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werbewoche 02 | 07.02.201410 Marketing & Kommunikation
WW: Limmatkontor refinanziert Medialeistun-
gen, d. h. Sie nehmen Firmen Produkte ab, dafür
erhalten diese Medialeistungen. Warum gerade
Medialeistungen?
Christoph Schneider CS: Das geht auf unsere vor-
herige Tätigkeit in der Medienbranche zurück. Clau-
dio Lumbiarres war zuletzt bei Tamedia als Head of
Sales & Business Development beim Newsnet, ich
war in meiner letzten Position als Werbemarktleiter
Online bei Axel Springer Schweiz tätig. Ab und zu
kam es vor, dass Werbekunden uns sagten, ihr Me-
diabudget sei aufgrund von Vertriebsproblemen
gekürzt worden. Ein Produkt lief nicht, ein anderes
war nur noch die Hälfte wert, da es bereits ein Nach-
folgeprodukt auf dem Markt gab... Für diese Budget-
probleme haben wir nach einer Lösung gesucht –
und wurden im Ausland fündig.
Wo?
CS: In den USA gibt es schon seit vielen Jahren das
Geschäftsmodell «Corporate Trading». Es bedeutet
so viel wie: Gib mir Ware und du erhältst dafür Me-
dia. Oder umgekehrt: Du kaufst bei mir Media ein
und bezahlst anteilig mit Ware. Im deutschsprachi-
gen Raum sind einige wenige Firmen in diesem Be-
reich tätig, u. a. Rheinkontor in Köln. Wir bringen
die Dienstleistung mit Limmatkontor nun in die
Schweiz – gemeinsam mit unserem Partner Rhein-
kontor, der seit über zehn Jahren im Corporate Tra-
ding bzw. in der Refinanzierung von Medialeistun-
gen aktiv ist.
Um welche Medialeistungen handelt es sich?
Claudio Lumbiarres CL: Geografisch konzentrie-
ren wir uns in erster Linie auf die Schweizer Medi-
en. Wir haben jedoch auch die Möglichkeit, interna-
tionale Kampagnen besonders in Deutschland und
in Österreich zu organisieren. Was die Medien an-
belangt, sind wir neutral: Online, Print, Mobile,
Plakat, Radio, TV – wir bieten sämtliche Gattungen
an.
Können die Kunden bestimmen, welche Leistun-
gen sie beziehen?
CL: Wir suchen gemeinsam mit Kunden nach einer
Lösung, die zu ihrer Markenstrategie passt und die
Zielgruppe bei möglichst geringem Streuverlust
erreicht, und optimieren alles in Abstimmung mit
der Agentur.
Gerade im TV und Online-Be-
reich sind Restplätze sehr bil-
lig einzukaufen. Arbeitet Lim-
matkontor mit solchen Ange-
boten?
CL: Wir verkaufen keine Füller-
oder Restplatzwerbung, son-
dern bieten Medialeistungen in
allen Bereichen an.
CS: Dabei sind wir weder an ei-
nen Verlag noch an eine Gat-
tung gebunden.
Wie lässt sich Mediabudget
alternativ generieren?
Werbung buchen – und anstatt nur mit Geld auch mit eigenen Produkten bezahlen. Möglich macht es die 2013
gegründete Agentur Limmatkontor. Wie das funktioniert, erklären die Geschäftsführer im Interview.
Limmatkontor handelt also nicht mit Media-Rest-
posten?
CS: Nein, wir sind kein Restplatzvermarkter. Wir
haben keine vorgeschnürten Pakete oder Restplätze,
die wir dem Kunden offerieren. Für uns ist jedes
Projekt einzigartig. Wir analysieren mit dem Kun-
den die Ware und legen den Preis dafür fest – wenn
die Ware bereits abgeschrieben ist, kann der Kunde
einen ausserordentlichen Ertrag generieren. Auf alle
Fälle finden wir einen fairen Marktpreis für beide
Parteien. Danach gehen wir mit dem Marketingver-
antwortlichen und mit der Agentur in die Kampag-
nenplanung und suchen in den Medien nach Mög-
lichkeiten, die Werbung optimal zu platzieren. Hier
profitieren wir von unserem langjährig aufgebauten
Beziehungsnetzwerk. Wir verstehen uns als Partner
des Kunden und der Agentur.
