D Arbeits- und Personalrecht
D1 Allgemeine arbeitsrechtliche Grundlagen
AGB-Kontrolle im Arbeitsrecht
Zur Inhaltskontrolle von standardisierten Arbeitsverträgen
Joachim Benclowitz
Seit 1996 Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht; seit 1991 Geschäfts-
führer und Syndicus des Landesverbandes Nord im Deutschen Bühnenverein mit
Sitz in Hamburg; Dozent an der Hochschule für darstellende Kunst und Musik,
Hamburg
Inhalt Seite
D
1. Einleitung 3 1.3
1.1 Gegenstand der Kontrolle 3
S. 1
1.2 Das Problem der Einbeziehung in den Arbeitsvertrag 3
1.3 Maßstäbe für die Inhaltskontrolle 4
2. Gefährdete Klauseln – Änderungsvorbehalte 8
2.1 Verschiedene Beispiele von Änderungsvorbehalten 8
2.2 Gefährdete Klauseln – Widerrufsvorbehalte 11
2.3 Gefährdete Klauseln – Freiwilligkeitsvorbehalt 12
2.4 Gefährdete Klauseln – Ausschlussfristen 13
2.5 Gefährdete Klauseln – Form von Anzeigen und Erklärungen 15
2.6 Gefährdete Klauseln – Salvatorische Klausel 15
2.7 Gefährdete Klauseln – Schadenspauschalierung 16
2.8 Gefährdete Klauseln ohne Wertungsmöglichkeit (§ 309 BGB) –
Vertragsstrafenklauseln 16
2.9 Gefährdete Klausel – Verweisungsklauseln 18
2.10 Gefährdete Klauseln – Auflösungsvertrag 19
3. Rechtsfolgen der Unwirksamkeit einer Widerrufsklausel 20
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D1 Allgemeine arbeitsrechtliche Grundlagen
Viele Arbeitsverträge enthalten entweder eigene Klauseln in Formulararbeitsver-
trägen oder verweisen auf entsprechende Klauseln in Tarifverträgen. Seit dem In-
Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002 unterliegen
solche Vertragsklauseln in Formulararbeitsverträgen nunmehr einer sog. AGB-
Kontrolle. Da der Gesetzgeber die Vorschriften des AGB-Gesetzes insbesondere
in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) integriert und gleichzeitig die Anwendung
der AGB-Kontrolle ferner ausdrücklich auf Arbeitsverträge erstreckt, ergeben
sich in der täglichen betrieblichen Praxis erhebliche Rechtsanwendungsprobleme
und Unsicherheiten. Bei der Vertragsgestaltung und Formulierung von Formular-
arbeitsverträgen ist also höchste Vorsicht geboten.
Der nachfolgende Beitrag soll daher unter Berücksichtigung der jüngsten Recht-
sprechung die neue Rechtslage zur Inhaltskontrolle standardisierter Arbeitsver-
träge darstellen und die praktischen Konsequenzen bei der zukünftigen Gestal-
D tung von standardisierten Arbeitsverträgen aufzeigen.
1.3
S. 2
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1. Einleitung
Die für die arbeitsrechtliche Praxis wohl wichtigste Änderung aufgrund des Ge-
setzes zur Modernisierung des Schuldrechts1 ist die Erstreckung der AGB-
Kontrolle auf standardisierte Arbeitsverträge gem. § 310 Abs. 4 BGB. Der in
dieser Vorschrift zitierte "Abschnitt" meint die Gestaltung rechtsgeschäftlicher
Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen im Arbeitsrecht. Die
darin befindlichen §§ 305 - 310 BGB entsprechen im Kern den früheren Rege-
lungen in §§ 1 - 11 AGB-Gesetzes, das mit In-Kraft-Treten des Schuldrechtmo-
dernisierungsgesetzes gleichzeitig aufgehoben wurde.
