Sabine Bornemann: EU-Förderung für Kulturprojekte. Worauf es bei der Antragstellung ankommt
F 2.1
EU-Förderung für Kulturprojekte
Worauf es bei der Antragstellung ankommt
Sabine Bornemann
In Zeiten knapper Kassen schärft sich der Blick auf europäische Fördergelder. Da diese gerade für
den Kulturbereich vergleichsweise bescheiden sind, jedoch alternativ durchaus Förderprogramme
anderer europäischer Politikbereiche für Kulturprojekte nutzbar sind, gewinnen solide Kenntnisse
der europäischen Förderlandschaft sowie der einschlägigen Kriterien an Gewicht.
Genauso wichtig wie die Kenntnis der operativen Richtlinien ist dabei das Verständnis für die
zugrunde liegende Logik – die Schulung des Blicks „durch die EU-Brille“ – sowie das Wissen um
einschlägige Fundstellen und das unterstützende Serviceangebot des Cultural Contact Point Ger-
many (CCP), der nationalen Kontaktstelle für Kulturförderung der Europäischen Union.
Gliederung Seite
1. Rechtliche Grundlagen europäischer Kulturförderung 2
2. Programm KULTUR (2007–2013) 5
3. Andere für den Kulturbereich nutzbare EU-Förderprogramme 22
4. Cultural Contact Point Germany 27
KMP 1 25 11 10 1
F 2.1 Finanzierung und Förderung
Öffentliche Kulturförderung
1. Rechtliche Grundlagen europäischer
Kulturförderung
1.1 Artikel 167 des Vertrags über die Arbeitsweise
der Europäischen Union:
Auswirkung auf die Förderkriterien
Verpflichtung zu „In Vielfalt geeint“ lautet ein Wahlspruch der Europäischen Union.
zwischenstaatlicher Europäer eint eben nicht nur die gemeinsame Währung oder der
Zusammenarbeit und Lissabon-Vertrag. Europa gründet vor allem auf einer einzigartigen
Kofinanzierung Vielfalt nationaler und regionaler Kulturen, die durch eine gemeinsa-
me Geschichte zum gemeinsamen Kulturerbe werden. Erst zu Beginn
der 90er-Jahre fand die Kultur Berücksichtigung im europäischen
Einigungsvertrag. Seitdem bietet der entsprechende Artikel (aktuell
Artikel 167 des Lissabon-Vertrags, 2009) die Grundlage für die Förde-
rung von Kulturprojekten, wobei er diese
jedoch an bestimmte Voraussetzungen bindet.
Dem Schutz vor etwaiger Harmonisierung im
Kulturbereich und somit der Kulturhoheit der
einzelnen Länder dient das Subsidiaritätsprin-
zip, das heißt die Vorgabe, dass die EU ledig-
lich die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten
Zusammenarbeit verschiedener Institutionen auf kulturellem Gebiet finanziell bezuschus-
sen darf. Dabei soll sie zur Entfaltung der
Kulturarbeit ragt in alle gesellschaftlichen Be- Verschiedenartigkeit der europäischen Kultu-
reiche hinein und wirkt häufig kulturell und ren beitragen. Gleichzeitig geht es darum,
geografisch grenzüberschreitend. Sie berührt einen gemeinsamen europäischen Kulturraum
in der Regel mehrere Ressorts der öffentlichen zu schaffen. Daher wird auch das gemeinsame
Verwaltung. Zur Unterstützung der Kulturarbeit europäische Kulturerbe hervorgehoben (Abs.
ist ein enges Miteinander von Kulturbehörden
1 und 2). So trägt die Kulturförderung zur
mit anderen Behörden und Ämtern unverzicht-
bar. Dies gilt lokal ebenso wie überregional und Integration Europas bei.
international.
Schon aus den ersten Zeilen des Kulturpara-
grafen ergeben sich neben inhaltlichen auch
formale Förderkriterien: Es muss sich in jedem Fall um Kulturprojekte
handeln, die in Kooperation mit (mehreren) anderen Ländern durchge-
führt werden. Außerdem darf der EU-Zuschuss nur eine Teilfinanzie-
rung sein. Bei der Antragstellung ist bereits nachzuweisen, dass der
Rest des Budgets gesichert ist.
Erwünschte Von besonderem Interesse ist zudem der oft zitierte Absatz 4, die sog.
Brückenschläge zu „Kulturverträglichkeitsklausel“. Diese verpflichtet die EU dazu, Kul-
anderen Politikbereichen tur auch in anderen Politikfeldern zu berücksichtigen und unterschied-
liche Ziele in Einklang zu bringen. Bevor Verordnungen beschlossen
werden wird geprüft, welche Auswirkungen diese auf den kulturellen
Sektor haben. Tangiert sind hier z. B. das Steuerrecht, das Urheberrecht,
die grenzüberschreitende Buchpreisbindung etc. Außerdem besagt die
2 KMP 1 25 11 10
Finanzierung und Förderung F 2.1
Öffentliche Kulturförderung
Klausel, dass kulturelle Aspekte bei der Förderung von Aktivitäten in
anderen Politikfeldern ebenfalls berücksichtigt werden sollen. Zum
einen folgen hieraus weitere Kriterien für das Kulturprogramm, näm-
lich erwünschte Brückenschläge der kulturellen Projekte zu anderen
Politikbereichen wie Soziales, Wirtschafts-/Tourismusförderung, Öko-
logie etc. Zum anderen ergibt sich die Möglichkeit, eine Förderung
von Kulturprojekten auch in anderen EU-Programmen zu beantragen,
sofern deren Voraussetzungen erfüllt sind. Infrage kommen u. a. die
Programme für Jugend, Forschung, Bildung, Strukturförderung und
Interregionale Zusammenarbeit sowie Programme der EU-Außen-
beziehungen.
