Von Louis Daquin zu Louis Vierne
Frühklassik „Galanter“ Stil ca. 1750–1810
Klassizismus ca. 1800–1830
Frühromantik ca. 1820–1850
Hochromantik ca. 1840–1890
Symphonischer Orgelstil ab ca. 1850
Spätromantik ca. 1880–1920 (teils länger)
Französische Orgelmusik im 19. Jahrhundert, Geschichte
1. Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
Version
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Französische Orgelmusik im 19. Jahrhunderts
Von Louis Daquin zu Louis Vierne
• Frühklassik „Galanter“ Stil ca. 1750–1810
• Klassizismus ca. 1800–1830
• Frühromantik ca. 1820–1850
• Hochromantik ca. 1840–1890
• „Symphonischer“ Orgelstil ab ca. 1850
Cavaillé-Coll baut 1857-59 in Sainte-Clotilde seine erste
Orgel im voll entwickelten symphonischen Stil.
• Spätromantik ca. 1880–1920 (teils länger)
1
2. Chronologie nach Orpha Ochse „Organists and Organ Playing in 19th-
Century France and Belgium“ Bloomington 1994
• 1800–1810 | In der Folge des Sturms (1 Folie)
• 1810–1820 | Jahre des Wiederaufbaus (2)
• 1830–1840 | Romantische Morgendämmerung (5)
• 1840–1850 | Kontraste, Konflikte und Eroberungen (3)
• 1850–1860 | Meister der Mitte des Jahrhunderts (9)
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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Französische Orgelmusik im 19. Jahrhunderts
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• 1860–1870 | Neue Horizonte (5)
• 1870–1870 | Tragödie bis Triumph (3)
• 1880–1889 | Die Renaissance setzt ein (3)
• 1890–1900 | Jahre der Erfüllung (4)
• Die Zeit nach 1900 (1)
3. Wichtige Organisten/Komponisten, die vor und nach
der Revolution in Paris wirken
• Guillaume Lasceux (1740–1831)
• Nicolas Séjan (1745–1825)
• Isaac-François-Antoine Lefébure-Wély (1756–1831)
• Jean-Baptiste-Nicolas Marrigues (1757–1834)
• Gervais-François Couperin (1759–1826)
• Jacques-Marie Beauvarlet-Charpentier (1766–1834)
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1800–1810 | In der Folge des Sturms
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4. • 1811–15 Benoist studiert am Conservatoire und gewinnt erste
Preise in Harmonielehre, Klavier und Komposition.
• ab 1812 Entwicklung der Orgue expressif und des
Harmoniums. Durchschlagende Zungen ändern je nach
Winddruck die Lautstärke und behalten die Tonhöhe. Dies
ermöglicht Dynamik durch Änderung des Winddrucks.
• 1818 Das Conservatoire erhält eine Orgel mit labialen Pfeifen
im Hauptwerk und Pedal sowie fünf durchschlagenden
Zungenregister auf dem zweiten Manual (expressif).
• 1819 Ruhestand Lasceux, Séjan stirbt, Rückkehr Benoists von
Italien. Gründung der Orgelklasse mit Benoist als Lehrer.
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1810–1820 | Jahre des Wiederaufbaus I
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5. • 1826 Mit Alexandre-Charle Fessy gewinnt wieder ein
Orgelstudent einen ersten Preis.
• Lefébure-Wély vertritt an Ostern als Neunjähriger seinen Vater
in Saint-Roch. Mit 14 Jahren wird er Titulaire. Der junge Alfred
spielt Magnificats und Requiems mit Spezialeffekten: Cluster in
tiefen Lagen, Handcluster mit Wellenbewegungen, plötzliche
Ausbrüche, dramatische Stille, klagende Phrasen mit Voix
humaine solo. In wenigen Jahren wurde er der bekannteste und
populärste Organist seiner Zeit.
• 1827 werden die ersten Orgeln mit Schwellkasten, Fusstritten
für Registerwechsel und besseren Windversorgung gebaut,
angeregt durch John Abbey aus England und Sébastian Erard.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1820–1830 | Jahre des Wiederaufbaus II
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6. • 1829 Fétis prognostiziert eine „Revolution der
Orgelmusik“ durch die Orgue expressif.
