Kurt Eichler, Lothar Welsch: Ein städtischer Eigenbetrieb als Kulturholding. Am Beispiel der Kulturbetriebe Dortmund
1. Organisation und Personal E 2.1
Organisationsentwicklung
Ein städtischer Eigenbetrieb als
Kulturholding
Am Beispiel der Kulturbetriebe Dortmund
Kurt Eichler, Lothar Welsch
Seit vielen Jahren ist der Eigenbetrieb für einzelne Kultureinrichtungen in kommunaler Träger-
schaft ein bewährtes Betriebsmodell. Eigenbetriebe arbeiten wie Wirtschaftsunternehmen auf der
Grundlage des kaufmännischen Rechnungswesens, einer Gewinn- und Verlust-Rechnung sowie
einer jährlichen Bilanz. Sie sind jedoch in die demokratisch legitimierten Steuerungs- und Ent-
scheidungsstrukturen von Rat und Verwaltungsführung einer Gemeinde integriert. Eigenbetriebe
werden institutionell und haushaltsmäßig als kommunales Sondervermögen geführt. Wegen dieser
Einbindung in öffentlich-rechtliche Strukturen ist dieses Organisationsmodell so attraktiv, wenn für
öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen mehr Wirtschaftlichkeit und Effizienz erreicht wer-
den sollen. Im Rahmen der Verwaltungsreform und verbunden mit der Einführung neuer Steue-
rungselemente ist in der Dortmunder Kulturverwaltung 1995 ein Organisationsmodell entwi-ckelt
worden, das mittlerweile 12 unterschiedliche Kultureinrichtungen unter dem gemeinsamen Dach
eines Eigenbetriebes zusammenführt: die „Kulturbetriebe Dortmund“. Die Erfahrungen mit dieser
Kulturholding sind insgesamt positiv, sodass zwischenzeitlich auch andere Städte diese Betriebs-
form nachvollzogen haben.
Gliederung Seite
1. Problemaufriss 2
2. Allgemeine Rahmenbedingungen des Eigenbetriebes 2
3. Optionen für das Eigenbetriebsmodell in Dortmund 4
4. Bündelung der bisherigen Ämter und Institute im Eigenbetrieb 5
5. Innerbetriebliche Organisation 7
6. Wirtschaftsplan und Finanzsteuerung 9
7. Berichtswesen und Außenorientierung 11
8. Mitarbeiterstruktur 13
9. Verhältnis des Eigenbetriebes zur Stadt 14
10. Erfolgskontrolle, Kundenorientierung und Qualitätsmanagement 16
11. Ausblick 17
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2. E 2.1 Organisation und Personal
Organisationsentwicklung
1. Problemaufriss
Einbindung in Das klassische Instrument, um im Rahmen der Kommunalverwaltung
kommunalpolitische privatwirtschaftliche Steuerungsmechanismen einzuführen, ist seit
Willensbildung vielen Jahren der Eigenbetrieb. Diese Rechtsform bedeutet jedoch
keine Privatisierung im kommerziellen Sinne, denn der Eigenbetrieb
bleibt kommunales Eigentum und ist als Teil der Verwaltung in die
vorhandenen Steuerungs- und Entscheidungsstrukturen von Rat und
Verwaltungsführung der Gemeinde integriert. Diese Einbindung in
öffentlich-rechtliche Strukturen macht den Eigenbetrieb so attraktiv,
wenn für öffentliche Einrichtungen und Dienstleistungen mehr Wirt-
schaftlichkeit und Effizienz erreicht werden sollen. Er verbindet den
politischen Willensbildungsprozess im Rat und seinen Ausschüssen
mit einer Wirtschaftsführung, die auf der Grundlage des kaufmänni-
schen Rechnungswesens den Kapitalgesellschaften vergleichbar ist.
Zielsetzungen und Schwerpunkte der Kulturarbeit, Investitionen oder
auch anstehende Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen und ihre Fol-
gen sind öffentliche kulturpolitische Themen. In anderen Rechtsfor-
men, so der Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) oder der GmbH finden
solche kulturpolitischen Grundsatzdebatten allenfalls halb öffentlich
statt.
