Kapital und Märkte 04.2013:
Zypern, Zypern, Zypern: Wie sich das Drama um den Inselstaat auf die Finanzmärkte auswirkt.
Europa: Die Zeiten stabiler Austeritätspolitik sind endgültig vorbei. Die Bundesregierung ist zunehmend isoliert und Frankreich rutscht immer tiefer in die Krise.
Rohstoffsektor: Der Goldpreis gerät weiter unter Druck. Auch der Ölpreis kann nicht von Konjunkturhoffnungen profitieren. Steht nun das Comeback bevor?
1. Kapital & Märkte
Ausgabe April 2013
(über 100.000 Euro) erhebliche Verluste von bis zu 60 Prozent
Zypern und die Folgen hinnehmen müssen. Noch schlimmer trifft es die großen
Einleger der abzuwickelnden Laiki Bank. Hier werden nicht
Seit Monaten ist bekannt, dass der zur EU gehörende Südteil nur wie bei der großen Konkurrenz die Einlagen zum Teil
der Mittelmeerinsel 17,5 Milliarden Euro benötigt, um in eingefroren, sondern die Verluste dürften nach ersten Schät-
erster Linie sein Bankensystem zu sanieren. Diese Summe zungen fast die ganzen Guthaben aufzehren – je nachdem,
entspricht fast dem Sozialprodukt des Staates, der erst 2008 was die Liquidation erlösen wird. Hart davon betroffen sind
der Eurozone beigetreten ist. In Schieflage geraten waren die auch ausländische Anleger – vor allem russische und britische
zyprischen Institute durch umfangreiche Anlagen in griechi- Bürger, Banken und Unternehmen. Allein russische Banken
sche Staatsanleihen, welche vor einem Jahr zu Lasten der und Firmen hatten in Zypern Ende 2012 zirka 23 Milliarden
Gläubiger drastisch abgewertet wurden. Euro angelegt. Der vermutlich nach Moskau zweitgrößte
Finanzplatz der russischen Wirtschaft wurde besonders vom
FORDERUNGEN RUSSISCHER BANKEN AN ZYPERNS BANKEN
14 7
Forderungen in Milliarden Dollar (linke Skala) Anteil am Eigenkapital russischer Banken in % (rechte Skala)
12 6
10 5
8 4
6 3
4 2
2 1
0 0
2007 2008 2009 2010 2011 2012
Quelle: Moody's
Wie sieht die nun gefundene „Lösung“ für Zypern aus? Zehn russischen Mittelstand frequentiert. Viele russische Gesell-
Milliarden Euro werden die EU sowie der internationale Wäh- schaften wickelten ihre Geschäfte nicht nur wegen Steuervor-
rungsfonds beisteuern. Den Rest soll die Insel selbst überneh- teilen in oder über Zypern ab, sondern auch um der Willkür
men, indem sie die sehr niedrigen Kapitalertrags- und Unter- und Korruption in der Heimat zu entkommen.
nehmenssteuern erhöht und die beiden größten Banken des
Landes umstrukturiert beziehungsweise abwickelt. Das grö- Zypern hatte daher von Russland einerseits eine Verlängerung
ßere Institut, die Bank of Cyprus, soll überleben – auch wenn und Zinsreduktion eines schon vor zwei Jahren gewährten
ihre Eigentümer, Anleihengläubiger und die Großeinleger Kredites über 2,5 Milliarden Euro erwartet, und sich anderer-
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2. seits ein neues Darlehen über fünf Milliarden Euro erhofft. Einen Bank Run mit Notkrediten der EZB und Target 2-For-
Letzteres wurde aber wohl auch deshalb nicht gewährt, weil derungen der Bundesbank auszugleichen, würde nicht leicht
dem Kreml die Kapitalflucht über Zypern schon lange ein sein. Die Rufe nach einer europäischen Bankenunion werden
Dorn im Auge ist. Dies war auch einer der Gründe, warum deshalb auch wieder lauter. Weil sich deutsche Sparer gerade
Russland – wenn auch unter Protest – die Verluste seiner An- nach den Vorkommnissen um Zypern nicht mehr offen für
leger akzeptierte. die Sicherung der Guthaben in Südeuropa heranziehen lassen,
muss ein anderer Weg gefunden werden. Eine umlagenfinan-
Wäre es zu keiner Lösung gekommen, hätte es einen Zusam- zierte Einlagenversicherung mit Deckung durch den europä-
menbruch des ganzen Bankensystems gegeben. Und aller- ischen Stabilisierungsmechanismus (ESM), für den dann
spätestens, wenn im Juni eine große Anleihe des Landes fällig Deutschland mithaftet, erscheint zunehmend wahrscheinlich.
wird, wäre auch Zypern selbst zahlungsunfähig geworden.
