1. Fragen zu Gestaltung
in Zeiten der Mediatisierung
Dr. phil. Klaus Rummler
Pädagogische Hochschule Zürich
3. Oktober 2013: Enter – vom Diktat der Voreinstellungen
#SWB100, Schweizerischer Werkbund, Ortsgruppe Aargau
forumODEON, Brugg AG
2. Entwicklungsdynamiken
- Kulturelle, gesellschaftliche und
technologische Strukturen
- Kulturelle Praktiken
- Handlungskompetenzen (Agency)
(Pachler, Bachmair & Cook 2010)
Mediatisierung als Wechselverhältnis
• Wandel von Medien und Kommunikation
• Wandel von Kultur und Gesellschaft
(Krotz & Hepp, 2012, S.11)
04.10.2013 2
4. Kultur
04.10.2013 4
Handlungskompetenz als aktive Gestaltung von Kultur
• Kultur als Netzwerk eingelagerter Praktiken und Darstellungen
(Repräsentationen)
• «der Ort, an dem Machtverhältnisse stabilisiert, aber auch in Frage gestellt
und verändert werden können» (Winter 2004, S. 2)
• «Kultur als eine Arena umkämpfter Bedeutungen, als Raum, in dem
bestimmte Institutionen (wie etwa die Medien) als sozial legitimierte
Einrichtungen Bedeutungen produzieren und in Umlauf setzen» (Hipfl 2004, S. 2)
5. Kultur als ...
04.10.2013 5
• «Gestaltung, und zwar nicht nur symbolische Gestaltung von Texten oder
Bildern, sondern auch die Gestaltung sozialer Beziehungen, von
Kommunikation und Alltag.» (Bachmair 1996, S. 19)
• gemeinsame Sinnstiftung und gemeinsamer Bedeutungsfundus einer
Gesellschaft sowie als deren gesamte Lebensweise (vgl. Bachmair 2009)
• Kultur als der aktiv gestaltbare (semiotische) Raum einer Gesellschaft, der
auch von symbolisch hergestellten und vermittelten, institutionellen und
industriellen Machtverhältnissen geprägt ist. (Rummler 2009)
8. Medienbildung
04.10.2013 8
«Medienbildung beginnt [...], wo die Vermittlung von Informationen aus
subjektunabhängigen Datennetzen und Informationssystemen aufhört, und wo
es um deren Verarbeitung und Integration in den eigenen Lebens- und
Erfahrungskontext geht. [...]
...dass die Menschen sowohl ihr Ich, wie die Welt, in der sie sich bewegen,
letztlich selbst erzeugen, um sich darüber reflektierend zu verständigen.».
(Moser, 2010, S. 314f)
9. Medienbildung
04.10.2013 9
Bildung als Prozess der Herstellung von Bestimmtheit und Ermöglichung von
Unbestimmtheit.
(Jörissen 2013)
Bzw.
...Herstellung von Bestimmtheit in selbst gewählten Unbestimmtheitsräumen.
(Rummler 2012)
10. Medienbildung
04.10.2013 10
Bildung als reflexives Selbst- und Weltverhältnis, das sich wechselseitig mit der
Veränderung der (kommunikativen) sozialen Konstruktion von Wirklichkeit
verändert.
Bildung entfaltet sich in der Spannung zwischen Subjekten und den ihnen zur
Verfügung stehenden Kulturgütern (Medien).
(vgl. Bachmair, 2009)
12. Bildung und Artikulation
Artikulationen oder
Manifestationen menschlichen
Geistes (W. v. Humbold) sind
eingebunden und gehen in den
Kulturkreislauf als kulturelle
Objektivationen ein.
Artikulationen als Ausdruck von Erfahrung
- Institutionell-ökonomische Kontexte
- Mediale Formbildungsmöglichkeiten
- Prägnanzmuster (symbolische Formen)
- Artikulationsakte (Prozesse, Werke)
(Jörissen 2013)
04.10.2013 12
13. Subjektivität
Norbert Elias:
Subjektivität als eher
kollektives, geteiltes und sozial
konstruiertes Verhältnis der Subjekte
zu sich und zu ihrer Umwelt im Kontext
der jeweiligen historischen
Perspektive.
