5. Fakten: Die Testosteronregel
Intersexuelle Frauen dürfen einen Grenzwert für (körpereigenes) Testosteron von
5 nm/L Nanomol nicht überschreiten, wenn diese auf besFmmten Strecken (400 Meter
bis zu einer Meile) internaFonal starten wollen. Sie müssen 6 Monate vor einem
WeNkampf und während ihrer WeNkampfzeit testosteronhemmende Massnahmen
ergreifen.
• Studie des IAAF zeigt, dass auf diesen Strecken ein Vorteil für intersexuelle Frauen
bestehen könnte.
• Nicht intersexuelle Frauen (Frauen mit XX-Chromosom) sind von der Regel nicht
betroffen.
• Auch XX-Frauen können Erbanlagen haben, die zu einer erhöhten TestosteronprodukNon
führen.
• Wirksamkeit und Nebenwirkungen der testosteronhemmenden Massnahmen sind bis
dato nicht erwiesen.
• Intersexuelle Frauen dürfen ohne Testosteronhemmer an allen anderen WeRbewerben
starten. Bei den ausgeschlossenen WeRbewerben können sie in der Männerkategorie
starten.
6. Geltendes Recht/Standards berücksichGgen
• IAAF: Testosteronregel
• IOC: Art. 4: Sport ist ein Menschenrecht.
• WMA Genfer DeklaraNon: «Die Gesundheit meines PaNenten soll
oberstes Gebot meines Handelns sein.»
• UNO: Menschenrechtscharta und div. KonvenNonen gegen
Diskriminierung (Rasse, Geschlecht).
9. Probleme Faktenlage
• Nicht klar: Gender vs. Geschlecht. Wann ist eine Frau eine Frau?
Annahme: XX-Frau = Frau, XY-Frau = Intersex, die sich selbst als Frau oder
Mann idenNfiziert.
• Testosteron/Intersex-Studie IAAF fragwürdig.
Annahme:
Leistungssteigerung durch Testosteron 400m + 800m möglich. Generelle
Aussagen über Wirkung des Testosterons im Leistungssport jedoch nicht
möglich.
• Verwechslung Doping und natürliche TestosteronprodukNon:
Annahme: Wir sprechen nicht von Doping, sondern nur von der natürlichen
TestosteronprodukNon.
• Einschränkung der Frage: Ausklammerung der Transgender-Frage
11. Relevante ethische Fragen idenGfizieren
• GerechFgkeit: Ist es gerecht, die Testosteron-Regel zum Schutz des
fairen WeRbewerbs in der Frauen-Kategorie einzuführen?
• Menschenwürde: Verletzt die Testosteron-Regel die Menschenwürde
intersexueller Menschen?
13. Gerechtigkeit:
Die Zulassung intersexueller Athletinnen in der
Frauen-Kategorie führt zu einem unfairen
Wettbewerb.
• 100%ige GerechNgkeit kann nicht erreicht werden.
• Entweder werden 98.3% XX-Chromosomen-Frauen benachteiligt,
oder 1.7% Intersexuelle.
UFlitarisFsches Argument:
Absolute GerechFgkeit gibt es nicht. Es ist besser wenn die
Minderheit, anstaN die Mehrheit auf GerechFgkeit verzichten muss.
16. GerechGgkeit in der angewandten Ethik
Alle Menschen als Gleiche, nicht aber gleich behandeln.
Gleiche Fälle gleich, ungleiche Ungleich behandeln.
• Zentrale Fragen:
- In welcher Hinsicht sind alle Menschen gleich?
- Was soll gerecht verteilt werden?
- Nach welchem Kriterium soll gerecht verteilt werden?
17. Gerechtigkeit im Sport (egalitaristisch)
GerechFgkeitsprinzip Es ist ungerecht, wenn einige ohne
Eigenverschulden schlechter dastehen als andere.
In welcher Hinsicht sind alle
Menschen gleich?
Autonomie (Freiheit sich selbstbestimmt sportlich
zu betätigen und sich sportlich zu messen)
Was soll gleich verteilt
werden?
Relative Chancengleichheit (Level playing field =
gleiche Wettbewerbsbedingungen = jeder hat
tatsächlich eine Chance zu gewinnen)
Wie soll verteilt werden? Ungleichbehandlung ist gerecht, wenn sie auf
verantwortungsvolle Entscheidungen
zurückgeführt werden kann. Jede
Ungleichverteilung Bedarf guter Gründe.
21. Mögliche Würdeverletzungen
1. Sex TesNng
2. Die Einteilung als Frau in der Männer-Kategorie
3. Der medizinische Eingriff zur Testosteronsenkung
22. Ethische DefiniGonen von Menschenwürde
• Keinen eindeuNge DefiniNon
• „Würde wird mit einem Ensemble von besNmmten grundlegenden
Rechten gleichgesetzt“ (Dieter Birnbacher)
- Existenzminimum
- Freiheit von starken und anhaltenden Schmerzen
- minimale Freiheit (freier Bereich im Leben)
- Minimale Selbstachtung
-> Diese Grundrechte sind einem Kosten/Nutzen-Kalkül entzogen.
-> Würde hat hier keine Eigenständigkeit
23. Menschenwürde nach Kant
• „Würde ist ein absoluter Wert, der keinen Preis und kein Äquivalent
hat“
• Selbstzweckformel des Kategorischen Imperativs:
„Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner als auch in der
Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals
bloss als Mittel braucht.“
• Instrumentalisierungsverbot (gilt für sich selbst und andere).
