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Schulleistungen von Abiturienten
Leistungs- und Bewertungsunterschiede zwischen
Bundesländern, Schulformen und Systemen
Marko Neumann
Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung
(DIPF, Frankfurt-Main/Berlin, www.dipf.de)
DIPF-Stand: Halle 6.1., Standnr. D067
Didacta
Köln | 18.02.2016
Abi 2014!
332.733
Abi 2014!
 Abiturientenquote 2014: 41,0 Prozent (nahe der historischen Höchststände)
 Allgemeine Hochschulreife (Berechtigung zum Studium aller Fächer)
 Aktuelle Transformationsprozesse beim Abitur:
- Gymnasium oder Gesamtschule, berufliches Gymnasium…
- 13 oder 12 Schuljahre
- Zentralabitur oder dezentrale Abiturprüfung
- Kurssystem oder „Kernfachabitur“
- Studienzulassung: Noten oder Kompetenzen
Gliederung
1. Was können deutsche Abiturienten?
2. Wie groß fallen Leistungsunterschiede zwischen
Abiturienten aus unterschiedlichen Bundesländern und
Schulformen aus?
3. Inwieweit spiegeln sich Leistungsunterschiede auch in den
Noten der Abiturienten wider?
4. Was bringen Reformen beim Abitur?
Was können deutsche Abiturienten?
Forschungsdefizite (Auswahl):
 Empirische Befunde zu den Fähigkeiten und Kompetenzen deutscher
Abiturienten nach wie vor Mangelware
 Letzte internationale Studie TIMSS/III (1995)
 Aussagen über Leistungsunterschiede zwischen den Bundesländern bislang nur
sehr eingeschränkt möglich (Bildungsstandards für das Abitur zwar eingeführt,
aber bislang keine empirische Überprüfung vorgesehen)
 in empirischen Studien Fokus meist auf Leistungen in den „Kernfächern“
 repräsentative Längsschnittstudien zur Vorhersage von Studienerfolg (Welche
Kompetenzen sind erforderlich?)
Führt die Öffnung des Gymnasiums zu schlechteren
Leistungen?
PISA 2000 PISA 2012
Lesekompetenz 15-Jährige Gymnasium 582 579
Gymnasialanteil 15-Jährige 28,3 % 36,0 %
„Die (um knapp 8 Prozent) gestiegene Bildungsbeteiligung am Gymnasium hat zu
keinem Niveauverlust geführt: Im Durchschnitt lesen die Schülerinnen und Schüler
an den Gymnasien genau so gut wie im Jahr 2000 – aber es sind deutlich mehr
Schülerinnen und Schüler geworden, die entsprechend gut lesen.“
Quelle: Prenzel, Sälzer, Klieme & Köller (2013, S. 241)
Schlechtere Leistungen bei höherer
Gymnasialbeteiligung?
Brandenburg
Mecklenburg-
Vorpommern
Sachsen-
Anhalt
Thüringen
Sachsen
Niedersachsen Berlin Hessen
Bremen
Schleswig-
Holstein
Rheinland-Pfalz
Nordrhein-
Westfalen
Saarland
Baden-
Württemberg
Hamburg
Bayern
510
530
550
570
590
610
28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43
KompetenzmittelwertanGymnasien
Prozentualer Anteil von Neuntklässlerinnen und Neuntklässlern
an Gymnasien
r = - .73
(Quelle: Köller et al., 2010)
Bildungsstandards Englisch-Leseverstehen
In unterschiedlichen Schulformen und Bundesländern
zum Abitur: Gleiche Berechtigung, gleiche Leistung?
Gymnasium Gesamtschule Berufliches Gymnasium
Abitur
75,7 % 6,4 % 12,8 %
z.T. > 15,0 % z.T. > 30,0 %
Abiturientenzahlen
Soziale Selektivität
Statistisches Bundesamt (2011)
• Ausreichendes Qualifikationsniveau (Leistungsstandards)?
• Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen (Verteilungsgerechtigkeit)?
• Hamburger und Baden-Württemberger Abiturienten aus
unterschiedlichen Schulformen im Vergleich (MPIB Berlin, Universität
Tübingen)
• TOSCA-Studie BW, LAU-Studie HH (vgl. Trautwein et al., 2007)
In unterschiedlichen Schulformen und Bundesländern
zum Abitur: Gleiche Berechtigung, gleiche Leistung?
