3. 3
Themenübersicht
- Übersicht Rechtsquellen
- Mutterschutz im Arbeitsgesetz
- Sondervorschriften für Arbeitnehmerinnen im Obligationenrecht
- Mutterschaftsentschädigung nach Erwerbsersatzgesetz
- Diskriminierungsverbot nach Gleichstellungsgesetz
4. 4
ÜBERSICHT RECHTSQUELLEN
Öffentliches Personalrecht
- Öffentliche Personalgesetze des Bun-
des, des Kantons oder der Gemeinde
(Rechtsstaatliche Grundsätze [Legali-
tätsprinzip, Willkürverbot, Gleichbehan-
dlungsgebot, rechtliches Gehör])
- ev. sinngemäss OR
- ev. Arbeitsgesetz (ArG + VO)
- Gleichstellungsgesetz (GlG)
- Datenschutzgesetz (DSG)
- Sozialversicherungen (EOG + EOV,
BVG, FamZG)
- Privatversicherungen (VVG, KVG)
- Völkerrecht (CEDAW)
Privates Arbeitsrecht
- OR
- Art. 324a/b OR Lohnfortzahlung
- Art. 328b OR Datenschutz
- Art. 329f OR Mutterschaftsurlaub
- Art. 329b OR Ferienkürzung
- Art. 336 OR sachlicher Kündi-
gungsschutz
- Art. 336c OR zeitlicher Kündi-
gungsschutz
- Art. 342 II OR Rezeptionsklausel
- ArG + VO
- GlG
- DSG
- Sozialversicherungen (EOG +
EOV, BVG, FamZG)
- Privatversicherungen (VVG,
KVG)
- Völkerrecht (CEDAW)
7. 7
Massgebende Bestimmungen
- Schutz von berufstätigen Schwangeren, Wöchnerinnen und
stillenden Mütter umfasst zwei Ebenen:
- Gesundheitsschutz bei bestimmten Aufgaben und Tätigkeiten
- Besonderheiten bei den Arbeits- und Ruhezeiten
- Art. 35, Art. 35a, Art. 35b ArG, Art. 60 bis Art. 65 ArGV 1, MSV,
Art. 34 ArGV 3
- Noch nicht ratifiziert: IAO-Übereinkommen Nr. 183 über den
Mutterschutz; Änderung von Art. 35a Abs. 2 ArG
8. 8
Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes
- Arbeitsgesetz gilt für alle öffentlichen und privaten Betriebe
(Art. 1 ArG), sofern keine betriebliche (Art. 2 und Art. 4 ArG)
oder persönliche (Art. 3 ArG) Ausnahme
- Vorbehalt Gesundheitsschutz für nach Art. 3a ArG erfasste
Betriebe und Personenkategorien
- Art. 3a ArG:
«Die Vorschriften dieses Gesetzes über den Gesundheitsschutz (Art. 6, 35 und 36a) sind jedoch
anwendbar:
a. auf die Verwaltungen des Bundes, der Kantone und Gemeinden;
b. auf Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit oder eine wissenschaftliche oder selbstständige
künstlerische Tätigkeit ausüben;
c. auf Lehrer an Privatschulen sowie Lehrer, Fürsorger, Erzieher und Aufseher in Anstalten.»
