Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Backes: Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung für Informationen im Internet
1. M Recht der neuen Medien
M11
Aktuelle Rechtsprechung zur Haftung für
Informationen im Internet
Wie legt die Rechtsprechung die einschlägigen Vorschriften des
Telemediengesetzes aus? Welche Pflichten bestehen für Informa-
tionsanbieter? Wie schützt man sich vor Rechtsverletzungen?
Bettina Backes
Partnerin und Rechtsanwältin bei Böck und Partner Rechtsanwälte, Stuttgart;
Tätigkeitsschwerpunkte: Medien-, Verlags- und Urheberrecht, Markenrecht sowie
IT-Recht; Lehrauftrag an der Hochschule der Medien Stuttgart; regelmäßige
Dozententätigkeit
Inhalt Seite
1. Allgemeine Einführung 2
2. Checkliste Präventivmaßnahmen zur Reduzierung von
Haftungsrisiken 7
3. Zivilrechtliche Haftung 11
3.1 Die Haftungsprivilegierung für Diensteanbieter 11
3.2 Haftung für Hyperlinks 24
3.3 Verantwortlichkeit der Betreiber von Meinungsforen 35
3.4 Haftung für Werbeaussagen beim Internetvertrieb von Software 37
3.5 Haftung für unter verpachteten Domains veröffentlichte
Informationen 39
3.6 Beweislast bei Störerhaftung 42
3.7 Haftung für das Handeln eines Dritten bei Gewährung des
Zugangs zu einem Server 44
4. Strafrechtliche Haftung 47
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1. Allgemeine Einführung
Jede Kulturinstitution, jeder Kulturveranstalter und auch fast jeder einzelne
Künstler präsentierten sich mittlerweile im Internet - sei es auf einer eigenen
Website, sei es in Plattformen, Communities oder Blogs. Da bei dem Betrieb von
Blogs oder Informationsplattformen häufig nicht nur eigene Informationen zur
Verfügung gestellt werden, sondern auch fremde präsentiert werden, hat der
Gesetzgeber Spezialregelungen zur Haftungsprivilegierung von Anbietern von
Telemedien erlassen, die fremde Information zur Verfügung stellen oder nur den
Zugang zu Informationen ermöglichen. Diese Regelungen finden sich in den §§ 7
ff. Telemediengesetz (TMG). Die Regelungen beziehen sich sowohl auf die straf-
rechtliche als auch auf die zivilrechtliche Haftung des Diensteanbieters und im
Bereich der zivilrechtlichen Haftung sowohl auf die vertragliche als auch auf die
außervertragliche (deliktische) Haftung. Unter die deliktische Haftung fällt zum
Beispiel die Haftung für Persönlichkeitsrechtsverletzungen, für Wettbewerbsver-
stöße, für Markenrechtsverstöße, für Urheberrechtsverletzungen, für Daten-
schutzverstöße und für Namensrechtsverletzungen.
Verantwortlichkeit für fehlerhafte und/oder rechtswidrige
fü
Informationen in Telemedien
Strafrecht Zivilrecht
vertragliche deliktische
Haftung Haftung
§ 280 BGB
Persönlich- Wettbe- Markenrecht Urheber- Datenschutz- Namensrecht
keitsver- werbsrecht §§ 14, 15 recht
recht § 12 BGB
letzungen §§ 3, 5 UWG MarkG § 7 BDSG
§ 97 UrhG
§ 823 Absatz
1 und 2 BGB
Abb. 1: Verantwortlichkeit für fehlerhafte und/oder rechtswidrige
Informationen in Telemedien
Für Kulturschaffende wie -institutionen stellt sich stets die Frage, ob sie über-
haupt als Diensteanbieter im Sinne des Telemediengesetzes anzusehen sind. § 2
Satz 1 Nr. 1 TMG definiert den Diensteanbieter als „jede natürliche oder juristi-
sche Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den
M Zugang zur Nutzung vermittelt“. Da nach § 1 Absatz 1 Satz 1 TMG die Entgelt-
11 lichkeit ausdrücklich kein Begriffsmerkmal eines Teledienstes ist, fallen unter die
S. 2 Definition des Diensteanbieters auch rein private und nicht kommerzielle, ge-
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meinnützige Dienste. Damit fallen jede Kulturinstitution, jeder Kulturveranstal-
ter, jeder Künstler – egal ob eine gemeinnützige Tätigkeit oder eine wirtschaftli-
che Betätigung ausgeführt wird – unter den Begriff des Diensteanbieters und
damit in den Anwendungsbereich der §§ 7 ff. TMG. Die Regelungen zur Haf-
tungsprivilegierung gemäß §§ 7 ff. TMG haben - bildlich gesprochen - eine Fil-
terfunktion. Liegt ein Sachverhalt vor, bei dem eine Haftung in Betracht kommen
könnte, ist erst zu prüfen, ob der Sachverhalt durch den Filter der §§ 7 ff. TMG
fällt, und dann ist zu prüfen, ob nach den speziellen Regelungen eine Haftung
überhaupt in Betracht kommt.