Können Sie ein Kundenprojekt schildern?
CS: Unseren Kunden versprechen wir Vertraulich-
keit. Sie kommen mit Problemen auf uns zu. Diese
möchten wir nicht öffentlich machen. Ich kann Ih-
nen aber einen Fall beschreiben.
Gerne.
CS: Wir haben Ende letzten Jahres mit einem Elek-
tronikanbieter ein Warenproblem gelöst. Aufgrund
von Nachfolgeprodukten fiel der Wert der elektroni-
schen Ware. Wir haben diese dem Kunden zu seinem
Abgabepreis abgenommen und weiterverkauft, aus-
serhalb seines Vertriebsnetzes. Unsere Kunden ge-
ben uns jeweils Restriktionen für den Weiterverkauf
an. In diesem Fall durften wir die Ware nicht in der
Schweiz veräussern. Sie wurde schliesslich im nicht-
deutschsprachigen Ausland verkauft.
Landet die Ware jeweils auf dem freien Markt?
CS: Die Ware gelangt nicht direkt in den B2C-Markt.
Sie taucht im Vertriebsland unseres Kunden weder
am POS noch auf einem Schnäppchenportal auf. Wir
suchen immer nach neuen Vertriebskanälen, z. B.
geschlossene Nutzergruppen, etwa ein grosses Un-
ternehmen, das einen Mitarbeiter-Incentive macht.
Dank unseres Kölner Partners Rheinkontor haben
wir Zugang zu einem einzigartigen internationalen
Handelsnetzwerk.
Wo werden Lebensmittel mit einer kurzen Halt-
barkeitsdauer verkauft?
CS: Diese gelangen zu Einrichtungen wie beispiels-
weise Universitäten oder Krankenhäuser, d. h. der
Endkunde konsumiert die Ware schliesslich nicht
über die Marke.
Womit verdient Limmatkontor das Geld?
CL: Einerseits mit Kommissionen der Medialeistun-
gen, andererseits mit dem Weiterverkauf der Ware.
Weshalb sollten Unternehmen Limmatkontor en-
gagieren?SiekönntendieWareaucheinemHänd-
ler abgegeben und mit dem Erlös eine Agentur
finanzieren…
CL: Wenn ich die Ware dem Restpostenhändler
gebe, erhalte ich in der Regel einen sehr niedrigen
Preis und muss den Verlust abschreiben. Die Marke-
tingmassnahmen werden dann bei einem zweiten
Anbieter mit Geld eingekauft. Bei uns erhalten die
Kunden einen höheren Preis für ihre Ware in Form
einer Gutschrift. In der Regel entstehen für den
Kunden keine Abschreibungen. Zukünftige Marke-
tingleistungen können anteilig mit dem Gutschein
bezahlt werden.
CS: Kommt hinzu: Wenn Unternehmen die Ware –
mit viel Rabatt – einem Restpostenhändler abgeben,
landet diese oft auf Online-Plattformen oder auf
Grabbeltischen.DamitwirddaszukünftigeGeschäft
kannibalisiert. Wir verkaufen die Ware dort, wo sie
nicht verkauft wird. Und dafür erhalten die Kunden
eine Gutschrift, die für Investitionen in die Zukunft
eingesetzt werden können, sprich Werbebudget.
In welchen Fällen lohnt es sich, Limmatkontor zu
engagieren?
CS: Es ist von Vorteil, wenn ein Unternehmen Pro-
dukte bzw. Dienstleistungen anbietet und gleichzei-
tig in der Werbung aktiv ist. Normalerweise haben
wir Kunden, die ein Warenproblem haben und neue
Produkte bewerben wollen, denen dazu aber das
Geld fehlt.
Ist eine Kooperation mit Agenturen vorstellbar?
CS: Wir möchten so neutral wie möglich bleiben und
nicht an eine einzelne Agentur gebunden sein. In
den USA haben einige Agenturen unser Geschäft
integriert. Wir arbeiten immer mit der Agentur des
Kunden zusammen.