• 1830 „Durchbruch“ der romantischen Musik in
Frankreich. Uraufführung von Berlioz’ Symphonie
fantastique, neue Register, mehr Klangfarben im
Orgelbau. „Sieg“ des Klaviers über das Cembalo.
• 1833 kommt Aristide Cavaillé-Coll genau zur richtigen
Zeit nach Paris. Mit 22 gewinnt er die Ausschreibung
des Orgelneubaus an Saint-Denis. Lefébure-Wély ist 16
Jahre alt, Fessy 29, Benoist 39, Séjan und Boëly sind in
den 40ern
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1830–1840 | Romantische Morgendämmerung I
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7. • 1831–34 stirbt die Generation aus, die noch vor der Revolution
gewirkt hat (Lasceux, Marrigues, Beauvarlet-Charpentier).
• 1834 kommt Alfred Lefébure-Wély ins Conservatoire und
gewinnt in den ersten Jahren einige erste Preise.
• Cavaillé-Coll vergrössert den Klang, perfektioniert die Mechanik
und baut Register, die Orchesterinstrumente imitieren (anstelle
der „Wälder von Nazards, Quartes, Tierces und Cornets“).
• Die Pariser Organisten sind gegenüber den deutschen
bezüglich Pedaltechnik, Kontrapunkt und Komposition im
Rückstand. Mit Ausnahme von Alexandre-Pierre-François
Boëly.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1830–1840 | Romantische Morgendämmerung II
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8. • Man weiss nicht, wie der Pianist, Bratschist und Komponist
Boëly zum Orgelspiel kam. Zusammen mit Jean-Louis-Félix
Danjou überwachte er den Neubau der Dallery-Orgel und wird
1840 Titulaire an Saint-Germain-l’Auxerrois. Das blieb seine
einzige Organistenstelle. Er spielt Bach, Couperin, Händel,
Albrechtsberger u. a.
• Seine eigenen Kompositionen fördert er wenig.
• Boëly ist sicher der bedeutendste französische Orgelkomponist
im frühen 19. Jh. Viele Werke werden in den 1840er Jahren
veröffentlicht, aber die Pariser Organisten haben wenig
Interesse an komponierter Musik.
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1830–1840 | Romantische Morgendämmerung III
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9. • Ein interessanter Organist ist auch Louis-Nicolas Séjan, obwohl
er die Grösse seines Vaters Nicolas nicht erreichte. Er
veröffentlichte die Werke des Vaters und komponierte selber im
alten Stil. Viele Neuerungen gingen an ihm vorbei.
• Jacques-Claude-Adolphe Miné und Charles-Alexandre Fessy
geben in der Mitte der 30er Jahren den „Guide de l’organiste“
heraus, eine 12-bändige Sammlung gottesdienstlicher Musik,
sie veröffentlichten auch Lehrbücher.
• Miné kam 1811 ans Conservatoire, vor der Gründung von
Benoists Klasse, um Cello und Harmonielehre zu studieren.
Fessys Musik ist etwas interessanter als die Minés.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1830–1840 | Romantische Morgendämmerung IV
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10. • Für die Orgelmusik war es insgesamt eine relativ
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1830–1840 | Romantische Morgendämmerung V
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trockene Dekade.
• „Ich komme eben aus St. Sulpice, wo mir der Organist
die Orgel vorgeritten hat: sie klingt wie ein vollstimmiger
Chor von alten Weiberstimmen; aber sie behaupten, es
sei die erste Orgel in Europa, wenn man sie reparirte,
was 30.000 Francs kosten soll. Wie der canto fermo mit
einem Serpent begleitet klingt, das glaub Niemand, der
es nicht gehört hat, und dazu läuten die dicken Glocken!
“
Felix Mendelssohn-Bartholdy in einem Brief vom 21. 1.1832
11. • 1841 hörte man zum ersten Mal vom talentierten 19-jährigen
Pianisten und Komponisten César Franck, der als Orgelstudent
Benoists erste Preise gewinnt.
