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Hohenschönhausen
Der Umgang mit doppelter Vergangenheit
Vrije Universiteit
Duitse taal en cultuur: letterkunde
Bachelorarbeit
Begleiter: Prof. Dr. Bodo Plachta
Zweiter Leser: Dr. Maurice Vliegen
15. April 2010
Vorgelegt von:
Inez Wildhagen
Studentnummer: 1682830
Adresse: Glashaven 15, 3011 XG Rotterdam
Telefon: 06 - 380 601 24
E-Mail: inezwildhagen@hotmail.com
2
Inhalt
1. Vorwort: Die Summe aller Erinnerungen 3
2. Hohenschönhausen, eine Geschichte mit vielen Gesichtern 4
- Die Sowjetära (1945-1951) 4
- Die SED-Diktatur (1951-1990) 6
- Wandlung zur Gedenkstätte (1990-1995) 8
3. Erinnern und Gedenken in Deutschland 10
- Erinnerungskultur in der BRD 11
- Erinnern zu DDR-Zeiten 12
- Erinnern im vereinten Deutschland (Probleme mit der doppelten Vergangenheit) 13
4. Die Politik diskutiert 17
- Die Enquête-Kommissionen und Expertenkommission 17
- Entwicklung eines Gesamtkonzeptes zur Förderung von Gedenkstätten 19
5. Verharmlosung des DDR-Regimes 22
6. Zusammenfassung und Fazit 23
7. Literaturverzeichnis 24
3
1. Vorwort: Die Summe aller Erinnerungen
Die ganze Wahrheit über die Konzentrationslager und alle Morde, Massenhinrichtungen, Verhöre und
Folterungen durch Menschen in deutschen Uniformen wäre weit mehr als die Summe aller Erinnerungen nicht
nur der hingerichteten, gefolterten, vertriebenen oder bedrohten Menschen, sondern selbstverständlich auch
aller ihrer Bewacher, der Administratoren der Verfolgungen, des Zugpersonals der Transporte in die Lager, der
Zuschauer und jener, die weggesehen haben, mit einem Wort, der Erfahrung einer ganzen Generation.
Die Macht der Erinnerung, die Ohnmacht der Worte 1
Ivan Ivanji
Erinnern ist eine Form der Vergangenheitsbewältigung, aber für Deutschland ist es viel mehr als
nur das. Gerade weil Deutschland im letzten Jahrhundert so viel Untaten begangen hat, wurde
die Aufarbeitung der Vergangenheit ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen politischen
Kultur des heutigen Deutschland und ist somit zu einer selbst auferlegten Pflicht erhoben worden.
Dass das Erinnern von enormer Bedeutung ist, darüber ist die Politik sich einig. Aber wie und was
man erinnern soll, darin liegt das eigentliche Problem. So fragt sich der Schriftsteller, Diplomat
und Journalist Ivan Ivanji in seinem Beitrag zum Band Verbrechen erinnern - Die Auseinandersetzung
mit Holocaust und Völkermord, was ‘eine der Wahrheit möglichst nahe Erinnerung’ eigentlich sein
soll. „ ‘Nichts als die Wahrheit’ ? Das ist sehr schwierig. Wer schmückt bewußt oder unbewußt
seine Wahrheit nicht aus? Wer erinnert sich später perfekt an das, was er erlebt oder gesehen hat,
wer erfindet nicht auch etwas dazu oder vergisst, was für ihn peinlich war?“2
Was das Erinnern zudem erschwert, ist die komplizierte und widersprüchliche Geschichte eines
vormalig geteilten Landes. Wie können zwei Länder, die lange Zeit keine Einheit waren, sich
gemeinsam an etwas erinnern, was sie nicht gemeinsam durchlebt haben?
Dass die Auseinandersetzung mit Nationalismus und SED-Diktatur auf Umsetzungsprobleme
stößt, darf deswegen keinen wundern. Die deutsche Geschichte ist halt eine Geschichte mit zwei
Gesichtern.
Die Probleme mit doppelter Vergangenheit verständlich und zugänglich machen, ist Ziel dieser
Arbeit. Und weil dieses Thema ziemlich umfangreich ist, werde ich mich (wo möglich) auf die
Rolle Hohenschönhausens beschränken. So werde ich die Geschichte Hohenschönhausens etwas
näher betrachten um festzustellen, wofür das frühere Industriegelände als Symbol steht. Um die
Probleme mit dem gemeinsamen Erinnern zu verdeutlichen, ist es wichtig zu wissen, wie die
Erinnerungskultur vor der Wende im Osten und im Westen ausgesehen hat und warum das
Zusammenführen auf Probleme stoßen musste. Was mich besonders interessiert ist die Frage,
wie die Politik sich dem Problem der Umgestaltung von Hohenschönhausen zu einer
gesamtdeutschen Gedenkstätte gestellt hat und in wie weit schon eine Lösung gefunden worden
ist. Gibt es zum Beispiel ein Gesamtkonzept zur Förderung von Gedenkstätten in Deutschland?
Wie geht man um mit ehemaligen Mittgliedern des SED-Regimes und was hat man gelernt aus
dem Umgang mit der Nazi-Vergangenheit?
1 Ivanji, Die Macht der Erinnerung, die Ohnmacht der Worte in Verbrechen erinnern, 2002, S. 12f.
2 Ivanji, Die Macht der Erinnerung, die Ohnmacht der Worte in Verbrechen erinnern, 2002, S. 12.
4
2. Hohenschönhausen, eine Geschichte mit vielen Gesichtern
Heutzutage ist Hohenschönhausen eine Gedenkstätte und gilt als Erinnerungsort für die Opfer
kommunistischer Gewaltherrschaft in Deutschland, aber bis 1990 konnte man Teile der
Bahnhof- und Genslerstraße sowie der Freienwalder und Lichtenauer Straße in keinem Stadtplan
von Berlin finden. Die leere Fläche im Ost-Berliner Stadtbezirk Hohenschönhausen wurde
nämlich als Industriegebiet gekennzeichnet. Erst nach der Wende stellte sich dieses Gebiet als ein
geheimes Sperrgebiet heraus, das zuerst vom sowjetischen Geheimdienst genutzt und später von
der DDR-Staatssicherheit übernommen wurde.
Das Sperrgebiet war nach Berlin-Karlshorst3
das zweitgrößte ‘Militärstädtchen’ im ehemaligen
Arbeiter- und Bauernstaat. Auf dem zweckentfremdeten Industriegebiet, wo vorher die
Fleischmaschinenfabrik Richard Heike untergebracht war, gab es mehrere Hafteinrichtungen und
Gefängnisverwaltungen. In Der verbotene Stadtteil 4
werden die folgenden Einrichtungen aufgelistet:
- das sowjetische Speziallager Nr. 3;
- die Abteilung Speziallager des Volkskommissariats für innere Angelegenheiten (NKWD5
),
später des Ministeriums für innere Angelegenheiten (MWD);
- das Hauptuntersuchungsgefängnis und die zentrale Untersuchungsabteilung des
sowjetischen Ministeriums für Staatssicherheit (MGB) in Deutschland;
- ein Haft- beziehungsweise Zwangsarbeitslager der Berliner Operativen Abteilung, die
zunächst dem NKWD und anschließend dem MGB unterstand.
Bis 1951 durchliefen schätzungsweise 25.000 bis 26.000 Häftlinge, Männer und Frauen, diese
stalinistische Entnazifizierungseinrichtung. Von 1951 bis 1989 waren noch einmal 20.000 bis
22.000 Personen von der Abteilung XIV des ostdeutschen Ministerium für Staatssicherheit (MfS)
inhaftiert worden.
Die Sowjetära (1945-1951)
Der Berliner Stadtteil Hohenschönhausen wurde am 22. April 1945 von der weiß-russischen
Stoßarmee eingenommen. Gebäude der Wehrmacht, der Industriebahnhof und umliegendes
Firmengelände wurden von der Roten Armee beschlagnahmt.
Schon ab 1937 waren große Teile des Areals, das in den zwanziger Jahren offiziell zum
Industriegebiet erklärt worden war, an die Rüstungsabteilung der NSDAP verkauft worden. So wurde
auf einer 10.000 Quadratmeter großen Fläche, das dem Unternehmer Richard Heike im Oktober
3 Zwischen 1945 und 1962 war der nördliche Teil von Karlshorst zu großen Teilen sowjetisches Sperrgebiet,
das ab 1949 jedoch von deutschen Bewohnern betreten werden konnte. Ab 1963 wurde das besetzte Gebiet
verkleinert und die Sperrmauer zurückgezogen. Die frühere Wehrmachtsschule diente dem Oberkommando der
Sowjetischen Streitkräfte in der DDR bis zum späteren vollständigen Truppenabzug als Hauptstandort. 1991 wurde
hier das Deutsch-Russische Museum Berlin-Karlshorst gegründet, das der Kapitulation und der Entwicklung der
deutsch-sowjetischen bzw. deutsch-russischen Beziehungen seit 1945 gewidmet ist.
(http://de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Karlshorst, gesehen am 27. Juli 2009)
4 Erbler & Knabe, Der verbotene Stadtteil, 2008, S. 4.
5 NKWD= Narodny komissariat wnutrennych del (Volkskomissariat für innere Angelegenheiten der UdSSR).
5
1938 abgekauft worden war, eine moderne Großküche für das Winterhilfswerk eingerichtet.
Diese sollte sich zum Kern des späteren Sperrgebiets entwickeln.
In den Tagen zwischen dem Zusammenbruch Deutschlands und dem Einmarsch der russischen
Besatzung wurde das als Lebensmittellager eingerichtete Gelände teilweise von schweren
Bombeneinschlägen getroffen und zudem von der Bevölkerung geplündert. Rachejustiz und
Verhaftungen folgten.
Mitte Mai 1945 sollte das Speziallager Nr. 3 etabliert werden. Daraufhin wurden die Großküche
und die zwei nationalsozialistischen Zwangsarbeiterlager besetzt. Die Eisenbahnanbindung zum
Hohenschönhauser Industriebahnhof, die relativ isolierte Lage am Berliner Stadtrand und die
vorhandenen Baulichkeiten erwiesen sich als günstig für die zu errichtenden militärischen Lager.
Nach dem Umbau und den Reparaturarbeiten konnten Ende Juni 1945 die ersten Häftlinge im
Speziallager Nr. 3 untergebracht werden. Weitere Erweiterungen folgten, u.a. Flächen für Tiere,
die zur Versorgung der Truppen dienten und auch ein Friedhof für die verstorbenen
Gefangenen. Die Büros und das Archiv der Verwaltungsabteilung, die für sämtliche sowjetische
Internierungslager in Deutschland zuständig waren, wurden in dem ehemaligen Firmengebäude
der Firma Neuendorf untergebracht. Auch wurden Einwohner des Gebietes umgesiedelt, um
Platz zu machen für ein Haftarbeitslager (HAL). Ein Teil der Inhaftierten des Speziallagers Nr. 3
wurde hierhin verlegt.
Zu dieser Zeit war das Sperrgebiet mit Maschen- und Stacheldraht abgeschirmt und wurde von
Militärposten bewacht. Das ehemalige Gittertor war jetzt mit Brettern vernagelt, um den Kontakt
mit der Außenwelt unmöglich zu machen.
Den größtenteils fensterlosen Zellentrakt im Keller, das berüchtigte ‘U-Boot’,6
wurde im
Frühjahr 1947 zum ersten Mal belegt. Die sechzig Zellen waren ausgestattet mit einer
Holzpritsche, einem Kübel und einer Glühbirne, die nie abgeschaltet wurde. Erst zwei Jahre nach
der Einweihung wurden eine Belüftung und eine Heizung eingebaut. Neben Feuchtkälte plagten
auch die schlechten hygienischen Bedingungen die Inhaftierten. Erst seit 1951 wurden Mittel
für die tägliche Körperpflege sowie Toilettenpapier oder eine Zahnbürste gestattet.
Die meisten Inhaftierten gehörten zu den politischen Widerstandsparteien (SPD, LDPD, CDU),
aber auch NS-Verdächtige und nicht linientreue Kommunisten waren unter ihnen. Der
Sowjetische Staatssicherheitsdienst führte ihre Verhöre, begleitet von Drohungen und
Folterpraktiken, meistens nachts durch. Stundenlanges Stehen, Schlafentzug und die Benutzung
einer Wasserzelle gehörten zu den Mitteln der Sowjets.7
6 Weil die Gefangenen sich in den Verliesen wie in einem abgetauchten Unterseeboot fühlten, erhielt der Trakt
diesen Namen.
7 „Der frühere Häftling Karl-Heinz Reuter berichtet zudem, dass er im Mai 1947 mit einem Mithäftling in vier
Zellen spezielle Foltervorrichtungen einbauen musste: Beugegerüste mit Fesselvorrichtungen für Hände und Füße,
Knieholzpritschen und Tropfanlagen mit Wasser. Außer seinen Angaben und Skizzen liegen über die Existenz und
Verwendung der Konstruktionen keine weiteren Hinweise vor. 1993 ließ die Senatsverwaltung für Kultur,
Wissenschaft und Forschung im ehemaligen ‘U-Boot‘ drei Zellen mit den von Reuter beschriebenen
Folterinstrumenten rekonstruieren.’’ (Erbler & Knabe, Der verbotene Stadtteil, 2008, S. 58.)
6
Nach dem ‘U-Boot’ folgten weitere Gebäude sowie eine Untersuchungshaftanstalt,
Personalwohnräume und Parkplätze. Zwischen 1947-1948 war das Gebiet auf 108.000
Quadratmeter angewachsen.
Am 7. Oktober 1949 wurde die DDR gegründet und eine neue Ära stand Hohenschönhausen
bevor. Kur zuvor wurde das HAL aufgelöst und bis zur Übernahme, Anfang 1951, wurde der
Verwaltungsapparat der Sowjets Schritt für Schritt abgebaut. Am 1. März 1951 wurde das
Sperrgebiet Hohenschönhausen offiziell der DDR-regierung übertragen. Ein wenig später stellte
die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) das Gebiet dem Staatssicherheitsdienst8
(MfS) zu Verfügung.
Die SED-Diktatur (1951-1990)
Mitte 1951 wurde das Sperrgebiet vom DDR-Staatsicherheitsdienst (auch Stasi genannt)
übernommen. In den leeren Büros wurde die Leitung und ein Großteil der Mitarbeiter der Mfs-
Abteilungen XIV und IX untergebracht. Zu der Zeit befand sich das Mfs noch im Aufbau und
eine nicht bekannte Zahl an sowjetischen Geheimdienstmittarbeitern blieb auf dem Gelände tätig
und kontrollierte die Ermittlungsarbeit des MfS. Die wichtigsten Fälle wurden sogar komplett
vom MGB übernommen. Neben der Durchführung von Verhören konnten die Sowjets, wenn
gewünscht, auch Häftlinge nach Berlin-Karlshorst9
überführen, wonach sie in die UdSSR
gebracht wurden. Diese Gefangenentransporte gab es bis 1952 und wurden, getarnt als blaue
Postwaggons, durchgeführt.
Das nicht alle Einheiten der Stasi gleichzeitig in das Sperrgebiet einzogen, kann auch an dem
schlechten Zustand der Bauten gelegen haben. Die meisten Wohnhäuser standen monatelang leer
und waren zuvor von abziehenden Sowjet-Einheiten geplündert worden. Ein Großteil der
Nutzbauten war somit unbrauchbar geworden und musste erst einmal renoviert werden.
Strafgefangene aus Zuchthäusern der DDR wurden hierfür eingesetzt und in einem
Haftarbeitslager (Lager X) untergebracht. Nach den Reparaturarbeiten zog die schnell
expandierende Hauptabteilung Personenschutz (PS), auch als das ‘Hirn’ des MfS bezeichnet, die
Abteilung XII (Auskunft/Erfassung/Statistik) inklusive der zentralen Personenkartei und Archiv
in den Neu- und Umbau ein.
Zwischen 1951 und 1959 wurden viele Unterlagen aus der NS-Zeit von der UdSSR in die DDR
zurückgeführt. Für das anwachsende Aktenmaterial musste immer wieder eine neue Unterkunft
8 Das MfS galt als ‘Schild und Schwert’ der SED und war das zentrale Instrument der Repression für die DDR-
Regierung. Zu seinen Aufgaben gehörte die Durchdringung der DDR-Gesellschaft durch ‘Politisch-Operatives
Zusammenwirken’. Die Mitarbeiter des MfS sollten möglichst in jede Institution und Organisation infiltriert
werden. Daher erhielt die Stasi im Volksmund den Namen ‘Firma Horch & Guck’. Die Details über das Wirken der
Stasi in der DDR wurden aber erst beim Öffnen der Archive (Stasi-Akten) 1990 bekannt.
9 Siehe Fußnote 4.
7
gefunden werden. Anfang der sechziger Jahre wurden die Akten in der ehemaligen Heike Fabrik
untergebracht.
Nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 standen weitere Ausbaumaßnahmen bevor.
Innerhalb weniger Tage hatte die DDR 13.000 Menschen verhaftet und das ‘U-Boot’ und andere
Untersuchungsgefängnisse reichten bei weitem nicht mehr aus. So wurde 1955 mit den
Vorbereitungen für den Neubau eines Untersuchungsgefängnisses begonnen. Ab 1959 wurde mit
dem Bau begonnen, dessen Plan sich auch während der Arbeiten immer wieder ändern sollte. 250
Häftlinge des Lagers X waren für den Bau zuständig und 1961 konnte der dreigeschossige
Neubau das ‘U-Boot’ als Untersuchungsgefängnis ersetzen. Im Nord- und Ostflügel befanden
sich über hundert Ein- bis Vier-Personenzellen. Der Vernehmertrakt, durch Gitterschleusen
mit dem Zellentrakt verbunden, befand sich im Südflügel.
Die neuen Zellen waren besser ausgestattet als das ‘U-Boot’ und hatten eine Holzpritsche
(200x85 Zentimeter) mit Matratze und Decke, einen Tisch und Hocker (beide festgeschraubt am
Fußboden), eine Toilette ohne Sitz und Deckel sowie ein kleines Fenster aus Glasbausteinen mit
Lüftungsluke.
Foltermethoden und körperliche Gewalt, wie sie noch im ‘U-Boot’ vom MfS praktiziert worden,
wurden nach dem Tod Stalins auf Befehl des damaligen Innenministers Lawrentij Berija
eingestellt. Die neuen Methoden richteten sich auf die ‘Zersetzung der Seele’: „Durch strenge
Einzelhaft, nächtliche Verhöre, systematische Einschüchterung und die Androhung schwerster
Strafen wurden die Häftlinge massiv unter Druck gesetzt, die belastenden Vernehmungsprotokolle
des Staatssicherheitsdienstes zu unterzeichnen. Auf dieser Grundlage wurden sie anschließend
vor Gericht gestellt und verurteilt.’’10
Die meisten Inhaftierten des größten Untersuchungsgefängnisses der DDR wurden als ‘feindliche
oder staatszersetzende Elemente’ eingestuft. Im Klartext waren dies Regimekritiker, politische
Gegner, Republikflüchtlinge und Reformkommunisten wie Walter Janka (Leiter des Aufbau-
Verlags) sowie der Chefredakteur der Deutschen Zeitschrift für Philosophie Wolfgang Harrich und in
Ungenade gefallene Politiker, wie der ehemalige DDR-Außenminister Georg Dertinger (CDU)
oder der liberale Handelsminister Karl Hamann. Sie alle wurden hier monatelang, oft in
Einzelhaft, interniert. In den 1950er Jahren wurden aber auch SED-Kritiker aus dem Westen
entführt (wie der Journalist Karl Wilhelm Fricke, der 1955 von einem geheimen Mitarbeiter des
MfS in West-Berlin mit sogenannten K.-o.-Tropfen betäubt und anschließend nach
Hohenschönhausen gebracht wurde11
).
Die Erweiterungen des Sperrgebiets in Ost-West-Richtung reichten schon bald nicht mehr aus
und weitere 4600 Quadratmeter an Produktions- und Lagerfläche wurden bis in die sechziger
Jahren erschlossen. Das ganze Projekt kostete rund achtzig Millionen DDR-Mark.
Unter der Verwaltung des MfS wurde das Sperrgebiet nicht nur erweitert, sondern wurden auch
die Sicherheitsmaßnahmen Schritt für Schritt perfektioniert. Die relativ primitiven
10 P. Erler & H. Knabe, Der verbotene Stadtteil, 2008, S. 59.
11 H. Knabe, Gefangen in Hohenschönhausen, 2008, S. 12.
8
Schutzmaßnahmen der Anfangsjahre wurden nach dem Volksaufstand verschärft. Hölzerne
Zaunwände und Postentürme wurden ersetzt durch Anlagen aus Ziegel und Beton. Und die
elektrische Sicherungstechnik wurde ergänzt durch Beobachtungskameras. Auch wurde die
Sichtabschirmung immer mehr verschärft. Diese Sichtabschirmung bestand aus einem dichten
Netz von Wohn- und Dienstgebäuden in der Umgebung. Zudem gab es auch eine
Spionageabwehr (Hauptabteilung II), die sich mit der Außensicherung des Sperrgebietes befasste.