Der ruppige, willkürliche Umgang mit Spargeldern – Einla- Bleibt festzuhalten, dass sich die EZB durch ihre Drohung, die
gensicherungen hin oder her – sowie die offensichtlich man- zyprischen Banken nicht mehr mit Liquidität zu versorgen,
gelnde Abstimmung mit Russland haben das Vertrauen der als entscheidende Macht in Europa gezeigt hat. Die zyp-
Anleger nun schwer geschädigt. Die Geschäftsgrundlage des rischen Institute sind ja schon seit längerem auf Notkredite
für die Insel existenziellen, großen Finanzsektors ist damit der EZB angewiesen.
weggefallen. Im globalen Standortwettbewerb für Finanzan-
lagen ist Zypern nicht mehr wie früher auf den vorderen Nicht unbeabsichtigt wurde der vermeintlichen oder tatsäch-
Plätzen zu finden. Die Grundpfeiler des Finanzplatzes – lichen Schwarzgeldwirtschaft in dieser wichtigen Finanzdreh-
Rechtssicherheit, Bankgeheimnis, niedrige Steuersätze sowie scheibe für russisches, aber auch anderes internationales
Kapitalverkehrsfreiheit – sind alle angegriffen worden. Kapital, ein Schlag versetzt, der bei anderen Steueroasen
gegebenenfalls wiederholt werden kann. ❚
Die Wirtschaft der Insel wird nun von der EU in eine mehr-
jährige, schwere Depression geschickt. Das jetzige Rettungs-
paket wird nicht ausreichen und es ist davon auszugehen,
dass die Insel auf Jahre Kostgänger für die EU bleibt. Wenn Europa: Austerité passé
die Rettungsgelder geflossen sind, wird es nicht mehr viele
Gründe geben, welche die Insel in der EU halten. Das Land Die jüngsten Wahlen in Italien haben die mangelnde Akzep-
könnte in die russische Einflusssphäre getrieben werden. tanz von Steuererhöhungen und Einsparungen in der Be
völkerung der betroffenen Länder erneut gezeigt. Die ver-
Auch wenn Zypern wegen seiner geringen Größe nie system- nichtende Niederlage des bisherigen Ministerpräsidenten der
relevant war, haben die Ereignisse auf der Insel doch Signal- drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone Monti ist ein weit-
wirkung. Ohne Not hat die europäische Politik ihr wichtigstes eres Urteil gegen die überall in den Krisenländern praktizierte
Kapital – das Vertrauen – aufs Spiel gesetzt. Die Maßnahmen, Politik der Steuererhöhungen, die in ihrer unsozialen Ausprä-
Einschränkungen des freien Kapitalverkehrs – wenn auch nur gung auch immer die Mehrwertsteuer umfasst. Für die Be
vorübergehend – und willkürliche Enteignungen sind in der völkerung in den Problemländern sind konkrete Verbesserun-
EU im Notfall keine Tabus mehr. Die Eurozone und ihre Wäh- gen noch nicht sichtbar. Dies hat zur Folge, dass die politische
rung werden damit in den Augen von Anlegern weniger Ablehnung dieser Politik zunimmt und ihrerseits Investitions
a
ttraktiv. Es gibt bereits erste Meldungen über Abflüsse von entscheidungen hemmt. Das wiederum verhindert mögliche
Geldern aus der Eurozone. ökonomische Fortschritte.
Es ist zwar ordnungspolitisch richtig, dass getestet wird, wie Das Scheitern der Sparpolitik ohne ausreichende, flankierende
man Anleger endlich wieder für ihre eigenen Fehlentschei- strukturelle Maßnahmen zur Wiederherstellung der Wettbe-
dungen haften lassen kann. Dies birgt jedoch Risiken, weil in werbsfähigkeit innerhalb des Euroraumes ist offenkundig. Die
der EU bisher alle Einlagen gerettet wurden – koste es, was Bundesregierung ist mit ihrem Pochen auf Sparmaßnahmen
es wolle. Vor allem die großen Einleger in den gefährdeten in Europa zunehmend isoliert, weil auch ehemals starke Nach-
südeuropäischen Ländern sind deshalb alarmiert und würden barn wie die Niederlande und Frankreich inzwischen mehr
im Falle einer Zuspitzung der Eurokrise wohl nicht lange zö- und mehr Probleme bekommen. So musste Ende Januar die
gern, ihre Guthaben abzuziehen. Vielleicht werden wir bald große niederländische Bank SNS Reaal vom Staat aufgefangen
in Slowenien beobachten können, wie sich die Sparer in der werden, weil sie durch die Krise am Immobilienmarkt unseres
nach Zypern neuen Lage verhalten werden. Nachbarlandes zu sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde.
3. Lohnstückkosten
Um die Lohnstückkosten innerhalb der Eurozone im Laufe von 4 Jahren anzugleichen, braucht es zum Beispiel:
Eine jährliche Steigerung der Löhne in Deutschland um 4 Prozent bei gleichbleibender Produktivität
und gleichzeitig stabile Löhne in den Ländern Süd uropas bei einer Produktivitätssteigerung von 2 Prozent p. a.
e
Eine allgemeine Schwäche des Euros würde es zum Beispiel Deutschland erlauben innerhalb Europas
an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren aber im weltweiten Vergleich konkurrenzfähig zu bleiben und so
die Ungleichgewichte in Europa abzubauen.