• Die Aufmerksamkeit der Orgelwelt gilt aber primär Cavaillé-
Colls neuer Orgel in der Basilika Saint Denis, 1841 eingeweiht
durch Lefébure-Wély.
• Die Orgel ist im Wesentlichen erhalten geblieben: 69/III/P
• Über 20 Zungen, doppelte Trompeten und Clairons
• 8 Flûtes harmonique 8’ und 4’
• Erste Orgel von Cavaillé-Coll mit Barker Maschine
• Das Pedal war als „Ravalement“ bis zum F1 ausgebaut,
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1840–1850 | Kontraste, Konflikte und Eroberungen I
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12. I Positif II Orgue II Bombarde III Récit expr. Pédale
Fonds Montre 32’ Flûte 32’
Bourdon 16’ Montre+Bd. 16’ Bourdon 16’ Flûte 16’
Montre+Bd. 8’ Montre+Bd. 8’ Bourdon 8’ Bourdon 8’ Flûte 8’
Flûte harm. 8’ Fl. trav.+cônique 8’ Flûte harm. 8’ Flûte harm. 8’ Violoncelle 8’
Prestant+Bd 4’ Viole 8’ Flûte octav. 4’ Flûte octav. 4’ Flûte 4’
Flûte octav. 4’ Prestant 4’ Bourdon 16’ Octavin 2’
Doublette 2’ Flûte octaviante 4’ Bourdon 16’
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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Paris Saint-Denis (Cavaillé-Coll 1841) 69/III/P
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Octavin 2’ Doublette 2’
Cornets Nasard+Tierce Nasard 2 2/3’ Naz.+Cornet V Nazard Quinte 5 1/3’
Plein Jeux Fourn+Cymb IV Grosse Four+Cym III Tierce
Fourn+Cymb III Bombarde 16’ Contrebom. 32’
Anches Trompette 8’ 1e Trompette 8’ 1e Trompette 8’ Trompette 8’ Bombarde 16’
Cromorne 8’ 2e Trompette 8’ 2e Trompette 8’ Voix humaine 8’ Trompette 8’
Hautbois 8’ Cor anglais 8’ 1e Clairon 4’ Clairon 4’ Basson 8’
Clairon 4’ Clairon 4’ 2e Clairon 4’ Clairon 4’
13. • 1842–1844 Barker arbeitet bei Daublaine-Callinet
• 1844 Cavaillé-Coll und Daublaine-Callinet stellen neue
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1840–1850 | Kontraste, Konflikte und Eroberungen II
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Instrumente vor.
• Hesse, der „König des Pedals“, gastiert in Paris und spielt bei
Orgelvorführungen und Konzerten eigene Werke und Toccaten
und Fugen von Bach.
• Die Pariser Organisten decken das ganze Spektrum des
zeitgenössischen Geschmacks ab:
• Populäre Improvisationen von Lefébure-Wély und Fessy
• traditionelle Fugen gespielt von Benoist und Boëly
• in der Mitte der weniger wirkungsvolle Séjan.
14. • Brand (ausgelöst durch Barker?) der neuen Orgel von
Daublaine-Callinet in Saint-Eustache
• 1845 Daublaine-Callinet geht bankrott und wird von Ducroquet
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1840–1850 | Kontraste, Konflikte und Eroberungen III
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übernommen
• 1846 Daublaine-Callinet baut in Saint-Sulpice, Georges Schmitt
wird Titulaire
• 1847 Cavaillé-Coll baut in La Madeleine, Titulaire ist Fessy
• 1848 Februarrevolution, Cavaillé-Coll muss die Firma für 6
Monate schliessen
• 1847/48 Camille Saint-Saëns wird bis zu seinem Eintritt ins
Conservatoire Schüler von Boëly
15. • 1851 Boëly wird entlassen. Saint-Saëns kommt in die Klasse
von Benoist, gewinnt erste Preise und wird 1853 Titulaire in
Saint-Merry.
