Der Druck auf Prozesse und die Organisationen steigt stetig. Digitalisierung, Kundenzentriertheit und marktverändernde Disruptoren sind nur einige Gründe, weshalb das klassische Kompetenzmanagement den Herausforderungen kaum mehr genügt. Doch es geht auch anders.
Kompetenzmanagement 4.0: Gestalten statt verwalten
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HR-STRATEGIE
personalSCHWEIZ Juni 2019
Die Einflussfaktoren stellen jeden Sta-
tus quo infrage und machen so Ver-
änderungen zur Normalität. Dass dies
auch Auswirkungen auf Methoden, Inst-
rumente und Tools hat, liegt auf der Hand.
Doch anstatt versuchen, diese ständig an
die wechselnden Anforderungen anzu-
gleichen, braucht es neue Wege und An-
sätze, vor allem im Kompetenzmanage-
ment. Noch immer liegt der Fokus in vie-
len Kompetenzmanagement-Prozessen
in der Verwaltung und Evaluation von in
der Vergangenheit relevanten oder heute
notwendigen Kompetenzen. Doch diese
Prozesse bilden die tatsächliche Kern-
funktion des Kompetenzmanagements
nicht ab. Die passenden Mitarbeitenden
zum jetzigen oder zukünftigen Zeitpunkt
der Organisation zur Verfügung zu stellen
braucht mehr als nur eine Skill-Bibliothek.
Es benötigt ein Kompetenzmanagement,
welches einen aktiven, gestaltenden Bei-
trag zur Unternehmenssteuerung und
-entwicklung leistet.
Die gleichzeitige Unterstützung des ope-
rativen Alltags und der Berücksichtigung
von Veränderungen und Innovationen ist
der Kernpunkt eines modernen und zeit-
gemässen Kompetenzmanagements.
Es reicht nicht mehr, aktuelle Fähigkeiten
und Fertigkeiten zu kennen, zu beurteilen
und zu entwickeln. Vielmehr geht es dar-
um, zukünftige Anforderungen bereits im
Vorfeld zu berücksichtigen, Veränderun-
genvorwegzunehmenundsodierichtigen
Kompetenzen jederzeit zur Verfügung zu
haben. So wird aus der Personalentwick-
lung Unternehmensentwicklung.
Werte und Metakompetenzen
Es gilt aber auch, den Fokus neu zu
setzen. Während früher das Kompe-
tenzmanagement doch eher fachlich-
methodisch geprägt war, wird durch die
steigende Veränderungsgeschwindigkeit
die Wissensverwaltung nicht mehr er-
folgsentscheidend sein. In Zukunft sind
wohl nicht einmal mehr klassische So-
zial- und Selbstkompetenzen entschei-
dend. Vielmehr werden Werte und Me-
takompetenzen diesen Platz einnehmen.
Das Kompetenzmanagement wird vom
verwaltenden Ordnungsrahmen zum ge-
staltenden Orientierungsrahmen. Dem-
entsprechend werden auch nicht mehr
Anforderungsprofile für jede Funktion
abgebildet. Dies ist in Anbetracht der un-
sicheren zukünftigen Ausgestaltung und
generell der Unbekanntheit der zukünfti-
gen Anforderungen bei vielen Funktionen
nicht mehr zeitgemäss. Die Lösung liegt
in der Abbildung von Rollen, bei denen
weniger explizite Anforderungen defi-
niert werden, sondern vor allem Stärken,
Potenziale und notwendige Metakompe-
tenzen die Grundlage sind.
Schwerpunkte und Modularität
Die Konzentration auf das Wesentliche,
bzw. der Reduktion auf Schwerpunkte
ist dann auch eines der entscheidenden
Elemente des Kompetenzmanagement.
Waren und sind heute Kompetenzmodelle
Kompetenzmanagement 4.0
Gestalten statt verwalten
Der Druck auf Prozesse und die Organisationen steigt stetig. Digitalisierung, Kundenzentriertheit
und marktverändernde Disruptoren sind nur einige Gründe, weshalb das klassische Kompetenz-
management den Herausforderungen kaum mehr genügt. Doch es geht auch anders.
Von Andreas Mollet
VERWALTEN
KLASSISCH ZEITGEMÄSS
GESTALTEN
Fach-, Methoden-, Sozialkompetenzen Metakompetenzen
Wissen und Anwendung Kompetenzen und Verhalten
Fähigkeiten Werte
Top-down-Einschätzung 360° Feedback
Rückwärtsgerichtet Zukunftsorientiert
Gesamtheitlich Schwerpunkte
Strukturiert Modular
5–8 Jahre gültig 2–4 Jahre gültig
Standardisiert Unternehmensindividuell
Beurteilungsorientiert Entwicklungsorientiert
Ordnungsrahmen Orientierungsrahmen
Funktionen Rollen
Hierarchie Dynamisch
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oft noch sehr umfangreich und darauf an-
gelegt, möglichst alle unternehmerischen
Aspekte und Funktionen zu berücksichti-
gen,wirdesinZukunftsinnvollsein,sichzu
fokussieren. Einerseits ist dies notwendig
umdieVUKA-Weltüberhauptabzubilden,
anderseits wird dadurch aber vor allem
die Zeitdauer zur Modifikation von Kom-
petenzmodellen entscheidend verkürzt.