2. Allgemeine Rahmenbedingungen des
Eigenbetriebes
Eigenbetriebs- Die Eigenbetriebsverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen – und
verordnung dies ist in anderen Bundesländern vergleichbar geregelt – legt die
wichtigsten Eckpunkte für diese Betriebsform fest. Eigenbetriebe ha-
ben keine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie werden von einer Betriebs-
leitung selbstständig geleitet, der die laufende Betriebsführung auch in
wirtschaftlicher Hinsicht obliegt. In Abgrenzung zur klassischen „Äm-
terorganisation“ entscheidet die Leitung also nicht nur über Inhalte
und Programme, sondern im Rahmen des gewährten Zuschusses auch
über die zur Aufgabenerledigung notwendigen personellen und finan-
ziellen Ressourcen und über Gebäude, sofern dem Eigenbetrieb dieses
Betriebsvermögen übertragen wurde. Der Rat der Gemeinde bestellt
die Betriebsleitung und ist für den Beschluss über den Wirtschaftsplan
des Eigenbetriebes zuständig. Ein Betriebsausschuss übernimmt –
zum Teil treuhändlerisch für den Rat – bestimmte Kontroll- und Ent-
scheidungsfunktionen. Die Mitarbeiter – Beamte und Beschäftigte –
bleiben bzw. sind Mitarbeiter der Gemeinde. Der Bürgermeister ist
weiterhin ihr Dienstvorgesetzter. Damit besteht auch unter den Bedin-
gungen des Eigenbetriebes die Möglichkeit des Personalaustausches
zwischen dem Eigenbetrieb und der übrigen Verwaltung hinweg. Dies
ist insbesondere in der Gründungsphase von unschätzbarem Wert, da
den Mitarbeitern die Angst genommen wird, möglicherweise ein ab-
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3. Organisation und Personal E 2.1
Organisationsentwicklung
gesichertes Beschäftigungsverhältnis aufgeben zu müssen. Aber auch
im laufenden Betrieb hat sich diese Personalfluktuation sowohl aus
gesamtstädtischer wie auch aus Sicht des Betriebes oftmals als sehr
hilfreich erwiesen.
Bei Bildung des Eigenbetriebes wird das Betriebsvermögen ermittelt Kaufmännische
und in einer Eröffnungsbilanz festgehalten. Mit Gründung der Kultur- Wirtschaftsführung
betriebe Dortmund wurde entschieden, in das Betriebsvermögen auch
die von den Kultureinrichtungen genutzten Grundstücke und Gebäude
zu übertragen. Der Wirtschaftsplan ist jährlich aufzustellen und be-
steht aus dem Erfolgsplan, dem Vermögensplan und der Stellenüber-
sicht. Finanzwesen und Kostenrechnung folgen den Regeln der kauf-
männischen doppelten Buchführung. Vierteljährlich legt die Werklei-
tung dem Bürgermeister und dem Betriebsausschuss Zwischenberichte
über die wirtschaftliche Entwicklung des Betriebes vor. Am Schluss
eines jeden Wirtschaftsjahres ist ein Jahresabschluss aufzustellen, der
aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlust-Rechnung sowie dem Lage-
bericht der Geschäftsleitung besteht und der dem Jahresabschluss der
großen Kapitalgesellschaften entsprechen muss. Über die Pflichtbe-
standteile des Berichtswesens nach der Eigenbetriebsverordnung hi-
naus werden durch die bestehende Einbindung in die kommunalen
Verwaltungsstrukturen dem Betrieb in der Regel weitere Berichts-
pflichten auferlegt, wie in Dortmund durch die Verpflichtung, die sich
z. B. aus dem Abschluss von fachlich ausgerichteten Zielvereinbarun-
gen mit dem Bürgermeister oder den Beigeordneten ergeben.