• 1852 Der Belgier Lemmens kommt auf Empfehlung von Fétis
(Direktor des Brüsseler Konservatoriums) nach Paris und spielt
einige Orgeln von Cavaillé-Coll. Er spielt komponierte Musik
(Bach und eigene Werke) und improvisiert.
• 1853 Niedermeyer gründet seine Kirchenmusikschule
• 1854 Lemmens und Franck spielen die neue Orgel von
Ducroquet in Saint-Eustache. Lemmens spielt Mendelssohn,
Bach und improvisiert, Franck spielt eine Fantasie.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1850–1860 | Meister der Mitte des Jahrhunderts I
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16. • Die Kritik schreibt: „Franck spielt in einem sehr strengen
Stil und nutzt die Möglichkeiten der modernen Orgel
nicht aus, Lemmens ist mehr Theoretiker als Praktiker.
Lefébure-Wély und Fessy sind bessere, modernere
Organisten.“
• Lemmens spielt nie bei einer Cavaillé-Coll Einweihung
• 1855 Merklin-Schütze kauft Ducroquet. Zwei Studenten
von Lemmens kommen nach Paris: Clément Loret und
Alphonse Mailly, beide 22 Jahre alt.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1850–1860 | Meister der Mitte des Jahrhunderts II
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• 1856 Fessy stirbt
17. • 1857 Saint-Saëns weiht die Orgel in Saint-Merry ein. Umbau durch
Cavaillé-Coll nach Clicquot 1781. Saint-Saëns spielt Improvisationen,
eigene Werke, Mendelssohn und Bach. Sein Spiel sei „ernst, elegant und
religiös". Saint-Saëns folgt Lefébure-Wély in La Madeleine.
• 1858 Loret wird Professor bei Niedermeyer. Boëly stirbt, Saint-Saëns
spielt an der Beerdigung. Mailly kommt wider nach Paris, spielt
Programme mit Bach, Mendelssohn, Lemmens und Mailly. Lefébure-
Wély dagegen spielt meist Improvisationen mit einzelnen Registern und
Effekten der Orgeln (Bsp. nächste Folie)
• 1859 Lefébury-Wély, Franck (Titulaire) und Dubois (Chororganist)
weihen die Cavaillé-Coll Orgel in Sainte-Clotilde ein. Lefébury-Wély
improvisiert, Franck spielt Bach und eigene Werke, Dubois begleitet die
Vokalmusik.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1850–1860 | Meister der Mitte des Jahrhunderts III
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18. Einweihung in Saint-Louis-d’Antin 1858, gespielt von Lefébure-Wély (LW)
1. Improvisation in F-Dur mit Gamben auf 2 Manualen, crescendo zum Tutti
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1850–1860 | Meister der Mitte des Jahrhunderts IV
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und decrescendo
2. Improvisation in e-Moll mit Flûte harmonique, Oboe 8’ und Flöte 4’
3. Solo von Mme LW „Ave Maria“ von Miné, begleitet mit Voix humain
4. Fuge in d-Moll op. 122.6 mit Zungen und Grundstimmen des Récit mit
crescendo zum Grand Choeur und decrescendo
5. Bauernmarsch in b-Moll, staccato mit Oboensolo als Dudelsack
6. Trauermarsch op.122.9 Grundstimmen und Trompette harm. mit Tremulant
7. Solo von Mme LW: „O salutaris“ von LW mit Solo Flûte harmonique
8. Improvisation in G-Dur mit Harfeneffekten
9. Improvisation in C: Hirtenszene, Volkstanz, Gewitter Effekte
19. César Franck und Camille Saint-Saëns
• haben trotz des Altersunterschieds von 13 Jahren vieles gemeinsam
• Ihre Karrieren entwickeln sich gleichzeitig
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1850–1860 | Meister der Mitte des Jahrhunderts V
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• beide studieren bei Benoist
• beide sind exzellente Pianisten, bevor sie Orgel studieren
• beide sind hoch geachtete Musiker, aber als Organisten keine
Publikumslieblinge
• der Kontrapunkt ist ihnen vertraut, beide improvisieren Fugen
• bei beiden hat die Komposition mehr Bedeutung als das Orgelspiel
• Saint-Saëns pflegte einen eher klassizistischen Stil, Franck war der
Romantiker, beide galten als „ernste“ Musiker
20. Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1850–1860 | Meister der Mitte des Jahrhunderts VI
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Antoine Edouard Batiste
• 1854 bis 1876 Organist an Saint-Eustache, ist einer der populärsten
Konzertorganisten seiner Zeit. Er unterrichtet am Conservatoire, bevor er sein
eigenes Studium abgeschlossen hat. Sein Orgelspiel war eine der
Hauptattraktionen für ausländische Besucher. Er spielt viele Werke Bachs,
Mendelssohns u. a. auswendig und improvisiert alle Formen.