1.1 Gegenstand der Kontrolle
§ 310 Abs. 4 Satz 1 BGB stellt zunächst klar, dass Tarifverträge, Betriebs- und D
Dienstvereinbarungen auch in Zukunft nicht der AGB-Kontrolle unterliegen. Dies 1.3
bedeutet, dass sich insoweit keine Änderungen ergeben. Tarifverträge (z. B. NV
S. 3
Bühne / TVK) unterliegen also weiterhin nur einer Rechtskontrolle, während in
Bezug auf Betriebs- und Dienstvereinbarungen die bisherige Billigkeitskontrolle,
die in ihrer Intensität hinter der AGB-Kontrolle deutlich zurückbleibt, weiterhin
praktiziert werden kann2.
Einbezogen sind damit ausschließlich Arbeitsverträge, soweit ihr Inhalt vom
Arbeitgeber "gestellt" ist (vgl. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB). Es muss sich also je-
weils um in den Formulararbeitsvertrag einbezogene AGB-Klauseln handeln.
1.2 Das Problem der Einbeziehung in den Arbeitsvertrag
Nach § 305 Abs. 2 BGB werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann
Vertragsbestandteil, wenn der Verwender, also Sie als Arbeitgeber, bei Vertrags-
schluss die andere Partei, also die Arbeitnehmerseite, auf sie hinweist und diese
in zumutbarer Weise hiervon Kenntnis nehmen kann. Nach § 305 Abs. 3 BGB ist
es möglich, für eine bestimmte Art von Rechtsgeschäften im voraus die Geltung
bestimmter AGB zu vereinbaren. Beide Bestimmungen finden im Arbeitsrecht
keine Anwendung, da sie in § 310 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz ausdrücklich ausge-
nommen sind. Hintergrund ist die Erwägung, dass insoweit das Nachweisgesetz
eingreift.3
Dies bedeutet, dass Sie als Arbeitgeber darauf achten sollten, dass eine Einbezie-
hungsvereinbarung stets unverzichtbar ist.
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Im Rahmen der Einbeziehung allgemeiner standardisierter Klauseln in den Ar-
beitsvertrag ist wichtig, dass überraschende Klauseln nicht Vertragsbestandteil
werden (§ 305 c Abs. 1 BGB). Hierbei handelt es sich um "Überraschungssituati-
onen" bei solchen Vertragsklauseln, die entweder inhaltlich überraschend sind
Beispiel: Ausgleichsquittung mit Verzicht auf Erhebung/Fortführung einer
Kündigungsschutzklage, Verweis auf branchen- oder ortsfremden Tarif-
vertrag
oder aber um Klauseln, die vom äußeren Erscheinungsbild überraschend sind
Beispiel: formale Überraschung bei versteckten Klauseln ("Kleingedruck-
tes"), z. B. bei Ausschlussfrist (vgl. BAG, Urteil vom 27.2.2002 - 9 AZR
543/00).
D
1.3 1.3 Maßstäbe für die Inhaltskontrolle
S. 4
Besonderheiten des Arbeitsrechts
Bei der Einbeziehungskontrolle ist zu beachten, dass nach dem Wortlaut von
§ 310 Abs. 4 Satz 2 iVm Satz 1 BGB die "im Arbeitsrecht geltenden Besonder-
heiten" im Rahmen des gesamten Abschnittes, also den §§ 305 - 310 BGB zu
berücksichtigen sind. Dies gilt insbesondere auch für die noch im Rahmen dieses
Beitrags anzusprechenden besonderen Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit
nach § 309 BGB.
Hierbei ist gerade im Hinblick auf Arbeitsverhältnisse in Kultur- bzw. Medienbe-
trieben (z. B. Theaterunternehmen / Presseunternehmen) zu beachten, dass die
§§ 305 - 310 BGB auch ausdrücklich für befristete Verträge bzw. Arbeitsverträge
in Tendenzunternehmen gelten.4
Beispiel: Spielzeitbezogene Verträge an Theatern/Gast- oder produktions-
bezogene Verträge
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