Röckrath: Rechtsbeziehungen beim Ticketvertrieb über Vorverkaufsstellen und die Stellung des Veranstalters in der Insolvenz der Vorverkaufsstelle
L Vertragsgestaltungen in den einzelnen Kultursparten
L7 Allgemeine Verträge
Rechtsbeziehungen beim Ticketverkauf
über Vorverkaufsstellen und die Stellung
des Veranstalters in der Insolvenz der
Vorverkaufsstelle
Prof. Dr. Gereon Röckrath
Geschäftsführer der HamburgMusik gGmbH – Elbphilharmonie und Laeiszhalle
Betriebsgesellschaft und Geschäftsführer der Elbphilharmonie und Laeiszhalle
Service GmbH, Lehrbeauftragter am Institut für Kultur- und Medienmanagement
der Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Inhalt Seite
1. Einleitung 3
2. Absatzwege für den Ticketverkauf 3
2.1 Ticketverkauf über eigene Vertriebsmöglichkeiten des Veranstalters4
2.2 Verkauf im elektronischen Geschäftsverkehr 4
2.3 Ticketverkauf über Vorverkaufsstellen 6
3. Rechtsbeziehungen beim Ticketverkauf über Vorverkaufsstellen6
3.1 Die Dreiecksbeziehung 7
3.2 Inhalte des Vorverkaufsstellenvertrages 8
3.3 Rechtliche Einordnung des Vorverkaufsstellenvertrages 10
3.4 Erscheinungsformen des Handelsvertreters 11
3.5 Rechte und Pflichten des Veranstalters als Handelsherr und der
Vorverkaufsstelle als Handelsvertreter 14
3.6 Inhalt und Wirkung des von der Vorverkaufsstelle abgeschlossenen
Vertrages 18
3.7 Befugnis zur Verwendung der Kundendaten 21
3.8 Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen 22
3.9 Abrechnung zwischen Vorverkaufsstelle und Veranstalter unter
Berücksichtung des Insolvenzrechts 25
3.10 Die Bürgschaft als Sicherungsinstrument für die Ticketgelder 39
3.11 Alternativen zur Bürgschaft 46 L
3.12 Treuhänderische Verwahrung 48 7.10
S. 1
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Vertragsmuster für Vorverkaufsstellenvertrag 9
Mustertext Handlungsvollmacht für den Ticketverkauf 12
Mustertext für den Abbuchungsauftrag für Lastschriften 28
Mustertext für die Ermächtigung zum Einzug von
Forderungen durch Lastschriften, die der Zahlungspflichtige
dem Zahlungsempfänger erteilt 29
Mustertext für SEPA-Lastschriftmandat 32
Muster für einen Avalkreditvertrag 41
Muster einer Bürgschaftserklärung 44
L
7.10
S. 2
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1. Einleitung
Auch wenn Kultureinrichtungen ein ideelles Produkt anbieten, müssen sie zeit-
gemäße Vermarktungs- und Vertriebsstrategien entwickeln, die ihrem Unterneh-
menszweck angemessen sind und ihren wirtschaftlichen Erfolg sichern. Die Be-
sucherauslastung, die für die Höhe der Ticketeinnahmen ausschlaggebend ist,
hängt dabei primär von der künstlerischen Attraktivität der Veranstaltung ab.
Gleichwohl sind zielgruppenorientierte Marketingmaßnahmen, die eine breite
Öffentlichkeit auf das Kulturereignis aufmerksam machen, und die Wahl wirksa-
mer Absatzkanäle für die Eintrittskarten wichtige Erfolgsfaktoren. Den Vertrieb
und Verkauf der Eintrittskarten muss eine Kultureinrichtung höchst effizient
steuern, um die gewünschte Besucherauslastung zu erreichen.
2. Absatzwege für den Ticketverkauf
Die Betriebswirtschaftlehre fasst unter den Begriff „Direktvertrieb“ sowohl die
Distribution über den Hersteller als auch den Vertrieb über Absatzhelfer, die zwar
rechtlich selbstständig sind, aber im Auftrag des Herstellers für diesen tätig wer-
den. Als indirekter Absatz wird der Vertrieb über wirtschaftlich selbstständige
Unternehmen (z.B. Groß- und Einzelhandel, Franchising) bezeichnet, auf die der
Hersteller nur einen geringen Einfluss hat1. Für den Ticketverkauf spielt der indi-
rekte Vertrieb keine Rolle.