• Seine Kompositionen waren in England und USA populärer als in Frankreich.
Verleger Spark: die ruhigen Sätze seien „nicht nur sehr melodiös, sondern
auch gekonnt gebaut“, die Musik von Batiste sei „manchmal lärmig, immer
brillant und nicht so fromm wie englische Kirchenmusik sein sollte“.
• Batiste war wegen seiner Stellung am Conservatoire und an Saint-Eustache
der bevorzugte Organist für Inaugurationen von Merklin-Schütze. Die Zahl
seiner Gastauftritte übertraf zeitweise sogar die von Lefébure-Wély.
21. Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1850–1860 | Meister der Mitte des Jahrhunderts VII
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Weitere wichtige Organisten
• Auguste Durand (der Verleger), Joseph Franck (Bruder von César),
Charles Gounod (komponierte kaum für die Orgel), Charles-Valentin
Alkan (der Pedalklavier Virtuose), Renaud de Vilbac (Improvisator,
Bearbeiter von Opernauszügen für Tasteninstrumente)
• Théodore Dubois beginnt seine Karriere in den 50ern. Erster Preis 1859
und Rompreis 1861. 1855–58 Chororganist in der Chapelle des
Invalides, danach an Sainte-Clotilde. Sein Name ist selten zu sehen bei
Einweihungen, er konzentriert sich auf seine Kompositionen.
• Frauen: Lediglich 6 von 60 ersten Preisen gingen an Organistinnen,
unter ihnen Joséphine Boulay und Marie Prestat (s. a. Thérèse Couperin
um 1820 und Mme Wackenthaler in Strassburg).
22. Namhafte Organisten ausserhalb von Paris
• Lyon: Charles-Marie Widor studiert bei seinem Vater, bei
Lemmens und bei Fétis in Brüssel, vertritt den Vater und Saint-
Saëns, wird 1870 Titulaire an Saint-Sulpice.
• Boulogne-sur-Mer: Alexandre Guilmant studiert bei seinem
Vater und bei Lemmens in Brüssel, er wird 1871 Organist in La
Trinité
• Rouen: Aloys Klein und seine Vorfahren, gebürtiger Elsässer
• Saint-Brieuc: Charles Collin und Sohn; Nancy: Familie Hess
• Belgien: In Brüssel dominieren Lemmens, Fétis und ihr Kreis
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1850–1860 | Meister der Mitte des Jahrhunderts VIII
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23. Nordosten und Elsass
In den Gebieten nahe des Rheins sind Einflüsse aus Deutschland
und Paris erkennbar.
• Joseph Wackenthaler mit seiner Frau (Strassburg) und Sohn
François-Xavier (später Lehrer an der Niedermeyer-Schule),
Neffe Joseph (Dijon).
• Jean-Romary Grosjean (Saint-Dié), studiert bei Boëly, Neffe
Ernest (Verdun und Versailles) studiert beim Onkel und später
bei Chauvet.
• Familie Andlauer, gut bekannt mit den Wackerthalers, Théophil
Stern (Strassburg, studierte 5 Jahre in Deutschland)
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1850–1860 | Meister der Mitte des Jahrhunderts IX
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24. • Die 60-er Jahre sind eine Zeit der Expansion. Viele neue Orgeln
werden gebaut, alte Orgeln revidiert und erweitert. In Paris wie
in ganz Frankreich und Belgien.
