Christoph sieciechowicz der fluss der die welt retten soll
1. LEITTHEMA I DerYangtze
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„Der Welt fehlt ein Wirtschaftsmotor“, so Siemens-Chef Peter Löscher im
Handelsblatt-Interview. 2013 ist, bei genauer Betrachtung, nicht eine einzige
wesentliche Ursache der Wirtschaftskrise gelöst worden. Im Gegenteil: Der massive
Nachfrageausfall in den südlichen EU-Ländern macht selbst dem Export-Weltmeister
zu schaffen. Die Rettung wird wieder einmal von China erhofft, und zwar durch eines
der ehrgeizigsten Projekte dieses Jahrhunderts: die Entwicklung des Landesinneren.
Dieses Projekt ist derzeit der einzige wesentliche realwirtschaftlich aussichtsreiche
neue Nachfragemotor. Am Erfolg dieses Projektes hängt die Welt.
Chengdu
Chongqing
Wan Xian
Nanchong
Changde
DerFluss,derdieWeltrettensoll
3. LEITTHEMA I DerYangtze
finanzwelt 03/201310
die Umsetzung nachvollziehen und erken-
nen, wie Sie Ihren Kunden deutlich machen
können, dass sie davon profitieren können.
Die Situation:
Das Ende einesWirtschaftsmodells
Fast 30 Jahre hat China sich auf ein export-
orientiertes Wirtschaftsmodell verlassen, das
enormen Kapitalgewinn für den Staat und
eine hohe Beschäftigung einbrachte, auf
Kosten der Einkommen der arbeitenden
Bevölkerung. Über 200 Millionen Arbeits-
kräfte sollen vom Land in die Küstenregio-
nengewandertsein,umdortihreArbeitskraft
anzubieten. Dieses enorme Arbeitskräftere-
servoir half, die Arbeitskosten gering zu hal-
ten und neue Produktionsstätten blitzartig
komplett personell auszustatten. Nun findet
Viele Anleger sind nach wie vor verhalten
gestimmt, wenn es um Investments in der
weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft geht.
China komplett im Portfolio außen vor lassen
bedeutet im Umkehrschluss,die veränderten
Machtverhältnisse des 21. Jahrhunderts zu
ignorieren. Wer in chinesische Aktien inve-
stieren will, sollte sich jedoch im Vorfeld mit
den individuellen Gegebenheiten der chine-
sischen Märkte vertraut machen.Was A-, B-
und H-Aktien sind,wissen die wenigsten Inve-
storen. Diese Information ist aber relevant,
weil nicht alle Aktien für ausländische Anle-
ger leicht zu haben sind.
Die Chinafonds-Palette von
www.finanzen.net listet exakt
224 Aktienfonds auf, die ihren
Schwerpunkt auf das Riesenreich
gesetzt haben.
Hierunter fallen solche,die nur auf dem Fest-
land investieren, und jene, die auch in Hong-
kong oder sogarTaiwan (Greater China) aktiv
sein dürfen. Zwischen den Leistungen des
jeweiligen Fondsmanagements im 1-Jahres-
rückblick klafft eine große Lücke.Einige Fonds
wie der First State Greater China Growth
Fund können eine satte Wertentwicklung
vorweisen, andere entwickelten sich auch im
Vergleich zur Benchmark MSCI China (+12
% auf Jahressicht) unterdurchschnittlich. Der
Aberdeen Global Chinese Equity Fund hält
entsprechend der Greater China-Anlagephi-
losophie mehrheitlich Aktien aus Hongkong
und rangiert aktuell im Mittelfeld der China-
fonds. Ähnlich positioniert sich der Allianz
Hong Kong Equity. Der Fonds konzentriert
sich auf Aktien von Unternehmen mit Sitz
oder wesentlicher Geschäftstätigkeit in Hong-
kong.Auf chinesische Festlandaktien entfallen
nur 26,1 %. Finanzaktien und Industriewerte
sind mit ca.70 % die dominierenden Branchen
des rund 330 Millionen schweren Fonds.Rela-
tiv weit oben stehen Aktienfonds aus dem
Hause HSBC Global Asset Management.
Mandy Chan, Fondsmanagerin des fast „rei-
nen“ HSBC GIF Chinese Equity,schlägt mit
ihrer Strategie deutlich die Benchmark.Auch
sie legt derzeit den Fokus auf die Branchen
Finanzindustrie, Energie und Industrietitel.