Richtung der Oberstufe
Prozent der Schülerschaft
in gymnasialer Oberstufe
Hamburg
Grundständiges Gymnasium 68
Integrierte Gesamtschule 15
Aufbaugymnasium 6
Wirtschaftsgymnasium 9
Technisches Gymnasium 2
Baden-Württemberg
Allgemeinbildendes Gymnasium 68
Wirtschaftsgymnasium 18
Technisches Gymnasium 8
Ernährungswissenschaftliches Gymnasium 5
Agrarwissenschaftliches Gymnasium 1
Sozialpädagogisches Gymnasium 1
Biotechnologisches Gymnasium –
ca. 1/3
ca. 1/3
In unterschiedlichen Schulformen und Bundesländern
zum Abitur: Gleiche Berechtigung, gleiche Leistung?
58,3
54,3 54,5
56,0
58,8
61,0
53,1
55,8
54,9 54,3
50,1
60,5
52,5
20
30
40
50
60
70
80
Gesamt
GG
IGS
AufG
WG
TG
Gesamt
AG
WG
TG
EG
ArG
SG
Hamburg Baden-Württemberg
SozioökonomischerStatus(ISEI)
PISA
(Durchschnittlicher ISEI
aller 15-jährigen)
Sozialer Hintergrund der Schülerschaft
Schwellenwert Kompetenzniveau Charakterisierung des Niveaus
 601
Stufe IV oder höher
Selbstständiges Lösen mathematischer
Probleme auf Oberstufenniveau
501 – 600
Stufe III Anwendung von Lerninhalten aus der Oberstufe
401 – 500
Stufe II
Anwendung mathematischer Regeln und
Begriffe
 400
Stufe I Schlussfolgern
Erwartung Leistungskurs
Erwartung Grundkurs
(Ansetzung der Leistungserwartungen in Anlehnung an Klieme, 2000; vgl. Nagy et al., 2007)
Erreichen kriterialer Leistungserwartungen in
voruniversitärer Mathematik (TIMSS/III)
(Ansetzung der Leistungserwartungen in Anlehnung an Klieme, 2000; vgl. Nagy et al., 2007)
52.9
20.1
7.6
47.9
82.5
28.4
36.1
43.8
25.0
45.8
84.5
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
GG IGS AufG WG TG AG WG TG EG ArG SG
Hamburg Baden-Württemberg
AnteilinProzent
Erreichen kriterialer Leistungserwartungen in
voruniversitärer Mathematik (TIMSS/III)
62.4
42.7
36.3
40.0
64.4
83.3
78.5
89.4
70.6 70.5
63.0
0.0
10.0
20.0
30.0
40.0
50.0
60.0
70.0
80.0
90.0
100.0
AG IGS AufG WG TG AG WG TG EG ArG SG
Hamburg Baden-Württemberg
(Ansetzung der Leistungserwartungen in Anlehnung an Klieme, 2000; vgl. Neumann & Nagy et al., 2007)
Erreichen kriterialer Leistungserwartungen in
mathematischer Grundbildung (TIMSS/III)
Erreichen von Cut-Off-Werten in Englisch
 Mindestanforderungen amerikanischer Universitäten
≥ 500: prestigearme staatliche Universitäten
≥ 550: prestigereiche staatliche Universitäten
≥ 600: prestigereiche private Universitäten
Test of Englisch as a Foreign Language (TOEFL)
Erreichen von Cut-Off-Werten in Englisch
51.8
24.3
5.9
59.4
24.1
3.8
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
mindestens 500 Punkte mindestens 550 Punkte mindestens 600 Punkte
AnteilderSchülerschaftinProzent
Hamburg Baden-Württemberg
Erreichen von Cut-Off-Werten in Englisch
Mindestens 500
Punkte
Mindestens 550
Punkte
Mindestens 600
Punkte
Hamburg
Grundständiges Gymnasium 64,7 32,0 8,1
Integrierte Gesamtschule 30,5 11,3 2,2
Aufbaugymnasium 18,9 5,2 0,9
Wirtschaftsgymnasium 19,7 5,7 0,4
Technisches Gymnasium 22,3 12,6 1,0
Baden-Württemberg
Allgemeinbildendes Gymnasium 71,3 31,9 5,4
Wirtschaftsgymnasium 34,2 7,6 0,4
Technisches Gymnasium 18,0 7,0 0,4
Ernährungswissenschaftliches Gymnasium 24,6 7,9 0,5
Agrarwissenschaftliches Gymnasium 36,4 8,0 0,0
Sozialpädagogisches Gymnasium 26,2 6,5 0,0
Vergleichbarkeit von Noten zwischen unterschiedlichen
Oberstufenrichtungen (TOSCA-Studie)
Zwischenfazit
 Alternative Wege eröffnen einer traditionell eher gymnasialfernen
Schülerschaft den Weg zur Hochschulreife
 bedeutende Leistungsunterschiede zwischen Oberstufenrichtungen
(und Bundesländern)
 Erreichen von Leistungserwartungen zum Teil fraglich
 Hinter vergleichbaren Zertifikaten und Noten stehen unterschiedliche
Kompetenzen (Verteilungsgerechtigkeit?)