• Inaugurationen sind das Rückgrat des nicht-liturgischen
Orgelspiels. Es wird mehr komponierte Musik gespielt. Bach,
Händel, Mendelssohn, Lemmens und Werke des Solisten,
gelegentlich auch alte Meister wie Frescobaldi oder Couperin.
• 1861 wurde die erste Konzertsaal-Orgel (Merklin-Schütze) im
Brüsseler Konservatorium eingeweiht (unvollständig). Es
spielten Lemmens und drei seiner Studenten. 1866 folgte die
Einweihung der fertig gestellten Orgel.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1860–1870 | Neue Horizonte I
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25. • 1862 wird in Saint-Sulpice die grösste Cavaillé-Coll Orgel
eingeweiht (100/V/P, ca. 50 Register von Clicquot). Es
spielen Schmitt, Lefébure-Wély, Franck, Guilmant, Bazille
und Saint-Saëns. Guilmant gibt zusätzlich ein Konzert mit
Händel, Bach und eigenen Werken.
• Hesse weilte erneut in Paris und rühmt die Orgel in Saint-
Sulpice als grösstes Meisterwerk des modernen Orgelbaus,
spielt aber an Sainte-Clotilde, weil das Notenpult in Saint-
Sulpice zu weit weg war für seine Augen. Hesses Spiel wird
erneut hoch gelobt, besonders seine Pedaltechnik.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1860–1870 | Neue Horizonte II
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26. • 1863 Widor spielt in Saint-Sulpice Händel, Hesse, Bach und
Lemmens. Im gleichen Jahr spielt auch Lefébure-Wély dort
(Rossini, Bach und Improvisationen). Das wichtigste
Orgelkonzert ist Francks Aufführung seiner Six Pièces in
Sainte-Clotilde.
• 1866 Liszt in Paris, Lefébure-Wély führt ihm die Orgel in
Saint-Sulpice vor, Franck in Sainte-Clotilde. Liszt lobte
Francks Musik und sein Spiel, er selber spiele nur an
Dorforgeln.
• 1868 wird Cavaillé Colls erweiterte Notre-Dame Orgel
eingeweiht. Es spielen Sergent (Titulaire), Loret, Durand,
Chauvet, Franck, Guilmant, Widor.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1860–1870 | Neue Horizonte III
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27. • Barker baut die erste Pariser Orgel mit elektrischer
Traktur in der neuen Kirche Saint-Augustin. Einweihung
durch Gigout, Batiste und Schmitt.
• Widor, Guilmant, Chauvet (starb mit 34) und Gigout
sind zur Zeit die bekanntesten Virtuosen. Gigout
stammt aus Nancy und studierte an der Niedermeyer
Schule bei Loret und Saint-Saëns (Klavier), er wurde
Lehrer bei Niedermeyer und Organist in Saint-Augustin.
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1860–1870 | Neue Horizonte IV
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28. • 1869 Merklin-Schütze stellt eine Transmissionstechnik vor, Register
können auf mehreren Manualen benutzt werden was kleinere,
günstigere Orgeln ermöglicht. Cavaillé-Coll beendet die Orgel in La
Trinité, Chauvet (Titulaire) improvisiert über ein Thema von Rossini.
Durand spielt ein Pastorale mit einem „Sturm“. Es spielen auch
Widor, Saint-Saëns, Franck und Fissot.
• Anton Bruckner besucht Paris, er spielt in der Werkstatt von Merklin-
Schütze und in Notre-Dame zusammen mit Auber, Gounod, Franck,
Saint-Saëns. Er improvisiert Prélude, Fuge und Variationen über ein
Thema von Chauvet. Mailly folgt Lemmens als Professor in Brüssel,
Lefébure-Wély stirbt am 31.12. er war „der erste, geschickteste und
eifrigste Förderer“ des modernen Orgelbaus.
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1860–1870 | Neue Horizonte V
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29. • Der Deutsch-Französische Krieg führte zu einem Stillstand.
Orgeln wurden zerstört und z. T. erst nach Jahren repariert.
