektralnorm bei der skalaren Quadrupoldichte.
6.4 Grafische Methoden der Strukturanalyse
Die Paarverteilungsfunktion g h¨angt von den Orientierungen Ω1 und Ω2 der Teilchen sowie von
deren Verbindungsvektor rˆ= (r,Ω) ab. Man hat hier Abbildungen vom Typ g : R+ ×S2 ×S2 ×
S2 → R+ bzw. f¨ur gl1,l2,lΦl1,l2,l : R+ × S2 × S2 × S2 → R vorzuliegen. Diese Abbildungen sind
schwer durch die hohe Anzahl an Parametern darstellbar. Die Homogenit¨at ist zwar bereits
gegeben, aber durch die Isotropie besteht die M¨oglichkeit, g in einem k¨orperfesten System
zu betrachten, so dass eine Orientierungsabh¨angigkeit entf¨allt. Die Isotropie hat außerdem
zur Folge, dass das System axialsymmetrisch um Teilchen 1 ist, wodurch der Azimutwinkel
beliebig gew¨ahlt werden kann. Somit gilt f¨ur g
g(r, ˜Ω1, ˜Ω2, ˜Ω) −→ g(r, eZ, Ω2, (θ, 0)) = g(r, Ω2, (θ, 0)).
Es wird also jedem Punkt einer Ebene (repr¨asentiert durch r, θ) mit einer Orientierung
(repr¨asentiert durch Ω2 = (θ2,φ2)) ein Wert auf die Weise zugeordnet, indem auf einem
diskreten Gitter der Axialebene von Teilchen 1 in jeden Gitterpunkt eine Kugel gezeichnet
wird. In Abh¨angigkeit des Gitterpunktes und des Winkels auf der Kugeloberfl¨ache wird sie
mit dem Wert von g bzw.gl1,l2,lΦl1,l2,l gestreckt oder gestaucht. Ein positiver Wert entspricht
der Farbe gr¨un und einer negativer Wert der Farbe rot. Im Anhang in Kapitel H sind die
Rotationsinvarianten nach dem hier beschriebenen Verfahren grafisch veranschaulicht.
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