• Aber, Prinzip der Doppelwirkung ist erlaubt:
Es ist manchmal erlaubt einen Schaden als vorhergesehene, aber
nicht beabsichtigte Folge des eigenen Handelns zu verursachen
(Schaden unbeabsichtigter Nebeneffekt und nicht Ziel).
24. Würde und Selbstachtung
• „Würde hat ein Wesen, dass sich selbst achten kann.“
• Würdeverletzungen sind Angriffe auf die Selbstachtung von
Menschen (DemüNgungen)
• ParadigmaNsches Beispiel: Juden putzen Gehsteig mit Zahnbürste
• Selbstachtung ist eine Wertschätzung, die sich nicht auf die eigenen
Taten o. Fähigkeiten, sondern auf das eigene Menschsein bezieht. Die
Selbstachtung verliert, wer sich keinen Wert mehr zuschreibt.
27. Ethische ArgumentaGon für Testosteron-Regel
GerechFgkeit im Sport bedeutet fairer WeNbewerb und Chancengleichheit.
Die Testosteron-Regel ist nicht würdeverletzend, weil....
1. Die Einteilung nach Leistungsklassen grundsätzlich nicht würdeverletzend ist.
2. Chancengleichheit nie absolut sein kann .
3. Eine Einteilung nach bestem Wissen und Gewissen gemacht wird.
4. Es der intersexuellen Sportlerin frei steht zu wählen ob und in welcher Kategorie
er/sie starten will (Autonomie).
5. Kein Zwang besteht.
28. Ethische Argumentation gegen Testosteron-Regel
Sport steht im Dienst der harmonischen Entwicklung der Menschheit
(gesellscha^liche Wohlfahrt).
Die Testosteron-Regel ist würdeverletzend, weil....
1. Was eine Frau zur Frau macht, kann nicht ausschliesslich anhand von Chromosomen,
Hormonen oder der Krankengeschichte festgestellt werden.
2. Stereotypisierungen von Frauenkörpern und dessen, was Frauen im Sport erreichen
können, kann die Würde einer Frau verletzen (Verlust der Selbstachtung).
3. Hormonelle Eingriffe sind würdeverletzend (Instrumentalisierung, De-Hancement,
Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit)
4. Der Start als Frau in einer Männerkategorie ist würdeverletzend (Verlust der
Selbstachtung)
32. Dammbruchargumente bei liberaler Regelung
Mit einer liberalen Regelung würde Tür und Tor für sportlich moFvierte
Geschlechtswechsel geöffnet.
Aber:
- unwahrscheinlich, dass sich männliche Athleten ohne jeden psychischen Zwang
geschlechtsangleichenden Hormonbehandlungen oder OperaNonen unterziehen
werden, nur um im Sport eine vermeintlich grössere Chance auf einfache Siege zu
haben.
- In der Praxis zeigt sich, dass erzwungene Geschlechtswechsel eher traumaNsche
Folgen haben, als zu sportlichen Höchstleistungen anspornen.
- Lebenlange Hormonbehandlung ist kaum eine Abkürzung für sportlichen Ruhm.
33. Dammbruchargumente bei liberaler Regelung
Nehmen intersexuelle Athletinnen an Frauen-Wettbewerben teil, haben XX-
Frauen gar keine Chancen mehr zu gewinnen.
Aber:
- Dieser Vorteil ist wissenschaftlich heute nicht belegt. Er ist möglich, aber nicht
anzunehmen.
- Eine wage Vermutung müsste zum Grundsatz «in dubio pro reo» zugunsten
intersexueller Athletinnen ausgelegt werden.
- Soll der Sport tatsächlich entscheiden, wer «Frau-genug» ist um an Frauen-
Wettkämpfen teilzunehmen?
- Wenn ja, wäre der Testosteronwert kein einheitliches Kriterium, denn er varriiert
bei den betroffenen Athletinnen, so dass keine verlässliche Aussage möglich
erscheint.
34. Sport sollte nicht die Deutungshoheit darüber
haben, was eine „Frau zur Frau“ macht.
• Derart willkürlich über den Grad der Weiblichkeit einer Sportlerin zu entscheiden, lässt sich mit
dem Gedanken der Gleichbehandlung jedoch nicht vereinbaren. Was eine Frau zur Frau macht,
kann nicht ausschliesslich anhand von Chromosomen, Hormonen oder der Krankengeschichte
festgestellt werden.
• Stereotypisierungen von Frauenkörpern und dessen, was Frauen im Sport erreichen können,
diskriminieren alle weiblichen AthleNnnen. Die Brighton DeclaraNon soll genau das jedoch
verhindern und sicherstellen, dass alle Mädchen und Frauen die Chance haben,
diskriminierungsfrei am Sport teilzunehmen. Unter dieses Versprechen müssen auch AthleNn-
nen fallen, die biologische Vorteile haben.
• BerücksichNgt man zudem, dass sich das Problem der Teilnahme von trans- und intersexuellen
AthleNnnen an FrauenweRkämpfen nur selten stellt, kann der Ausschluss der AthleNnnen erst
Recht kein zwingendes Erfordernis zur Aufrechterhaltung des level playing field sein. Weder lässt
sich ein tatsächlicher körperlicher Vorteil nachweisen, noch gibt es einen Grund, etwaige
hormonelle Vorteile anders zu behandeln als andere sportliche Vorteile: Da niemand auf die Idee
kommt einer Basketballerin oder Volleyballerin die Teilnahme am Sport zu versagen, weil sie zu
groß ist, kann man auch von trans- und intersexuellen AthleNnnen nicht erwarten, ihre
sportartspezifischen Möglichkeiten zu begrenzen.