 Grenzen der Öffnung von Wegen zur Hochschulreife?
Vergleichbarkeit von Abiturnoten
(Schuljahr 2012/13)
Vergleichbarkeit von Abiturnoten (2012/13)
2,39
2,17
2,46
2,35
2,37
2,43
2,38
2,44
2,47
2,42
2,43
2,45
2,54
2,56
2,46
2,61
Vergleichbarkeit von Abiturnoten (2006/07)
2,40
2,56
Vergleich der Leistungen
BW HH BW HH
Mathematik Englisch
BW HH
Mathematik Englisch
BW HH BW HH BW HH
Mathematik Englisch
Vergleich der Fachnoten
Mathematik Englisch
BW HH BW HH
Vergleichbarkeit von Abiturnoten
A B
Fachnote
Bewertungsvorteil Hamburger Abiturienten bei gleicher Mathematikleistung
(auf der 15-Punkte-Metrik im Leistungskurs)
Prüfungsnote
(Zentralabitur)
1,57 Punkte
0,46 Punkte
Studienzulassung: Noten oder Kompetenzen?
A B A B A B
A B C
Hypothetisches Szenario der Studienzulassung unter Zugrundelegung
unterschiedlicher Zulassungskriterien
(die besten 10 Prozent, bei angenommener gleicher Populationsgröße BW und HH)
Gerechter?
BW HH BW HH BW HH
Abiturgesamtnote Fachnote
Mathematik
Leistung
Mathematik
61
39
55
45
84
16
Kurssystem vs. Kernfachabitur:
„neues“ System - bessere Leistung?
 Neuordnung des Kurssystems in vielen Bundesländern
in den letzten 15 Jahren
 Kernpunkte der Neuordnung:
- Reduzierung von Wahlmöglichkeiten
- Abschaffung der Leistungsdifferenzierung in den Kernfächern D, M, Fs
- Ausweitung und Vereinheitlichung der Prüfungsverpflichtungen
 TOSCA-Repeat-Studie (vgl. Trautwein, Neumann et al. 2010)
- Vergleich der beiden baden-württembergischen Abiturjahrgänge
TOSCA-2002 und TOSCA-2006
Die gymnasiale Oberstufe in
Baden-Württemberg
Fächer Wochenstunden
„Kernkompetenzfächer“
(jeweils vierstündig
im Klassenverband)
Deutsch
Mathematik
Fremdsprache
12
„Profilfach“
(vierstündig)
Fremdsprache oder
Naturwissenschaft 4
„Neigungsfach“
(vierstündig)
relativ frei wählbar
4
weitere verpfl. Fächer
(i.d.R. zweistündig)
Geschichte + GK/EK
Musik oder Kunst
Religion oder Ethik
Sport
zwei Naturwissenschaften
12-14
32-34
SPF
SPF
MPF
7,9%
7,1%
9,7%
5,1%
19,3%
15,1% 15,0%
0,0%
5,0%
10,0%
15,0%
20,0%
25,0%
Gesamt AG WG TG ArG EG SG
(13,1 min)
(12,0 min)
(16,0 min)
(8,7 min)
(29,1 min)
(23,8 min) (23,5 min)
LK-Quote 2002: 35,4 % 36,7 % 32,2 % 40,3 % 17,7 % 23,5 % 23,9 %
3,483,473,353,813,653,733,71Ø Unt.-std. 2002:
Veränderungen der mittleren Unterrichtszeit
in Mathematik
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
70
75
2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2006
Gesamt AG WG TG ArG EG SG BtG
Testleistung
d = .13* d = .16*
d = .65* d = .48*
SDV= .96* SDV= .93*
Metrik: M = 50, SD = 10 in TOSCA-2002
n.s.
n.s.
n.s.
n.s.
n.s.
n.s. n.s. n.s.
