1. Heimat und Kommunikation:
mit Bürgerzeitungen zu mehr Partizipation
Befunde der Begleitforschung zum Teilprojekt
„NEUE MEDIENANGEBOTE VON UND FÜR BÜRGER IM LANDKREIS
LUDWIGSLUST UND IM VOGTLANDKREIS – der AUFmacher & die Lupe“
im Rahmen des Bundesprogramms „Zusammenhalt durch Teilhabe“
Fachtagung, 07./08.10.2013
Berlin
Martin Welker & Andrea Kloß
4. „Das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ (ZdT) des Bundesministeriums des Innern (BMI)
fördert in den ländlichen und strukturschwachen Gegenden Projekte für demokratische Teilhabe
und gegen Extremismus. ZdT unterstützt gezielt Vereine und Initiativen, die regional verankert sind.“
In der ersten Programmphase 2010 bis 2013
wurden insgesamt 102 Projekte gefördert,
davon sind 63 abgeschlossen.
Teilprojekt: Die AUFmacher - Neue Medienangebote
von und für Bürger/-innen im Landkreis Ludwigslust
und im Vogtlandkreis
„Die Begleitforschung an der Universität Leipzig
untersucht zu Beginn, zur Halbzeit und zum
Abschluss des Projektzeitraums, welche
Informationen die Bürger erreichen und auf welchen
Wegen.“ZdT - Die AUFmacher - Fachtagung -
Welker/Kloß
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6. ZdT - Die AUFmacher - Fachtagung -
Welker/Kloß
Ludwigslust-Parchim Vogtland
• Eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit
• Jugendarbeitslosigkeit und Kinderarmut.
• Im gesamtdeutschen Vergleich wirtschaftlich
schwach bis mäßig stark einzuordnen. Die
Region profitiert von der Nähe zu den alten
Bundesländern und zur Metropole Hamburg
• Überalterung und Abwanderung zählen zu den
zentralen Bevölkerungsentwicklungen.
• Niedrige Wahlbeteiligung liegt vor.
• Die Wahlergebnisse belegen, dass
Rechtsextremismus im politischen und
gesellschaftlichen Leben der Region eine Rolle
spielt.
• Ein Angebot an kulturellen, sportlichen und
sozialen Einrichtungen ist in den Städten
vorhanden, in den Plattenbausiedlungen
mangelt es allerdings an Begegnungsstätten
• Starke Bevölkerungsrückgänge, insbesondere
Frauen und gut ausgebildete Menschen
• Kleine Haushalte (oftmals Ein-Personen-
Haushalte)
• Überalterung, wenige junge Menschen,
• niedrige Kaufkraft und verbreitete
Einkommensarmut
• Schwierige finanzielle Lage der Kommunen
• Rechtsextreme Wahlergebnisse
unterdurchschnittlich im Vergleich zu Sachsen,
aber überdurchschnittlich zu Deutschland
• Aber: Trotz aller gravierenden demografischen
Probleme und der klammen kommunalen
Kassen fällt die Arbeitslosigkeit mit weniger als
acht Prozent niedriger aus als im ostdeutschen
Durchschnitt.
• Die Untersuchungsorte verfügen über eine
gute Verkehrsanbindung
• Die Bevölkerung ist sozial weitaus heterogener,
als in der Vergleichsgruppe in M-V
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8. Forschungsleitende Fragen 1/2
• Welche Abhängigkeiten gibt es zwischen Heimatgefühl,
Kommunikation (persönliche und mediale), Engagement und
Partizipation?
• Kommunikationsraumanalyse
„Total Communication Environment Diagnostic Research Design“
• Detailfragen
– Wie definieren Bürger „Heimat“?
– Welches Themen werden am Ort diskutiert, persönlich und medial?
– Wie werden lokale journalistische Medien genutzt?
– Können die Bürger medial partizipieren? Welche Defizite werden
wahrgenommen?
– Welche persönlichen Gründe werden für eine Beteiligung / Nicht-
Beteiligung an einer Bürgerzeitung genannt
– Funktionen einer Bürgerzeitung
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14. Dimensionen/Definition von Heimat
aus Bürgersicht
• Historisch-räumlich: oftmals genannt:
„Da, wo man geboren und aufgewachsen ist“.
• Kommunikativ-sozial:
Der Beruf, die Kollegen, der Verein und die Familie gehörten
zu den genannten Gründen für die Bindung an den Ort.
„Da, wo man viele Bekanntschaften hat“.
Heimat war bei den Interviewten überwiegend positiv besetzt
und nicht negativ abgegrenzt (gegen etwas gerichtet).
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15. Kommunikation: Erwartung der Bürger
an lokale Medien
• Verständliche Informationen zu politischen Themen
• Einordnung und Orientierung in Bezug auf ihr Leben und die
Gesellschaft in der sie leben
• Bürger möchten in den lokalen Medien vertreten sein –
entweder in den Berichten als Repräsentanten oder selbst,
indem sie sich äußern.