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – Titel XIII –
KULTUR
Artikel 167 (Vertrag von Lissabon, 2009, ex-Artikel 151 EGV)
1. Die Gemeinschaft leistet einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedsstaaten unter
Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemein-
samen kulturellen Erbes.
2. Die Gemeinschaft fördert durch ihre Tätigkeit die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaa-
ten und unterstützt und ergänzt erforderlichenfalls deren Tätigkeit in folgenden Bereichen:
• Verbesserung der Kenntnis und Verbreitung der Kultur und Geschichte der europäischen Völker;
• Erhaltung und Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung;
• nichtkommerzieller Kulturaustausch;
• künstlerisches und literarisches Schaffen, einschließlich im audiovisuellen Bereich.
3. Die Gemeinschaft und die Mitgliedsstaaten fördern die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und
den für den Kulturbereich zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere mit dem
Europarat.
4. Die Gemeinschaft trägt den kulturellen Aspekten bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestim-
mungen dieses Vertrags Rechnung.
5. Als Beitrag zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels erlässt der Rat:
• gemäß dem Verfahren des Artikels 189b und nach Anhörung des Ausschusses der Regionen
Fördermaßnahmen unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungs-
vorschriften der Mitgliedsstaaten.
• erlässt der Rat auf Vorschlag der Kommission Empfehlungen.
KMP 1 25 11 10 3
F 2.1 Finanzierung und Förderung
Öffentliche Kulturförderung
Dem Schutz der kulturellen Unabhängigkeit der Mitgliedstaaten dien-
te ferner jahrelang die Festlegung auf einstimmige Ratsbeschlüsse und
ein durchgängiges Kodezisionsverfahren, also die Abstimmung zwi-
schen Europäischem Rat und Europäischem Parlament unter Anhö-
rung des Rates der Regionen. Da sich dies bei wachsender Zahl der
Mitgliedsstaaten als äußerst zeitintensiv erwies, wurde das Prozedere
schrittweise gelockert. Zunächst wurde das zeitraubende Kodezisions-
verfahren auf wenige, weitreichende Beschlüsse beschränkt. Derzeit
bedürfen im Kulturbereich nur noch neue Verordnungen bzw. Pro-
gramme oder die Bewilligung von millionenschweren mehrjährigen
Großprojekten der vorherigen Zustimmung des Europäischen Parla-
ments und der im Verwaltungsausschuss des Programms vertretenen
Delegierten der teilnehmenden Staaten. In allen anderen Fällen (z.B.
der Bewilligung von kleineren Kooperationsprojekten) werden die
Gremien lediglich über die Beschlüsse der Europäischen Kommission
informiert. Hierdurch verkürzt sich der Bewilligungszeitraum um rund
sechs Wochen.
Blick auf die Strategie Seit 2007 gibt es erstmals eine mit 20 der 27 Kommissariate abge-
Europa 2020 stimmte „Europäische Kulturagenda im Zeichen der Globalisierung“.
Sie stärkt die Bedeutung der Kultur als Querschnittsaufgabe aller Poli-
tikbereiche der EU und bestätigt den Beitrag der Kultur zu den Lissa-
bon-Zielen, nun der „Strategie Europa 2020“. Besonders berücksich-
tigt werden soll der Abbau von Hindernissen für die Mobilität von
Kulturschaffenden und ihrer Werke, die Förderung der Kultur- und
Kreativwirtschaft, Synergien zwischen Kultur und Bildung, Kultur in
den EU-Außenbeziehungen sowie die Umsetzung der UNESCO Kon-
vention für kulturelle Vielfalt.
Seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags (2009) gibt es nun Mehrheits-
beschlüsse anstelle der früher erforderlichen Einstimmigkeit, außer-
dem die so genannte Offene Koordinierungsmethode. Diese bewirkt,
dass die Europäische Union im Kulturbereich zwar weiterhin kein
eigenes Mandat hat, dass die Mitgliedstaaten sich jedoch dennoch
freiwillig auf gemeinsame Ziele und deren Umsetzung auf EU-Ebene
verständigen.
1.2 Finanzielle Richtlinien
Verwendungsnachweis Selbstverständlich muss die Verwendung von europäischen Zuschüs-
von Zuschüssen sen ordnungsgemäß erfolgen und entsprechend nachgewiesen werden.
erforderlich Hierfür gibt es umfangreiche Finanzrichtlinien, die im kompletten
Wortlaut sowohl von der Internetseite des Cultural Contact Point
(CCP)1 als auch vom Europa-Internetserver heruntergeladen werden
können. Jedoch kann man davon ausgehen, dass die Passagen, die für
ein bestimmtes Programm anzuwenden sind, in die Ausführungsbe-
stimmungen des jeweiligen Programms integriert werden. Außerdem
handelt es sich bei einigen allgemeinen Richtlinien um sog. Kann-
4 KMP 1 25 11 10