Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Manja Weinert: Ist das Ihr Ding? Patenschaften in Museen am Beispiel der Dingpflegschaften
1. F 3.14
Ist das Ihr Ding?
Patenschaften in Museen am Beispiel der Dingpflegschaften
Manja Weinert
Patenschaften erfahren eine Konjunktur – jedoch nicht in der Kirche, sondern im Museum. Wäh-
rend kirchliche Patenschaften seit langem rückläufig sind, bieten seit einigen Jahren immer mehr
Museen Patenschaften für ihre Sammlungs- und Ausstellungsobjekte an. Der folgende Beitrag wid-
met sich dem Potenzial solcher Patenschaften als Mittel des Fundraising, der Besucherbindung und
Öffentlichkeitsarbeit am Beispiel der sogenannten Dingpflegschaften des Werkbundarchiv – Muse-
um der Dinge (www.museumderdinge.de).
Gliederung Seite
1. Einleitung 2
2. Beispiel für Dingpflegschaften: Werkbundarchiv – Museum der Dinge 5
2.1 Die Einrichtung der Dingpflegschaften 6
2.2 Die Organisation der Dingpflegschaften 8
2.3 Der Dingpfleger und sein Pflegeding 10
2.4 Die Pflege des Dingpflegers 11
2.5 Vom Wesen der Dingpfleger 13
2.6 Vom Wesen der Dingpflegschaften 15
3. Fazit 17
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2. F 3.14 Finanzierung und Förderung
Private Kulturförderung
1. Einleitung
Begriff „Patenschaft“ Patenschaften bezeichnen eine freiwillige Fürsorgepflicht. Ihr Ur-
sprung liegt im religiösen Ritual der Taufe. Der Pate bezeugte vor
Einführung der Kirchenbücher in erster Linie die Taufe und trug mit
Sorge dafür, dass das getaufte Kind im rechten Glauben erzogen wur-
de. Der Begriff „Pate“ leitet sich ab vom lateinischen „patrinus“, was
als „Mit-Vater“ übersetzt werden kann oder auch als „Gevatter“, wie
man es aus dem Altdeutschen kennt.1 Die Taufpatenschaft als Ehren-
amt der christlichen Kirche sicherte die angemessene Vorbereitung des
Täuflings auf die Aufnahme in die Kirchengemeinde. Verbunden da-
mit war auch die etwaige Fürsorgepflicht des Taufpaten für das un-
mündige Kind, sollte dessen Eltern etwas zustoßen.
Patenschaften im Bereits im 18. und 19. Jahrhundert wurden erste Tendenzen einer
Umbruch Verweltlichung der Taufpatenschaften sichtbar. Bei der Wahl eines
Paten spielten neben einem untadeligen christlichen Lebenswandel
zunehmend sein Vermögen und Einfluss eine Rolle. Damit traten die
ursprünglichen Aufgaben des Paten in den Hintergrund.2 Parallel dazu
wurden seit Mitte des 19. Jahrhunderts auch Patenschaften für nicht
christlich getaufte Kinder initiiert, sodass die Aufgaben des Paten von
vornherein anders definiert waren.
Um 1850 führten Vertreter der freireligiösen Bewegung die Jugend-
weihe ein.3 Mit diesen Entwicklungen begann der Bedeutungsverlust
der christlichen Taufpatenschaft, der sich in stetig sinkenden Zahlen
von Taufen ausdrückt. Die Taufen der evangelischen Kirche in
Deutschland beispielsweise sind von 280.510 Taufen im Jahr 1997 auf
204.922 im Jahr 2008 gesunken.4 „Der Begriff Patenschaft befindet
sich offensichtlich im Wandel. Er beschreibt heute ganz allgemein die
Aufnahme einer unterstützenden und fördernden Beziehung. Sein
einst klarer Bezug zu einem wichtigen Ehrenamt der christlichen Kir-
chen ist nur eine mögliche Assoziation, wenn das Wort fällt.“5 Das
Engagement im religiösen Rahmen ist schon lange nicht mehr fest im
Alltag verankert. „Zurück bleibt eine unerfüllte vage Sehnsucht nach
Sinnstiftung …“6
Patenschaften im Diese erfüllen neue Formen der Patenschaften, in denen zumeist eine
weltlichen Kontext finanzielle Unterstützung eine zentrale Rolle spielt. Kinderhilfswerke
bieten beispielsweise Patenschaften für afrikanische Aidswaisen oder
lateinamerikanische Straßenkinder an. Zoos haben mittlerweile zahl-
reiche Paten für ihre Tiere gewinnen können. Seit 1994 kann man zum
Beispiel im Berliner Zoo Tierpatenschaften übernehmen und die Fut-
terkosten eines Tieres finanzieren.