Dieser Spionage-Apparat bestand aus 21 Personen, der vor allem Handwerker von außerhalb des
Lagers überwachte, die für Reparaturarbeiten ins Sperrgebiet gekommen waren. Personen mit
‘Westkontakt’12
gerieten dabei besonders ins Visier der Agenten. Nebenbei wurde die Gegend mit
Foto-Apparaten überwacht. Bei Neubauten im Umfeld des Sperrgebiets prüften diese
Spionageabwehrspezialisten, ob das Sperrgebiet außer Sicht blieb für ‘normal Bürger’. Nur
gegen die Alliierten mit ihren Sondervollmachten konnte die DDR nichts machen. Mitarbeiter
des britischen, französischen und US-Militärs konnten „mit ihren Fahrzeugen bis unmittelbar an
das Sperrgebiet heranfahren und von dort aus Beobachtungen vornehmen und Fotos machen.
Sie wurden dabei jedoch ihrerseits vom MfS überwacht, […] um die westlichen Beobachter
abzuschrecken.’’13
Weitere Sicherheitsmaßnahmen waren seit den siebziger Jahren geplant, konnten aber nicht mehr
umgesetzt werden, weil das System in sich zusammenstürzte.
Wandlung zur Gedenkstätte (1990-1995)
Am 18. Oktober 1989 wurden alle Häftlinge, die wegen politischer Delikte wie Republikflucht
oder staatsfeindliche Hetze verhaftet oder verurteilt worden waren, durch die neue DDR-
Regierung unter Hans Modrow amnestiert. Die Entlassungen fanden statt von November bis
Dezember.
Teile des Staatsicherheitsdiensts wurden nun an das Ministerium des Innern übertragen.
In Hohenschönhausen betraf dies die Nachrichtenabteilung, das Haftkrankenhaus14
, aber auch
die zentrale Untersuchungshaftanstalt. Eine Folge dieser Maßnahme war, dass die U-Haftanstalt
mit neuen Häftlingen belegt wurde. Vormalige Parteifunktionäre der DDR, die verhaftet worden
waren, wurden jetzt in das frühere Sperrgebiet überführt. Unter ihnen waren der
Gewerkschaftschef Harry Tisch, der CDU-Vorsitzende Gerald Gölting, der oberste Wirtschafslenker
Günter Mittag und der Stasi-Chef Erich Mielke.15
Die Haftbedingungen wurden allerdings
angepasst. Statt Holzpritschen wurden Metallbetten in den Zellen platziert und einzelne Zellen
12 Als »Westkontakt« galt zum Beispiel Korrespondenz mit Bundesbürgern, aber auch derjenige, der von dort
Besuch erhielt oder engen Kontakt hatte mit jemandem, der nach West-Deutschland reisen konnte, war verdächtig.
13 P. Erler & H. Knabe, Der verbotene Stadtteil, 2008, S. 42.
14 ZMD (Zentraler Medizinischer Dienst).
15 1957 wurde Erich Mielke zum Minister für Staatssicherheit ernannt und war nach Walter Ulbricht und Erich
Honecker die Person, die die Verhältnisse in der DDR am stärksten prägte. In 1989 leitete Mielke ein Heer von
91 00 hauptamtlichen Mitarbeitern, dazu gab es eine Schattenarmee mit 189 000 Inoffiziellen Mitarbeitern (IM).
Zum Vergleich: Die dreimal so bevölkerungsstarke Bundesrepublik hatte zum gleichen Zeitpunkt etwa 15 000
Geheimdienstmitarbeiter. (U. Müller & G. Hartmann, Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das
gefährliche Erbe der SED-Diktatur, 2009, S. 39.)
9
bekamen sogar Fenster. Auch Besucherzimmer wurden eingerichtet und die kleinen Zellen der
Freiganganlage wurden weggerissen, sodass eine große Freifläche entstand.
Teilweise wurden Gebäude anderen Institutionen überlassen. So wurden zum Beispiel die
Entwicklungs- und Produktionsstätten des IST (Operativ – Technische Sektor) and das
Ministerium für Wissenschaft und Technik und die MfS-Wohnblocks teilweise an die kommunale
Wohnungsverwaltung gegeben. Mitte März 1990 wurden die Sperranlagen abgerissen und war das
Gebiet erstmals wieder frei zugänglich.
Am 1. Oktober 1990, um 13.00 Uhr, wurde das größte Stasi-Gefängnis der DDR dem
wiedervereinten Deutschland übergegeben und Erich Mielke, der vermutlich letzte Insasse,
wurde am 4. Oktober in die Justizvollzugsanstalt Moabit verlegt – wegen ‘schlechter
Haftbedingungen in Hohenschönhausen’.16
Ende Oktober wurde das Gefängnis definitiv
geschlossen und diente vorübergehend als Archiv für die Zentralkartei, die etwa 700.000 Karten
über die Insassen zwischen 1950 und 1990 umfasste.
Andere Gebäude sowie Wachtürme oder Wachhäuschen wurden größtenteils abgerissen.
1992 wurde die ehemalige zentrale Untersuchungshaftanstalt der Stasi unter Denkmalschutz
gestellt und ist seit 1995 offiziell eine Gedenkstätte. Seit 2000 gibt es zudem eine eigene Stiftung
für die Gedenkstätte, die von dem den Historiker Hubertus Knabe geleitet wird.
16 http://www.welt.de/print-welt/article231300/Gedenkstaette_Hohenschoenhausen.html, gesehen am 12. August 2009.
10
3. Erinnern und Gedenken in Deutschland
In seinem Beitrag zum Band Verbrechen erinnern sagt Ivan Ivanji: „Ich glaube, es ist von enormer
Bedeutung, was die Öffentlichkeit […] heute über die Ereignisse von gestern nicht nur erfährt,
sondern sich auch merkt, denn nur dadurch kann man eine der Wahrheit möglichst nahe Erinnerung
erhalten.’’17
Aber auch im Entwurf der Gedenkstättenkonzeption Verantwortung wahrnehmen,
Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen 18
vom 4. Juli 2007 kann man die gleichen Ansätze
wiedererkennen.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien fördert Gedenkstätten und zukünftig auch
Erinnerungsorte zur nationalsozialistischen Terrorherrschaft und zur SED-Diktatur. Als Gedenkstätte gilt
ein historischer Ort, der sich sowohl durch Authentizität als auch durch einen konkreten Bezug zu den
Opfern bzw. zu den Verfolgungsmaßnahmen der NS-Terrorherrschaft oder der SED-Diktatur
auszeichnet. Erinnerungsorte, die an authentischen Stätten eine Auseinandersetzung mit den totalitären
Systemen in Deutschland leisten, können in die Förderung einbezogen werden.
Als Kriterien werden genannt:
- der nationale oder internationale Stellenwert des Ortes,
- die Exemplarität für einen Aspekt der Verfolgungsgeschichte der NS-Terrorherrschaft oder der SED-Diktatur,
- die Authentizität des Ortes,
- die Qualität des Projektkonzepts,
- die Kooperation von Einrichtungen.
Politik und Bevölkerung scheinen sich weitgehend einig zu sein über die Notwendigkeit des
Gedenkens. Aber warum ist das Gedenken in Deutschland so wichtig?
In einem Gutachten über die Zukunft von Haus 1 der Normannenstraße aus dem September
2001 wird die Antwort auf diese Frage folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „Vergangenheit
verschwindet nicht aus der Wirklichkeit. Sie bleibt Bestandteil der Gegenwart, beeinflusst das
aktuelle Denken ebenso wie das in die Zukunft gerichtete Handeln.’’19
Die dramatische Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, die zwei unterschiedliche
Diktaturen ebenso wie zwei unterschiedliche Demokratien gekannt hat, kann und darf man nicht
so ohne weiteres vergessen. Denn diese grauenhafte Geschichte hat aus Deutschland gemacht,
was es heutzutage ist: Ein Land, das versucht, sein neu gefundenes Selbstbewusstsein zu äußern,
indem es sich von seiner humanitären Seite zeigt. Ein Land, wo Menschenwürde, Freiheit und
demokratische Prinzipien zur Selbstverständlichkeit geworden sind.
Die Aufarbeitung der Vergangenheit soll beitragen zur Stärkung der Demokratie. Oder wie es im
Schlusswort von Verantwortung wahrnehmen, Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen 20
heißt:
„Darauf beruht unsere gemeinsame Verantwortung, das Gedenken an unsägliches menschliches
Leid der Opfer wach zu halten. Geschichte muss konsequent aufgearbeitet werden. Jeder
Generation müssen die Lehren aus diesen Kapiteln unserer Geschichte immer wieder neu
17 Ivanji, Die Macht der Erinnerung, die Ohnmacht der Worte in Verbrechen erinnern, 2002, S. 12.
18 Ausschussdrucksache 16(22)127 vom 04.07.2007, S. 3f.
19 H. Neubert, W. Schuller, K. Schroeder & U. Thaysen, Zukunft von Haus 1 der Normannenstraße, 2001, S. 5.
20 Ausschussdrucksache 16(22)127 vom 04.07.2007, S. 15.
11
vermittelt werden.” Um ein Bild der Probleme des Erinnerns im vereinten Deutschland zu
bekommen, ist es wichtig die Geschichte der Erinnerungskultur in der BRD und DDR etwas
näher zu betrachten.
Erinnerungskultur in der BRD
Nach dem Zweiten Weltkrieg knüpfte die Bundesrepublik bei der Erarbeitung des Grundgesetzes
an die Verfassung der Weimarer Republik an und man bemühte sich, die Fehler von damals zu
vermeiden. Die Anfangsjahre der BRD standen im Zeichen der Schuld-Debatte und der
Erinnerungsprozess pendelte zwischen Verleugnen und Vergegenwärtigen hin und her. Letztlich
siegte der Pragmatismus. Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und demokratische Stabilität standen
im Mittelpunkt. Im Dossier ‘Geschichte und Erinnerung’ der Bundeszentrale für politische
Bildung äußert sich Edgar Wolfrum folgendermaßen: „Vom Holocaust war bis zum Ende der
1959er Jahre kaum die Rede. In der Öffentlichkeit wurde das ‘Dritte Reich’ weitgehend
totgeschwiegen. Nur Minderheiten, meist Opfergruppen, wagten die Schuld verdrängende
Verharmlosung, die Vergangenheitsabwehr und die Schuldabwälzung zu stören.’’21
Diese ‘Opfergruppen’ gründeten und betrieben die ersten Gedenkstätten der Bundesrepublik.
Wegen fehlender wissenschaftlicher Aufsicht22
und öffentlicher Unterstützung war der Umgang
mit der Vergangenheit oft einseitig.
Ende der fünfziger Jahre wurde öffentlich kaum ein Unterschied zwischen NS-Diktatur und
SED-Diktatur gemacht. Daher sahen viele Westdeutsche nach dem Mauerbau 1961 die DDR als
ein KZ an. Moralisch vorbildlich zeigte die BRD sich vor allem außenpolitisch. Israel erhielt
Entschädigungszahlungen als Zeichen der Wiedergutmachung, die international nicht
interessanten osteuropäischen Opfer gingen aber leer aus.
Das Erinnerungsklima wandelte sich, als mehrere antisemitische Skandale die Republik
erschütterten. In der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1959 wurde die Kölner Synagoge
geschändet, was zu einer Welle rassistischer Aktionen (auch im Ausland) führte: Bis zum 28.
Januar 1960 wurden allein in der Bundesrepublik 470 antisemitische bzw. neonazistische
Vorkommnisse gezählt.23
‘Volksverhetzung’ wurde zur Straftat, die Gedenkstätten sollten mit
öffentlichen Geldern unterstützt werden und eine ‘Zentrale Stelle zur Aufarbeitung
nationalsozialistischer Verbrechen’ wurde eingerichtet.
Der Umgang mit der Nazi-Vergangenheit wurde 1965 erneut unter die Lupe genommen nach
einer Debatte über das Verjähren von Mord24
, denn durfte der NS-Völkermord nach 20 Jahren
verjähren? Als 1969 Willy Brandt (SPD) erklärte, er sehe sich als ‘Kanzler eines befreiten
Deutschland’, politisierte und polarisierte sich die Erinnerung an den Nationalsozialismus und
21 E. Wolfrum, Geschichte der Erinnerungskultur in der DDR und BRD, 2008.
(http://www.bpb.de/themen/DXG8F0.html, gesehen am 25. Juli 2009).
22 Erst 1952 wurde in München das Institut für Zeitgeschichte gegründet, das intensiv die NS-Geschichte
erforschte, während das an den Universitäten noch kaum geschah und in der Öffentlichkeit darüber meist
geschwiegen wurde. (C.Kleßmann, Die Akten schließen?, 2008).
23 U. Herbert, Der Umgang mit dem „Holocaust“ in der Bundesrepublik Deutschland, 2001, S. 3.
24 Die Verjährungsfrist für Mord wurde mehrmals verlängert und erst 1979 ganz abgeschafft.
12
den Zweiten Weltkrieg weiter. Auf der einer Seite gab es die Linksliberalen, die für eine intensive
Vergangenheitsbewältigung plädierten, während auf der anderen Seite die CDU/CSU-Opposition
vor einer ‘Dauerbüßeraufgabe’ warnte, denn ein traumatisiertes Deutschland könne nie ein
Selbstwertgefühl aufbauen.
Als 1979 die amerikanische TV-Serie Holocaust im Fernsehen lief und ein weitgehendes
Medieninteresse generierte, entstand in der Bundesrepublik eine breite Gedenkstättenkultur,
wie man sie heute noch kennt.
In den 1980er Jahren wurde der Holocaust immer mehr zum Gegenstand öffentlicher Debatten
und viele Publikationen wurden daher ins Deutsche übersetzt, etwa Raul Hilbergs Die Vernichtung
der europäischen Juden. Obwohl damals viel über den Genozid gesprochen wurde, hieß das noch
nicht, dass die Kenntnisse im Allgemeinen zunahmen. Das meint jedenfalls Ulrich Herbert in
Der Umgang mit dem „Holocaust” in der Bundesrepublik Deutschland . Weiter meint er: „Im Vergleich zu
anderen Ländern, den USA, Israel und Polen vor allem, war der deutsche Beitrag zur empirischen
Erforschung der Judenverfolgung und -vernichtung in Europa insgesamt gering.”25
Erinnern zu DDR-Zeiten
Ebenso wie die BRD knüpfte auch die DDR bei der Aufarbeitung der Geschichte an die
Weimarer Republik an. Nicht aber an deren Ende, sondern an den Beginn. Die nach sowjetischem
Muster gestaltete Republik wollte die misslungene Revolution der Jahre 1918-1919 weiterführen,
indem sie die bürgerliche Elite entmachtete, die Großbauern enteignete, die Produktionsmittel
sozialisierte und die Arbeiter und Bauern die Herrschaft übernahmen. In Geschichte der
Erinnerungskultur in der DDR und BRD beschreibt Edgar Wolfrum diese Anfangszeit
folgendermaßen: „Im Osten triumphierte die These von ‘Irrweg einer Nation’ – mit der Pointe,
dass nun, in der entstehenden DDR, dieser Irrweg endgültig verlassen worden sei: Auferstanden
aus Ruinen und der Zukunft zugewandt.’’26
Die DDR empfand sich nicht als Tätervolk, sondern
als ‘antifaschistisch’. In der Frankfurter Rundschau vom 22.1.1998 spricht der Historiker Jürgen
Kocka davon, dass die NS-Diktatur für die Ostdeutschen „anscheinend eine weniger zentrale,
weniger prägende Rolle’’27
gespielt hat als für die Westdeutschen. Die DDR deutete den
Faschismus vor allem als ‘eine extreme Form von Kapitalismus’ und somit konnten sich die
Bürger als ‘losgelöst’ von der belastenden Vergangenheit betrachten. „Hitler, so könnte man
meinen, sei ein Westdeutscher gewesen.’’28
Jegliche Kontroverse war daher ausgeschlossen und so konnte die Entwicklung der
Gedenkstättenkultur im Sinne der SED-Ideologie stattfinden.
25 U. Herbert, Der Umgang mit dem „Holocaust“ in der Bundesrepublik Deutschland, 2001, S. 8.
26 E. Wolfrum, Geschichte der Erinnerungskultur in der DDR und BRD, 2008.
(http://www.bpb.de/themen/DXG8F0.html, gesehen am 25. Juli 2009).
27 Zitat übernommen aus: A. Leo, Keine gemeinsame Erinnerung, 2003. (http://www.bpb.de/themen/JH31QR.html,
gesehen am 25.7.2009).
28 E. Wolfrum, Geschichte der Erinnerungskultur in der DDR und BRD, 2008.
13
Die Erinnerungskultur der DDR war eine, die aus ‘selektierten’ Erinnerungen bestand und die
durch den Kalten Krieg immer mehr eine symbolische Bedeutung bekam. So wurde zum Beispiel
bei der Jugendweihe oder Vereidigung der Nationalen Volksarmee der Helden des
kommunistischen Widerstands gegen die NS-Herrschaft gedacht.
In ihrer Diplomarbeit schreibt Franziska Schumann über die ‘eigene Sprache’ der
kommunistischen Gedenkstätten: „[…] übergroß und überformt wollte man ein Zeichen setzen,
ein totalitäres System erschlagen zu haben. Die authentischen Bauten mussten weichen, um
Symbolen und Ritualen einer neuen Diktatur Platz zu schaffen. […] In Ausstellungen, Filmen
und Dokumentationen ging es vorwiegend um die Genauigkeit der Lehre, nicht die der eigenen
Geschichte.’’29
Der Antisemitismus der Nazis (der Völkermord oder Genozid) wurde von der DDR
verschwiegen. Der Holocaust passte nicht in die Geschichte von der Revolution des Arbeiter-
und Bauernstaats und zum ‘Sieg der Kommunisten’. Dies erklärt auch die Probleme, die bei der
Auflösung der DDR und mit dem Aufkommen von Neo-Nazis im Osten entstanden.
Erinnern im vereinten Deutschland (Probleme mit der doppelten Vergangenheit)
Die Vereinigung Deutschlands (1990) erforderte einen intensivierten Umgang mit der eigenen
Geschichte. Die Erinnerungskultur, die sich bis dahin ausschließlich mit den NS-Verbrechen
auseinandergesetzt hatte, wurde um zwei Themen erweitert: den Umgang mit der SED-Diktatur
und die Geschichte der sowjetischen Speziallager in Deutschland (eine historische ‘Lücke’, die
bislang unbearbeitet geblieben war).
Zunächst zum Thema der Weiterführung der Konzentrationslager im Ostteil Deutschland, zu
denen Sachsenhausen, Ravensbrück30
(beide nördlich von Berlin) und Buchenwald (in der Nähe
von Weimar) gehören.
Schon zu DDR-Zeiten waren die KZ-Lager wichtige Erinnerungsorte. Nur wurde hier nicht an
dem Holocaust erinnert, sondern diese Orte dienten als Symbol des antifaschistischen
Widerstands. Besonders Buchenwald hatte einen hohen Stellenwert in Sachen Erinnerungskultur,
weil dort 1944 der Vorsitzende der kommunistischen Partei, Ernst Thälmann, ermordet worden
war.31
29 F. Schumann, Typologien des Gedenkens in Deutschland nach der Wiedervereinigung, 2004, S. 28f.
30 Ravensbrück wurde 1939 von der SS errichtet und war das größte Frauenkonzentrationslager auf deutschem Gebiet.
Im Zeitraum von Ende Januar bis April 1945 ließ hier die SS ca. 5.000 bis 6.000 Häftlinge vergasen. Kurz vor Ende
des Krieges evakuierten das Internationale, das Schwedische und Dänische Rote Kreuz ca. 7.500 Häftlinge nach
Schweden, in die Schweiz und nach Frankreich. Aufgrund eines Räumungsbefehls Himmlers ließ der Lagerkommandant
die noch im Lager verbliebenen über 20.000 Häftlinge in mehreren Marschkolonnen zu Fuß in Richtung Nordwesten
treiben. Am 30. April 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Ravensbrück mit den ca. 2.000 dort
zurückgelassenen Kranken (http://www.ravensbrueck.de/mgr/neu/index.htm, gesehen am 8. August 2009).