Euro Area Germany France Italy Ireland Spain
160 160
150 150
140 140
130 130
120 120
110 110
100 100
90 90
1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
Quelle: ESN, B. Mc Alinden
Der niederländische Immobilienmarkt hat sich nach vorherge- also wie in den USA und anderen Industrieländern in die
henden Auswüchsen vor allem bei den Hauspreisen mit am Zukunft verschoben. ❚
schlechtesten in der Eurozone entwickelt. Auch im Jahr 2013
dürften die Werte sowohl bei Gewerbe- als auch Wohnob-
jekten weiter fallen und werden dann voraussichtlich um ein
Viertel unter den Spitzenpreisen von 2007 liegen. Der Rohstoffsektor: Comeback steht noch aus
bisherige Musterschüler in Sachen Wettbewerbsfähigkeit und
Verschuldung hat zwar immer noch ein AAA-Rating – aber Infolge steigender Kurse bei Aktien und der vor allem in Eu-
schon mit negativem Ausblick. ropa zurückgekehrten Ruhe an den Anleihemärkten sowie
positiven Wirtschaftsdaten – zumindest aus den USA – ist der
In unserem wichtigsten Nachbarland und größtem Handels Goldpreis im Februar weiter unter Druck geraten. Goldfonds
partner Frankreich sind die Defizitziele nicht einhaltbar. Der verkauften 3,5 Millionen Unzen und die spekulativen Kauf-
rapide Verlust an Wettbewerbsfähigkeit der französischen positionen am Terminmarkt sanken auf das niedrigste Niveau
Industrie wird immer sichtbarer und zeigt das nächste Prob- seit Dezember 2008.
lemfeld. Die Befürchtungen, dass vor allem Italien und Spa-
nien sich mit oder ohne Rettungsschirm nicht mehr weiteren Die seit 2011 anhaltende, relativ schlechte Kursentwicklung
Diktaten aus dem Norden unterwerfen werden, bewahr eiten
h der Edelmetallaktien im Vergleich zum Goldpreis ist in erster
sich mehr und mehr. Ihr Schulterschluss mit Frankreich dürfte Linie auf die Kapital- und Betriebskosteneskalation der ver-
das Schicksal der wenig erfolgreichen, deutsch geprägten gangenen Jahre zurückzuführen. Unter dem Druck der Ak-
Sparpolitik in Europa besiegeln. tionäre haben die Minenunternehmen in den letzten
Monaten jedoch begonnen, sich auf eine Senkung der Be-
Für die Wirtschaft in Europa sollte das zunächst positive Aus- triebskosten zu fokussieren. Zudem wurden die Investitions
wirkungen haben. Der Erfolg der EZB mit ihrer Ankündigung, pläne im Sektor gekürzt. Die Kosteninflation im Bergbau
gegebenenfalls den Schuldnerländern zu helfen, verstärkt den wird deshalb rückläufig sein, was sich in den kommenden
Eindruck, dass sich sparen nicht lohne. Die Probleme werden Quartalen auch in den Zahlen widerspiegeln sollte. Damit
4. GOLDAKTIEN UND GOLD
5.000 2.500
Goldaktien in US $ (linke Skala) Gold in US $ (rechte Skala) Goldaktien vs. Gold (normiert, rechte Skala)
4.500
4.000 2.000
3.500
3.000 1.500
2.500
2.000 1.000
1.500
1.000 500
500
0 0
Feb 93 Feb 95 Feb 97 Feb 99 Feb 01 Feb 03 Feb 05 Feb 07 Feb 09 Feb 11 Feb 13
Quelle: Bloomberg
verbessern sich die Chancen, dass die Bewertung der Aktien, Abschreibungen in den Jahresabschlüssen für 2012 und die
die sich in den vergangenen Jahren mehr als halbiert hat, Verunsicherung über die künftige Strategie belasteten das
wieder ansteigt. Darüber hinaus sollten die Maßnahmen Anlegervertrauen gegenüber dem Sektor und führten bei
bei einem stabilen Ausblick für die Metallpreise einen An- einer ganzen Reihe von Unternehmen zu Entlassungen der-
stieg der Cashflows bewirken. Das eröffnet entsprechende jenigen Vorstände, die zu sehr auf Expansion gesetzt hatten.
Spielräume für Dividenden.
Die Verbesserung der Wachstumserwartungen, wie sie sich
Nachdem China seine Bremspolitik gestoppt und mittels an den steigenden Aktienindices zeigt, führte bislang weder
Infrastrukturprojekten auf Wachstum umgesteuert hat, zu Metallpreisanstiegen noch zu einer Erholung der Bergbau-
eröffnen sich für Produzenten von Industrierohstoffen nach aktien. Relativ zu den breiten Indices notieren diese Papiere
den Kursrückgängen wieder Chancen. Die gravierenden so tief wie zuletzt 2009.
Auch der Ölpreis profitierte nicht von Konjunkturhoffnungen. ❚
Stand: April 2013
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