11. 11
Einverständnis zur Beschäftigung und Arbeits-
absenzen
- Beschäftigung von Schwangeren nur mit Einverständnis
(Art. 35a Abs. 1 ArG)
- Wegbleiben auf blosse Anzeige hin (Art. 35a Abs. 2 ArG)
- Möglichkeit, Beschäftigungsgrad ohne Zustimmung des
Arbeitgebenden herabzusetzen
- Kein Lohnfortzahlungsanspruch bei Wahrnehmung
Abwesenheitsrecht
12. 12
Verbot oder Beschränkung von gefährlichen oder be-
schwerlichen Arbeiten sowie Abend- und Nachtarbeit
- Gefährliche und beschwerliche Arbeiten
- Beschäftigung nur so, dass Gesundheit von Schwangeren und
Kind nicht gefährdet ist (Art. 35 Abs. 1 ArG)
- Verbot von oder Massnahmen bei objektiv beschwerlichen und
gefährlichen Arbeiten (Art. 35 Abs. 2 ArG)
- Auflistung von beschwerlichen und gefährlichen Arbeiten in
Art. 62 Abs. 3 ArGV 1 und Beurteilungskriterien in MSV
- Risikobeurteilung (Art. 62 Abs. 1 ArGV 1)
13. 13
- Abend- und Nachtarbeit
- Bis acht Wochen vor Niederkunft auf Wunsch Tagesarbeit statt
Abend- und Nachtarbeit (Art. 35b Abs. 1 ArG)
- Ab 8. Woche vor Niederkunft Verbot von Abend- und
Nachtarbeit (Art. 35a Abs. 4 ArG)
- Berufung auf Art. 35b ArG jederzeit möglich
14. 14
- Ersatzarbeit und Lohnanspruch
- Pflicht zum Anbieten gleichwertiger Ersatzarbeit ohne
Gesundheitsrisiko bei objektiv gefährlicher oder beschwerlicher
Arbeit (Art. 35 Abs. 3 ArG)
- Auf Wunsch Arbeitnehmerin – ab acht Wochen vor Niederkunft
immer – Angebot von gleichwertiger Tagesarbeit statt Abend-
und Nachtarbeit (Art. 35b Abs. 2 ArG)
- Lohnzahlungspflicht von 80%, falls Angebot von gleichwertiger
Ersatz- bzw. Tagesarbeit nicht möglich (Art. 35 Abs. 3, Art. 35b
Abs. 2 ArG)
15. 15
Ruhemöglichkeit
- Geeignete Bedingungen zum Hinlegen und Ausruhen (Art. 34
ArGV 3)
- Keine Verlängerung vereinbarter Arbeitszeit und maximale
Arbeitszeit von neun Stunden pro Tag (Art. 60 Abs. 1 ArGV 1)
- Falls vertraglich mehr als neun Stunden geschuldet,
schwangerschaftsbedingte Arbeitsverhinderung im Umfang der
Mehrstunden
→ Lohnfortzahlungsanspruch nach Art. 324a Abs. 3 OR
Beschränkung Arbeitszeit
16. 16
Beschäftigungserleichterung bei hauptsächlich
stehender Tätigkeit
- Ab viertem Schwangerschaftsmonat Anspruch auf tägliche
Ruhezeit von 12 Stunden und zusätzliche Kurzpausen von 10
Minuten nach jeder zweiten Stunde (Art. 61 Abs. 1 ArGV 1)
→ nach seco Wegleitung: zusätzliche Kurzpausen bezahlt
- Ab sechstem Schwangerschaftsmonat stehende Tätigkeiten auf
insgesamt vier Stunden pro Tag beschränkt (Art. 61 Abs. 2
ArGV 1)
→ Zuweisung von gleichwertiger Ersatzarbeit anstelle von
stehender Tätigkeit über vier Stunden, falls nicht möglich,
Lohnanspruch von 80% für Ausfallzeit
18. 18
- Zwingendes Beschäftigungsverbot von acht Wochen
- Wöchnerin darf während acht Wochen nach Niederkunft nicht
beschäftigt werden (Art. 35a Abs. 3 ArG)
- Begriff Niederkunft nach Art. 23 EOV
- Beschäftigungsverbot absolut zwingend
- Recht auf Nichtbeschäftigung von 9. bis 16. Woche nach
Niederkunft
- Arbeitsgesetzliches Abwesenheitsrecht von 9. bis 16. Woche