31 Empfehlenswert zum Thema KZ-Gedenstättenarbeit ist der Beitrag Tatort - Leidensort - Friedhof - Gedenkstätte –
Museum. Notizen für eine Gedenkstättenarbeit der Zukunft von Volkhard Knigge (Direktor der Stiftung Gedenkstätte
Buchenwald) in Erinnern in Gedenkstätten - Beiträge zum Thema anläßlich der Tagung der ZeitzeugInnen 1997 Erinnern in
Gedenkstätten, Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Abteilung Politische Bildung 1998.
14
Für die Kommunisten war Authentizität nicht unbedingt erstrebenswert. Wichtig war, dass die
kommunistische Ideologie effektvoll weitergetragen wurde. Ein aufwendiges, neu erschaffenes
Skulpturen-Programm32
sollte dazu beitragen.
Nach der Wiedervereinigung wurde diese eindeutige Ausrichtung der Gedenkstätteninszenierung
der DDR zum Problem. Man wollte die Gedenkstätten am liebsten gleich nach westdeutschem
Maßstab umformen. Die verschiedenen lagerinternen Gruppen wehrten sich aber gegen den
angeordneten Paradigmenwechsel und wollten die Orte als Symbol des antifaschistischen
Widerstands erhalten. Sorgfältige Differenzierung zwischen den ‘authentischen’ Orte einerseits
und der ideologisch aufgeladenen Gedenkinszenierung andererseits wurde somit zum Thema der
Gedenkstätten-Debatten Anfang der neunziger Jahre.
Neben der Umgestaltung von NS-Gedenkorten aus der DDR-Zeit kam die Auseinandersetzung
mit dem Gedenken an die Opfer des Stalinismus hinzu. Dabei gab es zwei Gruppen zu
unterscheiden: einerseits die Inhaftierten der Speziallager zu Zeiten der Sowjetischen
Besatzungszone (SBZ) und andererseits die Opfer des SED-Regimes.
Zuerst die Probleme mit den Speziallagern. Nach dem Krieg wurden viele Orte, die vom ‘Dritten
Reich’ als Gefängnisse oder Lager genutzt wurden, von der sowjetischen Besatzungsmacht
übernommen und zur Internierung von Deutschen benutzt. Neben dem Speziallager Nr. 3 in
Hohenschönhausen gab es zum Beispiel das Speziallager Nr. 1 in Mühlberg in einem ehemaligen
Kriegsgefangenenlager, das Speziallager Nr. 6 in Jamlitz, früher ein Außenlager des KZ
Sachsenhausen, das Speziallager Nr. 8 (später umgeändert in Nr. 10) wurde im ‘Fort Zinna’
untergebracht, das früher das zentrale Gefängnis der Wehrmachtjustiz war. In Halle, Dresden
und Bautzen wurden ehemalige NS-Gefängnisse zu Haftorten des NKWD.
Nach 1989 wurde zum ersten Mal das Schicksal vieler Inhaftierter bekannt, die als
‘verschwunden’ galten. Auskünfte erhielten die Angehörigen zuvor nur lediglich von entlassenen
Mitgefangenen oder vom Roten Kreuz. Es wurde ein Anfang gemacht mit der Kennzeichnung
der Gräberfelder, was sich in Buchenwald und Sachsenhausen als äußerst schwierig erwies, da sie
außerhalb der Lager angelegt worden waren.
Als man dann begann Gedenktafeln und andere Symbole der Erinnerung anzubringen,
entbrannte eine heftige Diskussion. Die KZ-Überlebenden der NS-Zeit fürchteten sich vor
einem ‘Schlussstrich’ bei der Aufarbeitung ihrer Geschichte. Sie hatten Angst, dass sich jetzt alle
politischen und historischen Energien auf die kommunistische Nachkriegszeit richten würden.
„Diese Sorge erwies sich zwar als unbegründet. Aber inwiefern konnte man 1990 aus den Fehlern
der Zeit nach 1945 lernen?’’, fragt sich Christoph Kleßmann in Die Akten schließen? -Der schwierige
Umgang mit der Vergangenheit – zwei Diktaturen in Deutschland.33
32 Eine Reihe prominenter DDR-Bildhauer wie Fritz Cremer (Darstellung einer Häftlingsgruppe in Buchenwald),
Waldemar Grzimek (Skulpturengruppe in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen, Denkmal im KZ Mauthausen und
das Mahnmal im KZ Ravensbrück) und René Graetz (Skulptur Befreiung in KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen)
hatten Inszenierungen der heroischen Taten des Widerstands angefertigt, um das antifaschistische Programm der
SED zu unterstreichen.
33
C. Kleßmann, Die Akten schließen?, 2008. (http://www.bpb.de/themen/GM08LK.html, gesehen am 25. Juli 2009).
15
Historische Differenzierung zwischen dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und
denen des Stalinismus wurde zum zentralen Thema bei der Aufarbeitung der deutschen
Geschichte im Fall von Gedenkorten mit ‘doppelter Vergangenheit’. Dass dies eine besondere
Herausforderung ist, wird deutlich, wenn man sich den Verlauf der Diskussionen in der Enquête-
Kommissionen und in der Experten-Kommission und die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes
zur Förderung von Gedenkstätten anschaut. Dies wird im nächsten Kapitel erörtert. Zuvor erst
noch einige Hintergründe zum Umgang mit der DDR-Geschichte im vereinten Deutschland.
Als in Januar 1990 Bürgerrechtsgruppen das Ministerium für Staatssicherheit erstürmten,
eröffnete dies einen Einblick in das enorm umfangreiche Archivmaterial der SED-Regierung.
Das Ausmaß der Überwachung der ostdeutschen Bevölkerung wurde in den Massenmedien
diskutiert. Aber auch für Historiker öffneten sich neue Quellen für ihre Forschung. Das Bild im
Westen vom Osten als ‘Stasi-Staat’ wurde zunächst noch weiter in den Vordergrund gerückt.
Schon vor dem Fall der Mauer wurde die DDR reduziert auf das Etikett ‘totalitäre Diktatur’ und
daraufhin oft mit der NS-Diktatur gleich gestellt. So stellte der Jurist Rudolf Wassermann34
Anfang der neunziger Jahre fest, dass die neuerrichtete Diktatur keine Abkehr, sondern ein
Fortsetzung der NS-Diktatur war. Trotz aller Unterschiede bestünden zwischen beiden totalitären
Systemen ‘bestürzende Parallelen.’35
Anlass für diese Aussage war der Prozess gegen Erich
Honecker im November 1992 vor dem Berliner Landgericht, wo der ehemalige Generalsekretär
sich gegen der Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze verantworten musste.
Leider hatte dieser Prozess nicht die gleiche Auswirkung wie die Nürnberger Prozesse der
Nachkriegszeit. Wo Nürnberg Rechtsgeschichte schrieb und die Weiterentwicklung des
Völkerrechts beeinflusste, wurde der Prozess gegen Honecker eine ‘Farce’. „Denn er zeigte, dass
es den Deutschen nicht gelungen war, das Unrecht einer Diktatur in eigener Verantwortung
juristisch angemessen aufzuarbeiten.’’36
Natürlich wehrte man sich gegen dieser Gleichsetzung. „Richtig ist: Erich Honecker war nicht
Adolf Hitler und die DDR nicht das Dritte Reich.’’37
Fakt ist aber, dass jeder Dritte der 122.671
inhaftierten Menschen zwischen 1945 und 1950 auf Befehl des Volkskommisariats für Innere
Angelegenheiten der UdSSR (NKWD) getötet und in anonymen Massengräbern verscharrt
wurde, wobei die SED sich an ihrem Vermögen bereicherte. Zwischen 1950 bis 1989 waren rund
700.000 Menschen in der DDR inhaftiert, wovon 2.500 Häftlinge eines unnatürlichen Todes
starben. „Wird ein so scheußliches System, wie das des real existierenden Sozialismus, etwa
34 Wassermann war ein deutscher Jurist und Rechtswissenschaftler (1925-2008). Wegen seiner vielen
rechtspolitischen Äußerungen und Impulsen zur Justizreform wurde er einer der bundesweit bekanntesten
Oberlandesgerichtspräsidenten. (http://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Wassermann, gesehen am 31. März 2010)
35 R. Wassermann, Ein epochaler Umbruch, 1991, S. 91.
36 U. Müller & G.Hartmann, Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur,
2009, S. 23.
37 U. Müller & G.Hartmann, Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur,
2009, S. 20.
16
weniger scheußlich dadurch, dass es ein noch scheußlicheres gab?’’38
, fragt sich der Schriftsteller
Ralph Giordano in der Südthüringer Zeitung vom 8.3. 2007 zu Recht.
Mittlerweile, beim Öffnen der Akten, kamen auch differenziertere Positionen ins Rampenlicht.
So wurde die Rolle der evangelischen Kirche und die erschreckende Infiltration durch Stasileute
deutlicher.39
Man bekam Einsicht in die ökonomische Schieflage mit einer fatalen Überförderung
der Wirtschaft und in eine unhaltbar hohe Subventionierung des Lebensunterhalts. Aber die
Öffentlichkeit interessierte sich auch immer mehr für den normalen Alltag der DDR-Bürger.
Das große Problem besteht darin, dieser fragmentierten Vergangenheit gerecht zu werden.
Im Kapitel Verharmlosung des DDR-Regimes wird dieses Problem näher betrachtet.
38 Zitat übernommen aus: U. Müller & G.Hartmann, Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche
Erbe der SED-Diktatur, 2009, S. 20.
39 F. Augenstein, Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg Berichte zur Gegenwart der Erinnerung Deutschland in Verbrechen
erinnern, 2002, S. 230.
17
4. Die Politik diskutiert
Die Enquête-Kommissionen und Expertenkommission
Um festzustellen, welche Unterschiede es beim Umgang mit den beiden diktatorischen
Vergangenheiten gibt und um Streitpunkte zwischen den verschiedenen Verfolgten- und
Häftlingsverbänden zu lindern, aber auch um Klarheit zu schaffen, wie ein Umgestaltungsprozess
in Sachen Erinnerung am besten konzipiert werden könnte, richtete der Deutsche Bundestag
bereits 1991 eine erste Enquête-Kommission ein. Diese Kommission sollte sich intensiv mit den
Voraussetzungen, Erscheinungsformen und Folgen der SED-Diktatur befassen. Die Kommission
wurde zusammengestellt aus Vertretern der Parteien und Sachverständigen aus Ost und West.
Ein großer Streitpunkt innerhalb der Kommission betraf die Frage der Finanzierung.
Normalerweise ist die Finanzierung von Gedenkstätten eine Aufgabe der Länder (sie haben die
Kulturhoheit), aber am 31. August 1990 wurde eine Übergangslösung vorgeschlagen, die 50%-
Reglung, auf deren Basis Bund und Länder zusammen die Finanzierung übernehmen.
Anfang 1994 wurden die vorliegenden (finanziellen) Anträge wieder diskutiert und eine öffentliche
Anhörung fand statt. An der Diskussion nahmen sowohl Vertreter der Gedenkstätten und Museen
als auch Geschichtswissenschaftler teil. Die Umgestaltung der Gedenkstätten und die Erarbeitung
von Richtlinien war das Hauptziel. Das Ergebnis war leider defizitär und unzureichend. Nur die
50%-Reglung konnte erhalten werden, allerdings mit Einschränkungen. Sie wurde bis 2003
befristet und (nur) auf die neuen Länder und Berlin begrenzt. In dem Abschlussbericht wies die
erste Enquête-Kommission aber noch auf die Notwendigkeit einer staatlichen Regelung hin.
Wegen dieses unvollständigen Ergebnisses wurde 1995 eine zweite Enquête-Kommission durch
den 13. Deutschen Bundestag eingesetzt zum Themenkomplex ‘Überwindung der Folgen der
SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit’. Diese neue Kommission sollte zudem eine
umfassende Gedenkstättenkonzeption erarbeiten. Der Schlussbericht vom Juni 1998 bestand aus
Empfehlungen zu „gesamtdeutschen Formen der Erinnerung an die beiden deutschen
Diktaturen und an ihre Opfer.’’40
Gedenkstätten wurden jetzt als ‘zentraler Stützpunkt für das
Gedenken’ definiert und die ‘grundsätzliche Bedeutung der Gedenkstätten in der demokratischen
Erinnerungskultur’ wurde betont. Aber man war sich auch der Wichtigkeit der Differenzierung
bewusst. Diese Gedenkstätten sollten nach dieser Konzeption ‘herausgehobene Einrichtungen’
sein, ‘die im öffentlichen Bewusstsein exemplarisch für bestimmte Formen der Verfolgung
stehen’. Seit 1999 wurden die Gedenkstätten bei der Umsetzung der Vorschläge durch die
Bundesregierung auf Grund dieser Konzeption in drei Gruppen eingeteilt:
- Gedenkstätten für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft
- Gedenkstätten für sowjetische Soldaten und Kriegsgefangene41
- Gedenkstätten zur Erinnerung an bedeutende deutsche Staatsmänner.
40 F. Schumann, Typologie des Gedenkens in Deutschland nach der Wiedervereinigung, 2004, S. 68.
41 Im deutsch-sowjetischen Nachbarschaftsvertrag vom 9. November 1990 war vertraglich die wechselseitige Pflege
und Erhaltung nationaler Gedenkstätten vereinbart worden. (http://de.wikipedia.org/wiki/Gedenkst%C3%A4tten_
von_nationaler_und_internationaler_Bedeutung_in_Deutschland, gesehen am 11. August 2009).
18
Das bedeutete für Hohenschönhausen, dass die Gedenkstätte weiterhin mit 50% vom Bund und
50% vom Land Berlin finanziert wurde und als zentrale nationale Gedenkstätte zum DDR-
Unrecht ausgebaut werden sollte.
Am 10. Oktober 2001 wurde die Zukunft Hohenschönhausens in einem Antrag um die ‘Stasi-Untersuchungs-
haftanstalt als Gedenkstätte zu erhalten und auszubauen’ besprochen. Es galt dabei besonders die Erhöhung
der finanziellen Beteiligung des Bundes und das Land Berlin bei den Erhalt und Ausbaus zu regeln. Die
jährliche Mittel in Höhe von ca. 2 Mio. DM für Betriebs- und Personalausgaben reichten bei lange nicht aus
um den notwendigen Ausbau zu realisieren. Dazu gehörte eine zu errichtende Dauerausstellung (bisher
konnte die Gedenkstätte nur im Rahmen von Führungen durch Zeitzeugen besichtigt werden). Für den
Umbau und Sanierungen wurden außerdem zusätzliche Gelder gebraucht. Es war sogar die Rede von einer
Finanzierungslücke in der Höhe von 39. Mio. DM. „Die gesamte finanzielle Lage der Gedenkstätte macht
die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs zunehmend schwieriger. Bis heute haben weder die im
Stiftungsrat vertretene Bundesregierung noch die Landesregierung von Berlin reagiert. Ohne eine spürbare
Erhöhung der staatlichen Zuwendungen steht je doch die Umsetzung der Projektkonzeption in Frage,
droht den Gebäuden der Verfall, steht das Vorhaben der Aufarbeitung der Geschichte des
menschenverachtenden politischen Systems der DDR insgesamt auf dem Spiel.”42
Drucksache 14/7110, Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode (Zusammenfassung)
In einem Konzept von Knut Nevermann (Staatssekretär bei der Beauftragten der Bundesregierung
für Kultur und Medien, Christina Weiss) vom 1.12.2004 wurde die Gedenkstättenarbeit zur SED-
Diktatur als ‘unbefriedigend’ eingestuft und eine Neustrukturierung gefordert. Als Grund für
diese Unzufriedenheit wurde verwiesen auf die öffentliche Debatten aus Anlass des 15. Jahrestages
des Mauerfalls, wo das Engagement bemängelt wurde und man eine größere Zahl von öffentlich
geförderten Gedenkstätten forderte.
Daraufhin wurde im Frühjahr 2005 eine zehnköpfige Expertenkommission43
zum
Themenkomplex ‘Geschichtsverbund zur Aufarbeitung der SED-Diktatur’ unter Leitung des
Potsdammer Historikers Martin Sabrow eingesetzt. Man hoffte somit den ‘Wildwuchs’ der
Erinnerungskultur in geordnete Bahnen zu lenken.44
Ein Jahr später stellte diese Kommission ihre Vorschläge ‘zur institutionellen und inhaltlichen
Zukunft des Gedenkens an die zweite deutsche Diktatur’ der Öffentlichkeit vor. Die DDR sollte
nicht allein über das Bild des geheimpolizeilichen Überwachungsstaates dargestellt werden, in der
Zukunft sollte auch der Alltag der DDR-Bürger stärker in die Erinnerungskultur aufgenommen
werden. Dieser letzte Vorschlag stieß auf viel Widerspruch in den Medien.
Der Leiter der Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, sprach
daraufhin von ‘staatlich verordneter Ostalgie’, während der kulturpolitische Sprecher der Berliner
42 Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen als Gedenkstätte erhalten und ausbauen (Antrag), 2001, Drucksache 14/7110, S. 4.
43 Expertenkommissionen sind Beratungsgremien, die für einen begrenzten Zeitraum und mit einem klaren Auftrag
eingesetzt werden. Sie sind gemischt besetzt mit Vertretern der Wissenschaft, Interessenverbände, Politik und
Verwaltung und weiterer Fachleute. Sie legen ihrem Auftraggeber in der Regel einen ausformulierten Bericht vor,
der Handlungsempfehlungen enthält. Expertenkommissionen in Deutschland werden durch die Bundesregierung
oder durch Landesregierungen, aber auch private Einrichtungen (wie Unternehmen, Stiftungen usw.) eingerichtet.
Der Unterschied zwischen einer Enquête-Kommission und einer Expertenkommission ist, dass eine Enquête-
Kommission in ihrer Arbeitsweise einem präziseren Arbeitsauftrag unterworfen ist, zudem behandelt sie meist
allgemeine Themen. (http://de.wikipedia.org/wiki/Expertenkommission, gesehen am 12. August 2009).
44 C. Wüllenkemper, Das Warten auf die Folterzelle, 04.04.2007.
19
CDU, Uwe Lehmann-Brauns, der Kommission gar eine ‘Weichspülung der harten Fakten’
vorwarf.”45
„Insbesondere die empfohlene Eingliederung der Gedenkstätten Hohenschönhausen
und die Normannenstraße unter das Dach der Birthler Behörde46
stieß auf heftige Kritik.”47
Die Debatte anlässlich des Berichtes der Expertenkommission kam erst zum Erliegen, als die
‘Vorschläge’ wieder in der Schublade verschwanden.
Wie kann man sich die Kontroverse über den Umgang mit der DDR-Vergangenheit erklären?
Natürlich ist es gut die DDR-Geschichte von mehreren Seiten zu betrachten und einer
drohenden „Verinselung”48
der DDR-Geschichte im Geschichtsbewusstsein entgegen zu treten.
Das Problem liegt aber beim Zeitpunkt dieser Umsetzung. Wenn man sich den Verlauf der
Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in der BRD anschaut, sieht man ein ähnliches Muster in
Sachen Vergangenheitsbewältigung. Die BRD hätte sich nach dem Krieg am liebsten nur auf den
Aufbau Deutschlands konzentriert, durch internationalen Druck wurde sie aber verpflichtet, sich
mit der Täter-Rolle auseinander zu setzen. Erst nach Klärung der Täter-Opfer-Debatte konnte
die Rolle der deutschen Opfer in den Vordergrund treten und wurde auch allgemein von den
Medien und der Bevölkerung akzeptiert.
Ein weiterer Grund dieser Akzeptanz hängt zusammen mit dem wachsenden Abstand der
heutigen Generation zur Nazi-Vergangenheit. Die meisten Zeitzeugen sind verstorben und damit
auch der persönliche Bezug.
Soweit sind wir bei der Aufarbeitung der SED-Diktatur aber noch lange nicht.
Die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes zur Förderung von Gedenkstätten
Neben den beiden Kommissionen richtete die Bundesregierung das Augenmerk auf ein
Gesamtkonzept zur ‘Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland’.
Es sollte ein einheitliches Konzept erarbeitet werden, wie man sich sowohl an die
nationalsozialistische Herrschaft als auch an die kommunistische Diktatur bis 1989 erinnern solle.
Zudem sollten drei weitere, sehr unterschiedliche Ereignisse und Themenkomplexe einen Platz
bekommen in der deutschen Erinnerungskultur, nämlich: „die mit Diktaturgeschichte, Krieg und
45 C. Wüllenkemper, Das Warten auf die Folterzelle, 04.04.2007.
46 Die Birthler Behörde heißt offiziell Die Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der
ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU). Der erste Leiter dieser Bundesoberbehörde, die der
Bundesbeauftragten für Kultur und Medien unterstellt ist, war Pfarrer Joachim Gauck (daher wurde sie auch die
Gauck-Behörde genannt). Als Marianne Birthler im Oktober 2000 die Leitung übernahm, wurde sie in den Medien
umbenannt in Birthler-Behörde.