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3. Finanzierung und Förderung F 3.14
Private Kulturförderung
Eine eher symbolische Tierpatenschaft entwickelte sich im Bereich
des Artenschutzes. Die finanzielle Zuwendung des Paten eines vom
Aussterben bedrohten asiatischen Tigers beispielsweise fließt nicht
direkt dem Tier zu, sondern der Organisation, die sich für die Erhal-
tung seiner Art engagiert. In Berlin übertrugen der Botanische Garten
und das Botanische Museum Berlin-Dahlem in Anlehnung an engli-
sche und amerikanische Vorbilder im Jahr 2000 das erfolgreiche Mo-
dell der Tierpatenschaften auf Pflanzen. Die zunehmend schwieriger
werdende Finanzierung machte es notwendig, neue Wege zu be-
schreiten.
Doch nicht nur für Pflanzen, sondern auch für Sitzbänke und die Res- Patenschaften
taurierung von Büchern können Patenschaften im Botanischen Garten für Dinge, Orte
und Museum übernommen werden. Die Ausweitung der Patenschaften und anderes
auf Nichtbelebtes setzte sich von Jahr zu Jahr fort. Heutzutage scheint
es in Deutschland fast nichts mehr zu geben, wofür man nicht Pate
werden kann. Neben Patenschaften für junge Leistungssportler, für
Familien und Schulklassen, für Rebstöcke, Bäume, gar für kilometer-
lange Alleen werden inzwischen auch Patenschaften für Stühle, Or-
gelpfeifen und für Fassadenteile bedeutender Bauwerke angeboten.
Zudem sind Patenschaften möglich für Friedhöfe, Haltestellen, Spiel-
plätze, Ehrenmale, Schlaglöcher und Packstationen. Abstrakter sind
Wetter- oder Hörfilmpatenschaften, Namens-, Wort- oder Projektpa-
tenschaften.
Wer spendet, kann Hoch- oder Tiefdruckgebieten einen Namen geben,
Pate des Wortes „Amtsschimmel“ werden, Hilfsprojekte des Deut-
schen Rotes Kreuzes unterstützen oder ein Sportstadion nach sich
benennen. All das wird heute unter dem Begriff „Patenschaft“ gefasst.
So verschieden die Patenschaften auch sind, ist doch allen der Gedan-
ke des gesellschaftlichen Engagements gemein. Paten werden als
Problemlöser angesprochen. Sie tragen bei zum Erhalt oder zur Förde-
rung verschiedenster gesellschaftlicher Bereiche.
Dieses Potenzial wurde auch von den Museen erkannt. Deren Anlie- Flaggschiff: das
gen, Kulturgut zu erhalten, erwies sich mit dem Patenschaftsgedanken Naturkundemuseum
des Schützens und Bewahrens als bestens vereinbar. Mittlerweile bie- Berlin
ten zahlreiche Museen Patenschaften für ausgewählte Objekte ihrer
Sammlungen an. Das wohl prominenteste deutsche Beispiel ist das
Naturkundemuseum Berlin. Mit einer groß angelegten Kampagne, die
von Partnern und Prominenten großzügig unterstützt wurde, weitete
das Museum als Fundraising-Maßnahme im Jahr 2004 sein Paten-
schaftsprogramm, das bis dahin nur Insektenkästen betraf, auf eine
Vielzahl von Objekten aus der wissenschaftlichen Sammlung aus.