04.10.2013 13
CCbyLuMaxArt:http://flickr.com/photos/22177648@N06/2137737248
15. Kulturindustrie
«Kultur schlägt heute alles mit
Ähnlichkeit. Film, Radio, Magazine
machen ein System aus. Jede Sparte
ist einstimmig in sich und alle
zusammen. Die ästhetischen
Manifestationen noch der politischen
Gegensätze verkünden gleichermaßen
das Lob des stählernen Rhythmus.»
(Horkheimer & Adorno 1944, 1969, 2002; S. 129)
04.10.2013 15
16. Netzwerkgesellschaft
Nach der Auslösung der
Normalarbeitsverhältnisse
(Risikogesellschaft, Beck 1986)
Neue Post-industrialistische
Arbeitsprozesse im informationellen
Paradigma zwischen
vernetzten, globalen
Unternehmensnetzwerken (Castells 2001, 2004)
04.10.2013 16
18. Making, Sharing, Re-Mixing
• In den USA gerahmt durch die ökon.
Krise
• Crowdsourcing / Crowdfunding
• Aktiver Umgang mit Inhalten auf
eigenes Risiko
• Herausforderungen an Urheberrecht
04.10.2013 18
CCbyBoPeterson:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Homesewing.svg
20. Sharing
04.10.2013 20
Teilen von (digitalen) Gütern als «unverzichtbares Element im Aufbau
freundschaftlicher und gemeinschaftlicher Beziehungen verschiedenster Art»
Im Gegensatz zu
«gesellschaftlichen Erfahrungen, bei denen Wettbewerb und individuelles
Besitzstreben» vorherrschen.
«Geteilt wird immer in konkreten Situationen und unter bestimmten
Begleitumständen, dennoch weisen diese Praktiken oft über sich selbst hinaus, auf
einen Horizont transformierter Sozialbeziehungen, kultureller Dynamiken und
normativer Rahmenbedingungen.»
(Sützl et al. 2012, S. 11)
21. Neun Thesen zur Remix-Kultur
1. Saturierung der Kultur mit Medienobjekten
ist Voraussetzung für Remixing.
2. Meta-Medium vernetzter Computer bringt
alle Medien zum Punkt der Saturierung.
3. Jedes neue Werk enthält Elemente
bestehender Werke. Remixing macht
diesen Prozess explizit.
4. Die produktive Praxis der Remix-Kultur ist
kooperativ / verteilt anstatt individuell /
zentralisiert.
5. Die Ontologie des Remix ist flach.
6. Der Remix senkt die Hürde der Produktion
und erweitert den Kreis der Produzenten.
7. Die Grenze zwischen professioneller und
Amateurkultur verschwimmt.
8. Die Grenzen zwischen Produktion,
Distribution und Konsumption
verschwimmen.
9. Attribution, Kontrolle und Vergütung
differenzieren sich aus.
04.10.2013 21
(Stalder 2009)
22. Laien – Amateure – Dilettanten – Experten – Professionals
Ab 400 Std. der Zuwendung wird man
Experte?
Frage nach der Rolle der Profis im
Prozess der Gestaltung?
04.10.2013 22
http://fc06.deviantart.net/fs71/i/2010/053/b/3/Hand_Modeling_Tutorial_3dsmax_by_Athey.jpg
24. Erfahrungsgewohnheiten
Sehgewohnheiten als Voreinstellungen
• Die Erfindung der
Zentralperspektive
• Kulturproduktion für klerikale
Institutionen (Lukas Cranach)
• Kamerafahrten mit Drohnen
04.10.2013 24
http://www.flickr.com/photos/aalbuquerque/7990800058/
25. Fazit
04.10.2013 25
Digital – Analog: Es gibt keinen Weg zurück!
Real – Virtuell: Egal
Software – Hardware: Risky business
Gestaltung – Design: Do your own, but Do It!
Ausprobieren und neue Wege gehen!
26. Take home message
Freiheit als Bedingung von Bildung
• Freiheit für Unbestimmtheitsräume
und tentatives, spielerisches Als-ob-
Handeln
• Freiheit jew. neu erfinden und
erstreiten
04.10.2013 26
27. Literatur
04.10.2013 27
Bachmair, Ben. 1996. Fernsehkultur: Subjektivität in einer Welt bewegter Bilder. Opladen: Westdeutscher Verlag. http://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-2008011119940/1/BachmairFernsehkultur.pdf.