nach Niederkunft (Art. 35a Abs. 3 ArG)
- Pflicht zur Arbeitsaufnahme am 1. Tag der 17. Woche nach
Niederkunft, ausser Mutter stillt (Art. 35a Abs. 1 ArG)
19. 19
Abend- und Nachtarbeit
- Zwischen 8. und 16. Woche nach Niederkunft, auf Wunsch
Mutter Anspruch auf Zuweisung gleichwertiger Tagesarbeit,
sonst Bezahlung 80% Lohn (Art. 35b ArG)
21. 21
Recht auf Nichtbeschäftigung während Stillzeit
- Einverständnis zur Beschäftigung erforderlich (Art. 35a Abs. 1
ArG)
- Anspruch auf Nichtbeschäftigung während ganzer Stillperiode,
auch teilweise Geltendmachung möglich
- Kein Lohnfortzahlungsanspruch bei Wahrnehmung Abwesen-
heitsrecht
22. 22
Verbot oder Beschränkung von gefährlichen oder
beschwerlichen Arbeiten
- Art. 35 ArG, Art. 62 bis 64 ArGV 1 gelten auch während Stillzeit
23. 23
Stillzeit als Arbeitszeit
- Anspruch auf erforderliche Zeit zum Stillen (Art. 35a Abs. 2 ArG)
- Im ersten Lebensjahr gilt Stillzeit wie folgt als Arbeitszeit
(Art. 60 Abs. 2 ArGV 1):
- Stillen im Betrieb → Arbeitszeit
- Stillen ausserhalb Betrieb → Hälfte der Abwesenheit als Ar-
beitszeit
→ Keine Lohnzahlungspflicht für Stillabsenz (Revision pendent)
25. 25
Massgebende Bestimmungen
- Art. 324a / 324b OR : Lohnfortzahlung
- Art. 336 ff. OR : Sachlicher Kündigungsschutz
- Art. 336c OR : Zeitlicher Kündigungsschutz
- Art. 329f OR : Mutterschaftsurlaub
- Art. 329b Abs. 3 OR : Ferienkürzung
26. 26
Lohnanspruch bei Arbeitsunfähigkeit während
Schwangerschaft
- Anspruch auf Lohnfortzahlung im gleichen Umfang wie bei Krankheit
(Art. 324a Abs. 3 OR)
- Eigener Abs. 3, um klarzustellen, dass Schwangerschaft nicht Krank-heit
ist und Diskussion über Verschulden nach Abs. 1 auszuschliessen
- Kein separater «Kredit» nach Lohn-Skala
- Lohnfortzahlung nur bei schwangerschaftsbedingter Arbeitsunfähigkeit
oder wenn vom öffentlichen Arbeitsrecht ausdrücklich vorgesehen
(Art. 35 Abs. 3 ArG, Art. 35b Abs. 2 ArG)
- Keine Lohnfortzahlungspflicht bei Wahrnehmung der schwangerschafts-
bedingten Abwesenheitsrechte (Art. 35a Abs. 1 ArG) ohne Arbeitsun-
fähigkeit
- Eventuell Einschluss in Krankentaggeldversicherung (Art. 324a Abs. 4
OR)
27. 27
Sachlicher Kündigungsschutz
- Schutz vor missbräuchlicher Kündigung (Art. 336 OR)
- Sanktionen (Art. 336a OR): max. 6 Monatslöhne
- Verfahren (Art. 336b OR): Schriftliche Einsprache innert Kündi-
gungsfrist, Klage innert 180 Tagen seit Beendigung
→ i.d.R. Vorgehen nach Gleichstellungsgesetz für Arbeitnehmerin
vorteilhafter (Beweislasterleichterung, Gerichtskostenbefreiung
unabhängig vom Streitwert)
28. 28
Zeitlicher Kündigungsschutz
- Art. 336c Abs. 1 lit. c OR (Kündigungsschutz während
Schwangerschaft und 16 Wochen nach Niederkunft)
→ Nichtigkeit der Kündigung bzw. Verlängerung der Kündigungsfrist
(Art. 336c Abs. 2 und 3 OR)
- Aufhebungsvertrag zulässig, wenn im Interesse beider Parteien
(ausgewogene Lösung erforderlich)
- Mitteilungspflicht der Schwangerschaft durch Arbeitnehmerin bei
Kündigung durch Arbeitgeberin von Bundesgericht verneint
(BGE 135 III 349 ff.)