Gegen eine einmalige Spende kann man dort beispielsweise lebens-
langer Pate eines ausgestopften Tieres, eines Fossils oder eines Meteo-
riten werden.
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4. F 3.14 Finanzierung und Förderung
Private Kulturförderung
Die Vielfalt der Ein Jahr darauf startete Die Kiste – Das Augsburger Puppentheater-
Patenschaften in museum mit Patenschaften. Weitere Museen folgten – wie das Über-
deutschen Museen see-Museum Bremen, das bereits von 2005 bis 2006 Patenschaften im
Rahmen einer Sonderausstellung anbot und nun auch für Objekte der
Dauerausstellung Patenschaften einrichtet, sowie das Augustinermu-
seum in Freiburg und das Staatliche Naturhistorische Museum Braun-
schweig, wo man seit 2006 Patenschaften für Sammlungsobjekte
übernehmen kann. Seit 2007 ist es möglich, sich als Münzpate für das
Berliner Münzkabinett zu engagieren. Auch das Göttinger Geowissen-
schaftliche Museum sucht seit 2008 Paten für seine Fossilien, Minera-
le und Meteoriten. Das Max-Klinger-Haus in Naumburg bietet seit
2009 Patenschaften für die Werke des Künstlers an. Unlängst konnte
man für die Dauer einer Ausstellung Patenschaften im Museum der
Weltkulturen in Frankfurt/Main antreten und derzeit sucht das Zoolo-
gische Forschungsmuseum Alexander Koenig Paten für die Realisie-
rung seiner geplanten Regenwald-Ausstellung. Diese Beispiele ver-
deutlichen, dass sich Patenschaften für Objekte musealer Sammlungen
mittlerweile weit verbreitet haben und sich als gängige Praxis im
Fundraising und in der Besucherbindung etablieren konnten.
Die Besonderheiten Über das ausgewählte Sammlungsobjekt wird dem Paten eine Identifi-
musealer Patenschaften zierung mit dem Museum ermöglicht, ihm ein emotionalerer Zugang
zur Sammlung gewährleistet. Die meisten Patenschaften in Museen
basieren auf Spenden, die in der Regel nicht der Pflege des einzelnen
gewählten Objekts zufließen, sondern für allgemeine restauratorische
und kuratorische Zwecke, für den Erhalt und Ausbau der Sammlungen
sowie für die Finanzierung von Ausstellungen verwendet werden.
Folglich handelt es sich in den Museen vorwiegend um symbolische
Patenschaften. Das unterscheidet sie von den Patenschaften für Kinder
oder Tiere, bei denen die Spenden gewöhnlich direkt dem Patenkind
oder Patentier zufließen. Ein weiterer wesentlicher Unterschied liegt
darin, dass die Paten von musealen Objekten keine Entwicklungen an
den Dingen beobachten können. Patenkinder werden groß, Patentiere
pflanzen sich fort – aber ein Teekessel beispielsweise bleibt, was er
ist. Vielmehr ist es sogar vom Museum ausdrücklich gewünscht, dass
er so bleibt, wie er ist, und nicht Patina oder Rost ansetzt über die
Jahre. Folglich gibt es hier keine fortlaufenden Neuigkeiten, keinen
Lebenszyklus, der als Pate begleitet werden kann, und erst recht keine
Interaktion. Patenschaften für Museumsobjekte funktionieren demzu-
folge anders als Patenschaften für Lebewesen.
Das Verantwortungsgefühl gegenüber einem musealen Gegenstand ist
weniger groß als das, welches einem Menschen oder Tier im Rahmen
einer Patenschaft entgegengebracht wird. Infolgedessen sind Patenschaf-
ten für Unbelebtes kürzer, wenn die Patenschaften wie im Naturkunde-
museum Berlin nicht von vornherein auf Lebenszeit angelegt sind. Aber
auch dort stellt sich die Frage, ob die Person, die mit einer einmaligen
Spende zum Paten wird, nach mehreren Jahren noch immer einen Bezug
zum gewählten Objekt (und zum Museum) herstellen kann.
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