Poser: Rechtsprechungsübersicht zu Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten...
Funke: Versicherungsrecht für selbstständige Künstler, Musiker und Techniker
1. H Versicherungsrecht
H2 Versicherungsrecht der Künstler
Versicherungsrecht für selbstständig
tätige Künstler, Musiker und Techniker
Elmar Funke
Autor und Rechtsanwalt mit Tätigkeitsschwerpunkt im Medien- und Veranstaltungs-
recht; Düsseldorf
Inhalt Seite
1. Versicherungsschutz für Selbstständige
Selbstständige 2
2. Risk Management 4
3. Arten der Selbstständigen-Versicherung 5
3.1 Die Berufshaftpflichtversicherung 6
3.2 Unfallversicherung von Künstlern, Musikern und Technikern 8
3.3 Berufsunfähigkeitsversicherung 13
3.4 Krankenversicherung für ausländische Künstler in
Deutschland 19
3.5 Versicherung von elektronischen und sonstigen
Musikinstrumenten 20
Checkliste Risikomanagement 5
H
2.1
Checkliste Abschluss einer
S. 1
Berufsunfähigkeitsversicherung 18
Eine Vielzahl von Kulturschaffenden sind nicht als Angestellte, sondern als Selbstständige
tätig. Für sie stellt sich die wichtige Frage, wie berufsbezogene Risiken durch einen
Versicherungsschutz abgedeckt werden können, damit Personen- und Sachschäden nicht
die eigene finanzielle Existenz bedrohen. Der vorliegende Beitrag gibt eine Hilfestellung
zur Analyse der jeweiligen Risiken und stellt die relevanten Versicherungen vor. Er erläu-
tert insbesondere, wie die Versicherungsbedingungen gestaltet sein sollten, damit sie im
Schadensfall einen für den Kulturschaffenden günstigen Schutz entwickeln.
17 Kultur & Recht November 2002
2. H Versicherungsrecht
H2 Versicherungsrecht der Künstler
1. Versicherungsschutz für Selbstständige
Ein Großteil der Künstler und Musiker ist zumindest in Teilzeit selbstständig tätig. Auch
viele Techniker werden von Veranstaltung zu Veranstaltung engagiert oder für einen
gewissen Veranstaltungszeitraum, so dass auch sie vor dem Gesetz nicht als Angestellte
gelten. Daher muss sich jeder Selbstständige Gedanken über den Abschluss von Versi-
cherungen machen, um vorhandene, mit seiner Tätigkeit verbundene Risiken und etwaig
entstehende Schäden abzudecken.
Der nachfolgende Beispielsfall soll die typischen Haftungsrisiken aufzeigen.
Beispiel:
Während eines Rockkonzerts fällt der Mikrofonständer des auftretenden Künstlers ins
Publikum. Einer der Zuschauer wird am Auge verletzt. Er muss zwei Wochen stationär
im Krankenhaus behandelt werden. Er kann nur auf Grund glücklicher Umstände geret-
tet werden. Nach der Entlassung ist der Geschädigte, der im Computerbereich (Bild-
schirmarbeitsplatz!) tätig ist, noch sechs Wochen wegen Arbeitsunfähigkeit krank ge-
schrieben. Der Hauptschaden liegt in den Behandlungskosten sowie der Lohnfortzahlung
durch den Arbeitgeber. Der Geschädigte und sein Arbeitgeber wenden sich zunächst an
den Veranstalter. Dessen Haftpflichtversicherung kommt zunächst für den Schaden auf.
Sie fordert aber im Anschluss im Wege des Regresses die gezahlte Entschädigung vom
Künstler selbst zurück. Denn er ist in seinem Verhältnis zum Veranstalter nicht ange-
stellt, sondern selbstständig gewesen. Der Schaden beläuft sich insgesamt auf 7.000,- €.
Hinzu treten die Kosten für den anwaltlichen Rat und ein angemessenes Schmerzens-
geld. Da die Sehkraft auf dem betroffenen Auge nie mehr voll hergestellt werden kann,
muss der Geschädigte Zeit seines Lebens eine spezielle Kontaktlinse tragen. Diese Beein-
trächtigung ist mit 40.000,- € zu bewerten, da es sich bei dem Geschädigten um einen
jungen Mann handelt. Somit kann der Gesamtschaden auf 47.000,- € beziffert werden.
H Eine nicht geringe Summe, wenn man bedenkt, dass die Art der Verletzung nicht
2.1 schwerwiegend ist. Schließlich kann ein ähnlicher Unfall auch eine dauerhafte Pflegebe-
S. 2 dürftigkeit des Verletzten auslösen.
Liegt eine zum Schadensersatz verpflichtende deliktische Haftungsgrundlage vor
(§§ 823 ff. BGB), kam früher bei Verletzungen an Körper und/oder Gesundheit anders
als bei der vertraglichen Haftung zusätzlich ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Be-
tracht, § 847 BGB (alte Fassung).. Der frühere § 847 BGB wurde durch das Zweite
Schadensersatzrechtsänderungsgesetz zum 1.8.2002 abgeschafft und vom Wortlaut fast
unverändert in einen neuen § 253 Abs. 2 BGB übernommen. Diese Verankerung des
Schmerzensgeldanspruchs im allgemeinen Schuldrecht hat zur Folge, dass ein Schmer-
zensgeldanspruch im Gegensatz zum alten Recht auch bei vertraglicher Haftung in Frage
kommt.