Schulleistungen in voruniversitärer Mathematik
(Mittelwert ± 2 Standardabweichungen)
- Insgesamt moderater Anstieg der voruniversitären Mathematikleistungen
- an Gymnasien/Gymnasialzweigen mit niedrigem Leistungskursanteil in
TOSCA-2002 zum Teil stärkere Leistungsanstiege
- Reduktion von Leistungsunterschieden:
- innerhalb der Schulen (statistisch signifikant)
- in der Tendenz auch zwischen Schulen/Gymnasialzweigen
(aber nicht statistisch signifikant)
Schulleistungen in voruniversitärer Mathematik
Leistungen in Englisch - TOEFL
(Mittelwert ± 2 Standardabweichungen)
350
400
450
500
550
600
650
2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2006
Gesamt AG WG TG ArG EG SG BtG
Testleistung
SDV= .96* SDV= .92***
n.s. n.s.
n.s. n.s. n.s.
n.s.
n.s.
Kurssystem vs. Kernfachabitur:
„neues“ System - bessere Leistung?
- Veränderungen in Einklang mit den Zielen der Neuordnung,
zumindest in Teilbereichen
- Moderate Leistungsveränderungen in Mathematik (praktische
Relevanz?)
- Kaum Veränderungen in Englisch
- Grenzen und offene Fragen:
 „Kosten“ der Neuordnung (z.B. in weniger zentralen Fächern und bei
studiennahen Lern- und Arbeitsweisen)?
 Übertragbarkeit der Befunde auf andere Bundesländer?
 Auswirkungen auf die Ausbildung von Studienfachwünschen und
beruflichen Interessen?
 bessere Vergleichbarkeit des Abiturs?
 erfolgreicher in Studium und Beruf?
 …
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
DIPF-Stand: Halle 6.1., Standnr. D067

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  • 1. Schulleistungen von Abiturienten Leistungs- und Bewertungsunterschiede zwischen Bundesländern, Schulformen und Systemen Marko Neumann Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF, Frankfurt-Main/Berlin, www.dipf.de) DIPF-Stand: Halle 6.1., Standnr. D067 Didacta Köln | 18.02.2016
  • 3. Abi 2014!  Abiturientenquote 2014: 41,0 Prozent (nahe der historischen Höchststände)  Allgemeine Hochschulreife (Berechtigung zum Studium aller Fächer)  Aktuelle Transformationsprozesse beim Abitur: - Gymnasium oder Gesamtschule, berufliches Gymnasium… - 13 oder 12 Schuljahre - Zentralabitur oder dezentrale Abiturprüfung - Kurssystem oder „Kernfachabitur“ - Studienzulassung: Noten oder Kompetenzen
  • 4. Gliederung 1. Was können deutsche Abiturienten? 2. Wie groß fallen Leistungsunterschiede zwischen Abiturienten aus unterschiedlichen Bundesländern und Schulformen aus? 3. Inwieweit spiegeln sich Leistungsunterschiede auch in den Noten der Abiturienten wider? 4. Was bringen Reformen beim Abitur?
  • 5. Was können deutsche Abiturienten? Forschungsdefizite (Auswahl):  Empirische Befunde zu den Fähigkeiten und Kompetenzen deutscher Abiturienten nach wie vor Mangelware  Letzte internationale Studie TIMSS/III (1995)  Aussagen über Leistungsunterschiede zwischen den Bundesländern bislang nur sehr eingeschränkt möglich (Bildungsstandards für das Abitur zwar eingeführt, aber bislang keine empirische Überprüfung vorgesehen)  in empirischen Studien Fokus meist auf Leistungen in den „Kernfächern“  repräsentative Längsschnittstudien zur Vorhersage von Studienerfolg (Welche Kompetenzen sind erforderlich?)