Die BStU ist eine von den Mitgliedern der Bürgerkomitees und Freiwilligen der Bürgerrechtsbewegung im Zuge
der friedlichen Revolution von 1989 erkämpfte Einrichtung zur Sicherung der Unterlagen der Stasi. Eine mögliche
Auflösung und Eingliederung der BStU in das Bundesarchiv wird derzeit öffentlich diskutiert. Das ist leider nicht
das einzige, womit die Birthler Behörde Schlagzeilen macht. So soll ein hoher Anteil der Mitarbeiter aus
ehemaligen Stasi-Mitarbeitern bestehen (http://de.wikipedia.org/wiki/BStU, gesehen am 12. August 2009).
Mehr zum Thema ‘Stasi-Mitarbeiter als Staatsdiener’ ist u.a. zu finden auf Welt Online und in dem Buch Vorwärts
und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur von Uwe Müller und der Leipziger
Journalistin Grit Hartmann, bei Rowohlt Berlin.
47 DDR-Vergangenheit und Erinnerungskultur, 2006, S. 2.
48 Empfehlungen der Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichtsverbundes ‘Aufarbeitung der SED-Diktatur’ , 2006, S. 5.
20
der Überwindung totalitärer Regime in Deutschland eng verbunden sind, nicht aber die
Erinnerung an die Opfer der beiden deutschen Diktaturen betreffen”49
, also:
- Opfer von Krieg und Vertreibung.
- Zivile Opfer der alliierten Luftangriffe des zweiten Weltkrieges.
- Friedliche Revolution und Wiederherstellung der staatlichen Einheit.
Wohl auf Grund dieser Forderung wurde am 9. Oktober 2007 vom Bundestag beschlossen in
Berlin ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu errichten. Zudem wurde im Frühjahr 2008 eine
Ausstellungs- und Dokumentationsstätte zu Flucht, Vertreibung im Berliner Deutschlandhaus angeregt,
die von der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung unterhalten werden soll.50
Im Juni 2008 wurde eine Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption von 1999 beschlossen.
Diese Fortschreibung erhielt den Titel Verantwortung wahrnehmen, Aufarbeitung verstärken, Gedenken
vertiefen. Zuvor wurden aber mehrere Experten befragt und es fand eine Anhörung mit Vertretern
verschiedener Institutionen und Einrichtungen statt. Unter den Befragten waren zum Beispiel:
Volkhard Knigge (Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora),
Thomas Krüger (Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn), Marianne Birthler
(Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in
Berlin), Rainer E. Klemke (Arbeitsgruppe Gedenkkonzept Berliner Mauer, Leiter AG Museen
mit Bundesbeteiligung, Gedenkstätten und Zeitgeschichte e.V.), Rainer Eppelmann (Vorsitzender
Stiftungsvorstand, Stiftung Aufarbeitung, Berlin) und Hubertus Knabe (Direktor Gedenkstätte
Berlin-Hohenschönhausen).Trotz der vielen in Vorfeld befragten Experten und Politiker ist der
vom Kulturstaatsministerium als ‘Meilenstein für die Erinnerungskultur’ präsentierte Beschluss
als ein unbefriedigender Kompromiss zu bezeichnen.
Diese Enttäuschung kann man im Interview vom 18. Juni 2008, das Rainer Berthold Schossig
vom Deutschlandfunk mit dem Direktor Hohenschönhausens, Hubertus Knabe, führte, bestätigt
finden: „Mit dem Meilenstein habe ich meine Probleme. Man muss einfach dazu wissen, dass es hier
ein sehr, sehr langes und heftiges Tauziehen hinter den Kulissen gegeben hat. Was jetzt
herausgekommen ist, ist ein Kompromiss, ein Kompromiss der Großen Koalition. Und ich habe den
Eindruck, dass hier oftmals leider nicht nach sachlichen Gesichtspunkten und Notwendigkeiten,
sondern danach entschieden worden ist, wer hat die stärkeren Bataillone.’’51
Bei der Frage, ob es nicht gut sei, dass es keine Gleichsetzung geben werde zwischen der
Erinnerung an den Nationalsozialismus mit dem Unrecht, das es im SED-Staat gegeben hat,
warnt Knabe vor dem Verlust des Ausgangspunktes. Die heutige Diskussion richte sich zu viel
auf eine Art von ‘Diktaturenkonkurrenz’. Die Diktatur, die die meisten Toten aufzuweisen hat,
bekommt die meisten Finanzmittel. Das könne nicht Ziel der Bemühungen sein. Ursprünglich
galt es die Unkenntnisse der neuen Generation, „die ja inzwischen 18, 20 Jahre alt sind und das
49 Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland – Gesamtkonzept für ein würdiges
Gedenken aller Opfer der beiden deutschen Diktaturen (Antrag), 2004, Drucksache 15/3048, S. 6.
50 http://de.wikipedia.org/wiki/Gedenkst%C3%A4tten_von_nationaler_und_internationaler_Bedeutung_in_
Deutschland, gesehen am 11. August 2009 und http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen
/BPA/2009/04/2009-04-08-bkm-stiftung-flucht-vertreibung-versoehnung.html, gesehen am 18. März 2010.
51 Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen kritisiert Gedenkstättenkonzept, Deutschlandfunk 2008.
21
alles nicht mehr miterlebt haben’’, zu beseitigen. Diese jungen Menschen sollten besser aufgeklärt
werden und das am besten an historischen Orten. Der Erhalt und die Pflege dieser Orte sollte die
eigentliche Aufgabe einer Gedenkstätte sein.
Obwohl das neue Konzept Erweiterungen der institutionelle Förderung enthält, zum Beispiel für
die Gedenkstätten Bergen-Belsen, Dachau, Flossenbürg und Neuengamme, sind stufenweise
Sanierungen geplant, für bereits unterstützte Gedenkstätten. Es gibt aber immer noch Probleme,
die noch nicht gelöst worden sind, mahnt Knabe. So gibt es die Stasi-Gefängnisse in Erfurt und
Cottbus, die vor sich hinrotten, oder DDR-Gefängnisse, die zu Eigentumswohnungen umgebaut
werden, wie zum Beispiel in Berlin-Rummelsburg. Immer mehr Orte des Schreckens
verschwinden, anstatt sie zu bewahren. Dazu kommt das Problem, dass es in Westdeutschland
immer noch keinen Platz gibt, wo an die kommunistische Diktatur erinnert wird. Kein Wunder
also, dass ein ganze Generation heranwächst, „die das alles nicht mehr weiß, die Erich Mielke für
einen Schriftsteller halten und den 17. Juni auf das Jahr 49 datieren, wo angeblich die Massen
wegen der Toten des Zweiten Weltkrieges auf die Straßen gegangen sind, also abstruse
Antworten. Und was noch viel gravierender ist, dass auch die Wertmaßstäbe fehlen, wie ordne
ich das eigentlich ein, und dann zu dem Ergebnis kommen, dass die Bundesrepublik zwar anders,
aber nicht besser gewesen sei als die DDR.“52
Diese Aussage Knabes geht vermutlich auf die
Schlagzeilen ‘Honecker - who?‘ aus dem Sommer 2008 zurück. „Anlass war eine Studie zum
DDR-Bild von Schülern in Ost- und Westdeutschland. Jeder zwölfte Schüler in den zehnten und
elften Klassen kannte Erich Honecker nicht; […] Nur jeder Dritte wusste, dass die DDR die
Mauer gebaut hatte. […] Die wenigsten wussten, dass die DDR bankrott war. Die Hälfte der
ostdeutschen Jugendlichen sah in der DDR keine Diktatur.„53
Das fehlende Faktwissen wurde in
den Parlamenten (Ost und West) debattiert und die Lehrpläne wurden bemängelt. Dabei wurde
anscheinend vergessen, dass die DDR so gut wie nicht zum verpflichteten Lehrplanstoff gehörte.
Kein Wunder also, dass es eine zunehmenden Idealisierung des früheren Arbeiter-und Bauern-
Staates gibt.
Auf die Anregung, einen Geschichtsverbund zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in
Deutschland zu gründen, reagiert Knabe: „Ich glaube, Zentralismus ist beim Gedenken der
falsche Weg. Hier muss man über den Ort des Schreckens versuchen, in die Gesellschaft zu
wirken, Bautzen oder Berlin-Hohenschönhausen oder eben die nationalsozialistischen
Konzentrationslager. Das kann man nicht in ein Kombinat oder eine Großorganisation zwängen,
sondern da muss man lokal arbeiten und dann global wirken.”54
Die finanziellen Mittel für die Jahre 2008 und 2009 zur Realisierung des weiterentwickelten
Konzeptes wurden auf insgesamt 35 Millionen Euro angehoben (eine Erhöhung von 50
Prozent). Ob das hilft, um mehr Geschichtswissen zu schaffen, ist fraglich.
52 Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen kritisiert Gedenkstättenkonzept, Deutschlandfunk, 2008.
53 U. Müller & G.Hartmann, Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur,
2009, S. 225.
54 Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen kritisiert Gedenkstättenkonzept, Deutschlandfunk, 2008.
22
5. Verharmlosung des DDR-Regimes
In der deutschen Politik wird im Umgang mit der SED-Diktatur eine bestimmte Schieflage
oftmals übersehen. Viele Ex-Stasi-Mitarbeiter arbeiten nämlich wieder für den Staat und das
macht einem unparteiischen Umgang mit der Vergangenheit unmöglich.
Wo ehemalige Stasi-Mitarbeiter eine Pension vom Bund erhalten, kämpfen Stasi-Opfergruppen
immer noch für Gerechtigkeit. Nach 1989 gab es gerade mal 1021 Anklagen (bei 1737
Angeklagten) vor Gericht. Nur 46 Personen sind bis jetzt zu einer Haftstrafe verurteilt worden.55
Dazu kommen die von Hubertus Knabe bereits angesprochene Gefahr der Verharmlosung und
die zunehmende Ahnungslosigkeit. Eine Verfasserin des Hoheneck Blogs bringt es
folgendermaßen auf dem Punkt:
Ein differenziertes Geschichtsbild ist deshalb dringend notwendig. Die Vergangenheit muss nicht
nur zu Feiertagen ins politische Bewusstsein zurückgeholt werden. Hier sind die Medien und vor
allem auch die Politik gefragt. Es ist mir absolut unverständlich, weshalb diverse Politiker sich
weigern, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Weshalb nennt niemand die Dinge beim
Namen? Eine Diktatur, in der die Herrschenden die eigene Bevölkerung einmauerte, in der
Zwang, Einschüchterung und Unterdrückung herrschten, in der Grundrechte mit Füßen getreten
wurden, in der es Todesstreifen und einen Schiessbefehl gab, in der Wahlbetrug betrieben
wurde… Was soll das sein, wenn nicht ein Unrechtsstaat? Und das waren doch die wahren
Gründe, weshalb mehr als 4 Millionen DDR-Bürger den Staat in Richtung Westen verließen und
nicht, weil man keine Spreewaldgurken oder Bananen kaufen konnte oder weil man 14 Jahre auf
ein Auto warten musste.56
Als Beispiel könnte man hier den Umgang der Türkei mit dem armenischen Genozid nehmen.
Die Türkei hat den Völkermord an den Armenier 1913-1915 nie offiziell erkannt, weil sie
anfangs auch nie durch den Westen dazu gezwungen wurde. Man hatte damals viel zu viel Angst
den neuen, dem Westen zugewandten Staat an den Islam zu verlieren und forderte daraufhin
auch kein öffentliches Geständnis mehr. Das Problem lag dabei nicht nur in der Anerkennung
des Unrechts, sondern vielmehr im Problem, von wem diese Anerkennung erbracht werden
sollte. Denn in der türkischen Regierung von damals waren die Täter die neuen Machthaber, und
wie kann man eine unparteiische Aufarbeitung der Geschichte oder sogar Entschädigung
erwarten, wenn die früheren Täter damit beauftragt sind?
Die gleiche Situation gilt auch für die Mittarbeiter der ehemaligen DDR, die heute oft ihre alte
Tätigkeit übernommen haben und jetzt für das vereinte Deutschland arbeiten auf genau dem
gleichen Posten wie früher.
Erst wenn diese Schieflage erkannt und aufgehoben wird, ist es möglich das Gedenken und den
Umgang mit der SED-Vergangenheit in geordnete Bahnen zu lenken.
55 U. Müller & G.Hartmann, Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur,
2009, S. 60.
56 Hoheneck Blog, War die DDR ein Unrechtsstaat? , 22. Juni 2009 (http://hoheneck.wordpress.com/, gesehen am 13.
August 2009).
23
6. Zusammenfassung und Fazit
20 Jahre nach der Deutschen Einheit ist man immer noch dabei die deutsche Nationalgeschichte
mit Blick auf die kommende Generation zu untersuchen und neu zu bewerten, um so zu einer
Neuabstimmung zu gelangen. Das große Problem bei der Erinnerung an die deutsche Geschichte
ist die enorme Komplexität. So muss man sich an zwei verschiedene Diktaturen erinnern, mit
ihren jeweils unterschiedlichen Opfern. Wie kann man überhaupt 40 Jahre geteilte Geschichte
zusammenführen in einem einheitlichen Konzept?
Dazu kommt das Problem einer neuen Generation, die keinen direkten Bezug mehr hat zur
Geschichte. Teilweise wegen fehlenden Interesses und teilweise wegen mangelnder Lehrpläne
entstehen solche Defizite. Ohne Änderung der Lehrpläne hat eine Erinnerungspolitik wenig
Nährboden und ein Scheitern ist vorprogrammiert. Da hilft es nicht, dass Bund und Länder die
Aufklärungsrolle der Gedenkstätten schätzen, doch sich schwer tun Förderungsmaßnahmen zu
beschließen.
Um Einsicht zu bekommen, wie die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in Deutschland
angegangen werden kann, wurden die Enquête-Kommissionen und eine Expertenkommission
eingesetzt, um eine Gedenkstättenkonzeption zu erarbeiten. Zu einer eindeutigen Linie hat das
aber nicht geführt. Es besteht nur ein auf gegenseitigem Vertrauen basierender Konsens, worin
erkannt wird, dass zwischen Opfern des Nationalsozialismus und Opfern des Stalinismus
differenziert werden muss.
Die Schieflage zwischen Opfern und Tätern des SED-Staats ist vermutlich Grund dieser
Unentschiedenheit und sollte dringend zur Diskussion gestellt werden. Nur dann kann man der
Vergangenheit gerecht werden und eine einheitliche Erinnerungskultur schaffen.
24
7. Literaturverzeichnis
 “DDR-Vergangenheit und Erinnerungskultur”. Berlin, 2006. Nr. 30/06.
<www.bundestag.de/wissen/analysen/2006/DDR-Vergangenheit_und_Erinnerungskultur.pdf >.
 Empfehlungen der Expertenkommission zur Schaffung einses Geschichtsverbundes “Aufarbeitung der SED-
Diktatur”. Berlin: BKM, 2006.
 “Erinnerungspolitisches Konzept zu den Gedenkstätten der SED-Diktatur in Berlin”. 2005. (20-2-
2009): Robert Havemann Gesellschaft. <www.havemann-gesellschaft.de/info193.htm>.
 “Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland – Gesamtkonzept für ein
würdiges Gedenken aller Opfer der beiden deutschen Diktaturen (Antrag).” Bundesanzeiger
Verlagsgesellschaft mbH, 2004. Drucksache 15/3048.
 “Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen als Gedenkstätte erhalten und ausbauen
(Antrag).” Ed. Deutscher Bundestag: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, 2001. Drucksache
14/7110.
 “Verantwortung wahrnehmen. Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen.” Ed. Ausschuss für
Kultur und Medien: Deutsche Bundestag, 2007. 16(22)127.
 Augstein, Franziska. “Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg Berichte zur Gegenwart der
Erinnerung Deutschland.” Verbrechen erinnern; Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord. Ed.
Norbert Frei, Volkhard Knigge. München: Verlag C.H. Beck, 2002. S. 250-230
 Erler, Peter und Hubertus Knabe. Der verbotene Stadtteil; Stasi-Sperrbezirk Berlin-Hohenschönhausen. 3.
Auflage Berlin: Jaron Verlag, 2008.
 Faulenbach, Bernd. “Geschichtserfahrung und Erinnerungskultur im vereinigten Deutschland.”
Gewerkschaftliche Monatshefte 47 (1996): S. 232-39.
 Herbert, Ulrich. “Der Umgang mit dem ‘Holocaust’ in der Bundesrepublik Deutschland.” Lithuanian
Foreign Policy Review, 2001. S. 3.
 Hofmann, Jürgen. Zur Auseinandersetzung mit der Hohenschönhausener Gedenkstätte für die Opfer des
Stalinismus, 1997.
 Ivanji, Ivan. “Die Macht der Erinnerung, die Ohnmacht der Worte.” Verbrechen erinnern; Die
Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord. Ed. Norbert Frei, Volkhard Knigge. München: Verlag
C.H. Beck, 2002. S. 12-13
 Kleßmann, Christoph. “Die Akten schließen?” 2008. Dossier Geschichte und Erinnerung. Bundeszentrale
für politische Bildung. 25-7-2009. <http://www.bpb.de/themen/GM08LK.html>.
 Knabe, Hubertus. “Einführung.” Gefangen in Hohenschönhausen. Ed. Hubertus Knabe. Vol. 3. Berlin:
List Taschenbuch, 2008.
 Knabe, Hubertus. Stellungnahme der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zum Votum der
Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichtsverbundes „Aufarbeitung der SED-Diktatur”. Berlin, 2006.
 Leo, Annette. “Keine gemeinsame Erinnerung”. 2003. Dossier Geschichte und Erinnerung.
Bundeszentrale für politische Bildung. 25-7-2009. <http://www.bpb.de/themen/JH31QR.html>.
 Lutz, Thomas. “Gedenken und Dokumentieren an Orten von NS- und NKWD-Lagern in
Deutschland.” Speziallager in der SBZ: Gedenkstätten mit ‘doppelter Vergangenheit’. Ed. Bodo Ritscher, Peter
Reif-Spirek. Berlin: Christoph Links Verlag, 1999.
25
 Müller, Uwe und Grit Hartmann. Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe
der SED-Diktatur, Berlin: Rowohlt, 2009.
 Neubert, Hildigund, Wolfgang Schuller, Klaus Schroeder und Uwe Thaysen. Zukunft von Haus 1 der
Normannenstraße. Berlin: Haus 1 des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin, 2001.
 Schossig, Rainer Berthold und Hubertus Knabe. Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen kritisiert
Gedenkstättenkonzept. Aufnahme vom 18. Juni 2008. Deutschlandfunk, 2008.
 Schumann, Franziska. “Typologie des Gedenkens in Deutschland nach der Wiedervereinigung”.
Universität Potsdam, 2004. S. 28-29.
 Sigel, Paul. “Denkmalorte mit doppelter Vergangenheit”. 2005. Goethe-Institut. 17-3-2009.
<http://www.goethe.de/kue/arc/dos/dos/zdk/de204290.htm>.
 Üngör, Uğur Ümit. “Vervolging, Onteigening en Vernietiging: de deportatie van Ottomaanse
Armeniërs tijdens de Eerste Wereldoorlog.” Soesterberg: Aspekt, 2007.
 Wasserman, Rudolf, “Ein epochaler Umbruch. Probleme der Wiedervereinigung”. Asendorf: Mut-
Verlag, 1991, S. 91.
 Wilke, Manfred. “Stellungnahme zu den ‘Empfelungen der Expertenkommission zur Schaffung eines
Geschichtsverbundes ‘Aufarbeitung der SED-Diktatur’”. Berlin: Freie Universität Berlin, 2006.
 Wolfrum, Edgar. “Geschichte der Erinnerungskultur in der DDR und BRD”. 2008. Dossier Geschichte
und Erinnerung. Bundeszentrale für politische Bildung. 25-7-2009.
<http://www.bpb.de/themen/DXG8F0.html>.
 Wüllenkemper, Cornelius. “Das Warten auf die Folterzelle.” Süddeutsche Zeitung vom 04.04.2007.