→ Gesetz macht Kündigungsschutz nicht von der Mitteilung der
Schwangerschaft abhängig
29. 29
Mutterschaftsurlaub
- Art. 329f OR
- Anspruch auf Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen
nach Niederkunft, unabhängig von weiteren Voraussetzungen,
auch wenn kein Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung nach
EOG und Art. 35a Abs. 3 ArG nicht anwendbar
- Mutterschaftsurlaub nach Art. 329f OR ist für Arbeitnehmerin
freiwillig, vorbehalten sind Arbeits- und Beschäftigungsverbote
nach Arbeitsgesetz
- Mutterschaftsurlaub kann nicht zu einem späteren Zeitpunkt
bezogen werden (anders als Ferien) → Verwirkung
30. 30
Besonderheiten bei der Ferienkürzung
- Art. 329b Abs. 3 OR
- Kürzung des Ferienanspruchs bei schwangerschaftsbedingten
Arbeitsverhinderung erst ab dem dritten vollen Absenzmonat
- Keine Kürzung weil Arbeitnehmerin Mutterschaftsentschädigung
bezieht
→ nach h.L. Ferienkürzung für jeden Mutterschaftsurlaub nach
Art. 329f OR ausgeschlossen, unabhängig davon, ob Mutter-
schaftsentschädigung nach EOG bezogen wird oder nicht
31. 31
Fall Gabi Boss
Gabi Boss ist CEO der Boss Fashion AG. Sie gebar heute Morgen
ihren Sohn Maximilian und möchte wissen,
- Wann sie frühestens wieder arbeiten darf?
- Wann sie wieder arbeiten muss?
32. 32
Was sagen ArG und OR?
- Gabi Boss fällt als höhere leitende Angestellte nicht in den
persönlichen Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes (Art. 3 lit. d
ArG)
- Eine anwendbare Ausnahmeregelung nach Art. 3a ArG liegt nicht
vor
- Beschäftigungsverbot von Art. 35a Abs. 3 ArG kommt nicht zur
Anwendung
- Gabi Boss darf direkt nach der Niederkunft wieder arbeiten
- Sie kann sich auf das Abwesenheitsrecht von Art. 329f OR berufen
und muss am 1. Tag der 15. Woche nach der Niederkunft wieder
arbeiten
33. 33
Fall Ursula Sommer
Ursula Sommer arbeitet zu einem Pensum von 100% als Sekretärin
bei der Fortuna AG. Sie möchte nach der Geburt höchstens 50%
arbeiten. Was muss sie tun?
34. 34
Wie ist die Rechtslage?
- Falls die Fortuna AG Ursula Sommer zu 50% beschäftigen will
→ einvernehmliche Vertragsanpassung
- Falls die Fortuna AG einer Pensumsreduktion nicht zustimmt:
→ Ursula Sommer muss am 1. Tag der 17. Woche oder nachdem
sie aufgehört hat zu stillen wieder 100% arbeiten (Art. 35a ArG)
→ Will sie das nicht, muss sie auf diesen Zeitpunkt kündigen oder
einen Aufhebungsvertrag abzuschliessen versuchen
36. 36
Grundsatz
- Seit 01.07.2005 Anspruch auf Mutterschaftsurlaub von
mindestens 14 Wochen (oder 98 Tagen), an einem Stück zu
nehmen
- Gilt nicht bei Adoption
- Grundlagen: EOG und EOV
Leistungen
- 80% des Lohnes während Mutterschaftsurlaub in Form von
Taggeldern (Art. 16e EOG); maximal CHF 196.-/Tag
(CHF 5‘880.-/Monat; Lohn von CHF 7‘350.-/Monat)
38. 38
Voraussetzungen
- Erforderlich ist, dass die Mutter
- während der neun Monate unmittelbar vor der Niederkunft
obligatorisch AHV-versichert war (Art. 16b Abs. 1 lit. a und Abs. 2
EOG; Herabsetzung der Mindestversicherungsdauer bei
vorzeitiger Geburt; Art. 27 EOV) und in dieser Zeit mindestens fünf
Monate eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat (Art. 16b Abs. 1 lit. b