  • 6. Führt die Öffnung des Gymnasiums zu schlechteren Leistungen? PISA 2000 PISA 2012 Lesekompetenz 15-Jährige Gymnasium 582 579 Gymnasialanteil 15-Jährige 28,3 % 36,0 % „Die (um knapp 8 Prozent) gestiegene Bildungsbeteiligung am Gymnasium hat zu keinem Niveauverlust geführt: Im Durchschnitt lesen die Schülerinnen und Schüler an den Gymnasien genau so gut wie im Jahr 2000 – aber es sind deutlich mehr Schülerinnen und Schüler geworden, die entsprechend gut lesen.“ Quelle: Prenzel, Sälzer, Klieme & Köller (2013, S. 241)
  • 7. Schlechtere Leistungen bei höherer Gymnasialbeteiligung? Brandenburg Mecklenburg- Vorpommern Sachsen- Anhalt Thüringen Sachsen Niedersachsen Berlin Hessen Bremen Schleswig- Holstein Rheinland-Pfalz Nordrhein- Westfalen Saarland Baden- Württemberg Hamburg Bayern 510 530 550 570 590 610 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 KompetenzmittelwertanGymnasien Prozentualer Anteil von Neuntklässlerinnen und Neuntklässlern an Gymnasien r = - .73 (Quelle: Köller et al., 2010) Bildungsstandards Englisch-Leseverstehen
  • 8. In unterschiedlichen Schulformen und Bundesländern zum Abitur: Gleiche Berechtigung, gleiche Leistung? Gymnasium Gesamtschule Berufliches Gymnasium Abitur 75,7 % 6,4 % 12,8 % z.T. > 15,0 % z.T. > 30,0 % Abiturientenzahlen Soziale Selektivität Statistisches Bundesamt (2011)
  • 9. • Ausreichendes Qualifikationsniveau (Leistungsstandards)? • Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen (Verteilungsgerechtigkeit)? • Hamburger und Baden-Württemberger Abiturienten aus unterschiedlichen Schulformen im Vergleich (MPIB Berlin, Universität Tübingen) • TOSCA-Studie BW, LAU-Studie HH (vgl. Trautwein et al., 2007) In unterschiedlichen Schulformen und Bundesländern zum Abitur: Gleiche Berechtigung, gleiche Leistung?
  • 10. Richtung der Oberstufe Prozent der Schülerschaft in gymnasialer Oberstufe Hamburg Grundständiges Gymnasium 68 Integrierte Gesamtschule 15 Aufbaugymnasium 6 Wirtschaftsgymnasium 9 Technisches Gymnasium 2 Baden-Württemberg Allgemeinbildendes Gymnasium 68 Wirtschaftsgymnasium 18 Technisches Gymnasium 8 Ernährungswissenschaftliches Gymnasium 5 Agrarwissenschaftliches Gymnasium 1 Sozialpädagogisches Gymnasium 1 Biotechnologisches Gymnasium – ca. 1/3 ca. 1/3 In unterschiedlichen Schulformen und Bundesländern zum Abitur: Gleiche Berechtigung, gleiche Leistung?