• Die Bürger fühlten sich teilweise von den regionalen Medien
enttäuscht, insbesondere im Untersuchungsgebiet
Ludwigslust-Parchim.
• Die Medienkompetenz ist allerdings gering ausgeprägt
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17. Ludwigslust-Parchim (N=980; Wittenburg: 155;
Hagenow: 406; Boizenburg: 284; Neustadt-
Glewe: 135)
Vogtland (N=1423; Reichenbach: 984;
Lengenfeld: 250; Mylau und Netzschkau: 189)
Schweriner Volkszeitung (mit der Lokalausgabe
Ludwigsluster Tageblatt und Hagenower Kreisblatt);
schlechte Abdeckung der untersuchten (Teil-)Orte
Freie Presse (Reichenbacher Zeitung)
Vogtlandanzeiger; deutlich höhere Abozahlen für die
Regional- bzw. Lokalztg.
Boizenburg: Sanierung des Stadthauses; Organisation
eines Straßenfestes als Ersatz für das Altstadtfest;
Atommüll-Endlager in Boizenburg
Hagenow: Bundeswehrstandort; Kreisgebietsreform
Neustadt-Glewe: Müllproblematik beim „Airbeat“
Wittenburg: Alpincenter Wiedereröffnung; Fördergelder
Mehlsackmuseum; Umbenennung des Liscow-
Gymnasiums
Reichenbach: Hochschulstandort (Institut für Textil- und
Ledertechnik); 800-Jahrfeier; Zinswetten (Swaps) des
Zweckverbandes Wasser/Abwasser
Mylau und Netzschkau: Fällen von Pappeln;
Vogtlandballon; Schule „Futurum“
Lengenfeld: Streit um die Kosten der Sanierung der
Hauptstraße im Ortsteil Waldkirchen; Abriss und die
Nachnutzung des Lengenfelder Bauhofs; Streit um
Stromversorgung des Festplatzes Wolfspfütz
Insgesamt nur wenige Diskurse im
Untersuchungszeitraum von sechs Monaten festgestellt
Insgesamt werden in 133 Artikeln (9,4%) gegensätzliche
Geltungsansprüche geäußert; mehr Diskurse als in L-P
Idealtypische, ortsübergreifende Themen: Schule- und
Bildung, Stadtfeste und Veranstaltungen,
Straßenbauarbeiten, Kreisgebietsreform
ähnlich
Themen von etablierten Akteuren überwiegen Themen
von nicht-etablierten Akteuren. Es kommen vor allem
lokale Persönlichkeiten wie Politiker zu Wort
Nicht einmal jeder zehnte Beitrag handelte von einem
politischen Thema doch in nahezu jedem dritten Artikel
findet sich ein politischer Handlungsträger; aber: In fast
der Hälfte aller Beiträge (49 Prozent) treten Bürger als
Handlungsträger auf. In diskursiven Artikeln nehmen
Bürger aber weniger Raum als Hndlträger ein
Rechtsextremismus wird selten thematisiert Das Themenfeld Rechtsextremismus ist mit nur einem
Prozent vertreten
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19. Landkreis Ludwigslust-Parchim
• Alle Redaktionsmitglieder haben Partizipationserfahrungen
und wollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben
• Hang zur unkonventionellen, flexibel gestalteten Partizipation
• Es deutet sich an, dass der Grad der Heimatverbundenheit
und das Engagement der Bürger zusammenhängen
• Es besteht eine Tendenz, mit Problemen nicht öffentlich zu
werden
– Bsp. Leserbriefe: werden selten verfasst: Scheu vor Veröffentlichung
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20. Vogtlandkreis
• Unter den Befragten ist ein großes Aufkommen ehrenamtlich
Aktiver
– viele sind in Vereinen involviert
– nur vereinzelt jedoch haben die Befragten führende Positionen inne
und übernehmen Verantwortung
• i.d.R. gibt es keine heimatlose Bürger, die keinen Zugang zur
Gemeinschaft mehr haben (deckt sich mit Landkreis
Ludwigslust-Parchim)
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21. Definitionen
• Engagement: Das Ausmaß an Tätigkeiten, die Menschen freiwillig im
Sinne des Allgemeinwohls für andere Menschen (über ihren
Freundes- und Familienkreis hinaus) wahrnehmen, wobei diese
Tätigkeiten – abgesehen von einer Aufwandsentschädigung – ohne
Vergütung erbracht werden (vgl. Zukunftskommission Gesellschaft
2000: 136)
• Partizipation: Freie und gleichberechtigte Personen sollen „das
Recht und die Zugänge haben, das Gemeinwesen aktiv
mitzugestalten, indem sie an öffentlichen Diskussionsprozessen und
Entscheidungen in Politik, Staat und Gesellschaft und deren
Institutionen (…) mitwirken“ (Moser 2010: 73). Partizipation kann
begrifflich von Ehrenamt, bürgerschaftlichem Engagement,
Empowerment und verschiedenen Peer-Formen abgegrenzt werden
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23. 5. Funktionen einer lokalen Bürgerzeitung
