Rundshagen: Doppelbesteuerungsabkommen – Abgabenpflicht für ausländische Künstler und Befreiungsabkommen
E Steuerrecht
E1 Die Besteuerung des Künstlers
Doppelbesteuerungsabkommen
Abgabepflicht für ausländische Künstler und Befreiungsabkommen
Helmut Rundshagen
Rechtsanwalt und Steuerberater mit den Beratungsschwerpunkten internationales
Steuerrecht und Steuergestaltung, Partner bei der Ernst & Young AG Wirtschafts-
prüfungsgesellschaft.
Inhalt Seite
1. Überblick 3
2. Geltungsbereich/Wirkung von Doppelbesteuerungsabkommen 3
2.1 Rechtliche Einordnung von DBA 3
2.2 Begrenzung des nationalen Steueranspruchs durch DBA 5
2.3 Einkunftsarten nach DBA und nationales Recht 6
2.4 Anwendung von DBA in der Praxis 7 E
3. Künstler mit Einkünften nach Art. 17 OECD-MA 8 1.3
3.1 Künstlerbegriff nach Art. 17 Abs. 1 OECD-MA (Tatbestand) 8 S. 1
3.2 Zahlungen an Dritte und Künstlervermittlung
Art. 17 Abs. 2 OECD-MA 10
3.3 Rechtsfolgen des Vorliegens von Art. 17 OECD-MA 10
3.4 Abkommensüberblick zu Art. 17 OECD-MA 11
4. Andere Einkünfte nach DBA 13
4.1 Lizenzeinkünfte Art. 12 OECD-MA 13
4.2 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit Art. 14 OECD-MA 13
4.3 Einkünfte aus nicht selbständiger Tätigkeit Art. 15 OECD-MA 15
4.4 Einkünfte aus Unternehmensgewinnen Art. 7 OECD-MA 15
5. Rechtsfolgenübersicht 16
6. Begünstigung von Kulturvereinigungen und Kulturaustausch 17
6.1 Regelung in einzelnen DBA’s 17
6.2 Verhältnis zu nationalen Regelungen 17
6.3 Abkommensübersicht 17
7. Freistellung von der inländischen Besteuerung 18
7.1 Fälle der Freistellung im Überblick 18
7.2 Ausnahmen von der Freistellung (Switch-over- und
Subject-to-tax-Klauseln) 19
7.3 Verfahren zu Freistellung 20
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Checkliste zur Feststellung, ob das Besteuerungsrecht
der BRD zusteht 7
Für einen ausländischen Künstler und für Veranstalter internationaler Festivals
stellt sich regelmäßig die Frage nach der Besteuerung von Künstlereinkünften.
Die Ermittlung der relevanten Norm, die Auskunft über die Abgabenpflicht gibt,
ist eine anspruchsvolle Recherche. Denn eine Vielzahl von Doppelbesteuerungs-
abkommen mit anderen Staaten und die unterschiedliche Behandlung der
Einkunftsarten sind dabei zu berücksichtigen. Der vorliegende, sehr gelungene
Beitrag gibt Aufschluss über die Rechtsgrundlagen und ihr Verhältnis zueinander
sowie eine Hilfestellung, welche die Vorgehensweise zur steuerrechtlichen
Einordnung des Sachverhaltes erleichtert.
E
1.3
S. 2
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1. Überblick
Kulturelles Leben überschreitet insbesondere in Europa regelmäßig Landesgren-
zen. Diese Bereicherung von Musik, Theater und bildender Kunst hat jedoch für
Künstler und Veranstalter auch steuerliche Folgen in zwei oder mehr Staaten, die
zum Teil außerordentlich komplex zu beherrschen sind. Mehrfachbesteuerung
einer Person hinsichtlich einer Einkunftsquelle ist dabei zu vermeiden. Diese
resultiert zumeist daraus, dass der Wohnsitzstaat das weltweite Einkommen und
zusätzlich der Quellenstaat – z. B. bei Auftritten von Künstlern – isoliert einen
Einkunftsbestandteil besteuern.
Das kodifizierte Steuerrecht eines Staates findet hierzu in vielen Fällen seine
Schranken in Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung - aus Vereinfa-
chungsgründen missverständlich auch als Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)
bezeichnet, die mit anderen Ländern abgeschlossen werden. Zwischen den zwei
vertragsschließenden Staaten wird das Steuersubstrat in den Fällen der Doppelbe-
steuerung „verteilt“, um die Bürger des jeweils eigenen Staates bei grenzüber-
schreitenden Aktivitäten vor dem Zugriff beider fiscii zuschützen. Die tatsächli-
che Besteuerung findet in den durch das Abkommen gezogenen Grenzen jedoch E
nach den jeweils geltenden Regeln des nationalen Rechts statt. 1.3
S. 3
Für die Künstlerbesteuerung ist die Frage, ob und was für ein Doppelbesteuerungs-
abkommen zwischen dem Wohnsitzstaat des Künstlers und seinem Auftrittsstaat
geschlossen ist von maßgeblicher Bedeutung, weil in jüngeren Abkommen eine
Spezialklausel enthalten ist, die die Besteuerung auftretender Künstler regelt. Auch
Deutschland hat diese Klausel in sehr vielen DBA übernommen. Der nachfolgende
Beitrag beschäftigt sich daher insbesondere damit, welche Einschränkungen das
deutsche Besteuerungsrecht beim Auftritt ausländischer Künstler durch Art. 17 des
OECD-Musterabkommen (OECD-MA) erfährt und in welchem Verhältnis dieser
Abkommensartikel zu dem nationalen Recht steht.