• 1870 Widor folgt Lefébure-Wély in Saint-Sulpice
• 1871 Fétis stirbt, der talentierte Chauvet stirbt mit 34, Guilmant
wird sein Nachfolger an La Trinité
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1870–1880 | Tragödie bis Triumph I
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• 1876 Batiste stirbt
• 1877 Dubois folgt Saint-Saëns in La Madeleine. Der Kalkant
meint: „Der neue Organist ist ganz gut und brillant, aber Saint-
Saëns produzierte mehr Effekte mit weniger Wind …“
• 1878 Benoist stirbt
30. • Guilmant wird zum neuen „König“ der Pariser
Organisten. Widor ist auch sehr erfolgreich, widmet sich
aber mehr der Komposition und dem Dirigieren. Mailly
(Conservatoire Brüssel), Franck (Conservatoire Paris),
Batiste (Firma Merklin) sowie Saint-Saëns und
Lemmens sind immer noch gefragte Organisten. Namen
wie Schmitt und Renaud de Vilbac verschwinden nach
dem Krieg aus den Konzertprogrammen.
• Cavaillé-Coll baut in England und Holland, Guilmant
reist auf seinen Konzerttouren durch England, Italien,
Russland etc.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1870–1880 | Tragödie bis Triumph II
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31. • 1878 Cavaillé-Coll baut die grosse Konzertorgel (IV/82) im
Palais du Trocadéro (5000 Plätze), sie steht heute im
Auditorium Maurice Ravel in Lyon. Sie blieb bis heute die
einzige Grossorgel in einem Konzertsaal in Frankreich.
• Guilmant spielt an der Einweihung Händel, Bach, Chauvet,
Mendelssohn, Martini, eigene Werke und Improvisationen. Bei
Bach und Händel war das Publikum unaufmerksam, trotzdem
wurde diese Art Programm zu einem gewissen Standard.
• Lemmens, Franck und Widor spielten auch Rezitals mit nur
eigenen Werken. Guilmant auch seine Sinfonie für Orgel und
Orchester. Die Pariser Organisten besitzen ein veritables
säkulares Konzertinstrument.
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1870–1880 | Tragödie bis Triumph III
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32. • Die Begeisterung für Orgelrezitals war nie grösser als im Paris der
1880er Jahre. Guilmant spielt im Trocadéro oft Programme, die eine vor-
Bachsche Komposition, einen „grossen Bach“ und zeitgenössische meist
französische Werke enthalten: Frescobaldi, Clérambault, Buxtehude,
Kerll, Muffat, Böhm, Bach, Boëly, Mendelssohn, Lefébure-Wély,
Lemmens, Salomé, Bernard, Guilmant etc.
• Diese „ausgewogene Diät“ unterbrach er 1885. Zum 200-Jahr-Jubiläum
spielte er je ein reines Bach- und Händelprogramm. Zum letzteren
erschienen über 5000 Besucher.
• Die Orgelbauer suchten Aufträge im Ausland da viele Pariser Kirchen mit
grossen Instrumenten ausgestattet waren. Merklin verbaute elektro-pneumatische
Trakturen amerikanischer Entwickler.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1880–1890 | Die Renaissance setzt ein I
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33. • Guilmant und Gigout touren durch Europa, Widor macht sich
besonders als Dirigent und Komponist einen Namen, ebenso
Saint-Saëns, der kaum mehr als Organist auftritt.
• Bedeutende Organisten sind weiterhin Franck und Dubois. Mit
Léon Boëllmann, Schützling und später Schwiegersohn von
Gigout, taucht ein neuer Name auf.
• 1889 Guilmant spielt sein „Concert historique“ mit 17 Stücken
durch die ganze Musikgeschichte, nächste Folie
• Widor hatte andere Vorlieben, erspielte hauptsächlich seine
Sinfonien und Werke von Bach.