Als Vorteile des Direktabsatzes werden der Einfluss des Herstellers auf den Ab-
satzkanal und der direkte Zugang zu Kundeninformationen angesehen. Als wich-
tige Kriterien für die Wahl des Direktabsatzes gelten die Erklärungsbedürftigkeit
der Produkte und die „monopolähnliche“ Stellung als Spezialhersteller.2 Diese
betriebswirtschaftlichen Aspekte sind auf den Ticketverkauf übertragbar. Kultur-
einrichtungen wollen die Servicequalität gegenüber dem Kunden selbst definieren
und suchen die Nähe zum Kunden als „Lieferanten“ wichtiger Informationen
über seine künstlerischen Präferenzen. Außerdem möchten die Kultureinrichtun-
gen eine kompetente Information über das künstlerische Angebot und die für die
Platzwahl wichtigen Gegebenheiten ihrer Spielstätte gewährleisten.
Die Kultureinrichtungen stehen zwar in Konkurrenz zu den anderen Freizeitan-
bietern aus den Bereichen Sport und Unterhaltung, gleichwohl lässt sich zumin-
dest für einzelne Kultursparten eine „monopolähnliche Stellung“ rechtfertigen.
Mit Ausnahme einzelner Metropolen (Berlin/München/Hamburg) unterhalten
L
Städte ein einziges Opern- und ein einziges Schauspielhaus. Die von diesen Häu-
7.10
sern angebotenen künstlerischen Darbietungen sind jedenfalls in der Stadt kon-
kurrenzlos. Im Konzertbereich sind sowohl in der E-Musik als auch in der U- S. 3
Musik unterschiedliche Veranstalter aktiv. Außerdem handelt es sich bei den von
den Kultureinrichtungen angebotenen künstlerischen Darbietungen in den aller-
meisten Fällen um Unikate, die die Annahme einer quasi „monopolähnlichen“
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Stellung der Kultureinrichtung begründen. Künstlerische Werke und Darbietun-
gen sind überaus „heterogene“ Güter, die untereinander weder gut vergleichbar
sind noch leicht substituiert werden können.3 Ein Klavierrecital von Marta Arge-
rich ist etwas völlig anderes als ein Arienprogramm mit Anna Netrebko. Martinek
bringt dies treffend mit dem Satz auf den Punkt: „Ein ‚Günter Grass’ ist nur
schwer durch einen ‚Patrick Süskind’ zu ersetzen.“4
Diese Unvergleichlichkeit künstlerischer Darbietungen wird noch stärker bei
einer Kultursparten übergreifenden Betrachtung (Oper/Theater/Konzert/Musical)
sichtbar. Die Heterogenisierung von Gütern verringert tendenziell den Wettbe-
werb, dem die Veranstalter mit ihren künstlerischen Darbietungen auf ihrem
Teilmarkt ausgesetzt sind.5
Kultureinrichtungen können also für ihren Direktvertrieb eigene Verkaufsorgane
errichten und/oder unternehmensfremde Verkaufsstätten einsetzen. Meist kombi-
nieren die Kultureinrichtungen beide Absatzkanäle.6
2.1 Ticketverkauf über eigene Vertriebsmöglichkeiten des
Veranstalters
Tageskassen dienen dem Einzelkartenverkauf und Abonnementbüros betreuen die
für die Publikumsauslastung der Opern und Schauspielhäuser so wichtigen
Abonnenten. Der mit der Einrichtung und Unterhaltung derartiger Kartenver-
triebseinrichtungen verbundene personelle, organisatorische und finanzielle Auf-
wand wird in Kauf genommen, da die eigenen Verkaufspunkte der Kultureinrich-
tungen Kundennähe und -bindung gewährleisten. Die Kultureinrichtungen lernen
ihre Besucher besser kennen und können sie gezielt für Marketingmaßnahmen
ansprechen. Zudem bietet der eigene Ticketservice eine höhere Qualität der Kun-
denberatung als der Service externer Verkaufseinrichtungen. Die eigenen Ver-
kaufsmitarbeiter sind in der Regel mit dem künstlerischen Programm des Hauses
besser vertraut und verfügen über genauere Kenntnisse der Gegebenheiten der
eigenen Spielstätte – insbesondere der Hör- und Sichtqualität der verschiedenen
Plätze.
2.2 Verkauf im elektronischen Geschäftsverkehr
Daneben bieten die Kultureinrichtungen ihre Tickets über die eigene Homepage
im Internet an und nutzen damit die Vorteile auch dieses Absatzkanals. In Abhän-
L gigkeit von der Qualität der Homepage können dem interessierten Publikum
7.10 kostengünstig Informationen zum Programm und den Künstlern (z.B. Werkdar-
S. 4 stellungen, Künstlerbiografien, Künstlerinterviews sowie Hörbeispiele) vermittelt
werden. Aufwendige, teils sogar dreidimensionale Saalplananimationen und
Funktionalitäten wie Bestplatzbuchungen bieten komfortable Hilfestellungen bei
der Platzwahl. Der Kunde kann in dafür vorgesehenen Feldern mit Anklicken
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