Es gibt aber auch konsumzentrierte Fonds-
strategien, in denen China und Hongkong nur
eine Beimischung sind. „Chinas Wachstum
wird künftig durch den privaten Konsum und
technologischen Verbesserungen angetrie-
ben“, bemerkte Jian Shi Cortesi, Co-Fonds-
managerin des JB Chindonesia Fund der
Fondsgesellschaft Swiss & Global Asset
Management. So werden Luxusgüter beson-
ders inAsien immer beliebter,was denAktien
Von den Strukturreformen Chinas profitieren
Die ganzeWelt schaut gespannt auf die Entwicklungen im Riesenreich China.Weg von der Exportwirtschaft, hin zur Stärkung
der Binnennachfrage. Das sieht der aktuelle 5-Jahres-Plan vor. Investoren können auf vielfältige Weise daran teilhaben.
Wissenswertes
A-Aktien:Hierunter fallenWertpapiere, die an den Festlandbörsen in Shanghai und Shenz-
hen gehandelt werden, dabei allerdings primär chinesischen Investoren vorbehalten sind.
B-Aktien:Diese Aktienklasse wird ebenfalls an den Handelsplätzen in Shanghai und Shenz-
hen gehandelt.Anders ist hierbei die Währung in US-Dollar.
H-Aktien: An der Börse in Hongkong gehandelte chinesische Werte werden auch H-Ak-
tien genannt. Der Handel mit diesen Werten steht allen Anlegern offen.
Quelle: www.finanzen.net
Shanghai Motor Show
Die Shanghai Motor Show ist Beweis der Bedeu-
tung der reichen Küstenregion Chinas.Wurden
früher die neustenTop-Modelle deutscher, eng-
lischer und italienischer Edelhersteller bei der IFA
in Frankfurt oder Los Angeles der Weltöffent-
lichkeit vorgestellt,so findet dies seit einiger Zeit
bei der Shanghai Motor Show statt.
Lamborghini-Chef StephanWinkelmann
präsentiert den Aventador, Shanghai
Motor Show 2013.
Weltpremiere des Porsche Panamera
Hybrid auf der Shanghai Motor Show 2013.
4. 11
das Modell aus drei Gründen sein Ende:
Erstens scheint das Arbeitskräfte-Reservoir
ausgeschöpft,StreiksundArbeitskämpfeste-
henan.ZweitensistdieNachfrageausEuropa
und den USA im Zuge der Wirtschaftskrise
zusammengebrochen,obsiejewiederkehren
wird, steht in den Sternen. Und drittens: Die
Widersprüche zwischen der reichen Küsten-
region und dem Inland, wo viele Millionen
aufSubsistenzniveauleben,drohendasLand
zuspalten.EineBeschäftigungskrise,diesbei
allein ca. 250 Millionen Wanderarbeitern,
wäre der Funken im Pulverfass.
Die Größenordnungen sind für Deutsche
schwer vorstellbar. Shanghai hat mehr mit
Tokyo oder Los Angeles gemeinsam als mit
denchinesischenProvinzenimInland.Inden
KüstenmetropolenboomenPorsche-undFer-
rari-Clubs,wachsenMillionäreundMilliardäre
wie Pilze aus dem Boden, zeitweise 3/4 aller
Baukräne der Welt waren allein in Shanghai
aktiv.LautFinancialTimeswerdenaktuellca.
1/3 aller in Frankreich zum Verkauf stehen-
den Weingüter von chinesischen Staatsange-
hörigen, zumeist aus den Küstenmetropolen,
gekauft. Währenddessen ist in den Inlands-
Provinzen die Subsistenzwirtschaft nichts
Ungewöhnliches. Zu Deutsch bedeutet dies:
Von der Hand in den Mund leben.
Die Umstellung auf ein
neuesWirtschaftsmodell
Um die Widersprüche zu überwinden, setzt
die Zentralregierung auf die Umstellung auf
ein konsumorientiertes, vom Export unab-
hängiges Wirtschaftsmodell, das eine Ver-
breiterungderEinkommensbezieherundder
VerstetigungderInlandsnachfragealsWachs-
tumsträger vorsieht. 2012 war der Anteil des
privaten Konsums am chinesischen Brutto-
sozialproduktlediglich37%–zumVergleich:
in Deutschland waren es 57 %, in den USA
sogar ca. 70 %. Um den privaten Konsum zu
steigern, bedarf es jedoch mehr Arbeitskräf-
te, die dauerhaft höhere verfügbare Einkom-
menbeziehen.KernpunktistdieEntwicklung
des Inlands, um Beschäftigung und Einkom-
men dort zu steigern und einen breiten und
ausgeglichenen Wohlstand zu schaffen.
DerYangtze – der zukünftige
„zweite Küstenstreifen“ Chinas
Aufgrund der Größe Volksrepublik China
soll die Entwicklung zunächst entlang des