  • 11. 58,3 54,3 54,5 56,0 58,8 61,0 53,1 55,8 54,9 54,3 50,1 60,5 52,5 20 30 40 50 60 70 80 Gesamt GG IGS AufG WG TG Gesamt AG WG TG EG ArG SG Hamburg Baden-Württemberg SozioökonomischerStatus(ISEI) PISA (Durchschnittlicher ISEI aller 15-jährigen) Sozialer Hintergrund der Schülerschaft
  • 12. Schwellenwert Kompetenzniveau Charakterisierung des Niveaus  601 Stufe IV oder höher Selbstständiges Lösen mathematischer Probleme auf Oberstufenniveau 501 – 600 Stufe III Anwendung von Lerninhalten aus der Oberstufe 401 – 500 Stufe II Anwendung mathematischer Regeln und Begriffe  400 Stufe I Schlussfolgern Erwartung Leistungskurs Erwartung Grundkurs (Ansetzung der Leistungserwartungen in Anlehnung an Klieme, 2000; vgl. Nagy et al., 2007) Erreichen kriterialer Leistungserwartungen in voruniversitärer Mathematik (TIMSS/III)
  • 13. (Ansetzung der Leistungserwartungen in Anlehnung an Klieme, 2000; vgl. Nagy et al., 2007) 52.9 20.1 7.6 47.9 82.5 28.4 36.1 43.8 25.0 45.8 84.5 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 GG IGS AufG WG TG AG WG TG EG ArG SG Hamburg Baden-Württemberg AnteilinProzent Erreichen kriterialer Leistungserwartungen in voruniversitärer Mathematik (TIMSS/III)
  • 14. 62.4 42.7 36.3 40.0 64.4 83.3 78.5 89.4 70.6 70.5 63.0 0.0 10.0 20.0 30.0 40.0 50.0 60.0 70.0 80.0 90.0 100.0 AG IGS AufG WG TG AG WG TG EG ArG SG Hamburg Baden-Württemberg (Ansetzung der Leistungserwartungen in Anlehnung an Klieme, 2000; vgl. Neumann & Nagy et al., 2007) Erreichen kriterialer Leistungserwartungen in mathematischer Grundbildung (TIMSS/III)
  • 15. Erreichen von Cut-Off-Werten in Englisch  Mindestanforderungen amerikanischer Universitäten ≥ 500: prestigearme staatliche Universitäten ≥ 550: prestigereiche staatliche Universitäten ≥ 600: prestigereiche private Universitäten Test of Englisch as a Foreign Language (TOEFL)
  • 16. Erreichen von Cut-Off-Werten in Englisch 51.8 24.3 5.9 59.4 24.1 3.8 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 mindestens 500 Punkte mindestens 550 Punkte mindestens 600 Punkte AnteilderSchülerschaftinProzent Hamburg Baden-Württemberg
  • 17. Erreichen von Cut-Off-Werten in Englisch Mindestens 500 Punkte Mindestens 550 Punkte Mindestens 600 Punkte Hamburg Grundständiges Gymnasium 64,7 32,0 8,1 Integrierte Gesamtschule 30,5 11,3 2,2 Aufbaugymnasium 18,9 5,2 0,9 Wirtschaftsgymnasium 19,7 5,7 0,4 Technisches Gymnasium 22,3 12,6 1,0 Baden-Württemberg Allgemeinbildendes Gymnasium 71,3 31,9 5,4 Wirtschaftsgymnasium 34,2 7,6 0,4 Technisches Gymnasium 18,0 7,0 0,4 Ernährungswissenschaftliches Gymnasium 24,6 7,9 0,5 Agrarwissenschaftliches Gymnasium 36,4 8,0 0,0 Sozialpädagogisches Gymnasium 26,2 6,5 0,0
  • 18. Vergleichbarkeit von Noten zwischen unterschiedlichen Oberstufenrichtungen (TOSCA-Studie)
  • 19. Zwischenfazit  Alternative Wege eröffnen einer traditionell eher gymnasialfernen Schülerschaft den Weg zur Hochschulreife  bedeutende Leistungsunterschiede zwischen Oberstufenrichtungen (und Bundesländern)  Erreichen von Leistungserwartungen zum Teil fraglich  Hinter vergleichbaren Zertifikaten und Noten stehen unterschiedliche Kompetenzen (Verteilungsgerechtigkeit?)  Grenzen der Öffnung von Wegen zur Hochschulreife?