Waren früher Kompetenzmodelle auf ei-
ne Dauer von fünf bis acht Jahren ausge-
legt, so ist dies in der Zukunft nicht mehr
zielführend. Eine dynamische Anpassung
der Kompetenzen ist gerade in Bezug auf
die rasch ändernden Digitalkompetenzen
für viele Unternehmen überlebenswich-
tig. Werden die Kompetenzen zudem mit
stabilen Wertvorstellungen kombiniert,
entsteht ein Modell, das operatives Ver-
halten mit der strategischen Wirkung ver-
eint. Durch die jährliche Überprüfung und
Modifikation der Schwerpunkte durch
geeignete Methoden wie Businesstreiber
entsteht zudem automatisch ein direkter
Bezug zur Strategie.
Individualität vor Benchmark
Nur wer entwicklungsorientiert und zu-
kunftsorientiertagiert,wirddasUnterneh-
men und den Markt aktiv gestalten. Der
rückwärtsgerichtete Vergleich oder die
Abbildung von allgemeingültigen Kom-
petenzen und Skills entsprechen nicht der
modernen Sicht einer stärkenorientierten
Unternehmens- und Mitarbeiterführung.
Auch die klassische Trennung in Mitarbei-
tenden- und Führungskompetenzen ist
nicht mehr zeitgemäss. Neue Organisati-
onsformen müssen nicht nur berücksich-
tigt, sondern aktiv unterstützt werden.
Führung ist nicht mehr klassisches Ma-
nagement, sondern wird als Leadership
neu definiert. Verantwortung und Ent-
scheidungen sind nicht mehr hierarchisch
begründet, sondern werden flexibel und
situativ wahrgenommen. Dadurch erhöht
sich die individuelle Identität eines jeden
Unternehmens. Die Unternehmenskultur,
die Unternehmens-DNA und der Purpose
stehen gerade auch beim Kompetenzma-
nagement 4.0 im Zentrum.
Stolperstein Prozesse
und Software
Doch selbst wenn die strategischen
Weichen für ein zukunftsorientiertes,
dynamisches und modernes Kompetenz
management gestellt werden, folgt leider
meist die Ernüchterung in der Umset-
zung. Als Kernelement eines integrierten
HR kommt dem Kompetenzmanage-
ment entscheidende Bedeutung in Rek-
rutierung und Auswahl, Beurteilung und
Entwicklung, aber auch im Bereich Talent-
Management und Laubahnplanung zu.
DochgeradedurchdieseVerzahnungsind
in der Praxis kurzfristige Anpassungen der
Prozesse oft nur schwerfällig möglich. Ein
weiteres Problem ist die Abbildung sol-
cher modularer und dynamischer Modelle
und Ansätze in der HR-Software. Leider
folgt das Kompetenzmanagement (noch
zu) oft den schwerfälligen Vorgaben einer
standardisierten IT-Lösung.
Schwerpunkte setzen,
auch in den Prozessen
Um diesem Dilemma zu entkommen be-
währt sich in der Praxis, dass nicht nur bei
Kompetenzmodellen mit Schwerpunkten
gearbeitet werden sollte, sondern auch
in den Prozessen. Eine Fokussierung auf
die geschäftskritischsten Prozesse (z.B.
bei starkem Wachstum auf das Talent-
Management, bei Umstrukturierungen
auf das Performance-Management) oder
auch die Fokussierung auf bestimmte
Schlüsselrollen im Unternehmen (Pro-
jektleiter, Spezialisten, Führungskräfte)
kann rasche und relevante Erfolge er-
möglichen. Durch regelmässige Reviews
werden Werte- und Kompetenzmodelle
und Prozesse stetig optimiert und wert-
volle Erkenntnisse gewonnen. Durch die
Reduktion gewinnt man zudem an Klar-
heit und Transparenz, was vor allem für
die Kommunikation entscheidend ist. So
wird aus einem meist ungeliebten und
wenig Mehrwertstiftenden Verwaltungs-
prozess ein Instrument, welches der Linie
hilft zukünftige Ziele zu erreichen und das
Unternehmen aktiv mit zu gestalten.
Andreas Mollet ist
Geschäftsleiter der
INOLUTION (inolution.
com). Er unterstützt Unter-
nehmen und Organisatio-
nen darin, Kompetenzen,
Werte und Performance
nutzbar zu machen.
Seine Erfahrung bloggt er regelmässig auf
kompetenz-management.com.