Internet
 http://de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Karlshorst (gesehen am 27. Juli 2009)
 http://de.wikipedia.org/wiki/BStU (gesehen am 12. August 2009)
 http://de.wikipedia.org/wiki/Expertenkommission (gesehen am 12. August 2009)
 http://de.wikipedia.org/wiki/Gedenkst%C3%A4tten_von_nationaler_und_internationaler_Bedeutung
_in_Deutschland (gesehen am 11. August 2009)
 http://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Wassermann (gesehen am 31. März 2010)
 http://hoheneck.wordpress.com/ (gesehen am 13. August 2009)
 http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2009/04/2009-04-08-bkm-
stiftung-flucht-vertreibung-versoehnung.html (gesehen am 18. März 2010)
 http://www.ravensbrueck.de/mgr/neu/index.htm (gesehen am 8. August 2009)
 http://www.welt.de/print-welt/article231300/Gedenkstaette_Hohenschoenhausen.html
(gesehen am 12. August 2009)

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  • 1. Hohenschönhausen Der Umgang mit doppelter Vergangenheit Vrije Universiteit Duitse taal en cultuur: letterkunde Bachelorarbeit Begleiter: Prof. Dr. Bodo Plachta Zweiter Leser: Dr. Maurice Vliegen 15. April 2010 Vorgelegt von: Inez Wildhagen Studentnummer: 1682830 Adresse: Glashaven 15, 3011 XG Rotterdam Telefon: 06 - 380 601 24 E-Mail: inezwildhagen@hotmail.com
  • 2. 2 Inhalt 1. Vorwort: Die Summe aller Erinnerungen 3 2. Hohenschönhausen, eine Geschichte mit vielen Gesichtern 4 - Die Sowjetära (1945-1951) 4 - Die SED-Diktatur (1951-1990) 6 - Wandlung zur Gedenkstätte (1990-1995) 8 3. Erinnern und Gedenken in Deutschland 10 - Erinnerungskultur in der BRD 11 - Erinnern zu DDR-Zeiten 12 - Erinnern im vereinten Deutschland (Probleme mit der doppelten Vergangenheit) 13 4. Die Politik diskutiert 17 - Die Enquête-Kommissionen und Expertenkommission 17 - Entwicklung eines Gesamtkonzeptes zur Förderung von Gedenkstätten 19 5. Verharmlosung des DDR-Regimes 22 6. Zusammenfassung und Fazit 23 7. Literaturverzeichnis 24
  • 3. 3 1. Vorwort: Die Summe aller Erinnerungen Die ganze Wahrheit über die Konzentrationslager und alle Morde, Massenhinrichtungen, Verhöre und Folterungen durch Menschen in deutschen Uniformen wäre weit mehr als die Summe aller Erinnerungen nicht nur der hingerichteten, gefolterten, vertriebenen oder bedrohten Menschen, sondern selbstverständlich auch aller ihrer Bewacher, der Administratoren der Verfolgungen, des Zugpersonals der Transporte in die Lager, der Zuschauer und jener, die weggesehen haben, mit einem Wort, der Erfahrung einer ganzen Generation. Die Macht der Erinnerung, die Ohnmacht der Worte 1 Ivan Ivanji Erinnern ist eine Form der Vergangenheitsbewältigung, aber für Deutschland ist es viel mehr als nur das. Gerade weil Deutschland im letzten Jahrhundert so viel Untaten begangen hat, wurde die Aufarbeitung der Vergangenheit ein wesentlicher Bestandteil der demokratischen politischen Kultur des heutigen Deutschland und ist somit zu einer selbst auferlegten Pflicht erhoben worden. Dass das Erinnern von enormer Bedeutung ist, darüber ist die Politik sich einig. Aber wie und was man erinnern soll, darin liegt das eigentliche Problem. So fragt sich der Schriftsteller, Diplomat und Journalist Ivan Ivanji in seinem Beitrag zum Band Verbrechen erinnern - Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord, was ‘eine der Wahrheit möglichst nahe Erinnerung’ eigentlich sein soll. „ ‘Nichts als die Wahrheit’ ? Das ist sehr schwierig. Wer schmückt bewußt oder unbewußt seine Wahrheit nicht aus? Wer erinnert sich später perfekt an das, was er erlebt oder gesehen hat, wer erfindet nicht auch etwas dazu oder vergisst, was für ihn peinlich war?“2 Was das Erinnern zudem erschwert, ist die komplizierte und widersprüchliche Geschichte eines vormalig geteilten Landes. Wie können zwei Länder, die lange Zeit keine Einheit waren, sich gemeinsam an etwas erinnern, was sie nicht gemeinsam durchlebt haben? Dass die Auseinandersetzung mit Nationalismus und SED-Diktatur auf Umsetzungsprobleme stößt, darf deswegen keinen wundern. Die deutsche Geschichte ist halt eine Geschichte mit zwei Gesichtern. Die Probleme mit doppelter Vergangenheit verständlich und zugänglich machen, ist Ziel dieser Arbeit. Und weil dieses Thema ziemlich umfangreich ist, werde ich mich (wo möglich) auf die Rolle Hohenschönhausens beschränken. So werde ich die Geschichte Hohenschönhausens etwas näher betrachten um festzustellen, wofür das frühere Industriegelände als Symbol steht. Um die Probleme mit dem gemeinsamen Erinnern zu verdeutlichen, ist es wichtig zu wissen, wie die Erinnerungskultur vor der Wende im Osten und im Westen ausgesehen hat und warum das Zusammenführen auf Probleme stoßen musste. Was mich besonders interessiert ist die Frage, wie die Politik sich dem Problem der Umgestaltung von Hohenschönhausen zu einer gesamtdeutschen Gedenkstätte gestellt hat und in wie weit schon eine Lösung gefunden worden ist. Gibt es zum Beispiel ein Gesamtkonzept zur Förderung von Gedenkstätten in Deutschland? Wie geht man um mit ehemaligen Mittgliedern des SED-Regimes und was hat man gelernt aus dem Umgang mit der Nazi-Vergangenheit? 1 Ivanji, Die Macht der Erinnerung, die Ohnmacht der Worte in Verbrechen erinnern, 2002, S. 12f. 2 Ivanji, Die Macht der Erinnerung, die Ohnmacht der Worte in Verbrechen erinnern, 2002, S. 12.
  • 4. 4 2. Hohenschönhausen, eine Geschichte mit vielen Gesichtern Heutzutage ist Hohenschönhausen eine Gedenkstätte und gilt als Erinnerungsort für die Opfer kommunistischer Gewaltherrschaft in Deutschland, aber bis 1990 konnte man Teile der Bahnhof- und Genslerstraße sowie der Freienwalder und Lichtenauer Straße in keinem Stadtplan von Berlin finden. Die leere Fläche im Ost-Berliner Stadtbezirk Hohenschönhausen wurde nämlich als Industriegebiet gekennzeichnet. Erst nach der Wende stellte sich dieses Gebiet als ein geheimes Sperrgebiet heraus, das zuerst vom sowjetischen Geheimdienst genutzt und später von der DDR-Staatssicherheit übernommen wurde. Das Sperrgebiet war nach Berlin-Karlshorst3 das zweitgrößte ‘Militärstädtchen’ im ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaat. Auf dem zweckentfremdeten Industriegebiet, wo vorher die Fleischmaschinenfabrik Richard Heike untergebracht war, gab es mehrere Hafteinrichtungen und Gefängnisverwaltungen. In Der verbotene Stadtteil 4 werden die folgenden Einrichtungen aufgelistet: - das sowjetische Speziallager Nr. 3; - die Abteilung Speziallager des Volkskommissariats für innere Angelegenheiten (NKWD5 ), später des Ministeriums für innere Angelegenheiten (MWD); - das Hauptuntersuchungsgefängnis und die zentrale Untersuchungsabteilung des sowjetischen Ministeriums für Staatssicherheit (MGB) in Deutschland; - ein Haft- beziehungsweise Zwangsarbeitslager der Berliner Operativen Abteilung, die zunächst dem NKWD und anschließend dem MGB unterstand. Bis 1951 durchliefen schätzungsweise 25.000 bis 26.000 Häftlinge, Männer und Frauen, diese stalinistische Entnazifizierungseinrichtung. Von 1951 bis 1989 waren noch einmal 20.000 bis 22.000 Personen von der Abteilung XIV des ostdeutschen Ministerium für Staatssicherheit (MfS) inhaftiert worden. Die Sowjetära (1945-1951) Der Berliner Stadtteil Hohenschönhausen wurde am 22. April 1945 von der weiß-russischen Stoßarmee eingenommen. Gebäude der Wehrmacht, der Industriebahnhof und umliegendes Firmengelände wurden von der Roten Armee beschlagnahmt. Schon ab 1937 waren große Teile des Areals, das in den zwanziger Jahren offiziell zum Industriegebiet erklärt worden war, an die Rüstungsabteilung der NSDAP verkauft worden. So wurde auf einer 10.000 Quadratmeter großen Fläche, das dem Unternehmer Richard Heike im Oktober 3 Zwischen 1945 und 1962 war der nördliche Teil von Karlshorst zu großen Teilen sowjetisches Sperrgebiet, das ab 1949 jedoch von deutschen Bewohnern betreten werden konnte. Ab 1963 wurde das besetzte Gebiet verkleinert und die Sperrmauer zurückgezogen. Die frühere Wehrmachtsschule diente dem Oberkommando der Sowjetischen Streitkräfte in der DDR bis zum späteren vollständigen Truppenabzug als Hauptstandort. 1991 wurde hier das Deutsch-Russische Museum Berlin-Karlshorst gegründet, das der Kapitulation und der Entwicklung der deutsch-sowjetischen bzw. deutsch-russischen Beziehungen seit 1945 gewidmet ist. (http://de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Karlshorst, gesehen am 27. Juli 2009) 4 Erbler & Knabe, Der verbotene Stadtteil, 2008, S. 4. 5 NKWD= Narodny komissariat wnutrennych del (Volkskomissariat für innere Angelegenheiten der UdSSR).
  • 5. 5 1938 abgekauft worden war, eine moderne Großküche für das Winterhilfswerk eingerichtet. Diese sollte sich zum Kern des späteren Sperrgebiets entwickeln. In den Tagen zwischen dem Zusammenbruch Deutschlands und dem Einmarsch der russischen Besatzung wurde das als Lebensmittellager eingerichtete Gelände teilweise von schweren Bombeneinschlägen getroffen und zudem von der Bevölkerung geplündert. Rachejustiz und Verhaftungen folgten. Mitte Mai 1945 sollte das Speziallager Nr. 3 etabliert werden. Daraufhin wurden die Großküche und die zwei nationalsozialistischen Zwangsarbeiterlager besetzt. Die Eisenbahnanbindung zum Hohenschönhauser Industriebahnhof, die relativ isolierte Lage am Berliner Stadtrand und die vorhandenen Baulichkeiten erwiesen sich als günstig für die zu errichtenden militärischen Lager. Nach dem Umbau und den Reparaturarbeiten konnten Ende Juni 1945 die ersten Häftlinge im Speziallager Nr. 3 untergebracht werden. Weitere Erweiterungen folgten, u.a. Flächen für Tiere, die zur Versorgung der Truppen dienten und auch ein Friedhof für die verstorbenen Gefangenen. Die Büros und das Archiv der Verwaltungsabteilung, die für sämtliche sowjetische Internierungslager in Deutschland zuständig waren, wurden in dem ehemaligen Firmengebäude der Firma Neuendorf untergebracht. Auch wurden Einwohner des Gebietes umgesiedelt, um Platz zu machen für ein Haftarbeitslager (HAL). Ein Teil der Inhaftierten des Speziallagers Nr. 3 wurde hierhin verlegt. Zu dieser Zeit war das Sperrgebiet mit Maschen- und Stacheldraht abgeschirmt und wurde von Militärposten bewacht. Das ehemalige Gittertor war jetzt mit Brettern vernagelt, um den Kontakt mit der Außenwelt unmöglich zu machen. Den größtenteils fensterlosen Zellentrakt im Keller, das berüchtigte ‘U-Boot’,6 wurde im Frühjahr 1947 zum ersten Mal belegt. Die sechzig Zellen waren ausgestattet mit einer Holzpritsche, einem Kübel und einer Glühbirne, die nie abgeschaltet wurde. Erst zwei Jahre nach der Einweihung wurden eine Belüftung und eine Heizung eingebaut. Neben Feuchtkälte plagten auch die schlechten hygienischen Bedingungen die Inhaftierten. Erst seit 1951 wurden Mittel für die tägliche Körperpflege sowie Toilettenpapier oder eine Zahnbürste gestattet. Die meisten Inhaftierten gehörten zu den politischen Widerstandsparteien (SPD, LDPD, CDU), aber auch NS-Verdächtige und nicht linientreue Kommunisten waren unter ihnen. Der Sowjetische Staatssicherheitsdienst führte ihre Verhöre, begleitet von Drohungen und Folterpraktiken, meistens nachts durch. Stundenlanges Stehen, Schlafentzug und die Benutzung einer Wasserzelle gehörten zu den Mitteln der Sowjets.7 6 Weil die Gefangenen sich in den Verliesen wie in einem abgetauchten Unterseeboot fühlten, erhielt der Trakt diesen Namen. 7 „Der frühere Häftling Karl-Heinz Reuter berichtet zudem, dass er im Mai 1947 mit einem Mithäftling in vier Zellen spezielle Foltervorrichtungen einbauen musste: Beugegerüste mit Fesselvorrichtungen für Hände und Füße, Knieholzpritschen und Tropfanlagen mit Wasser. Außer seinen Angaben und Skizzen liegen über die Existenz und Verwendung der Konstruktionen keine weiteren Hinweise vor. 1993 ließ die Senatsverwaltung für Kultur, Wissenschaft und Forschung im ehemaligen ‘U-Boot‘ drei Zellen mit den von Reuter beschriebenen Folterinstrumenten rekonstruieren.’’ (Erbler & Knabe, Der verbotene Stadtteil, 2008, S. 58.)
  • 6. 6 Nach dem ‘U-Boot’ folgten weitere Gebäude sowie eine Untersuchungshaftanstalt, Personalwohnräume und Parkplätze. Zwischen 1947-1948 war das Gebiet auf 108.000 Quadratmeter angewachsen. Am 7. Oktober 1949 wurde die DDR gegründet und eine neue Ära stand Hohenschönhausen bevor. Kur zuvor wurde das HAL aufgelöst und bis zur Übernahme, Anfang 1951, wurde der Verwaltungsapparat der Sowjets Schritt für Schritt abgebaut. Am 1. März 1951 wurde das Sperrgebiet Hohenschönhausen offiziell der DDR-regierung übertragen. Ein wenig später stellte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) das Gebiet dem Staatssicherheitsdienst8 (MfS) zu Verfügung. Die SED-Diktatur (1951-1990) Mitte 1951 wurde das Sperrgebiet vom DDR-Staatsicherheitsdienst (auch Stasi genannt) übernommen. In den leeren Büros wurde die Leitung und ein Großteil der Mitarbeiter der Mfs- Abteilungen XIV und IX untergebracht. Zu der Zeit befand sich das Mfs noch im Aufbau und eine nicht bekannte Zahl an sowjetischen Geheimdienstmittarbeitern blieb auf dem Gelände tätig und kontrollierte die Ermittlungsarbeit des MfS. Die wichtigsten Fälle wurden sogar komplett vom MGB übernommen. Neben der Durchführung von Verhören konnten die Sowjets, wenn gewünscht, auch Häftlinge nach Berlin-Karlshorst9 überführen, wonach sie in die UdSSR gebracht wurden. Diese Gefangenentransporte gab es bis 1952 und wurden, getarnt als blaue Postwaggons, durchgeführt. Das nicht alle Einheiten der Stasi gleichzeitig in das Sperrgebiet einzogen, kann auch an dem schlechten Zustand der Bauten gelegen haben. Die meisten Wohnhäuser standen monatelang leer und waren zuvor von abziehenden Sowjet-Einheiten geplündert worden. Ein Großteil der Nutzbauten war somit unbrauchbar geworden und musste erst einmal renoviert werden. Strafgefangene aus Zuchthäusern der DDR wurden hierfür eingesetzt und in einem Haftarbeitslager (Lager X) untergebracht. Nach den Reparaturarbeiten zog die schnell expandierende Hauptabteilung Personenschutz (PS), auch als das ‘Hirn’ des MfS bezeichnet, die Abteilung XII (Auskunft/Erfassung/Statistik) inklusive der zentralen Personenkartei und Archiv in den Neu- und Umbau ein. Zwischen 1951 und 1959 wurden viele Unterlagen aus der NS-Zeit von der UdSSR in die DDR zurückgeführt. Für das anwachsende Aktenmaterial musste immer wieder eine neue Unterkunft 8 Das MfS galt als ‘Schild und Schwert’ der SED und war das zentrale Instrument der Repression für die DDR- Regierung. Zu seinen Aufgaben gehörte die Durchdringung der DDR-Gesellschaft durch ‘Politisch-Operatives Zusammenwirken’. Die Mitarbeiter des MfS sollten möglichst in jede Institution und Organisation infiltriert werden. Daher erhielt die Stasi im Volksmund den Namen ‘Firma Horch & Guck’. Die Details über das Wirken der Stasi in der DDR wurden aber erst beim Öffnen der Archive (Stasi-Akten) 1990 bekannt. 9 Siehe Fußnote 4.
  • 7. 7 gefunden werden. Anfang der sechziger Jahre wurden die Akten in der ehemaligen Heike Fabrik untergebracht. Nach dem Volksaufstand vom 17. Juni 1953 standen weitere Ausbaumaßnahmen bevor. Innerhalb weniger Tage hatte die DDR 13.000 Menschen verhaftet und das ‘U-Boot’ und andere Untersuchungsgefängnisse reichten bei weitem nicht mehr aus. So wurde 1955 mit den Vorbereitungen für den Neubau eines Untersuchungsgefängnisses begonnen. Ab 1959 wurde mit dem Bau begonnen, dessen Plan sich auch während der Arbeiten immer wieder ändern sollte. 250 Häftlinge des Lagers X waren für den Bau zuständig und 1961 konnte der dreigeschossige Neubau das ‘U-Boot’ als Untersuchungsgefängnis ersetzen. Im Nord- und Ostflügel befanden sich über hundert Ein- bis Vier-Personenzellen. Der Vernehmertrakt, durch Gitterschleusen mit dem Zellentrakt verbunden, befand sich im Südflügel. Die neuen Zellen waren besser ausgestattet als das ‘U-Boot’ und hatten eine Holzpritsche (200x85 Zentimeter) mit Matratze und Decke, einen Tisch und Hocker (beide festgeschraubt am Fußboden), eine Toilette ohne Sitz und Deckel sowie ein kleines Fenster aus Glasbausteinen mit Lüftungsluke. Foltermethoden und körperliche Gewalt, wie sie noch im ‘U-Boot’ vom MfS praktiziert worden, wurden nach dem Tod Stalins auf Befehl des damaligen Innenministers Lawrentij Berija eingestellt. Die neuen Methoden richteten sich auf die ‘Zersetzung der Seele’: „Durch strenge Einzelhaft, nächtliche Verhöre, systematische Einschüchterung und die Androhung schwerster Strafen wurden die Häftlinge massiv unter Druck gesetzt, die belastenden Vernehmungsprotokolle des Staatssicherheitsdienstes zu unterzeichnen. Auf dieser Grundlage wurden sie anschließend vor Gericht gestellt und verurteilt.’’10 Die meisten Inhaftierten des größten Untersuchungsgefängnisses der DDR wurden als ‘feindliche oder staatszersetzende Elemente’ eingestuft. Im Klartext waren dies Regimekritiker, politische Gegner, Republikflüchtlinge und Reformkommunisten wie Walter Janka (Leiter des Aufbau- Verlags) sowie der Chefredakteur der Deutschen Zeitschrift für Philosophie Wolfgang Harrich und in Ungenade gefallene Politiker, wie der ehemalige DDR-Außenminister Georg Dertinger (CDU) oder der liberale Handelsminister Karl Hamann. Sie alle wurden hier monatelang, oft in Einzelhaft, interniert. In den 1950er Jahren wurden aber auch SED-Kritiker aus dem Westen entführt (wie der Journalist Karl Wilhelm Fricke, der 1955 von einem geheimen Mitarbeiter des MfS in West-Berlin mit sogenannten K.-o.-Tropfen betäubt und anschließend nach Hohenschönhausen gebracht wurde11 ). Die Erweiterungen des Sperrgebiets in Ost-West-Richtung reichten schon bald nicht mehr aus und weitere 4600 Quadratmeter an Produktions- und Lagerfläche wurden bis in die sechziger Jahren erschlossen. Das ganze Projekt kostete rund achtzig Millionen DDR-Mark. Unter der Verwaltung des MfS wurde das Sperrgebiet nicht nur erweitert, sondern wurden auch die Sicherheitsmaßnahmen Schritt für Schritt perfektioniert. Die relativ primitiven 10 P. Erler & H. Knabe, Der verbotene Stadtteil, 2008, S. 59. 11 H. Knabe, Gefangen in Hohenschönhausen, 2008, S. 12.