Limmatkontor ist ein junges Unternehmen. Wie
steht es mit der finanziellen Basis, gibt es etwa
eine Garantie für die Medialeistungen?
CS: Wir schliessen die Verträge wenn gewünscht
zusammen mit Rheinkontor ab. Damit ist das Risiko
der Finanzierung von Medialeistungen gedeckt. Or-
ganisiert sind wir als eine klassische GmbH mit drei
Gesellschaftern. Rheinkontor besitzt Anteile und
wir als Geschäftsführer auch.
Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten Mo-
nate gesteckt?
CS: Erstes Ziel ist die Bekanntheit in der Schweiz
auf- und auszubauen. Wir wollen eine vernünftige
Alternative bieten, Mediabudget zu generieren. Bis
Ende Jahr streben wir eine Etablierung des Ge-
schäftsmodells an, ähnlich wie in Deutschland und
den USA – wobei wir nicht den Begriff «Corporate
Trading» verwenden, sondern unsere Dienstleis-
tungals«MediaforInventory»bekanntmachenwer-
den. Auf lange Sicht wollen wir erreichen, dass aus
dem Projektgeschäft dauerhafte Kundenbeziehun-
gen entstehen. Wir haben dann Kunden, die an uns
denken, wenn sie wieder einmal ein Warenproblem
beziehungsweise ein Budgetengpass haben.
 Interview: Isabel Imper
Christoph Schneider
in Kürze
Christoph Schneider ist seit 1996 in den Medien tätig.
In seiner letzten Position bei Axel Springer Schweiz
verantwortete er alsWerbmarktleiter Online dieVermark-
tung der digitalen Produkte. Claudio Lumbiarres ist
seit zwölf Jahren in der Schweizer Medienbranche tätig,
zuletzt beiTamedia im Online-Verbund Newsnet in der
Funktion Head of Sales  Business Development. Im
September 2013 haben sich Schneider und Lumbiarres
mit Limmatkontor selbständig gemacht. In Kooperation
mit dem Kölner Partner Rheinkontor leiten sie als
Geschäftsführer die auf Marketing undVertrieb
spezialisierte Agentur.
Claudio Lumbiarres
«wir sind kein
Restplatz-
vermarkter»
Werbewoche02_010 10 05.02.14 15:10

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  • 1. werbewoche 02 | 07.02.201410 Marketing & Kommunikation WW: Limmatkontor refinanziert Medialeistun- gen, d. h. Sie nehmen Firmen Produkte ab, dafür erhalten diese Medialeistungen. Warum gerade Medialeistungen? Christoph Schneider CS: Das geht auf unsere vor- herige Tätigkeit in der Medienbranche zurück. Clau- dio Lumbiarres war zuletzt bei Tamedia als Head of Sales & Business Development beim Newsnet, ich war in meiner letzten Position als Werbemarktleiter Online bei Axel Springer Schweiz tätig. Ab und zu kam es vor, dass Werbekunden uns sagten, ihr Me- diabudget sei aufgrund von Vertriebsproblemen gekürzt worden. Ein Produkt lief nicht, ein anderes war nur noch die Hälfte wert, da es bereits ein Nach- folgeprodukt auf dem Markt gab... Für diese Budget- probleme haben wir nach einer Lösung gesucht – und wurden im Ausland fündig. Wo? CS: In den USA gibt es schon seit vielen Jahren das Geschäftsmodell «Corporate Trading». Es bedeutet so viel wie: Gib mir Ware und du erhältst dafür Me- dia. Oder umgekehrt: Du kaufst bei mir Media ein und bezahlst anteilig mit Ware. Im deutschsprachi- gen Raum sind einige wenige Firmen in diesem Be- reich tätig, u. a. Rheinkontor in Köln. Wir bringen die Dienstleistung mit Limmatkontor nun in die Schweiz – gemeinsam mit unserem Partner Rhein- kontor, der seit über zehn Jahren im Corporate Tra- ding bzw. in der Refinanzierung von Medialeistun- gen aktiv ist. Um welche Medialeistungen handelt es sich? Claudio Lumbiarres CL: Geografisch konzentrie- ren wir uns in erster