  • 21. Vergleichbarkeit von Abiturnoten (2012/13) 2,39 2,17 2,46 2,35 2,37 2,43 2,38 2,44 2,47 2,42 2,43 2,45 2,54 2,56 2,46 2,61
  • 22. Vergleichbarkeit von Abiturnoten (2006/07) 2,40 2,56 Vergleich der Leistungen BW HH BW HH Mathematik Englisch BW HH Mathematik Englisch BW HH BW HH BW HH Mathematik Englisch Vergleich der Fachnoten Mathematik Englisch BW HH BW HH
  • 23. Vergleichbarkeit von Abiturnoten A B Fachnote Bewertungsvorteil Hamburger Abiturienten bei gleicher Mathematikleistung (auf der 15-Punkte-Metrik im Leistungskurs) Prüfungsnote (Zentralabitur) 1,57 Punkte 0,46 Punkte
  • 24. Studienzulassung: Noten oder Kompetenzen? A B A B A B A B C Hypothetisches Szenario der Studienzulassung unter Zugrundelegung unterschiedlicher Zulassungskriterien (die besten 10 Prozent, bei angenommener gleicher Populationsgröße BW und HH) Gerechter? BW HH BW HH BW HH Abiturgesamtnote Fachnote Mathematik Leistung Mathematik 61 39 55 45 84 16
  • 25. Kurssystem vs. Kernfachabitur: „neues“ System - bessere Leistung?  Neuordnung des Kurssystems in vielen Bundesländern in den letzten 15 Jahren  Kernpunkte der Neuordnung: - Reduzierung von Wahlmöglichkeiten - Abschaffung der Leistungsdifferenzierung in den Kernfächern D, M, Fs - Ausweitung und Vereinheitlichung der Prüfungsverpflichtungen  TOSCA-Repeat-Studie (vgl. Trautwein, Neumann et al. 2010) - Vergleich der beiden baden-württembergischen Abiturjahrgänge TOSCA-2002 und TOSCA-2006
  • 26. Die gymnasiale Oberstufe in Baden-Württemberg Fächer Wochenstunden „Kernkompetenzfächer“ (jeweils vierstündig im Klassenverband) Deutsch Mathematik Fremdsprache 12 „Profilfach“ (vierstündig) Fremdsprache oder Naturwissenschaft 4 „Neigungsfach“ (vierstündig) relativ frei wählbar 4 weitere verpfl. Fächer (i.d.R. zweistündig) Geschichte + GK/EK Musik oder Kunst Religion oder Ethik Sport zwei Naturwissenschaften 12-14 32-34 SPF SPF MPF
  • 27. 7,9% 7,1% 9,7% 5,1% 19,3% 15,1% 15,0% 0,0% 5,0% 10,0% 15,0% 20,0% 25,0% Gesamt AG WG TG ArG EG SG (13,1 min) (12,0 min) (16,0 min) (8,7 min) (29,1 min) (23,8 min) (23,5 min) LK-Quote 2002: 35,4 % 36,7 % 32,2 % 40,3 % 17,7 % 23,5 % 23,9 % 3,483,473,353,813,653,733,71Ø Unt.-std. 2002: Veränderungen der mittleren Unterrichtszeit in Mathematik
  • 28. 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 75 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2006 Gesamt AG WG TG ArG EG SG BtG Testleistung d = .13* d = .16* d = .65* d = .48* SDV= .96* SDV= .93* Metrik: M = 50, SD = 10 in TOSCA-2002 n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. Schulleistungen in voruniversitärer Mathematik (Mittelwert ± 2 Standardabweichungen)
  • 29. - Insgesamt moderater Anstieg der voruniversitären Mathematikleistungen - an Gymnasien/Gymnasialzweigen mit niedrigem Leistungskursanteil in TOSCA-2002 zum Teil stärkere Leistungsanstiege - Reduktion von Leistungsunterschieden: - innerhalb der Schulen (statistisch signifikant) - in der Tendenz auch zwischen Schulen/Gymnasialzweigen (aber nicht statistisch signifikant) Schulleistungen in voruniversitärer Mathematik
  • 30. Leistungen in Englisch - TOEFL (Mittelwert ± 2 Standardabweichungen) 350 400 450 500 550 600 650 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2002 2006 2006 Gesamt AG WG TG ArG EG SG BtG Testleistung SDV= .96* SDV= .92*** n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s. n.s.
  • 31. Kurssystem vs. Kernfachabitur: „neues“ System - bessere Leistung? - Veränderungen in Einklang mit den Zielen der Neuordnung, zumindest in Teilbereichen - Moderate Leistungsveränderungen in Mathematik (praktische Relevanz?) - Kaum Veränderungen in Englisch - Grenzen und offene Fragen:  „Kosten“ der Neuordnung (z.B. in weniger zentralen Fächern und bei studiennahen Lern- und Arbeitsweisen)?  Übertragbarkeit der Befunde auf andere Bundesländer?  Auswirkungen auf die Ausbildung von Studienfachwünschen und beruflichen Interessen?  bessere Vergleichbarkeit des Abiturs?  erfolgreicher in Studium und Beruf?  …
  • 32. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit DIPF-Stand: Halle 6.1., Standnr. D067