EOG);
- oder bis zur Geburt Arbeitslosentaggelder bezogen hat bzw. am
Tag der Geburt die für den Bezug eines Taggeldes der
Arbeitslosenversicherung erforderliche Beitragsdauer erfüllt
(Art. 16b Abs. 3 EOG, Art. 26 EOV);
39. 39
- oder im Falle einer Arbeitsunfähigkeit bis zur Geburt eine Erwerbsaus-
fallentschädigung bei Krankheit oder Unfall einer Sozial- oder Privat-
versicherung oder ein Invalidentaggeld erhält (Art. 16b Abs. 3 EOG,
Art. 29 EOV);
- oder bei fehlendem Anspruch auf Erwerbsausfallentschädigung oder
Invalidentaggeld zumindest im Zeitpunkt der Geburt noch in einem gül-
tigen Arbeitsverhältnis steht, ihr Anspruch auf Lohnfortzahlung aber
schon erschöpft ist (Art. 16b Abs. 3 EOG, Art. 30 EOV)
40. 40
Beginn des Anspruchs
- Wenn Kind lebensfähig geboren wird (Art. 16c Abs. 1 EOG;
Art. 23 lit. a EOV)
- Wenn Kind tot geboren oder nach der Geburt stirbt, Anspruch auf
Leistungen, wenn Schwangerschaft mindestens 23 Wochen
gedauert (Art. 23 lit. b EOV)
41. 41
Ende des Anspruchs
- Mit Ablauf der 14 Wochen (98. Tag); auf jeden Fall, wenn Mutter Arbeit
wieder aufnimmt, sei dies Teil- oder Vollzeit (Art. 16d EOG; Art. 25
EOG)
Aufschub des Anspruchs
- Wenn Kind während mindestens drei Wochen nach der Geburt im
Spital bleiben muss, kann Mutter Aufschub der Zahlungen verlangen,
bis sie Kind nach Hause nehmen kann (Art. 16c Abs. 2 EOG, Art. 24
EOV)
- Umstritten, ob Lohnfortzahlungsanspruch in Aufschubszeit
Angela Hensch, Fachanwältin SAV Arbeitsrecht, Bratschi Wiederkehr & Buob, St. Gallen
42. 42
Koordination mit anderen Sozialversicherungen
- Mutterschaftsentschädigung hat absolute Priorität
- Schliesst Bezug von Taggeldern aus der Arbeitslosen-, Invaliden-,
Unfall- und Militärversicherung sowie der Erwerbsersatzentschädi-
gung während Militär- und Zivilschutzdienstes aus (Art. 16g Abs. 1
EOG)
- Aber Besitzstandgarantie: Mutterschaftsentschädigung in der Höhe
des bisherigen Taggeldes (Art. 16g Abs. 2 EOG)
- Mutterschaftsentschädigung ist AHV/IV/EO/ALV-pflichtig, ev. KTG-
pflichtig
- Koordinierter BVG-Lohn wird während 14 Wochen der Mutterschafts-
entschädigung beibehalten (Art. 8 Abs. 3 BVG), sofern Mutter dies
nicht ablehnt
- Keine UVG-Prämien (Art. 115 Abs. 1 lit. d UVV)
43. 43
Weitergehende Ansprüche aus Arbeitsvertrag, GAV,
NAV oder Dienstrecht
- Wenn Arbeitsvertrag, GAV, NAV oder Dienstrecht weitergehen-
de Ansprüche vorsehen à Arbeitnehmerin hat Anspruch auf
Ausrichtung (Mutterschaftsversicherung ist nur Minimallösung
und hebt weitergehende Ansprüche nicht auf)
- Taggelder sind anzurechnen (Art. 19 Abs. 2 ATSG)
44. 44
Verhältnis Mutterschaftsversicherung zu Art. 324a
und Art. 324b OR
- Durch Mutterschaftsentschädigung wird Arbeitgebender von
nachgeburtlicher Leistung befreit: Art. 324a / 324b OR finden
nach wohl h.A. keine Anwendung
- gilt auch bei Löhnen > CHF 7‘350.- und
- bei vielen Dienstjahren; „Skala-Anspruch“ > 14 Wochen
- Falls kein Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung,
Anwendung von Art. 324a OR
Angela Hensch, Fachanwältin SAV Arbeitsrecht, Bratschi Wiederkehr & Buob, St. Gallen
47. 47
