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Birgit Walter: Ökonomische Rechtfertigung öffentlicher Kulturförderung

5 Nov 2012
Birgit Walter: Ökonomische Rechtfertigung öffentlicher Kulturförderung
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Birgit Walter: Ökonomische Rechtfertigung öffentlicher Kulturförderung

  1. B 2.13 Ökonomische Rechtfertigung öffentlicher Kulturförderung Kultursubventionen als staatliche Intervention bei Marktversagen Birgit Walter Kultursubventionen stehen in Zeiten knapper öffentlicher Mittel immer wieder zur Diskussion: „Subventionen verfälschen doch nur den Markt“ – „Was wirklich gewollt ist, findet auch alleine einen Markt“ – so die gängigen Statements. Aber die Begriffe „Subvention“ und „Markt“ sind keine Gegner, sondern Partner, denn Subventionen sind ein Standardinstrument der klassischen Markt- theorie. Insofern sind Kultursubventionen ökonomisch rechtfertigbar, was hier im Folgenden dar- gestellt werden soll. Gliederung Seite 1. Einleitung 2 2. Externe Effekte 5 2.1 Argument I: Kultur als Standortfaktor 6 2.2 Argument II: Nationales Prestige 7 2.3 Argument III: Nationale Identität 8 2.4 Argument IV: Interpersoneller Austausch 9 3. Kollektivgüter 10 3.1 Argument V: Öffentlich zugängliche Kulturgüter 13 3.2 Argument VI: Intertemporalität 13 3.3 Argument VII: Optionsnutzen 14 4. Informationsmängel 14 4.1 Argument VIII: Nutzenunkenntnis 15 4.2 Argument IX: Unsicherheit 17 5. Unteilbarkeiten 18 5.1 Argument X: Institutionskosten als Fixkosten 19 6. Zusammenfassung und Ausblick 19 1
  2. B 2.13 Kultur und Politik Wirtschaft, Gesellschaft und Politik 1. Einleitung Gesellschaftlicher Ausgangspunkt aller Diskussion um die ökonomische Rechtfertigung Wohlstand durch die von Kultursubventionen ist zunächst einmal Adam Smith, Gründerva- „unsichtbare Hand“ ter der Volkswirtschaftslehre. In seinem berühmten Werk „The Wealth des Adam Smith of Nations“ aus dem Jahre 1776 stellt er eine auf den ersten Blick ver- wunderliche These auf: „Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers oder Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.“1 „Jeder einzelne wird sich darum bemühen, sein Kapital so anzulegen, dass es den höchsten Wert erzielt. Im Allgemeinen wird er weder im Sinn haben, das öffentliche Wohl zu fördern, noch wird er wissen, inwieweit er es fördert. Er interessiert sich lediglich für seine eigene Sicherheit und seinen eigenen Gewinn. Und dabei wird er von einer unsichtbaren Hand geleitet, ein Ziel zu verfolgen, das keineswegs in seiner Absicht lag. Indem er seinen eigenen Interessen dient, fördert er das Wohl der Allgemeinheit oft auf weit wirksamere Weise, als hätte es in seiner wahren Absicht gelegen, das Gemeinwohl zu fördern.“2 Zusammenhang Nach Adam Smith besteht also zwischen Eigeninteresse und gesell- zwischen Eigeninteresse schaftlichem Wohlstand nicht nur kein Widerspruch, wie man ja durch- und gesellschaftlichem aus intuitiv hätte vermuten können, sondern sogar ein kausaler Zu- Wohlstand sammenhang: die Verfolgung der eigenen Interessen ist der Garant für das Erreichen des gesellschaftlichen Wohlstands. Wie kann das sein? Der Grund besteht darin, dass Markt Tausch ist. Allerdings geht es bei jeder einzelnen dieser Tauschtransaktionen darum, dass jeder Markt- teilnehmer einen für ihn vorteilhaften Tausch durchführt. Ein Konsument wird nur dann ein Gut auf dem Markt erwerben, wenn der Preis, den er maximal für das Gut zu zahlen bereit wäre, höher ist als der Preis, den er tatsächlich am Markt zahlen muss, wenn also seine Zahlungsbereitschaft höher ist als der Marktpreis. Durch einen solchen Tausch bewirkt er eine Verbesserung seiner Situation, die sich durch die Differenz zwischen der Zahlungsbereitschaft und dem Marktpreis messen lässt, die so genannte Konsumentenrente. Der Pro- duzent wird spiegelbildlich hierzu nur dann ein Gut auf dem Markt verkaufen, wenn der Marktpreis höher ist als die Kosten der Herstel- lung des Guts. Auch er bewirkt durch diesen Tausch eine Verbesse- rung seiner Situation, und zwar in Höhe der Differenz zwischen Marktpreis und Herstellungskosten, die so genannte Produzentenrente. Somit erhöht jede einzelne dieser vorteilhaften Tauschtransaktionen das Gemeinwohl um die Summe aus Konsumenten- und Produzenten- rente. 2