Bachmair, Ben. 2009. Medienwissen für Pädagogen: Medienbildung in riskanten Erlebniswelten. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Beck, Ulrich. 1986. Risikogesellschaft - Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt/Main: Suhrkamp.
Castells, Manuel. 2004. Das Informationszeitalter 1.: Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft. Bd. 1. 3 Bd. UTB 8259. Opladen: Leske + Budrich.
Du Gay, P. 1997. Production of culture/cultures of production. London: Open University and Sage.
Hall, Stuart. 1980. Encoding/decoding. In: Culture, Media, Language, hg. von Stuart Hall, Dorothy Hobson, Andrew Lowe, und Paul Willis, 1972-79:128–138. Working Papers in Cultural Studies. London: Hutchinson.
Hepp, Andreas und Friedrich Krotz. 2012. Mediatisierte Welten: Forschungsfelder und Beschreibungsansätze – Zur Einleitung. In: Mediatisierte Welten, hg. von Friedrich Krotz und Andreas Hepp, 7–23. VS Verlag für
Sozialwissenschaften.
Hipfl, Brigitte. 2004. Medien - Macht - Pädagogik. Hg. von Brigitte Hipfl und Katharina Ernst. MedienPädagogik - www.medienpaed.com - Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung. Themenheft Nr. 8: Der Beitrag der
Cultural Studies für die Medienpädagogik (Februar). http://www.medienpaed.com/03-2/hipfl03-2.pdf.
Horkheimer, Max und Theodor W Adorno. 2002. Dialektik der Aufklärung: philosophische Fragmente. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verl.
Jörissen, Benjamin. 2013. Strukturale (Medien-) Bildung. Was Medienpädagogik in der aktuellen Medienwelt leisten kann. Vortrag gehalten auf der medien impuls - Tagung der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen, 12. Juni,
Berlin. http://de.slideshare.net/joerissen/strukturale-medien-bildung-was-medienpdagogik-in-der-aktuellen-medienwelt-leisten-kann (Zugegriffen: 3. Oktober 2013).
Marotzki, Winfried und Benjamin Jörissen. 2008. Medienbildung. In: Handbuch Medienpädagogik, hg. von Uwe Sander, Friederike von Gross, und Kai-Uwe Hugger, 100–109. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
http://dx.doi.org/10.1007/978-3-531-91158-8_11.
Moser, Heinz. 2010. Einführung in die Medienpädagogik. Aufwachsen im Medienzeitalter. 5., durchgesehene und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Pachler, Norbert, Ben Bachmair und John Cook. 2010. Mobile Learning. Structures, Agency, Practices. New York: Springer. http://dx.doi.org/10.1007/978-1-4419-0585-7.
Rummler, Klaus. 2009. Mobilkommunikation und soziale Segmentation. In: Digitale Jugendkulturen, hg. von Kai-Uwe Hugger, 251–264. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Rummler, Klaus. 2012. Medienbildungschancen von Risikolernern. Eine Analyse der Nutzung mobiler und vernetzter Technologien durch männliche jugendliche Risikolerner und die in den Nutzungsmustern angelegten Chancen
für Medienbildung. Kassel: Universität Kassel. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:34-2012120642264.
Stalder, Felix. 2009. Neun Thesen zur Remix-Kultur. Juni. http://irights.info/fileadmin/texte/material/Stalder_Remixing.pdf.
Sützl, Wolfgang, Felix Stalder, Ronald Meier und Theo Hug, Hrsg. 2012. Media, knowledge and education: cultures and ethics of sharing. Medien - Wissen - Bildung: Kulturen und Ethiken des Teilens. Medien - Wissen - Bildung.
Innsbruck: Innsbruck University Press. http://www.uibk.ac.at/iup/buch_pdfs/9783902811745.pdf.
Winter, Rainer. 2004. Cultural Studies und kritische Pädagogik. Hg. von Brigitte Hipfl und Katharina Ernst. MedienPädagogik - www.medienpaed.com - Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung. Themenheft Nr. 8: Der
Beitrag der Cultural Studies für die Medienpädagogik (Februar). http://www.medienpaed.com/03-2/winter03-2.pdf.