Gesetzeszweck (Art. 1 GlG)
- Das GlG will die tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann
im Erwerbsleben fördern
- Das Gesetz konkretisiert den Gleichstellungsartikel der
Bundesverfassung (Art. 8 BV) für das Erwerbsleben
48. 48
Adressaten (Art. 2 GlG)
- Das GlG gilt für
- privatrechtliche Arbeitsverhältnisse nach OR
- öffentlich-rechtliche Arbeitsverhältnisse in Bund, Kanton und
Gemeinden
→ Unterschiede im Verfahren (vgl. Art. 13 GlG)
49. 49
Diskriminierungsverbot (Art. 3 GlG)
- Verbot jeglicher Diskriminierung aufgrund des Geschlechts
- Verbot bezieht sich auf direkte und indirekte Diskriminierungen
- Beispiele indirekter Diskriminierungen:
- ungleicher Lohn bei gleichwertiger Arbeit
- Ungleichbehandlung von Teilzeitbeschäftigen
- Entlassungen nach dem Schema, wer zuletzt kam, muss zuerst
gehen
- Altersgrenzen als Zugangsvoraussetzungen
50. 50
Diskriminierung durch sexuelle Belästigung
(Art. 4 GlG)
- sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist Diskriminierung
- Anspruch der Arbeitnehmenden auf belästigungsfreies
Arbeitsklima
51. 51
Rechtsansprüche (Art. 5 GlG)
- Anspruch auf Unterlassung, Beseitigung, Feststellung
- Entschädigung wegen diskriminierender Ablehnung der Anstellung
→ max. drei entgangene Monatslöhne
- Entschädigung wegen diskriminierender Kündigung
→ max. sechs tatsächliche Monatslöhne
- Entschädigung wegen unterlassener Prävention gegen sexuelle
Belästigung
→ max. sechs schweizerische Durchschnittsmonatslöhne
- Schadenersatz und Genugtuung
52. 52
Spezieller Kündigungsschutz bei Rachekündigungen
(Art. 10 GlG)
- Anfechtbarkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung
- unter bestimmten materiellen Voraussetzungen,
- während einer bestimmten Frist und
- unter Einhaltung eines bestimmten Verfahrens
- Möglichkeit der gerichtlichen Anordnung einer provisorischen
Wiedereinstellung für die Dauer des Verfahrens
- Recht des Arbeitnehmenden, während des Verfahrens auf die
Weiterführung des Arbeitsverhältnisses zu verzichten und
stattdessen eine Entschädigung zu verlangen
53. 53
Beweiserleichterung (Art. 6 GlG)
- bei Diskriminierungen bezüglich Aufgabenzuteilung, Gestaltung
der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung,
Beförderung und Entlassung → Glaubhaftmachung
- nicht bei Diskriminierungen wegen sexueller Belästigung und
Nichtanstellung → Vollbeweis
55. 55
Anstellungsdiskriminierung
Fall Susi Kraft
Susi Kraft bewarb sich bei der Bau Fix AG in Solothurn als
Direktionsassistentin. Zur Begründung der anderweitigen Besetzung
der Vakanz teilte ihr die Bau Fix AG Folgendes mit: “Bezugnehmend
auf Ihren Telefonanruf teilen wir Ihnen mit, dass sich die Stelle nicht für
eine Kandidatin mit vorschulpflichtigen Kindern eignet. Der Job bringt
eine unregelmässige Arbeitszeit, verbunden mit Abend- und Wochen-
endmehrarbeit mit sich; Mehrarbeit, die wohl kompensiert, Ihrem Kind
jedoch aus sozialen Gründen aus unserer Sicht nicht zugemutet wer-
den kann.”
56. 56
Was sagt das GlG?
- Direkte oder indirekte Diskriminierung?
- Durchsetzung der Anstellung?
- Entschädigung?
- Verfahrensbestimmungen?
- Beweislast?