  • 8. 8 Schutzmaßnahmen der Anfangsjahre wurden nach dem Volksaufstand verschärft. Hölzerne Zaunwände und Postentürme wurden ersetzt durch Anlagen aus Ziegel und Beton. Und die elektrische Sicherungstechnik wurde ergänzt durch Beobachtungskameras. Auch wurde die Sichtabschirmung immer mehr verschärft. Diese Sichtabschirmung bestand aus einem dichten Netz von Wohn- und Dienstgebäuden in der Umgebung. Zudem gab es auch eine Spionageabwehr (Hauptabteilung II), die sich mit der Außensicherung des Sperrgebietes befasste. Dieser Spionage-Apparat bestand aus 21 Personen, der vor allem Handwerker von außerhalb des Lagers überwachte, die für Reparaturarbeiten ins Sperrgebiet gekommen waren. Personen mit ‘Westkontakt’12 gerieten dabei besonders ins Visier der Agenten. Nebenbei wurde die Gegend mit Foto-Apparaten überwacht. Bei Neubauten im Umfeld des Sperrgebiets prüften diese Spionageabwehrspezialisten, ob das Sperrgebiet außer Sicht blieb für ‘normal Bürger’. Nur gegen die Alliierten mit ihren Sondervollmachten konnte die DDR nichts machen. Mitarbeiter des britischen, französischen und US-Militärs konnten „mit ihren Fahrzeugen bis unmittelbar an das Sperrgebiet heranfahren und von dort aus Beobachtungen vornehmen und Fotos machen. Sie wurden dabei jedoch ihrerseits vom MfS überwacht, […] um die westlichen Beobachter abzuschrecken.’’13 Weitere Sicherheitsmaßnahmen waren seit den siebziger Jahren geplant, konnten aber nicht mehr umgesetzt werden, weil das System in sich zusammenstürzte. Wandlung zur Gedenkstätte (1990-1995) Am 18. Oktober 1989 wurden alle Häftlinge, die wegen politischer Delikte wie Republikflucht oder staatsfeindliche Hetze verhaftet oder verurteilt worden waren, durch die neue DDR- Regierung unter Hans Modrow amnestiert. Die Entlassungen fanden statt von November bis Dezember. Teile des Staatsicherheitsdiensts wurden nun an das Ministerium des Innern übertragen. In Hohenschönhausen betraf dies die Nachrichtenabteilung, das Haftkrankenhaus14 , aber auch die zentrale Untersuchungshaftanstalt. Eine Folge dieser Maßnahme war, dass die U-Haftanstalt mit neuen Häftlingen belegt wurde. Vormalige Parteifunktionäre der DDR, die verhaftet worden waren, wurden jetzt in das frühere Sperrgebiet überführt. Unter ihnen waren der Gewerkschaftschef Harry Tisch, der CDU-Vorsitzende Gerald Gölting, der oberste Wirtschafslenker Günter Mittag und der Stasi-Chef Erich Mielke.15 Die Haftbedingungen wurden allerdings angepasst. Statt Holzpritschen wurden Metallbetten in den Zellen platziert und einzelne Zellen 12 Als »Westkontakt« galt zum Beispiel Korrespondenz mit Bundesbürgern, aber auch derjenige, der von dort Besuch erhielt oder engen Kontakt hatte mit jemandem, der nach West-Deutschland reisen konnte, war verdächtig. 13 P. Erler & H. Knabe, Der verbotene Stadtteil, 2008, S. 42. 14 ZMD (Zentraler Medizinischer Dienst). 15 1957 wurde Erich Mielke zum Minister für Staatssicherheit ernannt und war nach Walter Ulbricht und Erich Honecker die Person, die die Verhältnisse in der DDR am stärksten prägte. In 1989 leitete Mielke ein Heer von 91 00 hauptamtlichen Mitarbeitern, dazu gab es eine Schattenarmee mit 189 000 Inoffiziellen Mitarbeitern (IM). Zum Vergleich: Die dreimal so bevölkerungsstarke Bundesrepublik hatte zum gleichen Zeitpunkt etwa 15 000 Geheimdienstmitarbeiter. (U. Müller & G. Hartmann, Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur, 2009, S. 39.)
  • 9. 9 bekamen sogar Fenster. Auch Besucherzimmer wurden eingerichtet und die kleinen Zellen der Freiganganlage wurden weggerissen, sodass eine große Freifläche entstand. Teilweise wurden Gebäude anderen Institutionen überlassen. So wurden zum Beispiel die Entwicklungs- und Produktionsstätten des IST (Operativ – Technische Sektor) and das Ministerium für Wissenschaft und Technik und die MfS-Wohnblocks teilweise an die kommunale Wohnungsverwaltung gegeben. Mitte März 1990 wurden die Sperranlagen abgerissen und war das Gebiet erstmals wieder frei zugänglich. Am 1. Oktober 1990, um 13.00 Uhr, wurde das größte Stasi-Gefängnis der DDR dem wiedervereinten Deutschland übergegeben und Erich Mielke, der vermutlich letzte Insasse, wurde am 4. Oktober in die Justizvollzugsanstalt Moabit verlegt – wegen ‘schlechter Haftbedingungen in Hohenschönhausen’.16 Ende Oktober wurde das Gefängnis definitiv geschlossen und diente vorübergehend als Archiv für die Zentralkartei, die etwa 700.000 Karten über die Insassen zwischen 1950 und 1990 umfasste. Andere Gebäude sowie Wachtürme oder Wachhäuschen wurden größtenteils abgerissen. 1992 wurde die ehemalige zentrale Untersuchungshaftanstalt der Stasi unter Denkmalschutz gestellt und ist seit 1995 offiziell eine Gedenkstätte. Seit 2000 gibt es zudem eine eigene Stiftung für die Gedenkstätte, die von dem den Historiker Hubertus Knabe geleitet wird. 16 http://www.welt.de/print-welt/article231300/Gedenkstaette_Hohenschoenhausen.html, gesehen am 12. August 2009.
  • 10. 10 3. Erinnern und Gedenken in Deutschland In seinem Beitrag zum Band Verbrechen erinnern sagt Ivan Ivanji: „Ich glaube, es ist von enormer Bedeutung, was die Öffentlichkeit […] heute über die Ereignisse von gestern nicht nur erfährt, sondern sich auch merkt, denn nur dadurch kann man eine der Wahrheit möglichst nahe Erinnerung erhalten.’’17 Aber auch im Entwurf der Gedenkstättenkonzeption Verantwortung wahrnehmen, Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen 18 vom 4. Juli 2007 kann man die gleichen Ansätze wiedererkennen. Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien fördert Gedenkstätten und zukünftig auch Erinnerungsorte zur nationalsozialistischen Terrorherrschaft und zur SED-Diktatur. Als Gedenkstätte gilt ein historischer Ort, der sich sowohl durch Authentizität als auch durch einen konkreten Bezug zu den Opfern bzw. zu den Verfolgungsmaßnahmen der NS-Terrorherrschaft oder der SED-Diktatur auszeichnet. Erinnerungsorte, die an authentischen Stätten eine Auseinandersetzung mit den totalitären Systemen in Deutschland leisten, können in die Förderung einbezogen werden. Als Kriterien werden genannt: - der nationale oder internationale Stellenwert des Ortes, - die Exemplarität für einen Aspekt der Verfolgungsgeschichte der NS-Terrorherrschaft oder der SED-Diktatur, - die Authentizität des Ortes, - die Qualität des Projektkonzepts, - die Kooperation von Einrichtungen. Politik und Bevölkerung scheinen sich weitgehend einig zu sein über die Notwendigkeit des Gedenkens. Aber warum ist das Gedenken in Deutschland so wichtig? In einem Gutachten über die Zukunft von Haus 1 der Normannenstraße aus dem September 2001 wird die Antwort auf diese Frage folgendermaßen auf den Punkt gebracht: „Vergangenheit verschwindet nicht aus der Wirklichkeit. Sie bleibt Bestandteil der Gegenwart, beeinflusst das aktuelle Denken ebenso wie das in die Zukunft gerichtete Handeln.’’19 Die dramatische Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert, die zwei unterschiedliche Diktaturen ebenso wie zwei unterschiedliche Demokratien gekannt hat, kann und darf man nicht so ohne weiteres vergessen. Denn diese grauenhafte Geschichte hat aus Deutschland gemacht, was es heutzutage ist: Ein Land, das versucht, sein neu gefundenes Selbstbewusstsein zu äußern, indem es sich von seiner humanitären Seite zeigt. Ein Land, wo Menschenwürde, Freiheit und demokratische Prinzipien zur Selbstverständlichkeit geworden sind. Die Aufarbeitung der Vergangenheit soll beitragen zur Stärkung der Demokratie. Oder wie es im Schlusswort von Verantwortung wahrnehmen, Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen 20 heißt: „Darauf beruht unsere gemeinsame Verantwortung, das Gedenken an unsägliches menschliches Leid der Opfer wach zu halten. Geschichte muss konsequent aufgearbeitet werden. Jeder Generation müssen die Lehren aus diesen Kapiteln unserer Geschichte immer wieder neu 17 Ivanji, Die Macht der Erinnerung, die Ohnmacht der Worte in Verbrechen erinnern, 2002, S. 12. 18 Ausschussdrucksache 16(22)127 vom 04.07.2007, S. 3f. 19 H. Neubert, W. Schuller, K. Schroeder & U. Thaysen, Zukunft von Haus 1 der Normannenstraße, 2001, S. 5. 20 Ausschussdrucksache 16(22)127 vom 04.07.2007, S. 15.
  • 11. 11 vermittelt werden.” Um ein Bild der Probleme des Erinnerns im vereinten Deutschland zu bekommen, ist es wichtig die Geschichte der Erinnerungskultur in der BRD und DDR etwas näher zu betrachten. Erinnerungskultur in der BRD Nach dem Zweiten Weltkrieg knüpfte die Bundesrepublik bei der Erarbeitung des Grundgesetzes an die Verfassung der Weimarer Republik an und man bemühte sich, die Fehler von damals zu vermeiden. Die Anfangsjahre der BRD standen im Zeichen der Schuld-Debatte und der Erinnerungsprozess pendelte zwischen Verleugnen und Vergegenwärtigen hin und her. Letztlich siegte der Pragmatismus. Wiederaufbau, Wirtschaftswunder und demokratische Stabilität standen im Mittelpunkt. Im Dossier ‘Geschichte und Erinnerung’ der Bundeszentrale für politische Bildung äußert sich Edgar Wolfrum folgendermaßen: „Vom Holocaust war bis zum Ende der 1959er Jahre kaum die Rede. In der Öffentlichkeit wurde das ‘Dritte Reich’ weitgehend totgeschwiegen. Nur Minderheiten, meist Opfergruppen, wagten die Schuld verdrängende Verharmlosung, die Vergangenheitsabwehr und die Schuldabwälzung zu stören.’’21 Diese ‘Opfergruppen’ gründeten und betrieben die ersten Gedenkstätten der Bundesrepublik. Wegen fehlender wissenschaftlicher Aufsicht22 und öffentlicher Unterstützung war der Umgang mit der Vergangenheit oft einseitig. Ende der fünfziger Jahre wurde öffentlich kaum ein Unterschied zwischen NS-Diktatur und SED-Diktatur gemacht. Daher sahen viele Westdeutsche nach dem Mauerbau 1961 die DDR als ein KZ an. Moralisch vorbildlich zeigte die BRD sich vor allem außenpolitisch. Israel erhielt Entschädigungszahlungen als Zeichen der Wiedergutmachung, die international nicht interessanten osteuropäischen Opfer gingen aber leer aus. Das Erinnerungsklima wandelte sich, als mehrere antisemitische Skandale die Republik erschütterten. In der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1959 wurde die Kölner Synagoge geschändet, was zu einer Welle rassistischer Aktionen (auch im Ausland) führte: Bis zum 28. Januar 1960 wurden allein in der Bundesrepublik 470 antisemitische bzw. neonazistische Vorkommnisse gezählt.23 ‘Volksverhetzung’ wurde zur Straftat, die Gedenkstätten sollten mit öffentlichen Geldern unterstützt werden und eine ‘Zentrale Stelle zur Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen’ wurde eingerichtet. Der Umgang mit der Nazi-Vergangenheit wurde 1965 erneut unter die Lupe genommen nach einer Debatte über das Verjähren von Mord24 , denn durfte der NS-Völkermord nach 20 Jahren verjähren? Als 1969 Willy Brandt (SPD) erklärte, er sehe sich als ‘Kanzler eines befreiten Deutschland’, politisierte und polarisierte sich die Erinnerung an den Nationalsozialismus und 21 E. Wolfrum, Geschichte der Erinnerungskultur in der DDR und BRD, 2008. (http://www.bpb.de/themen/DXG8F0.html, gesehen am 25. Juli 2009). 22 Erst 1952 wurde in München das Institut für Zeitgeschichte gegründet, das intensiv die NS-Geschichte erforschte, während das an den Universitäten noch kaum geschah und in der Öffentlichkeit darüber meist geschwiegen wurde. (C.Kleßmann, Die Akten schließen?, 2008). 23 U. Herbert, Der Umgang mit dem „Holocaust“ in der Bundesrepublik Deutschland, 2001, S. 3. 24 Die Verjährungsfrist für Mord wurde mehrmals verlängert und erst 1979 ganz abgeschafft.
  • 12. 12 den Zweiten Weltkrieg weiter. Auf der einer Seite gab es die Linksliberalen, die für eine intensive Vergangenheitsbewältigung plädierten, während auf der anderen Seite die CDU/CSU-Opposition vor einer ‘Dauerbüßeraufgabe’ warnte, denn ein traumatisiertes Deutschland könne nie ein Selbstwertgefühl aufbauen. Als 1979 die amerikanische TV-Serie Holocaust im Fernsehen lief und ein weitgehendes Medieninteresse generierte, entstand in der Bundesrepublik eine breite Gedenkstättenkultur, wie man sie heute noch kennt. In den 1980er Jahren wurde der Holocaust immer mehr zum Gegenstand öffentlicher Debatten und viele Publikationen wurden daher ins Deutsche übersetzt, etwa Raul Hilbergs Die Vernichtung der europäischen Juden. Obwohl damals viel über den Genozid gesprochen wurde, hieß das noch nicht, dass die Kenntnisse im Allgemeinen zunahmen. Das meint jedenfalls Ulrich Herbert in Der Umgang mit dem „Holocaust” in der Bundesrepublik Deutschland . Weiter meint er: „Im Vergleich zu anderen Ländern, den USA, Israel und Polen vor allem, war der deutsche Beitrag zur empirischen Erforschung der Judenverfolgung und -vernichtung in Europa insgesamt gering.”25 Erinnern zu DDR-Zeiten Ebenso wie die BRD knüpfte auch die DDR bei der Aufarbeitung der Geschichte an die Weimarer Republik an. Nicht aber an deren Ende, sondern an den Beginn. Die nach sowjetischem Muster gestaltete Republik wollte die misslungene Revolution der Jahre 1918-1919 weiterführen, indem sie die bürgerliche Elite entmachtete, die Großbauern enteignete, die Produktionsmittel sozialisierte und die Arbeiter und Bauern die Herrschaft übernahmen. In Geschichte der Erinnerungskultur in der DDR und BRD beschreibt Edgar Wolfrum diese Anfangszeit folgendermaßen: „Im Osten triumphierte die These von ‘Irrweg einer Nation’ – mit der Pointe, dass nun, in der entstehenden DDR, dieser Irrweg endgültig verlassen worden sei: Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt.’’26 Die DDR empfand sich nicht als Tätervolk, sondern als ‘antifaschistisch’. In der Frankfurter Rundschau vom 22.1.1998 spricht der Historiker Jürgen Kocka davon, dass die NS-Diktatur für die Ostdeutschen „anscheinend eine weniger zentrale, weniger prägende Rolle’’27 gespielt hat als für die Westdeutschen. Die DDR deutete den Faschismus vor allem als ‘eine extreme Form von Kapitalismus’ und somit konnten sich die Bürger als ‘losgelöst’ von der belastenden Vergangenheit betrachten. „Hitler, so könnte man meinen, sei ein Westdeutscher gewesen.’’28 Jegliche Kontroverse war daher ausgeschlossen und so konnte die Entwicklung der Gedenkstättenkultur im Sinne der SED-Ideologie stattfinden. 25 U. Herbert, Der Umgang mit dem „Holocaust“ in der Bundesrepublik Deutschland, 2001, S. 8. 26 E. Wolfrum, Geschichte der Erinnerungskultur in der DDR und BRD, 2008. (http://www.bpb.de/themen/DXG8F0.html, gesehen am 25. Juli 2009). 27 Zitat übernommen aus: A. Leo, Keine gemeinsame Erinnerung, 2003. (http://www.bpb.de/themen/JH31QR.html, gesehen am 25.7.2009). 28 E. Wolfrum, Geschichte der Erinnerungskultur in der DDR und BRD, 2008.
  • 13. 13 Die Erinnerungskultur der DDR war eine, die aus ‘selektierten’ Erinnerungen bestand und die durch den Kalten Krieg immer mehr eine symbolische Bedeutung bekam. So wurde zum Beispiel bei der Jugendweihe oder Vereidigung der Nationalen Volksarmee der Helden des kommunistischen Widerstands gegen die NS-Herrschaft gedacht. In ihrer Diplomarbeit schreibt Franziska Schumann über die ‘eigene Sprache’ der kommunistischen Gedenkstätten: „[…] übergroß und überformt wollte man ein Zeichen setzen, ein totalitäres System erschlagen zu haben. Die authentischen Bauten mussten weichen, um Symbolen und Ritualen einer neuen Diktatur Platz zu schaffen. […] In Ausstellungen, Filmen und Dokumentationen ging es vorwiegend um die Genauigkeit der Lehre, nicht die der eigenen Geschichte.’’29 Der Antisemitismus der Nazis (der Völkermord oder Genozid) wurde von der DDR verschwiegen. Der Holocaust passte nicht in die Geschichte von der Revolution des Arbeiter- und Bauernstaats und zum ‘Sieg der Kommunisten’. Dies erklärt auch die Probleme, die bei der Auflösung der DDR und mit dem Aufkommen von Neo-Nazis im Osten entstanden. Erinnern im vereinten Deutschland (Probleme mit der doppelten Vergangenheit) Die Vereinigung Deutschlands (1990) erforderte einen intensivierten Umgang mit der eigenen Geschichte. Die Erinnerungskultur, die sich bis dahin ausschließlich mit den NS-Verbrechen auseinandergesetzt hatte, wurde um zwei Themen erweitert: den Umgang mit der SED-Diktatur und die Geschichte der sowjetischen Speziallager in Deutschland (eine historische ‘Lücke’, die bislang unbearbeitet geblieben war). Zunächst zum Thema der Weiterführung der Konzentrationslager im Ostteil Deutschland, zu denen Sachsenhausen, Ravensbrück30 (beide nördlich von Berlin) und Buchenwald (in der Nähe von Weimar) gehören. Schon zu DDR-Zeiten waren die KZ-Lager wichtige Erinnerungsorte. Nur wurde hier nicht an dem Holocaust erinnert, sondern diese Orte dienten als Symbol des antifaschistischen Widerstands. Besonders Buchenwald hatte einen hohen Stellenwert in Sachen Erinnerungskultur, weil dort 1944 der Vorsitzende der kommunistischen Partei, Ernst Thälmann, ermordet worden war.31 29 F. Schumann, Typologien des Gedenkens in Deutschland nach der Wiedervereinigung, 2004, S. 28f. 30 Ravensbrück wurde 1939 von der SS errichtet und war das größte Frauenkonzentrationslager auf deutschem Gebiet. Im Zeitraum von Ende Januar bis April 1945 ließ hier die SS ca. 5.000 bis 6.000 Häftlinge vergasen. Kurz vor Ende des Krieges evakuierten das Internationale, das Schwedische und Dänische Rote Kreuz ca. 7.500 Häftlinge nach Schweden, in die Schweiz und nach Frankreich. Aufgrund eines Räumungsbefehls Himmlers ließ der Lagerkommandant die noch im Lager verbliebenen über 20.000 Häftlinge in mehreren Marschkolonnen zu Fuß in Richtung Nordwesten treiben. Am 30. April 1945 befreite die Rote Armee das Konzentrationslager Ravensbrück mit den ca. 2.000 dort zurückgelassenen Kranken (http://www.ravensbrueck.de/mgr/neu/index.htm, gesehen am 8. August 2009). 31 Empfehlenswert zum Thema KZ-Gedenstättenarbeit ist der Beitrag Tatort - Leidensort - Friedhof - Gedenkstätte – Museum. Notizen für eine Gedenkstättenarbeit der Zukunft von Volkhard Knigge (Direktor der Stiftung Gedenkstätte Buchenwald) in Erinnern in Gedenkstätten - Beiträge zum Thema anläßlich der Tagung der ZeitzeugInnen 1997 Erinnern in Gedenkstätten, Bundesministerium für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Abteilung Politische Bildung 1998.