Die Eckpunkte für den Eigenbetrieb machen deutlich, dass diese Neues
Rechtsform ursprünglich und in erster Linie für wirtschaftliche Unter- Steuerungsmodell
nehmen der Gemeinde (z. B. Verkehrs- und Versorgungsbetriebe) ge-
dacht war. Im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform und neuen
Steuerungsmodellen sind allerdings Eigenbetriebe auch in dafür auf
den ersten Blick eher untypischen Bereichen der Kommunen entstan-
den, etwa im Bau- und Grünflächenbereich, in kommunalen Rechen-
zentren, in der Wirtschaftsförderung, aber auch im Theater, wo die
Kommunale Gemeinschaftsstelle bereits im Jahr 1989 unter den Ge-
sichtspunkten einer effektiveren Kostensteuerung und als Modell für
die Verselbstständigung des Theaterbetriebes eine eigenbetriebsähnli-
che Beispielsform vorgeschlagen hat. Der Grund hierfür mag darin
liegen, dass diese Rechtsform der Betriebsleitung alle Möglichkeiten
des betriebswirtschaftlichen Handelns bietet, andererseits die Einrich-
tung nicht aus den kommunalen Entscheidungsstrukturen entlässt. Das
Land Nordrhein-Westfalen hat dieser Entwicklung in der Neufassung
der Eigenbetriebsverordnung (2004) auch durch eine betriebswirt-
schaftlichere Terminologie Rechnung getragen, als in der bisherigen
Fassung (z. B. Betriebsleitung und Betriebsausschuss statt Werklei-
tung und Werksausschuss).
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4. E 2.1 Organisation und Personal
Organisationsentwicklung
Dennoch ist im Kulturbereich die Rechtsform des Eigenbetriebes bis-
lang eher die Ausnahme als die Regel, obwohl nach dem Vorbild der
Kulturbetriebe Dortmund eine Reihe von vergleichbaren Einrichtun-
gen entstanden sind, vornehmlich in Nordrhein-Westfalen und in den
neuen Bundesländern.
3. Optionen für das Eigenbetriebsmodell in
Dortmund
Mit der Gründung des Eigenbetriebes Kulturbetriebe Dortmund zum
1. Januar 1995 hat die Stadt Dortmund im Rahmen der Kulturverwal-
tungsreform bundesweit erstmalig ein Modellprojekt realisiert, das
den kommunalen Kultureinrichtungen bei der Bewältigung der anste-
henden finanziellen Konsolidierungsmaßnahmen auf der Basis von
Budgetierung und organisatorischer Verselbstständigung neue, eigene
Handlungsmöglichkeiten eröffnen sollte. Hintergrund für diesen
Schritt waren die seit Anfang der 90er-Jahre
greifenden und fremdbestimmten (Einzel-)
Sparmaßnamen wie lineare Haushaltskürzun-
gen, Streichung von Angeboten, Schließung
von Einrichtungsteilen oder Wiederbeset-
zungs- und Einstellungssperren, die die Funk-
tionsfähigkeit der Kulturinstitute langsam,
Organisationsmodell Eigenbetrieb aber nachhaltig bedrohten.
Das Organisationsmodell des Eigenbetriebes Vor der Entscheidung für den Eigenbetrieb
empfiehlt sich, weil es die bewährten Strukturen wurden andere Betriebsformen diskutiert, vor
kommunaler Entscheidungsprozesse verbindet allem die GmbH und der optimierte Regiebe-
mit der Möglichkeit, auf der Basis des kaufmän- trieb. Beide Organisationsmodelle wurden
nischen Rechnungswesens zu wirtschaften und verworfen: die GmbH wegen des drohenden
zielorientiert Leitungsentscheidungen zu treffen Verlustes an Öffentlichkeit bei Willensbil-
und umzusetzen. Dabei werden die Kulturbe- dungs- und Entscheidungsprozessen, da Dis-
triebe von den verwaltungsweiten Sparzielen kussionen und Entscheidungsfindungen im
zwar nicht ausgenommen, können jedoch den Aufsichtsrat einer GmbH auch für den Rat und
notwendigen Konsolidierungsprozess eigenver- seine Ausschüsse nicht die für den kulturpoli-
antwortlich, bedarfsgerechter, effizienter sowie tischen Diskurs oft notwendige Offenheit und
orientiert an operativen Erfordernissen gestalten. demokratisch legitimierte Basis gewährleisten.
Auch wurde und wird mit der GmbH oftmals
die Erwartung verbunden, durch Abkopplung
vom Vergütungs- und Entlohnungssystem des
öffentlichen Dienstes finanzielle Gestaltungsspielräume zulasten der
Beschäftigten zu nutzen. Dies war nicht Ziel des Dortmunder Re-
formmodells. Der optimierte Regiebetrieb ist demgegenüber keine
eigenständige Rechtsform. Vielmehr ist er wie der Regiebetrieb in die
städtische Verwaltungsorganisation und den Haushalt eingebunden,
sorgt jedoch durch zusätzliche betriebswirtschaftliche Instrumentarien,
wie der Kosten- und Leistungsrechnung, für mehr Transparenz und
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