Abgestufte Verantwortlichkeit
nach §§ 7 ff. TMG
Filter
Spezielle Haftungsregeln
• Strafrecht
• Zivilrecht
• Urheberrecht
• Kennzeichenrecht
• Wettbewerbsrecht
• Datenschutzrecht
Abb. 2: Abgestufte Verantwortlichkeit nach §§ 7 ff. TMG
§§ 7 ff. TMG sehen eine sogenannte abgestufte Verantwortlichkeit vor. Derjenige
Diensteanbieter, der eigene Informationen zur Verfügung stellt, haftet voll nach
den allgemeinen Gesetzen. Dieser Informationsanbieter wird nicht privilegiert.
Gemäß § 8 TMG haftet der Dienstanbieter, der nur fremde Informationen in
Kommunikationsnetzen übermittelt und den Zugang zu diesen Netzen vermittelt
und bei technischer Erforderlichkeit, vorübergehend zwischenspeichert, nicht.
Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn er die Übermittlung selbst veranlasst hat,
den Adressaten persönlich ausgewählt hat oder die Information ausgewählt oder
verändert hat. Auch derjenige, der aus Gründen der schnelleren Übermittlung
zwischenspeichert (Caching), haftet gemäß § 9 TMG nicht. Wer hingegen fremde
Informationen speichert und hosted (zur Verfügung stellt), haftet gemäß § 10
TMG nur, wenn er positive Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder In-
formation oder Kenntnis von Tatsachen oder Umständen, aus denen die rechts-
widrige Handlung oder Information offensichtlich wird, hat und trotz der Kennt-
nis untätig bleibt. Er haftet auch, wenn er eine Aufsichts- oder Weisungsbefugnis
gegenüber dem Nutzer ausübt. M
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Abbildung 3
Umsetzung:
E-Commerce-
Verantwortlichkeit nach §§ 7 ff. TMG
Richtlinie Abgestufte Verantwortlichkeit
0% 100 %
Durchleitung Caching Speicherung Eigene
fremder Informationen
§ 8 TMG § 9 TMG Informationen
• Übermittlung fremder umfangreicher Aus-
Hosting § 7 Absatz 1 TMG
Informationen in Kommuni- nahme-Katalog in §
kationsnetzen 9 Absatz 1 § 10 TMG
• Zugangsvermittlung zum Ziffer 1 bis 5 TMG Ausschluss der Verantwortlich-
Kommunikationsnetz keit nach
Privilegierung: allgemeinen
• vorübergehende Zwischen- 1) • positive Kenntnis von Gesetzen
speicherungen, wenn und rechtswidriger Handlung
soweit technisch erforderlich oder Information oder
Ausnahme: • Kenntnis von Tatsachen oder
1. Übermittlung veranlasst Umständen, aus denen
2. Adressat ausgewählt rechtswidrige Handlung oder
3. Informationen ausgewählt Information offensichtlich wird
oder verändert +
• Untätigbleiben nach Kenntnis
2) Aufsicht oder Weisungsbefugnis
gegenüber Nutzer
Abb. 3: Verantwortlichkeit nach §§ 7 ff. TMG: Verantwortungsstufen
Ein Soziokulturelles Zentrum betreibt einen Blog. Dort tätigt ein Teil-
nehmer herabwürdigende Äußerungen gegenüber einem Dritten in Form
einer Schmähkritik. Zunächst ist zu prüfen, ob der Sachverhalt überhaupt durch
den Filter der §§ 7 ff. TMG fällt. Wenn ja, ist die Persönlichkeitsrechtsverletzung
zu prüfen und dann eine Haftung zu bejahen oder zu verneinen. In diesem Falle
würde das Soziokulturelle Zentrum erst haften, wenn es Kenntnis von den rechts-
verletzenden Äußerungen erhalten hätte und untätig geblieben wäre. Solange
diesbezüglich Unkenntnis bestand, weil es sich zum Beispiel nicht um einen
moderierten Blog handelte und die Informationen nicht kontrollierbar sind, würde
keine Haftung in Betracht kommen.
In diesem Zusammenhang sind aber zwei wichtige allgemeine Grundsätze zu
beachten:
a) Gemäß § 7 Absatz 2 Satz 1 TMG haben Diensteanbieter keine proaktiven
vorbeugenden Überwachungspflichten. Dies bedeutet, sie müssen, falls sie
fremde Informationen zur Verfügung stellen oder den Zugang zu Ihnen ver-
mitteln, nicht vorbeugend überwachen, ob in diesen Informationen Rechtsver-
letzungen enthalten sein könnten.
Die Rechtsprechung1 hat hier jedoch eine bedeutende Einschränkung ge-
macht, die es zu beachten gilt. Sobald der Diensteanbieter erstmalig Kenntnis
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von einer einzelnen Rechtsverletzung erhalten hat, muss er für die Zukunft
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eine allgemeine Vorabkontrolle zum Auffinden gleichartiger rechtswidriger
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