  3. Kultur und Politik B 2.13 Wirtschaft, Gesellschaft und Politik So lange nun auf dem Markt noch für zwei Tauschpartner vorteilhafte Tauschtransaktionen möglich sind, werden die Marktteilnehmer diese durchführen, ohne dazu von irgendeiner übergeordneten Stelle an- gehalten werden zu müssen, da es sich dabei ja um die Verfolgung ihrer ureigenen Interessen handelt. Nach Abschluss aller beidseitig vorteilhaften Tauschtransaktionen wird sich der Markt in einem Zu- stand befinden, in dem kein Tausch mehr möglich ist, durch den sich beide Tauschparteien besser stellen. Es sind höchstens noch Tausch- transaktionen möglich, bei denen sich eine der beiden Parteien auf Kosten der anderen besser stellt. Aber ein solcher Tausch wird nicht zustande kommen, da sich ja keiner der Marktteilnehmer freiwillig schlechter stellt. Damit hat der Markt ganz ohne Eingriff von außen einen Zustand erreicht, der in der Wohlfahrtstheorie bereits einem Optimum entspricht, nämlich dem nach Vilfredo Pareto (1848–1923) benannten Pareto-Optimum, das wie folgt definiert ist: Eine Allokati- on – also die Zuweisung von Gütern und Faktoren auf Personen und Produktionsprozesse – ist dann (Pareto-)optimal, wenn es nicht mög- lich ist, durch eine Reallokation von Gütern und Produktionsfaktoren den Nutzen eines Wirtschaftssubjekts zu steigern, ohne dass mindestens ein anderes Wirtschaftssubjekt eine Nutzeneinbuße erleiden müsste. Dabei ist zu beachten, dass der Begriff des Nutzens in der Ökonomie entgegen des alltäglichen Sprachgebrauchs als Fachterminus verstan- den wird, der die gesamte Bandbreite von angenehm empfundenen Phänomenen – von Stillung von Hunger und Durst über die qualitäts- volle Gestaltung sozialer Beziehungen bis hin zu sinnstiftenden Erleb- nissen – beinhaltet. Wenn also nun der Markt ohne jeglichen Eingriff von außen ein Ge- Subventionen als sellschaftliches Optimum erreicht, wie passen dann Subventionen ins Korrekturinstrument Bild, die ja einen staatlichen Eingriff in das Marktgeschehen darstel- bei Marktversagen len? Sind sie dann nicht unnötig oder stellen gar eine Gefahr dafür dar, dass der Markt das Gesellschaftliche Optimum erreichen kann? Hier sind wir nun im Herzen des nicht ganz unproblematischen Umfelds angekommen, in dem Subventionen ihr Dasein fristen. Nicht selten wird ihnen bereits an dieser Stelle jegliche Existenz verweigert, wenn beispielsweise der Diskutant um die unsichtbare Hand des Marktes weiß, nicht aber um die restriktiven Prämissen, die erfüllt sein müs- sen, damit diese unsichtbare Hand das Optimum auch so automatisch erzeugen kann wie das modellhafte Bild es suggeriert. Ist in der Reali- tät nämlich irgendeine dieser restriktiven Annahmen nicht erfüllt, klaf- fen Optimum und das sich auf dem realen Markt einstellende Gleich- gewicht auseinander. Und dann sind Subventionen als Korrekturins- trument für dieses so genannte Marktversagen ebenso ökonomisches Handwerkszeug wie es vorher die unsichtbare Hand mit all ihren da- hinterliegenden ökonomischen Gesetzen war. 3
  4. B 2.13 Kultur und Politik Wirtschaft, Gesellschaft und Politik Ist Kultur mit anderen Nun ist zu prüfen, ob das Instrumentarium der volkswirtschaftlichen Gütern vergleichbar? Theorie des Markts, des Marktversagens und der auf die Korrektur von Marktversagen ausgerichteten staatlichen Eingriffe überhaupt sinnvoll auf den Bereich der Kultur angewendet werden kann. Inner- halb der theoretischen Volkswirtschaftslehre hat sich in den vergange- nen Jahrzehnten ein Forschungszweig etabliert, der unter der Über- schrift „Cultural Economics“ die im Bereich der Produktion und des Konsums von Kultur ablaufenden ökonomischen Prozesse analysiert. Ganz gleich, ob es sich um materielle Produktionsergebnisse wie ein Bild oder ein Buch oder um immaterielle Ergebnisse wie eine Theater- vorstellung handelt, spricht diese Forschungsrichtung von Kulturgü- tern (und -dienstleistungen) als einer speziellen Kategorie von Gütern, die sich von anderen Gütern dadurch abheben, dass sie ein kreatives oder künstlerisches Element enthalten. Die Herstellung dieser Güter verursacht Kosten, ihr Verbrauch erzeugt Nutzen. Zwischen Produzenten und Konsumenten steht der Markt als vermittelnde Institution und der Marktpreis als regulierende Variable, die Angebot und Nachfrage steuert. Sofern man sich auf diese sicher- lich fachspezifisch verkürzte Perspektive einlässt, stellen sich im Be- reich der Kultur die gleichen Fragen wie für alle anderen Arten von Gütern. Somit kann man sich bei der Diskussion um die Rechtferti- gung von Kultursubventionen auch des gleichen Instrumentariums wie bei den restlichen Gütern bedienen. Wenn es nun also gelingt zu zeigen, dass im Bereich der Kultur Ver- letzungen der Prämissen existieren, die die Voraussetzung dafür dar- stellen, dass sich auf dem Markt ganz ohne staatliche Eingriffe ein Gesellschaftliches Optimum einpendelt, wird der gesamte ökonomi- sche Katalog der Korrekturmöglichkeiten bei Marktversagen und da- mit auch das Korrekturmittel der Subvention anwendbar. Damit wären Kultursubventionen ökonomisch gerechtfertigt. Diese Grundsatzfrage soll nun in ihren verschiedenen Facetten erörtert werden: Die folgenden vier Kapitel tragen als Überschriften die vier klassischen Marktversagenskategorien „Externe Effekte“, „Kollektiv- güter“, „Informationsmängel“ und „Unteilbarkeiten“. Jedes Kapitel enthält zunächst einmal eine ökonomische Einführung in die jeweilige Marktversagenskategorie. Anschließend folgen diejenigen Argumente speziell für die Rechtfertigung von Kultursubventionen, die ökono- misch unter die jeweils behandelte Marktversagenskategorie zu sub- sumieren sind. 4
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