2. Geltungsbereich/Wirkung von
Doppelbesteuerungsabkommen
2.1 Rechtliche Einordnung von DBA
Bei Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung handelt es sich im bila-
terale völkerrechtliche Verträge zwischen den vertragsschließenden Staaten.
Durch diese Verträge werden zunächst nur diese Staaten gebunden. Unmittelbare
Geltung haben sie dagegen für die Steuerpflichtigen erst durch die Transformati-
on in nationales Recht. Hierzu gibt es grundsätzlich zwei rechtstechnische Wege:
- Zum einen kann die Verfassung eines Landes vorsehen, dass automatisch alle
völkerrechtlichen Verträge auch unmittelbar geltendes Recht für die Bürger
sind, so dass diese aus den völkerrechtlichen Verträgen subjektiv öffentliche
Rechte herleiten können.
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- Alternativ, und so ist es in Deutschland der Fall, erfordert die Begründung
subjektiv öffentlicher Rechte der Steuerpflichtigen aus einem solchen Ab-
kommen ein Transformationsgesetz, das den Charakter eines einfachen Bun-
desgesetzes hat.
Im Hinblick auf die Rechtsquellenhierarchie ist deshalb zu bedenken, dass das
Doppelbesteuerungsabkommen, auf das sich der Steuerpflichtige beruft, nicht der
völkerrechtliche Vertrag ist, sondern das einfache Bundesgesetz gleichlautenden
Inhalts. Dies ist deshalb besonders wichtig, weil es erklärt, weshalb andere Steu-
ergesetze als Spezialregelungen im Einzelfall die Normen eines Doppelbesteue-
rungsabkommens verdrängen können, ohne dass damit ein Verstoß gegen höher-
rangiges Recht verbunden ist.
Außerdem hat das Erfordernis der Transformation des völkerrechtlichen Vertra-
ges in einfaches Bundesrecht zur Konsequenz, dass für die Besteuerung immer
nur die Fassung maßgeblich ist, die tatsächlich in einem Bundesgesetz überführt
wurde. In Fällen, wo nach der Transformation in einfaches Bundesrecht die ver-
tragsschließenden Staaten Protokolländerungen zur Auslegung des Abkommens
E vornehmen oder Anpassungen vereinbaren, erfahren diese erst für die nationale
1.3 Besteuerung Geltung, wenn entsprechend das Bundesgesetz über die Transfor-
S. 4 mation des Doppelbesteuerungsabkommens ergänzt oder geändert wird. Der
Bundesfinanzhof hat mehrfach entschieden, dass bei fehlendem Transformations-
akt, die Finanzverwaltung nicht die Möglichkeit hat, sich bei der Durchführung
der Besteuerung auf die Protokollergänzungen zu berufen, weil sie nicht gelten-
des Recht gegenüber dem Steuerpflichtigen geworden sind.
Hervorzuheben ist, dass alle DBA die Deutschland geschlossen hat, individuelle
Regelungen enthalten. Es gibt kaum ein Abkommen, das mit dem Wortlaut eines
anderen DBA wirklich identisch ist. Deutschland hat zur Zeit mit ca. 72 Ländern
DBA geschlossen, die sich jedenfalls im Detail alle unterscheiden. Selbst mit den
EU-Staaten bestehen individuelle Vereinbarungen, die zum Teil erhebliche Unter-
schiede gerade auch für den Bereich der Künstlerbesteuerung aufweisen. Dennoch
ist eine einheitliche Systematik vorhanden. Deutschland lehnt seine Abkommens-
praxis nämlich an das OECD-Musterabkommen (OECD-MA) an, so dass regelmä-
ßig nur die Besonderheiten des Steuerrechts des jeweiligen Vertragsstaates oder
andere wirtschaftliche Ziele berücksichtigt werden müssen. Art. 17 des OECD-MA
hat die Zuweisung des Besteuerungsrechtes von Künstlern und Sportlern, die in
dem jeweils anderen Staat auftreten, zum Gegenstand. Andere, nicht von diesem
Artikel erfasste Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit sind anderen Artikeln des
OECD-MA zuzuordnen. Zu nennen sind dabei insbesondere:
- Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Art. 14),
- aus nicht selbständiger Tätigkeit (Art. 15),
- Gewerbebetrieb (Art. 7) und
- Lizenzeinnahmen (Art. 12).
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