→Susi Kraft erhält eine Entschädigung von zwei (entgangenen)
Monatslöhnen
57. 57
Lohndiskriminierung
- Lohngleichheitsanspruch / geschlechtsbedingte Benachteiligung
- gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit
- absoluter Anspruch
- Einzellohn / ganze Lohnsysteme
- umfassender Lohnbegriff
- Vergleichsbasis gleicher Arbeitgebender
- Direkte und indirekte Diskriminierungen
- Gleiche oder gleichwertige Arbeit
58. 58
Lohndiskriminierung
- Vollbeweis für objektive sachliche Kriterien:
- Ausbildung
- Dienstalter
- Qualifikation
- Erfahrung
- Aufgabenbereich
- Leistung / Risiko
- konjunkturelle Lage
- Marktsituation
- Verhandlungsmacht
- Festsetzung des diskriminierungsfreien Lohnes
in engen Grenzen
59. 59
Lohndiskriminierung
Fall RA Claudia Stark
Die berufserfahrene Anwältin Claudia Stark arbeitete vom 23. August 1993 bis
31. August 1997 bei der multinationalen Fortuna Finanz AG als Jur-istin/
Generalsekretärin. Sie hatte beratende Funktion in der Generaldirektion, beteiligte
sich mit eigenen Vorschlägen an der Erarbeitung von Entscheidungen betreffend die
allgemeine Geschäftspolitik und koordinierte und begleitete die rechtlichen Schritte
der Unternehmung. Ihre Stelle war vergleichbar mit derjenigen ihres Vorgängers
Daniel Rauch. Leider musste sie feststellen, dass sie im Vergleich mit ihrem
Vorgänger 27% weniger verdiente und ihr Gehalt auch verglichen mit weiteren -
teilweise schlechter ausgebildeten und weniger Verantwortung tragenden -
männlichen Angestellten erheblich weniger betrug. Mit der Begründung, Opfer einer
geschlechts-spezifischen Diskriminierung hinsichtlich der Entlöhnung zu sein, erhob
sie am 22. Mai 1996 Klage mit dem Begehren, die Fortuna Finanz AG sei zu
verpflichten, ihr CHF 282'750.-- zu bezahlen und es sei festzustellen, dass der
geschuldete Jahreslohn seit 1. Januar 1996 CHF 250'000.-- betrage.
60. 60
Wie hat das Bundesgericht entschieden?
- Lohndiskriminierung?
- Beweislast?
- Ansprüche?
→Claudia Stark erhält eine Lohnnachzahlung von CHF 213'716.--.
61. 61
Diskriminierung durch sexuelle Belästigung
Fall Hans Macht
Die ausländischen Hotelfachschülerinnen, Sue Smith und Alice
Ponte, werden in ihrem Praktikumsbetrieb, dem renommierten City
Dream Hotel, vom Vorgesetzten Hans Macht verbal und tätlich
sexuell belästigt. Die lange Liste der Beschuldigungen reicht von
regelmässigen handfesten unerwünschten Berührungen an Brüsten
und Gesäss, von Griffen unter den Rock und dem Öffnen von
Blusenknöpfen bis zu zahlreichen sexuell belästigenden verbalen
Aufforderungen. Sie wenden sich an einen Rechtsanwalt und
verweigern die Weiterarbeit bis zur Entlassung von Hans Macht.
Dieser bestreitet die Vorwürfe kategorisch, worauf den
Praktikantinnen fristlos gekündigt wird. Sie ziehen die Arbeitgeberin
vor Arbeitsgericht.
62. 62
Wie hat das Gericht entschieden?
- Sexuelle Belästigung?
- Schutzpflichten?
- Beweislast?
- Ansprüche?
→Sue Smith und Alice Ponte erhalten Lohnnachzahlungen,
Entschädigungen von je sechs (effektiven) Monatslöhnen und
je drei durchschnittliche Schweizer Monatslöhne sowie je
CHF 7'000.-- Genugtuung.
63. 63
Diskriminierende Kündigung
Fall Romeo und Julia
Julia Schatz arbeitet seit 10 Jahren bei der THX Bank AG als
Personalverantwortliche. Ihre Qualifikationen waren stets hervor-
ragend. Letzten Frühling ging sie eine Liebesbeziehung mit Romeo
Hengst, einem Mitglied der Geschäftsleitung der THX Bank AG, ein.
Weil dies mit einer Vertrauensposition nicht vereinbar sei, wird ihr
ohne vorgängiges Gespräch gekündigt. Dieser Grund wird per
Aushang in der ganzen Bank publik gemacht. Julia Schatz sieht die
Kündigung nicht ein und möchte weiterhin bei der THX Bank AG
arbeiten.
64. 64
Welchen Standpunkt vertrat die Schlichtungsstelle?
- Diskriminierung?
- Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses?
- Entschädigung?
- Verfahren?
→Die Schlichtungsstelle erachtet eine Entschädigung von vier
Monatslöhnen als angemessen.