Linie auf die Schweizer Medi- en. Wir haben jedoch auch die Möglichkeit, interna- tionale Kampagnen besonders in Deutschland und in Österreich zu organisieren. Was die Medien an- belangt, sind wir neutral: Online, Print, Mobile, Plakat, Radio, TV – wir bieten sämtliche Gattungen an. Können die Kunden bestimmen, welche Leistun- gen sie beziehen? CL: Wir suchen gemeinsam mit Kunden nach einer Lösung, die zu ihrer Markenstrategie passt und die Zielgruppe bei möglichst geringem Streuverlust erreicht, und optimieren alles in Abstimmung mit der Agentur. Gerade im TV und Online-Be- reich sind Restplätze sehr bil- lig einzukaufen. Arbeitet Lim- matkontor mit solchen Ange- boten? CL: Wir verkaufen keine Füller- oder Restplatzwerbung, son- dern bieten Medialeistungen in allen Bereichen an. CS: Dabei sind wir weder an ei- nen Verlag noch an eine Gat- tung gebunden. Wie lässt sich Mediabudget alternativ generieren? Werbung buchen – und anstatt nur mit Geld auch mit eigenen Produkten bezahlen. Möglich macht es die 2013 gegründete Agentur Limmatkontor. Wie das funktioniert, erklären die Geschäftsführer im Interview. Limmatkontor handelt also nicht mit Media-Rest- posten? CS: Nein, wir sind kein Restplatzvermarkter. Wir haben keine vorgeschnürten Pakete oder Restplätze, die wir dem Kunden offerieren. Für uns ist jedes Projekt einzigartig. Wir analysieren mit dem Kun- den die Ware und legen den Preis dafür fest – wenn die Ware bereits abgeschrieben ist, kann der Kunde einen ausserordentlichen Ertrag generieren. Auf alle Fälle finden wir einen fairen Marktpreis für beide Parteien. Danach gehen wir mit dem Marketingver- antwortlichen und mit der Agentur in die Kampag- nenplanung und suchen in den Medien nach Mög- lichkeiten, die Werbung optimal zu platzieren. Hier profitieren wir von unserem langjährig aufgebauten Beziehungsnetzwerk. Wir verstehen uns als Partner des Kunden und der Agentur. Können Sie ein Kundenprojekt schildern? CS: Unseren Kunden versprechen wir Vertraulich- keit. Sie kommen mit Problemen auf uns zu. Diese möchten wir nicht öffentlich machen. Ich kann Ih- nen aber einen Fall beschreiben. Gerne. CS: Wir haben Ende letzten Jahres mit einem Elek- tronikanbieter ein Warenproblem gelöst. Aufgrund von Nachfolgeprodukten fiel der Wert der elektroni- schen Ware. Wir haben diese dem Kunden zu seinem Abgabepreis abgenommen und weiterverkauft, aus- serhalb seines Vertriebsnetzes. Unsere Kunden ge- ben uns jeweils Restriktionen für den Weiterverkauf an. In diesem Fall durften wir die Ware nicht in der Schweiz veräussern. Sie wurde schliesslich im nicht- deutschsprachigen Ausland verkauft. Landet die Ware jeweils auf dem freien Markt? CS: Die Ware gelangt nicht direkt in den B2C-Markt. Sie taucht im Vertriebsland unseres Kunden weder am POS noch auf einem Schnäppchenportal auf. Wir suchen immer nach neuen Vertriebskanälen, z. B. geschlossene Nutzergruppen, etwa ein grosses Un- ternehmen, das einen Mitarbeiter-Incentive macht. Dank unseres Kölner Partners Rheinkontor haben wir Zugang zu einem einzigartigen internationalen Handelsnetzwerk. Wo werden Lebensmittel mit einer kurzen Halt- barkeitsdauer verkauft? CS: Diese gelangen zu Einrichtungen wie beispiels- weise Universitäten oder Krankenhäuser, d. h. der Endkunde konsumiert die Ware schliesslich nicht über die Marke. Womit verdient Limmatkontor das Geld? CL: Einerseits mit Kommissionen der Medialeistun- gen, andererseits mit dem Weiterverkauf