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1880–1890 | Die Renaissance setzt ein II
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34. Guilmants „Concert historique“ 1889
1. Gabrieli–Canzona | Palestrina–Ricercare | Merulo–Toccata |
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1880–1890 | Die Renaissance setzt ein III
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Byrd–Pavane
2. Titelouze–Verset Exultet coelum | Scheidt–„Da Jesus an dem
Kreuze stund“ | Frescobaldi–Capriccio-Pastorale
3. Muffat–Toccata C-Moll
4. Froberger–Caprice | Buxtehude–„Lobt Gott“
5. Pachelbel–Ciacona | Dandrieu–Musette | Clérambault–Prélude
6. Bach–Toccata+Fuge C-Dur
7. Boëly–Andante | Mendelssohn–Präludium in G | Lemmens–
Scherzo symphonique concertant
35. • Gigout, Guilmant und Widor treten erfolgreich in London
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1890–1900 | Jahre der Erfüllung I
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auf.
• 1890 Franck stirbt am 8.11. Gabriel Pierné wird
Nachfolger an Saint-Clotilde (bis 1898) und Widor folgt
ihm am Conservatoire.
• 1892 Guilmant bringt vermehrt Programme mit Werken
für Orgel und Orchester in die Trocadéro Konzerte.
• Wichtige Organisten neben Pierné sind Boëllmann,
Dallier, Dubois, Gigout, Guilmant, Loret, Périlhou,
Sergent, Vast, Wachs und Widor.
36. • 1898 Mahaut spielt das erste Programm mit Werken
Francks nach dessen Tod, 1905–23 spielt er über
hundert Franck-Konzerte in Europa und Nordafrika.
• 1899 Zum 20. Jubiläum der Trocadéro Orgel
veranstaltet Guilmant ein Bach-Programm und ein
Franck-Programm. In den Konzerten wirken Orchester,
Chor und Gastsolisten mit.
• Es werden nach und nach weitere Konzertsäle mit
kleineren und mittleren Orgeln ausgestattet.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1890–1900 | Jahre der Erfüllung II
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37. • Bedeutende Inaugurationen gibt es in Saint-Vincent-de-Paul,
Notre Dame (1894) und Saint-Augustin (1899), ferner in Rouen
(1890) und Saint-Ouen (1895)
• Am Ende der Dekade rücken junge Organisten nach: Adolphe
Marty, Albert Mahaut, Charles Tournemire, Henri Libert und
Louis Vierne. Alle studieren bei Franck bzw. Widor, gewinnen
erste Preise und besetzen wichtige Stellen in Paris.
• Gigout tourt durch GB, ES und CH, Widor durch GB, CH, DE
und RU, Guilmant um die halbe Welt, besonders in USA.
• Saint-Saëns spielt wieder Konzerte in CH, BE, NL, ES und
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1890–1900 | Jahre der Erfüllung III
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Skandinavien
38. • 1896 Dubois wird vom Lehrer zum Direktor des Conservatoires,
Guilmant wird Lehrer, Fauré folgt Dubois in La Madeleine (und
neun Jahre später als Direktor), Widor folgt Massenet als
Lehrer für Komposition.
• 1897 Boëllmann stirbt mit 35, sein Nachfolger ist Mahaut
• 1898 Tournemire folgt Pierné an Sainte-Clotilde
• 1898 Merklin wird pensioniert und verlässt Paris, die Firma geht
an Gutschritter und Decock über
• 1899 Cavaillé-Coll stirbt, die Firma geht an Charles Mutin
• 1900 Sergent stirbt nach 53 Jahren Titulaire in Notre Dame
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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1890–1900 | Jahre der Erfüllung IV
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39. • Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein werden Orgelwerke
im romantischen, symphonischen Stil komponiert.
• Einen eher traditionellen Stil pflegen z. B. Cécile
Chaminade, Gabriel Pierné, Guy Ropartz (Bretagne),
Adolphe Marty, Charles Augustin Collin (Renne),
Gabriel Dupont, Joseph Bonnet, Joseph Jongen
(Belgien).
• Bedeutende Orgelkomponisten der Jahrhundertwende,
die einen persönlichen Stil entwickeln sind z. B. Charles
Koechlin (Elsass), Louis Vierne, Charles Tournemire.
Französische Orgelmusik des 19. Jahrhunderts
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Die Zeit nach 1900
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