  • 14. 14 Für die Kommunisten war Authentizität nicht unbedingt erstrebenswert. Wichtig war, dass die kommunistische Ideologie effektvoll weitergetragen wurde. Ein aufwendiges, neu erschaffenes Skulpturen-Programm32 sollte dazu beitragen. Nach der Wiedervereinigung wurde diese eindeutige Ausrichtung der Gedenkstätteninszenierung der DDR zum Problem. Man wollte die Gedenkstätten am liebsten gleich nach westdeutschem Maßstab umformen. Die verschiedenen lagerinternen Gruppen wehrten sich aber gegen den angeordneten Paradigmenwechsel und wollten die Orte als Symbol des antifaschistischen Widerstands erhalten. Sorgfältige Differenzierung zwischen den ‘authentischen’ Orte einerseits und der ideologisch aufgeladenen Gedenkinszenierung andererseits wurde somit zum Thema der Gedenkstätten-Debatten Anfang der neunziger Jahre. Neben der Umgestaltung von NS-Gedenkorten aus der DDR-Zeit kam die Auseinandersetzung mit dem Gedenken an die Opfer des Stalinismus hinzu. Dabei gab es zwei Gruppen zu unterscheiden: einerseits die Inhaftierten der Speziallager zu Zeiten der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und andererseits die Opfer des SED-Regimes. Zuerst die Probleme mit den Speziallagern. Nach dem Krieg wurden viele Orte, die vom ‘Dritten Reich’ als Gefängnisse oder Lager genutzt wurden, von der sowjetischen Besatzungsmacht übernommen und zur Internierung von Deutschen benutzt. Neben dem Speziallager Nr. 3 in Hohenschönhausen gab es zum Beispiel das Speziallager Nr. 1 in Mühlberg in einem ehemaligen Kriegsgefangenenlager, das Speziallager Nr. 6 in Jamlitz, früher ein Außenlager des KZ Sachsenhausen, das Speziallager Nr. 8 (später umgeändert in Nr. 10) wurde im ‘Fort Zinna’ untergebracht, das früher das zentrale Gefängnis der Wehrmachtjustiz war. In Halle, Dresden und Bautzen wurden ehemalige NS-Gefängnisse zu Haftorten des NKWD. Nach 1989 wurde zum ersten Mal das Schicksal vieler Inhaftierter bekannt, die als ‘verschwunden’ galten. Auskünfte erhielten die Angehörigen zuvor nur lediglich von entlassenen Mitgefangenen oder vom Roten Kreuz. Es wurde ein Anfang gemacht mit der Kennzeichnung der Gräberfelder, was sich in Buchenwald und Sachsenhausen als äußerst schwierig erwies, da sie außerhalb der Lager angelegt worden waren. Als man dann begann Gedenktafeln und andere Symbole der Erinnerung anzubringen, entbrannte eine heftige Diskussion. Die KZ-Überlebenden der NS-Zeit fürchteten sich vor einem ‘Schlussstrich’ bei der Aufarbeitung ihrer Geschichte. Sie hatten Angst, dass sich jetzt alle politischen und historischen Energien auf die kommunistische Nachkriegszeit richten würden. „Diese Sorge erwies sich zwar als unbegründet. Aber inwiefern konnte man 1990 aus den Fehlern der Zeit nach 1945 lernen?’’, fragt sich Christoph Kleßmann in Die Akten schließen? -Der schwierige Umgang mit der Vergangenheit – zwei Diktaturen in Deutschland.33 32 Eine Reihe prominenter DDR-Bildhauer wie Fritz Cremer (Darstellung einer Häftlingsgruppe in Buchenwald), Waldemar Grzimek (Skulpturengruppe in der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen, Denkmal im KZ Mauthausen und das Mahnmal im KZ Ravensbrück) und René Graetz (Skulptur Befreiung in KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen) hatten Inszenierungen der heroischen Taten des Widerstands angefertigt, um das antifaschistische Programm der SED zu unterstreichen. 33 C. Kleßmann, Die Akten schließen?, 2008. (http://www.bpb.de/themen/GM08LK.html, gesehen am 25. Juli 2009).
  • 15. 15 Historische Differenzierung zwischen dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus und denen des Stalinismus wurde zum zentralen Thema bei der Aufarbeitung der deutschen Geschichte im Fall von Gedenkorten mit ‘doppelter Vergangenheit’. Dass dies eine besondere Herausforderung ist, wird deutlich, wenn man sich den Verlauf der Diskussionen in der Enquête- Kommissionen und in der Experten-Kommission und die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes zur Förderung von Gedenkstätten anschaut. Dies wird im nächsten Kapitel erörtert. Zuvor erst noch einige Hintergründe zum Umgang mit der DDR-Geschichte im vereinten Deutschland. Als in Januar 1990 Bürgerrechtsgruppen das Ministerium für Staatssicherheit erstürmten, eröffnete dies einen Einblick in das enorm umfangreiche Archivmaterial der SED-Regierung. Das Ausmaß der Überwachung der ostdeutschen Bevölkerung wurde in den Massenmedien diskutiert. Aber auch für Historiker öffneten sich neue Quellen für ihre Forschung. Das Bild im Westen vom Osten als ‘Stasi-Staat’ wurde zunächst noch weiter in den Vordergrund gerückt. Schon vor dem Fall der Mauer wurde die DDR reduziert auf das Etikett ‘totalitäre Diktatur’ und daraufhin oft mit der NS-Diktatur gleich gestellt. So stellte der Jurist Rudolf Wassermann34 Anfang der neunziger Jahre fest, dass die neuerrichtete Diktatur keine Abkehr, sondern ein Fortsetzung der NS-Diktatur war. Trotz aller Unterschiede bestünden zwischen beiden totalitären Systemen ‘bestürzende Parallelen.’35 Anlass für diese Aussage war der Prozess gegen Erich Honecker im November 1992 vor dem Berliner Landgericht, wo der ehemalige Generalsekretär sich gegen der Todesschüsse an der innerdeutschen Grenze verantworten musste. Leider hatte dieser Prozess nicht die gleiche Auswirkung wie die Nürnberger Prozesse der Nachkriegszeit. Wo Nürnberg Rechtsgeschichte schrieb und die Weiterentwicklung des Völkerrechts beeinflusste, wurde der Prozess gegen Honecker eine ‘Farce’. „Denn er zeigte, dass es den Deutschen nicht gelungen war, das Unrecht einer Diktatur in eigener Verantwortung juristisch angemessen aufzuarbeiten.’’36 Natürlich wehrte man sich gegen dieser Gleichsetzung. „Richtig ist: Erich Honecker war nicht Adolf Hitler und die DDR nicht das Dritte Reich.’’37 Fakt ist aber, dass jeder Dritte der 122.671 inhaftierten Menschen zwischen 1945 und 1950 auf Befehl des Volkskommisariats für Innere Angelegenheiten der UdSSR (NKWD) getötet und in anonymen Massengräbern verscharrt wurde, wobei die SED sich an ihrem Vermögen bereicherte. Zwischen 1950 bis 1989 waren rund 700.000 Menschen in der DDR inhaftiert, wovon 2.500 Häftlinge eines unnatürlichen Todes starben. „Wird ein so scheußliches System, wie das des real existierenden Sozialismus, etwa 34 Wassermann war ein deutscher Jurist und Rechtswissenschaftler (1925-2008). Wegen seiner vielen rechtspolitischen Äußerungen und Impulsen zur Justizreform wurde er einer der bundesweit bekanntesten Oberlandesgerichtspräsidenten. (http://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Wassermann, gesehen am 31. März 2010) 35 R. Wassermann, Ein epochaler Umbruch, 1991, S. 91. 36 U. Müller & G.Hartmann, Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur, 2009, S. 23. 37 U. Müller & G.Hartmann, Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur, 2009, S. 20.
  • 16. 16 weniger scheußlich dadurch, dass es ein noch scheußlicheres gab?’’38 , fragt sich der Schriftsteller Ralph Giordano in der Südthüringer Zeitung vom 8.3. 2007 zu Recht. Mittlerweile, beim Öffnen der Akten, kamen auch differenziertere Positionen ins Rampenlicht. So wurde die Rolle der evangelischen Kirche und die erschreckende Infiltration durch Stasileute deutlicher.39 Man bekam Einsicht in die ökonomische Schieflage mit einer fatalen Überförderung der Wirtschaft und in eine unhaltbar hohe Subventionierung des Lebensunterhalts. Aber die Öffentlichkeit interessierte sich auch immer mehr für den normalen Alltag der DDR-Bürger. Das große Problem besteht darin, dieser fragmentierten Vergangenheit gerecht zu werden. Im Kapitel Verharmlosung des DDR-Regimes wird dieses Problem näher betrachtet. 38 Zitat übernommen aus: U. Müller & G.Hartmann, Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur, 2009, S. 20. 39 F. Augenstein, Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg Berichte zur Gegenwart der Erinnerung Deutschland in Verbrechen erinnern, 2002, S. 230.
  • 17. 17 4. Die Politik diskutiert Die Enquête-Kommissionen und Expertenkommission Um festzustellen, welche Unterschiede es beim Umgang mit den beiden diktatorischen Vergangenheiten gibt und um Streitpunkte zwischen den verschiedenen Verfolgten- und Häftlingsverbänden zu lindern, aber auch um Klarheit zu schaffen, wie ein Umgestaltungsprozess in Sachen Erinnerung am besten konzipiert werden könnte, richtete der Deutsche Bundestag bereits 1991 eine erste Enquête-Kommission ein. Diese Kommission sollte sich intensiv mit den Voraussetzungen, Erscheinungsformen und Folgen der SED-Diktatur befassen. Die Kommission wurde zusammengestellt aus Vertretern der Parteien und Sachverständigen aus Ost und West. Ein großer Streitpunkt innerhalb der Kommission betraf die Frage der Finanzierung. Normalerweise ist die Finanzierung von Gedenkstätten eine Aufgabe der Länder (sie haben die Kulturhoheit), aber am 31. August 1990 wurde eine Übergangslösung vorgeschlagen, die 50%- Reglung, auf deren Basis Bund und Länder zusammen die Finanzierung übernehmen. Anfang 1994 wurden die vorliegenden (finanziellen) Anträge wieder diskutiert und eine öffentliche Anhörung fand statt. An der Diskussion nahmen sowohl Vertreter der Gedenkstätten und Museen als auch Geschichtswissenschaftler teil. Die Umgestaltung der Gedenkstätten und die Erarbeitung von Richtlinien war das Hauptziel. Das Ergebnis war leider defizitär und unzureichend. Nur die 50%-Reglung konnte erhalten werden, allerdings mit Einschränkungen. Sie wurde bis 2003 befristet und (nur) auf die neuen Länder und Berlin begrenzt. In dem Abschlussbericht wies die erste Enquête-Kommission aber noch auf die Notwendigkeit einer staatlichen Regelung hin. Wegen dieses unvollständigen Ergebnisses wurde 1995 eine zweite Enquête-Kommission durch den 13. Deutschen Bundestag eingesetzt zum Themenkomplex ‘Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit’. Diese neue Kommission sollte zudem eine umfassende Gedenkstättenkonzeption erarbeiten. Der Schlussbericht vom Juni 1998 bestand aus Empfehlungen zu „gesamtdeutschen Formen der Erinnerung an die beiden deutschen Diktaturen und an ihre Opfer.’’40 Gedenkstätten wurden jetzt als ‘zentraler Stützpunkt für das Gedenken’ definiert und die ‘grundsätzliche Bedeutung der Gedenkstätten in der demokratischen Erinnerungskultur’ wurde betont. Aber man war sich auch der Wichtigkeit der Differenzierung bewusst. Diese Gedenkstätten sollten nach dieser Konzeption ‘herausgehobene Einrichtungen’ sein, ‘die im öffentlichen Bewusstsein exemplarisch für bestimmte Formen der Verfolgung stehen’. Seit 1999 wurden die Gedenkstätten bei der Umsetzung der Vorschläge durch die Bundesregierung auf Grund dieser Konzeption in drei Gruppen eingeteilt: - Gedenkstätten für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft - Gedenkstätten für sowjetische Soldaten und Kriegsgefangene41 - Gedenkstätten zur Erinnerung an bedeutende deutsche Staatsmänner. 40 F. Schumann, Typologie des Gedenkens in Deutschland nach der Wiedervereinigung, 2004, S. 68. 41 Im deutsch-sowjetischen Nachbarschaftsvertrag vom 9. November 1990 war vertraglich die wechselseitige Pflege und Erhaltung nationaler Gedenkstätten vereinbart worden. (http://de.wikipedia.org/wiki/Gedenkst%C3%A4tten_ von_nationaler_und_internationaler_Bedeutung_in_Deutschland, gesehen am 11. August 2009).
  • 18. 18 Das bedeutete für Hohenschönhausen, dass die Gedenkstätte weiterhin mit 50% vom Bund und 50% vom Land Berlin finanziert wurde und als zentrale nationale Gedenkstätte zum DDR- Unrecht ausgebaut werden sollte. Am 10. Oktober 2001 wurde die Zukunft Hohenschönhausens in einem Antrag um die ‘Stasi-Untersuchungs- haftanstalt als Gedenkstätte zu erhalten und auszubauen’ besprochen. Es galt dabei besonders die Erhöhung der finanziellen Beteiligung des Bundes und das Land Berlin bei den Erhalt und Ausbaus zu regeln. Die jährliche Mittel in Höhe von ca. 2 Mio. DM für Betriebs- und Personalausgaben reichten bei lange nicht aus um den notwendigen Ausbau zu realisieren. Dazu gehörte eine zu errichtende Dauerausstellung (bisher konnte die Gedenkstätte nur im Rahmen von Führungen durch Zeitzeugen besichtigt werden). Für den Umbau und Sanierungen wurden außerdem zusätzliche Gelder gebraucht. Es war sogar die Rede von einer Finanzierungslücke in der Höhe von 39. Mio. DM. „Die gesamte finanzielle Lage der Gedenkstätte macht die Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs zunehmend schwieriger. Bis heute haben weder die im Stiftungsrat vertretene Bundesregierung noch die Landesregierung von Berlin reagiert. Ohne eine spürbare Erhöhung der staatlichen Zuwendungen steht je doch die Umsetzung der Projektkonzeption in Frage, droht den Gebäuden der Verfall, steht das Vorhaben der Aufarbeitung der Geschichte des menschenverachtenden politischen Systems der DDR insgesamt auf dem Spiel.”42 Drucksache 14/7110, Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode (Zusammenfassung) In einem Konzept von Knut Nevermann (Staatssekretär bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Christina Weiss) vom 1.12.2004 wurde die Gedenkstättenarbeit zur SED- Diktatur als ‘unbefriedigend’ eingestuft und eine Neustrukturierung gefordert. Als Grund für diese Unzufriedenheit wurde verwiesen auf die öffentliche Debatten aus Anlass des 15. Jahrestages des Mauerfalls, wo das Engagement bemängelt wurde und man eine größere Zahl von öffentlich geförderten Gedenkstätten forderte. Daraufhin wurde im Frühjahr 2005 eine zehnköpfige Expertenkommission43 zum Themenkomplex ‘Geschichtsverbund zur Aufarbeitung der SED-Diktatur’ unter Leitung des Potsdammer Historikers Martin Sabrow eingesetzt. Man hoffte somit den ‘Wildwuchs’ der Erinnerungskultur in geordnete Bahnen zu lenken.44 Ein Jahr später stellte diese Kommission ihre Vorschläge ‘zur institutionellen und inhaltlichen Zukunft des Gedenkens an die zweite deutsche Diktatur’ der Öffentlichkeit vor. Die DDR sollte nicht allein über das Bild des geheimpolizeilichen Überwachungsstaates dargestellt werden, in der Zukunft sollte auch der Alltag der DDR-Bürger stärker in die Erinnerungskultur aufgenommen werden. Dieser letzte Vorschlag stieß auf viel Widerspruch in den Medien. Der Leiter der Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, sprach daraufhin von ‘staatlich verordneter Ostalgie’, während der kulturpolitische Sprecher der Berliner 42 Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen als Gedenkstätte erhalten und ausbauen (Antrag), 2001, Drucksache 14/7110, S. 4. 43 Expertenkommissionen sind Beratungsgremien, die für einen begrenzten Zeitraum und mit einem klaren Auftrag eingesetzt werden. Sie sind gemischt besetzt mit Vertretern der Wissenschaft, Interessenverbände, Politik und Verwaltung und weiterer Fachleute. Sie legen ihrem Auftraggeber in der Regel einen ausformulierten Bericht vor, der Handlungsempfehlungen enthält. Expertenkommissionen in Deutschland werden durch die Bundesregierung oder durch Landesregierungen, aber auch private Einrichtungen (wie Unternehmen, Stiftungen usw.) eingerichtet. Der Unterschied zwischen einer Enquête-Kommission und einer Expertenkommission ist, dass eine Enquête- Kommission in ihrer Arbeitsweise einem präziseren Arbeitsauftrag unterworfen ist, zudem behandelt sie meist allgemeine Themen. (http://de.wikipedia.org/wiki/Expertenkommission, gesehen am 12. August 2009). 44 C. Wüllenkemper, Das Warten auf die Folterzelle, 04.04.2007.
  • 19. 19 CDU, Uwe Lehmann-Brauns, der Kommission gar eine ‘Weichspülung der harten Fakten’ vorwarf.”45 „Insbesondere die empfohlene Eingliederung der Gedenkstätten Hohenschönhausen und die Normannenstraße unter das Dach der Birthler Behörde46 stieß auf heftige Kritik.”47 Die Debatte anlässlich des Berichtes der Expertenkommission kam erst zum Erliegen, als die ‘Vorschläge’ wieder in der Schublade verschwanden. Wie kann man sich die Kontroverse über den Umgang mit der DDR-Vergangenheit erklären? Natürlich ist es gut die DDR-Geschichte von mehreren Seiten zu betrachten und einer drohenden „Verinselung”48 der DDR-Geschichte im Geschichtsbewusstsein entgegen zu treten. Das Problem liegt aber beim Zeitpunkt dieser Umsetzung. Wenn man sich den Verlauf der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in der BRD anschaut, sieht man ein ähnliches Muster in Sachen Vergangenheitsbewältigung. Die BRD hätte sich nach dem Krieg am liebsten nur auf den Aufbau Deutschlands konzentriert, durch internationalen Druck wurde sie aber verpflichtet, sich mit der Täter-Rolle auseinander zu setzen. Erst nach Klärung der Täter-Opfer-Debatte konnte die Rolle der deutschen Opfer in den Vordergrund treten und wurde auch allgemein von den Medien und der Bevölkerung akzeptiert. Ein weiterer Grund dieser Akzeptanz hängt zusammen mit dem wachsenden Abstand der heutigen Generation zur Nazi-Vergangenheit. Die meisten Zeitzeugen sind verstorben und damit auch der persönliche Bezug. Soweit sind wir bei der Aufarbeitung der SED-Diktatur aber noch lange nicht. Die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes zur Förderung von Gedenkstätten Neben den beiden Kommissionen richtete die Bundesregierung das Augenmerk auf ein Gesamtkonzept zur ‘Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland’. Es sollte ein einheitliches Konzept erarbeitet werden, wie man sich sowohl an die nationalsozialistische Herrschaft als auch an die kommunistische Diktatur bis 1989 erinnern solle. Zudem sollten drei weitere, sehr unterschiedliche Ereignisse und Themenkomplexe einen Platz bekommen in der deutschen Erinnerungskultur, nämlich: „die mit Diktaturgeschichte, Krieg und 45 C. Wüllenkemper, Das Warten auf die Folterzelle, 04.04.2007. 46 Die Birthler Behörde heißt offiziell Die Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU). Der erste Leiter dieser Bundesoberbehörde, die der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien unterstellt ist, war Pfarrer Joachim Gauck (daher wurde sie auch die Gauck-Behörde genannt). Als Marianne Birthler im Oktober 2000 die Leitung übernahm, wurde sie in den Medien umbenannt in Birthler-Behörde. Die BStU ist eine von den Mitgliedern der Bürgerkomitees und Freiwilligen der Bürgerrechtsbewegung im Zuge der friedlichen Revolution von 1989 erkämpfte Einrichtung zur Sicherung der Unterlagen der Stasi. Eine mögliche Auflösung und Eingliederung der BStU in das Bundesarchiv wird derzeit öffentlich diskutiert. Das ist leider nicht das einzige, womit die Birthler Behörde Schlagzeilen macht. So soll ein hoher Anteil der Mitarbeiter aus ehemaligen Stasi-Mitarbeitern bestehen (http://de.wikipedia.org/wiki/BStU, gesehen am 12. August 2009). Mehr zum Thema ‘Stasi-Mitarbeiter als Staatsdiener’ ist u.a. zu finden auf Welt Online und in dem Buch Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur von Uwe Müller und der Leipziger Journalistin Grit Hartmann, bei Rowohlt Berlin. 47 DDR-Vergangenheit und Erinnerungskultur, 2006, S. 2. 48 Empfehlungen der Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichtsverbundes ‘Aufarbeitung der SED-Diktatur’ , 2006, S. 5.