der Ware. Weshalb sollten Unternehmen Limmatkontor en- gagieren?SiekönntendieWareaucheinemHänd- ler abgegeben und mit dem Erlös eine Agentur finanzieren… CL: Wenn ich die Ware dem Restpostenhändler gebe, erhalte ich in der Regel einen sehr niedrigen Preis und muss den Verlust abschreiben. Die Marke- tingmassnahmen werden dann bei einem zweiten Anbieter mit Geld eingekauft. Bei uns erhalten die Kunden einen höheren Preis für ihre Ware in Form einer Gutschrift. In der Regel entstehen für den Kunden keine Abschreibungen. Zukünftige Marke- tingleistungen können anteilig mit dem Gutschein bezahlt werden. CS: Kommt hinzu: Wenn Unternehmen die Ware – mit viel Rabatt – einem Restpostenhändler abgeben, landet diese oft auf Online-Plattformen oder auf Grabbeltischen.DamitwirddaszukünftigeGeschäft kannibalisiert. Wir verkaufen die Ware dort, wo sie nicht verkauft wird. Und dafür erhalten die Kunden eine Gutschrift, die für Investitionen in die Zukunft eingesetzt werden können, sprich Werbebudget. In welchen Fällen lohnt es sich, Limmatkontor zu engagieren? CS: Es ist von Vorteil, wenn ein Unternehmen Pro- dukte bzw. Dienstleistungen anbietet und gleichzei- tig in der Werbung aktiv ist. Normalerweise haben wir Kunden, die ein Warenproblem haben und neue Produkte bewerben wollen, denen dazu aber das Geld fehlt. Ist eine Kooperation mit Agenturen vorstellbar? CS: Wir möchten so neutral wie möglich bleiben und nicht an eine einzelne Agentur gebunden sein. In den USA haben einige Agenturen unser Geschäft integriert. Wir arbeiten immer mit der Agentur des Kunden zusammen. Limmatkontor ist ein junges Unternehmen. Wie steht es mit der finanziellen Basis, gibt es etwa eine Garantie für die Medialeistungen? CS: Wir schliessen die Verträge wenn gewünscht zusammen mit Rheinkontor ab. Damit ist das Risiko der Finanzierung von Medialeistungen gedeckt. Or- ganisiert sind wir als eine klassische GmbH mit drei Gesellschaftern. Rheinkontor besitzt Anteile und wir als Geschäftsführer auch. Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten Mo- nate gesteckt? CS: Erstes Ziel ist die Bekanntheit in der Schweiz auf- und auszubauen. Wir wollen eine vernünftige Alternative bieten, Mediabudget zu generieren. Bis Ende Jahr streben wir eine Etablierung des Ge- schäftsmodells an, ähnlich wie in Deutschland und den USA – wobei wir nicht den Begriff «Corporate Trading» verwenden, sondern unsere Dienstleis- tungals«MediaforInventory»bekanntmachenwer- den. Auf lange Sicht wollen wir erreichen, dass aus dem Projektgeschäft dauerhafte Kundenbeziehun- gen entstehen. Wir haben dann Kunden, die an uns denken, wenn sie wieder einmal ein Warenproblem beziehungsweise ein Budgetengpass haben. Interview: Isabel Imper Christoph Schneider in Kürze Christoph Schneider ist seit 1996 in den Medien tätig. In seiner letzten Position bei Axel Springer Schweiz verantwortete er alsWerbmarktleiter Online dieVermark- tung der digitalen Produkte. Claudio Lumbiarres ist seit zwölf Jahren in der Schweizer Medienbranche tätig, zuletzt beiTamedia im Online-Verbund Newsnet in der Funktion Head of Sales Business Development. Im September 2013 haben sich Schneider und Lumbiarres mit Limmatkontor selbständig gemacht. In Kooperation mit dem Kölner Partner Rheinkontor leiten sie als Geschäftsführer die auf Marketing undVertrieb spezialisierte Agentur. Claudio Lumbiarres «wir sind kein Restplatz- vermarkter» Werbewoche02_010 10 05.02.14 15:10