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24. Funktionen Bürgerzeitung und
korrespondierende Dimensionen
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Funktionen
(von Bürgern in Leitfadengesprächen
genannt)
Dimension
Raum für Gemeinschaftserfahrungen Heimat
Anlaufpunkt für Begegnungen und
Austausch
Heimat, persönliche Kommunikation
Alternatives Freizeitangebot Heimat, persönliche Kommunikation
Mittel zur Verbesserung des eigenen
Lebensumfelds und zur Förderung der
eigenen Integration
persönliche Kommunikation, Engagement
Raum für persönliche Weiterentwicklung
wie die Möglichkeit, journalistisches und
computertechnisches Know‐How zu lernen
persönliche Kommunikation, Engagement
Instrument zur Herstellung von
Öffentlichkeit
öffentliche Kommunikation, Partizipation
Plattform, um sich auf niedrigschwelligem
Niveau einzumischen
Engagement, Partizipation
25. Local Communication Circle
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Kommunikation
Partizipation /
Engagement
Heimatgefühl
Gemeinde / Nachbarschaft
persönlich
medial
konstituierend strukturierend
Gemeinde / Nachbarschaft
27. Zusammenfassung
• Bürgerzeitungen können eine Katalysator-Wirkung entfalten
• Bei Bürgerzeitungen liegen persönliche und mediale
Kommunikation eng beieinander
• Bürgerredakteure üben ein besonderes Engagement aus –
das anders gelagert ist als bspw. als Mitglied in einem
Sportverein
• Bürgerzeitungen verändern die Wahrnehmung des Bürgers
auf seinen Ort, seine Gemeinde
– Bei den Redaktion in besonderem Maße
– Aber auch bei den Lesern
• Bürgerzeitungen: Wirkung bei den Eliten
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29. • Ball-Rokeach, Sandra/Kim, Yong-Chan/Matei, Sorin (2001): Storytelling
Neighborhood : Paths to Belonging in Diverse Urban Environments. In:
Communication Research 2001, 28: 392-422
• Chmielewski, Daniel (2011): Lokale Leser, lokale Nutzer : Informationsinteressen
und Ortsbindung im Vergleich; eine crossmediale Fallstudie, Köln: Halem Verlag
• Gerhards, Jürgen (1998): Öffentlichkeit. In: Jarren, Otfried et al. (Hrsg.): Politische
Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Opladen: Westdeutscher
Verlag , S. 268-274
• Habermas, Jürgen (2008): Hat die Demokratie noch eine epistemische Dimension?
Empirische Forschung und normative Theorie. In: Habermas, Jürgen: Ach, Europa.
Frankfurt a.M.: Suhrkamp Verlag, S. 138-191
• Haller, Michael/Davatz, Felix/Peters, Matthias (1995): Massenmedien, Alltagskultur
und Partizipation. Basel und F. a.M.: Helbing & Lichtenhahn
• Haller, Michael/Mirbach, Thomas (1995): Medienvielfalt und kommunale
Öffentlichkeit. München: Minerva
• Imhof, Kurt (Hrsg.) (2006): Demokratie in der Mediengesellschaft. Wiesbaden: VS
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30. • Kaun, Anne (2012): Civic Experiences and Public Connection. Media and Young
People in Estonia. Örebro Studies in Media and Communication 14, Södertörn
Doctoral Diss. 67, Huddinge
• McLeod, Jack M./Scheufele, Dietram/Moy, Patricia (1999): Community,
Communication, and Participation: The Role of Mass Media and Interpersonal
Discussion in Local Political Participation. In: Political Communication, 16: pp. 315-
336
• Moser, Sonja (2010): Beteiligt sein. Partizipation aus der Sicht von Jugendlichen.
Wiesbaden: VS Verlag
• Roth, Roland (1997): Die Kommune als Ort der Bürgerbeteiligung. In: Klein, Ansgar
/ Schmalz-Bruns, Rainer : Politische Beteiligung und Bürgerengagement in
Deutschland- Möglichkeiten und Grenzen. Bonn: BZPB
• Weibert, Anne (2010): Ein Ganzes im lokalen Rahmen. Köln: Halem
• Welker, Martin (2013): Inklusions- und Partizipationsleistungen im Journalismus:
theoretische Grundlinien und Heuristik aktueller Erscheinungsformen. In:
kommunikation@gesellschaft, online: http://nbnresolving.de/urn:nbn:de:0168-
ssoar-327804 (abgerufen am 30.03.2013)
• Zukunftskommission Gesellschaft 2000 der Landesregierung Baden-Württemberg
(1999)(Hrsg.): Solidarität und Selbstverantwortung. Stuttgart
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31. Kontakt
PD Dr. phil. habil. Martin Welker
Universität Leipzig
E-Mail: welker@uni-leipzig.de
Andrea Kloß
Universität Leipzig
andrea.kloss@ymail.com
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