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3. H Versicherungsrecht
H2 Versicherungsrecht der Künstler
Gesetzliche Grundlage für den Versicherungsvertrag ist das Versicherungsvertragsgesetz
(VVG). Dieses Gesetz enthält Bestimmungen über Art, Form, Rechte und Pflichten aus
dem Versicherungsvertrag. Der Versicherungsvertrag besteht aus einem Versicherungs-
antrag und einer Versicherungspolice. Der vom Versicherungsnehmer gestellte Antrag
führt die zu versichernden Risiken auf. Der Versicherungsvertrag kommt zustande mit
der Erteilung der Versicherung durch die Police.
Der Versicherungsvertrag wird auf Grundlage der Angaben des Versicherungsnehmers
geschlossen. Fehlerhafte oder unvollständige Angaben können dazu führen, dass der
Versicherungsschutz teilweise oder vollständig versagt wird. Im Falle des Schadensein-
trittes prüft daher die Versicherung zunächst, ob das Risiko voll abgedeckt war und somit
die gesamten Erstattungsansprüche erfüllt werden können. Relevant kann auch die
Definition des versicherten Risikos sein. Dazu ein Fall aus der Praxis, der vor dem OLG
Hamm verhandelt wurde (NJW 2000 S. 1729):
Beispiel:
Der Kläger war Hobbymaler und Eigentümer eines Mehrfamilienhauses, in dem er selbst
nur eine Wohnung nutzte. Die Rahmen für die von ihm gefertigten Bilder stellte er selber
her. Im Jahre 1998 kam es in der Nachbarwohnung zu einem Wasserschaden. Bei dieser
Gelegenheit wurden 72 der selbst hergestellten Bilderrahmen durchnässt. Folge war, dass
das Holz quellte, so dass Farbabweichungen an den Ledereinfassungen entstanden. Der
Schaden wurde insgesamt auf 36.813,02 EUR (72.000,- DM) beziffert. Der Maler wandte
sich an seine Hausratsversicherung, durch die er seit 1982 u. a. gegen Leitungswasser-
schäden versichert war. Die Versicherung lehnte die Regulierung des Schadens mit der
Begründung ab, dass es sich bei den Bilderrahmen nicht um Hausrat, sondern um
Kunstgegenstände handele, für die ausweislich des Versicherungsscheines eine Entschä-
digungsgrenze in Höhe von 25.462,34 EUR (49.800,- DM) vereinbart war. Das Gericht
gab jedoch der Klage des Malers in voller Höhe statt, weil es die in handwerklicher
Arbeit und ohne Zuordnung zu einem bestimmten Bild gefertigten Bilderrahmen nicht H
als Kunstgegenstände klassifizierte. 2.1
Insofern muss sich derjenige, der sich zum Abschluss einer Versicherung für gewisse S. 3
Risiken entschließt, darüber Klarheit verschaffen, was exakt versichert werden soll. Hier
sollte insbesondere ein Künstler oder Musiker, der mit selbst oder speziell für ihn ange-
fertigten Unikaten arbeitet, darauf achten, dass er nicht nur den Materialwert versichert,
sondern durch explizite Erwähnung im Versicherungsvertrag erreicht, dass auch ein
entsprechender Fertigungsaufwand bei der Versicherungshöhe berücksichtigt wird.
Auch bei korrekter Ermittlung der Versicherungssumme zum Zeitpunkt der Stellung des
Antrages, kann bei Eintritt des Schadensfalles eine Unterversicherung vorliegen. Ursache
dafür können beispielsweise der seit Vertragsschluss gestiegene Wiederbeschaffungswert
von Equipment oder inzwischen getätigte Neuanschaffungen sein. Der Selbstständige
sollte daher jährlich die Versicherungssumme anhand der Kostenentwicklung anpassen.
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4. H Versicherungsrecht
H2 Versicherungsrecht der Künstler
2. Risk Management
Der Selbstständige sollte darauf achten, dass er die Versicherungsbelastung in einem
wirtschaftlich vernünftigen Rahmen hält und gleichzeitig möglichst günstige Prämien-
Konditionen erzielt. Im Idealfall sind der tatsächliche Wert der versicherten Risiken und
die Versicherungssumme deckungsgleich. Anderenfalls liegt entweder eine Über- oder
eine Unterversicherung vor. Zwecks Vermeidung sollte der Selbstständige ein Risk Ma-
nagement durchführen, um folgende Ziele zu verwirklichen:
– Sicherung der eigenen Existenz als Selbstständiger,
– Sicherung der zukünftigen Tätigkeiten und Projekte,
– Senkung der Risikokosten.
Zur Erreichung dieser Ziele ist es erforderlich eine Risikoanalyse durchzuführen. Im
Rahmen der Risikoanalyse müssen die Faktoren
– potenzielle Schadenshöhe und
– Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes
berücksichtigt werden.
Nachdem die potenziellen Risiken erfasst wurden, gilt es im Rahmen des sog. Risiko-
Controllings die Vermeidung, Verminderung und Begrenzung der bestehenden Risiken
zu gewährleisten. Letzte Stufe des Risk Managements stellt die sog. Risikofinanzierung
dar. Dabei entscheidet der Selbstständige unter Berücksichtigung der vorher angestellten
Überlegungen, ob er die einzelnen Risiken versichert oder einen evtl. eintretenden
Schaden selbst tragen will und kann.
H Selbstverständlich ist das Risiko eigener Verletzungen für einen Feuerschlucker oder
2.1 Hochseilartisten höher als bei einem Solopianisten. Die Tätigkeit eines selbstständigen
S. 4 Feuerwerkers birgt ein höheres Gefährdungspotenzial für Zuschauer und unbeteiligte
Dritte als die eines Pantomime-Künstlers.
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