  • 20. 20 der Überwindung totalitärer Regime in Deutschland eng verbunden sind, nicht aber die Erinnerung an die Opfer der beiden deutschen Diktaturen betreffen”49 , also: - Opfer von Krieg und Vertreibung. - Zivile Opfer der alliierten Luftangriffe des zweiten Weltkrieges. - Friedliche Revolution und Wiederherstellung der staatlichen Einheit. Wohl auf Grund dieser Forderung wurde am 9. Oktober 2007 vom Bundestag beschlossen in Berlin ein Freiheits- und Einheitsdenkmal zu errichten. Zudem wurde im Frühjahr 2008 eine Ausstellungs- und Dokumentationsstätte zu Flucht, Vertreibung im Berliner Deutschlandhaus angeregt, die von der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung unterhalten werden soll.50 Im Juni 2008 wurde eine Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption von 1999 beschlossen. Diese Fortschreibung erhielt den Titel Verantwortung wahrnehmen, Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen. Zuvor wurden aber mehrere Experten befragt und es fand eine Anhörung mit Vertretern verschiedener Institutionen und Einrichtungen statt. Unter den Befragten waren zum Beispiel: Volkhard Knigge (Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora), Thomas Krüger (Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn), Marianne Birthler (Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in Berlin), Rainer E. Klemke (Arbeitsgruppe Gedenkkonzept Berliner Mauer, Leiter AG Museen mit Bundesbeteiligung, Gedenkstätten und Zeitgeschichte e.V.), Rainer Eppelmann (Vorsitzender Stiftungsvorstand, Stiftung Aufarbeitung, Berlin) und Hubertus Knabe (Direktor Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen).Trotz der vielen in Vorfeld befragten Experten und Politiker ist der vom Kulturstaatsministerium als ‘Meilenstein für die Erinnerungskultur’ präsentierte Beschluss als ein unbefriedigender Kompromiss zu bezeichnen. Diese Enttäuschung kann man im Interview vom 18. Juni 2008, das Rainer Berthold Schossig vom Deutschlandfunk mit dem Direktor Hohenschönhausens, Hubertus Knabe, führte, bestätigt finden: „Mit dem Meilenstein habe ich meine Probleme. Man muss einfach dazu wissen, dass es hier ein sehr, sehr langes und heftiges Tauziehen hinter den Kulissen gegeben hat. Was jetzt herausgekommen ist, ist ein Kompromiss, ein Kompromiss der Großen Koalition. Und ich habe den Eindruck, dass hier oftmals leider nicht nach sachlichen Gesichtspunkten und Notwendigkeiten, sondern danach entschieden worden ist, wer hat die stärkeren Bataillone.’’51 Bei der Frage, ob es nicht gut sei, dass es keine Gleichsetzung geben werde zwischen der Erinnerung an den Nationalsozialismus mit dem Unrecht, das es im SED-Staat gegeben hat, warnt Knabe vor dem Verlust des Ausgangspunktes. Die heutige Diskussion richte sich zu viel auf eine Art von ‘Diktaturenkonkurrenz’. Die Diktatur, die die meisten Toten aufzuweisen hat, bekommt die meisten Finanzmittel. Das könne nicht Ziel der Bemühungen sein. Ursprünglich galt es die Unkenntnisse der neuen Generation, „die ja inzwischen 18, 20 Jahre alt sind und das 49 Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland – Gesamtkonzept für ein würdiges Gedenken aller Opfer der beiden deutschen Diktaturen (Antrag), 2004, Drucksache 15/3048, S. 6. 50 http://de.wikipedia.org/wiki/Gedenkst%C3%A4tten_von_nationaler_und_internationaler_Bedeutung_in_ Deutschland, gesehen am 11. August 2009 und http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen /BPA/2009/04/2009-04-08-bkm-stiftung-flucht-vertreibung-versoehnung.html, gesehen am 18. März 2010. 51 Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen kritisiert Gedenkstättenkonzept, Deutschlandfunk 2008.
  • 21. 21 alles nicht mehr miterlebt haben’’, zu beseitigen. Diese jungen Menschen sollten besser aufgeklärt werden und das am besten an historischen Orten. Der Erhalt und die Pflege dieser Orte sollte die eigentliche Aufgabe einer Gedenkstätte sein. Obwohl das neue Konzept Erweiterungen der institutionelle Förderung enthält, zum Beispiel für die Gedenkstätten Bergen-Belsen, Dachau, Flossenbürg und Neuengamme, sind stufenweise Sanierungen geplant, für bereits unterstützte Gedenkstätten. Es gibt aber immer noch Probleme, die noch nicht gelöst worden sind, mahnt Knabe. So gibt es die Stasi-Gefängnisse in Erfurt und Cottbus, die vor sich hinrotten, oder DDR-Gefängnisse, die zu Eigentumswohnungen umgebaut werden, wie zum Beispiel in Berlin-Rummelsburg. Immer mehr Orte des Schreckens verschwinden, anstatt sie zu bewahren. Dazu kommt das Problem, dass es in Westdeutschland immer noch keinen Platz gibt, wo an die kommunistische Diktatur erinnert wird. Kein Wunder also, dass ein ganze Generation heranwächst, „die das alles nicht mehr weiß, die Erich Mielke für einen Schriftsteller halten und den 17. Juni auf das Jahr 49 datieren, wo angeblich die Massen wegen der Toten des Zweiten Weltkrieges auf die Straßen gegangen sind, also abstruse Antworten. Und was noch viel gravierender ist, dass auch die Wertmaßstäbe fehlen, wie ordne ich das eigentlich ein, und dann zu dem Ergebnis kommen, dass die Bundesrepublik zwar anders, aber nicht besser gewesen sei als die DDR.“52 Diese Aussage Knabes geht vermutlich auf die Schlagzeilen ‘Honecker - who?‘ aus dem Sommer 2008 zurück. „Anlass war eine Studie zum DDR-Bild von Schülern in Ost- und Westdeutschland. Jeder zwölfte Schüler in den zehnten und elften Klassen kannte Erich Honecker nicht; […] Nur jeder Dritte wusste, dass die DDR die Mauer gebaut hatte. […] Die wenigsten wussten, dass die DDR bankrott war. Die Hälfte der ostdeutschen Jugendlichen sah in der DDR keine Diktatur.„53 Das fehlende Faktwissen wurde in den Parlamenten (Ost und West) debattiert und die Lehrpläne wurden bemängelt. Dabei wurde anscheinend vergessen, dass die DDR so gut wie nicht zum verpflichteten Lehrplanstoff gehörte. Kein Wunder also, dass es eine zunehmenden Idealisierung des früheren Arbeiter-und Bauern- Staates gibt. Auf die Anregung, einen Geschichtsverbund zur Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in Deutschland zu gründen, reagiert Knabe: „Ich glaube, Zentralismus ist beim Gedenken der falsche Weg. Hier muss man über den Ort des Schreckens versuchen, in die Gesellschaft zu wirken, Bautzen oder Berlin-Hohenschönhausen oder eben die nationalsozialistischen Konzentrationslager. Das kann man nicht in ein Kombinat oder eine Großorganisation zwängen, sondern da muss man lokal arbeiten und dann global wirken.”54 Die finanziellen Mittel für die Jahre 2008 und 2009 zur Realisierung des weiterentwickelten Konzeptes wurden auf insgesamt 35 Millionen Euro angehoben (eine Erhöhung von 50 Prozent). Ob das hilft, um mehr Geschichtswissen zu schaffen, ist fraglich. 52 Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen kritisiert Gedenkstättenkonzept, Deutschlandfunk, 2008. 53 U. Müller & G.Hartmann, Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur, 2009, S. 225. 54 Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen kritisiert Gedenkstättenkonzept, Deutschlandfunk, 2008.
  • 22. 22 5. Verharmlosung des DDR-Regimes In der deutschen Politik wird im Umgang mit der SED-Diktatur eine bestimmte Schieflage oftmals übersehen. Viele Ex-Stasi-Mitarbeiter arbeiten nämlich wieder für den Staat und das macht einem unparteiischen Umgang mit der Vergangenheit unmöglich. Wo ehemalige Stasi-Mitarbeiter eine Pension vom Bund erhalten, kämpfen Stasi-Opfergruppen immer noch für Gerechtigkeit. Nach 1989 gab es gerade mal 1021 Anklagen (bei 1737 Angeklagten) vor Gericht. Nur 46 Personen sind bis jetzt zu einer Haftstrafe verurteilt worden.55 Dazu kommen die von Hubertus Knabe bereits angesprochene Gefahr der Verharmlosung und die zunehmende Ahnungslosigkeit. Eine Verfasserin des Hoheneck Blogs bringt es folgendermaßen auf dem Punkt: Ein differenziertes Geschichtsbild ist deshalb dringend notwendig. Die Vergangenheit muss nicht nur zu Feiertagen ins politische Bewusstsein zurückgeholt werden. Hier sind die Medien und vor allem auch die Politik gefragt. Es ist mir absolut unverständlich, weshalb diverse Politiker sich weigern, die DDR als Unrechtsstaat zu bezeichnen. Weshalb nennt niemand die Dinge beim Namen? Eine Diktatur, in der die Herrschenden die eigene Bevölkerung einmauerte, in der Zwang, Einschüchterung und Unterdrückung herrschten, in der Grundrechte mit Füßen getreten wurden, in der es Todesstreifen und einen Schiessbefehl gab, in der Wahlbetrug betrieben wurde… Was soll das sein, wenn nicht ein Unrechtsstaat? Und das waren doch die wahren Gründe, weshalb mehr als 4 Millionen DDR-Bürger den Staat in Richtung Westen verließen und nicht, weil man keine Spreewaldgurken oder Bananen kaufen konnte oder weil man 14 Jahre auf ein Auto warten musste.56 Als Beispiel könnte man hier den Umgang der Türkei mit dem armenischen Genozid nehmen. Die Türkei hat den Völkermord an den Armenier 1913-1915 nie offiziell erkannt, weil sie anfangs auch nie durch den Westen dazu gezwungen wurde. Man hatte damals viel zu viel Angst den neuen, dem Westen zugewandten Staat an den Islam zu verlieren und forderte daraufhin auch kein öffentliches Geständnis mehr. Das Problem lag dabei nicht nur in der Anerkennung des Unrechts, sondern vielmehr im Problem, von wem diese Anerkennung erbracht werden sollte. Denn in der türkischen Regierung von damals waren die Täter die neuen Machthaber, und wie kann man eine unparteiische Aufarbeitung der Geschichte oder sogar Entschädigung erwarten, wenn die früheren Täter damit beauftragt sind? Die gleiche Situation gilt auch für die Mittarbeiter der ehemaligen DDR, die heute oft ihre alte Tätigkeit übernommen haben und jetzt für das vereinte Deutschland arbeiten auf genau dem gleichen Posten wie früher. Erst wenn diese Schieflage erkannt und aufgehoben wird, ist es möglich das Gedenken und den Umgang mit der SED-Vergangenheit in geordnete Bahnen zu lenken. 55 U. Müller & G.Hartmann, Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur, 2009, S. 60. 56 Hoheneck Blog, War die DDR ein Unrechtsstaat? , 22. Juni 2009 (http://hoheneck.wordpress.com/, gesehen am 13. August 2009).
  • 23. 23 6. Zusammenfassung und Fazit 20 Jahre nach der Deutschen Einheit ist man immer noch dabei die deutsche Nationalgeschichte mit Blick auf die kommende Generation zu untersuchen und neu zu bewerten, um so zu einer Neuabstimmung zu gelangen. Das große Problem bei der Erinnerung an die deutsche Geschichte ist die enorme Komplexität. So muss man sich an zwei verschiedene Diktaturen erinnern, mit ihren jeweils unterschiedlichen Opfern. Wie kann man überhaupt 40 Jahre geteilte Geschichte zusammenführen in einem einheitlichen Konzept? Dazu kommt das Problem einer neuen Generation, die keinen direkten Bezug mehr hat zur Geschichte. Teilweise wegen fehlenden Interesses und teilweise wegen mangelnder Lehrpläne entstehen solche Defizite. Ohne Änderung der Lehrpläne hat eine Erinnerungspolitik wenig Nährboden und ein Scheitern ist vorprogrammiert. Da hilft es nicht, dass Bund und Länder die Aufklärungsrolle der Gedenkstätten schätzen, doch sich schwer tun Förderungsmaßnahmen zu beschließen. Um Einsicht zu bekommen, wie die Aufarbeitung der kommunistischen Diktatur in Deutschland angegangen werden kann, wurden die Enquête-Kommissionen und eine Expertenkommission eingesetzt, um eine Gedenkstättenkonzeption zu erarbeiten. Zu einer eindeutigen Linie hat das aber nicht geführt. Es besteht nur ein auf gegenseitigem Vertrauen basierender Konsens, worin erkannt wird, dass zwischen Opfern des Nationalsozialismus und Opfern des Stalinismus differenziert werden muss. Die Schieflage zwischen Opfern und Tätern des SED-Staats ist vermutlich Grund dieser Unentschiedenheit und sollte dringend zur Diskussion gestellt werden. Nur dann kann man der Vergangenheit gerecht werden und eine einheitliche Erinnerungskultur schaffen.
  • 24. 24 7. Literaturverzeichnis  “DDR-Vergangenheit und Erinnerungskultur”. Berlin, 2006. Nr. 30/06. <www.bundestag.de/wissen/analysen/2006/DDR-Vergangenheit_und_Erinnerungskultur.pdf >.  Empfehlungen der Expertenkommission zur Schaffung einses Geschichtsverbundes “Aufarbeitung der SED- Diktatur”. Berlin: BKM, 2006.  “Erinnerungspolitisches Konzept zu den Gedenkstätten der SED-Diktatur in Berlin”. 2005. (20-2- 2009): Robert Havemann Gesellschaft. <www.havemann-gesellschaft.de/info193.htm>.  “Förderung von Gedenkstätten zur Diktaturgeschichte in Deutschland – Gesamtkonzept für ein würdiges Gedenken aller Opfer der beiden deutschen Diktaturen (Antrag).” Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, 2004. Drucksache 15/3048.  “Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen als Gedenkstätte erhalten und ausbauen (Antrag).” Ed. Deutscher Bundestag: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, 2001. Drucksache 14/7110.  “Verantwortung wahrnehmen. Aufarbeitung verstärken, Gedenken vertiefen.” Ed. Ausschuss für Kultur und Medien: Deutsche Bundestag, 2007. 16(22)127.  Augstein, Franziska. “Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg Berichte zur Gegenwart der Erinnerung Deutschland.” Verbrechen erinnern; Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord. Ed. Norbert Frei, Volkhard Knigge. München: Verlag C.H. Beck, 2002. S. 250-230  Erler, Peter und Hubertus Knabe. Der verbotene Stadtteil; Stasi-Sperrbezirk Berlin-Hohenschönhausen. 3. Auflage Berlin: Jaron Verlag, 2008.  Faulenbach, Bernd. “Geschichtserfahrung und Erinnerungskultur im vereinigten Deutschland.” Gewerkschaftliche Monatshefte 47 (1996): S. 232-39.  Herbert, Ulrich. “Der Umgang mit dem ‘Holocaust’ in der Bundesrepublik Deutschland.” Lithuanian Foreign Policy Review, 2001. S. 3.  Hofmann, Jürgen. Zur Auseinandersetzung mit der Hohenschönhausener Gedenkstätte für die Opfer des Stalinismus, 1997.  Ivanji, Ivan. “Die Macht der Erinnerung, die Ohnmacht der Worte.” Verbrechen erinnern; Die Auseinandersetzung mit Holocaust und Völkermord. Ed. Norbert Frei, Volkhard Knigge. München: Verlag C.H. Beck, 2002. S. 12-13  Kleßmann, Christoph. “Die Akten schließen?” 2008. Dossier Geschichte und Erinnerung. Bundeszentrale für politische Bildung. 25-7-2009. <http://www.bpb.de/themen/GM08LK.html>.  Knabe, Hubertus. “Einführung.” Gefangen in Hohenschönhausen. Ed. Hubertus Knabe. Vol. 3. Berlin: List Taschenbuch, 2008.  Knabe, Hubertus. Stellungnahme der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen zum Votum der Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichtsverbundes „Aufarbeitung der SED-Diktatur”. Berlin, 2006.  Leo, Annette. “Keine gemeinsame Erinnerung”. 2003. Dossier Geschichte und Erinnerung. Bundeszentrale für politische Bildung. 25-7-2009. <http://www.bpb.de/themen/JH31QR.html>.  Lutz, Thomas. “Gedenken und Dokumentieren an Orten von NS- und NKWD-Lagern in Deutschland.” Speziallager in der SBZ: Gedenkstätten mit ‘doppelter Vergangenheit’. Ed. Bodo Ritscher, Peter Reif-Spirek. Berlin: Christoph Links Verlag, 1999.
  • 25. 25  Müller, Uwe und Grit Hartmann. Vorwärts und Vergessen! Kader, Spitzel und Komplizen: Das gefährliche Erbe der SED-Diktatur, Berlin: Rowohlt, 2009.  Neubert, Hildigund, Wolfgang Schuller, Klaus Schroeder und Uwe Thaysen. Zukunft von Haus 1 der Normannenstraße. Berlin: Haus 1 des Ministeriums für Staatssicherheit in Berlin, 2001.  Schossig, Rainer Berthold und Hubertus Knabe. Leiter der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen kritisiert Gedenkstättenkonzept. Aufnahme vom 18. Juni 2008. Deutschlandfunk, 2008.  Schumann, Franziska. “Typologie des Gedenkens in Deutschland nach der Wiedervereinigung”. Universität Potsdam, 2004. S. 28-29.  Sigel, Paul. “Denkmalorte mit doppelter Vergangenheit”. 2005. Goethe-Institut. 17-3-2009. <http://www.goethe.de/kue/arc/dos/dos/zdk/de204290.htm>.  Üngör, Uğur Ümit. “Vervolging, Onteigening en Vernietiging: de deportatie van Ottomaanse Armeniërs tijdens de Eerste Wereldoorlog.” Soesterberg: Aspekt, 2007.  Wasserman, Rudolf, “Ein epochaler Umbruch. Probleme der Wiedervereinigung”. Asendorf: Mut- Verlag, 1991, S. 91.  Wilke, Manfred. “Stellungnahme zu den ‘Empfelungen der Expertenkommission zur Schaffung eines Geschichtsverbundes ‘Aufarbeitung der SED-Diktatur’”. Berlin: Freie Universität Berlin, 2006.  Wolfrum, Edgar. “Geschichte der Erinnerungskultur in der DDR und BRD”. 2008. Dossier Geschichte und Erinnerung. Bundeszentrale für politische Bildung. 25-7-2009. <http://www.bpb.de/themen/DXG8F0.html>.  Wüllenkemper, Cornelius. “Das Warten auf die Folterzelle.” Süddeutsche Zeitung vom 04.04.2007. Internet  http://de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Karlshorst (gesehen am 27. Juli 2009)  http://de.wikipedia.org/wiki/BStU (gesehen am 12. August 2009)  http://de.wikipedia.org/wiki/Expertenkommission (gesehen am 12. August 2009)  http://de.wikipedia.org/wiki/Gedenkst%C3%A4tten_von_nationaler_und_internationaler_Bedeutung _in_Deutschland (gesehen am 11. August 2009)  http://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Wassermann (gesehen am 31. März 2010)  http://hoheneck.wordpress.com/ (gesehen am 13. August 2009)  http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2009/04/2009-04-08-bkm- stiftung-flucht-vertreibung-versoehnung.html (gesehen am 18. März 2010)  http://www.ravensbrueck.de/mgr/neu/index.htm (gesehen am 8. August 2009)  http://www.welt.de/print-welt/article231300/Gedenkstaette_Hohenschoenhausen.html (gesehen am 12. August 2009)