1. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 316
Recht & Praxis bei Squeeze-out-Fällen, Delisting,
Organverträgen, Fusionen und Übernahmeangeboten
Nr. 16/2015 vom 14. September 2015 ISSN 2195-7274
Inhaltsübersicht
Neuregelung des Delistings:
Karami/Schuster, Empirische Analyse des Kurs- und Liquiditätseffekts auf die Ankündigung eines
Börsenrückzugs im "FRoSTA"-Zeitalter, S. 317
Delisting: Effecten-Spiegel AG warnt vor Ausverkauf der deutschen Wirtschaft, S. 318
Anstehende Spruchverfahren & Mitteilungen S. 319
Swarco Taffic Holding AG, Forst Ebnath AG
Abgeschlossene Spruchverfahren S. 321
Bayer Schering Pharma AG (Squeeze-out und Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag)
„Bemerkenswerte Befunde“ von Prof. Knoll
Fall 6: Ouvertüre zum Beta-Faktor, S. 333
Die 2012 gegründete Zeitschrift „Spruchverfahren aktuell“ (kurz: SpruchZ) wird per E-mail verteilt
und online verfügbar archiviert (u.a. unter http://de.slideshare.net/SpruchZ). Sie erscheint jeweils
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Die Zeitschrift dient lediglich der Information über die aktuelle Rechtsentwicklung. Sie kann eine
umfassende rechtsanwaltliche Beratung nicht ersetzen.
Spruchverfahren aktuell
2. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 317
Neuregelung des Delistings
Karami/Schuster, Empirische Analyse des Kurs- und Liquiditätseffekts auf die
Ankündigung eines Börsenrückzugs im "FRoSTA"-Zeitalter
bk - Die rund 67 Seiten umfassende empirische Studie von Karami/Schuster untersucht im Lichte der
umstrittenen „FRoSTA“-Rechtsprechung des BGH - soweit ersichtlich - erstmals auf wissenschaftlich
fundierter Grundlage die Aktienkursreaktion und Liquiditätswirkung bei 70 deutschen Aktien-
gesellschaften, die im Nachgang an die vorgenannte Entscheidung ein (partielles) Delisting oder ein
Downlisting am deutschen Aktienmarkt angekündigt und teilweise bereits vollzogen haben.
Es wird festgestellt, dass die Ankündigungen regelmäßig mit einer negativen Kursreaktion verbunden
sind. Dabei scheint der Streubesitzanteil einen Einfluss auf die Kursreaktion auszuüben. Darüber
hinaus offenbaren die Ergebnisse der Liquiditätsanalyse, dass die analysierten Unternehmen bereits
vor Ankündigung eine vergleichsweise geringe Aktienliquidität aufweisen. Wenngleich sich einzelne
Liquiditätskennzahlen nach Ankündigung verschlechtern, sind die Ergebnisse nicht ausreichend, um
von einem systematischen negativen Einfluss der Ankündigung auf die Aktienliquidität innerhalb des
Zeitraums bis zur Wirksamkeit der Maßnahme (bei einem Downlisting auch darüber hinaus)
auszugehen. Ferner kann belegt werden, dass die Aktienliquidität, operationalisiert durch die relative
Geld-Brief-Spanne, im Vorfeld der Ankündigung vom Anteil der Handelstage, von der
Aktienkursvolatilität sowie vom Streubesitzanteil geprägt wird.
Vor dem Hintergrund der aktuellen rechtspolitischen Diskussion zu diesem Themenkomplex sollte
nach Auffassung der Autoren ein ökonomisch begründeter und ausgewogener Anlegerschutz nicht
lediglich an die Eigenschaft der Börsennotierung i.S.d. § 3 Abs. 2 AktG anknüpfen, sondern auch und
vor allem Unternehmenscharakteristika (z.B. Anteilsbesitzkonzentration) berücksichtigen. Damit
kann einerseits den berechtigten Vermögensinteressen der – ebenfalls im Freiverkehr investierten –
Aktionäre Rechnung getragen werden, andererseits sollten ökonomisch sinnvolle Delisting/
Downlisting (vor allem bei Gesellschaften mit lediglich minimalem Streubesitz und geringer
Aktienliquidität) ohne hohe Austrittskosten zu Lasten der Gesellschaft oder des Hauptaktionärs
möglich sein.
___
Nach Registrierung bei "Bewertung im Recht" ist die Studie abrufbar unter:
http://bewertung-im-recht.de/working-papers/eine-empirische-analyse-des-kurs-und-
liquiditaetseffekts-auf-die-ankuendigung-eines
3. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 318
Delisting: Effecten-Spiegel AG warnt vor Ausverkauf der deutschen Wirtschaft
Pressemitteilung der Effecten-Spiegel AG
Am 31.08.2015 legte die Große Koalition einen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf "zur Umsetzung
der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie" (BT-Drucksachen 18/5010, 18/5272) vor, zu dem
bereits am 07.09.2015 die öffentliche Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages stattfand. Der
völlig überraschend eingebrachte Vorschlag sieht vor, dass für Aktiengesellschaften ein Rückzug von
der Börse (Delisting) nur zulässig ist, wenn gleichzeitig ein Übernahmeangebot zum Erwerb der
außenstehenden Aktien gemacht wird. Als Preis gilt allein der durchschnittliche Börsenkurs der
letzten drei Monate. Eine Unternehmensbewertung auf Grundlage der Ertragswertmethode sowie
die gerichtliche Überprüfung des Abfindungspreises durch ein Spruchverfahren soll es nicht mehr
geben.
Getarnt als scheinbare Verbesserung des Anlegerschutzes entpuppt sich der Regierungsvorschlag bei
genauerem Hinsehen als einer der aggressivsten Angriffe auf die letzten, noch verbliebenen
Minderheitenrechte der Aktionäre.
Während Aktionärsvereinigungen und die SPD harte Kritik an diesem Vorschlag üben, wird er vom
Deutschen Aktieninstitut (DAI) befürwortet. Auf Anfrage der Effecten-Spiegel AG teilte das DAI mit:
"Es ist sinnvoll, den Börsenrückzug wie den Börsengang im Kapitalmarktrecht und nicht im
Aktienrecht zu regeln, da die betroffenen Aktionäre ihre Aktionärsrechte wie z.B. das Recht auf
Dividende auch außerhalb der Börse behalten. Sachgerecht ist es auch, die Abfindungshöhe anhand
des Börsenkurses zu bestimmen. Eine Entschädigung nach dem inneren Wert würde dagegen mit
erheblichen Rechtsunsicherheiten für die Unternehmen einhergehen und lange teure Rechts-
streitigkeiten über die richtige Abfindungshöhe provozieren." Statt die Aktienkultur in Deutschland
zu stärken, lässt sich das Deutsche Aktieninstitut mit dieser Haltung vor den Karren der Lobbyisten
spannen.
Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes würden jedoch nicht nur die Minderheitsaktionäre schutzlos
gestellt, sondern auch die deutsche Wirtschaft. Gerade ausländische Großinvestoren werden in
Zukunft den Druck auf die Minderheitsaktionäre (darunter auch viele Mitarbeiteraktionäre,
Pensionskassen etc.) erhöhen, indem sie bereits im Übernahmeangebot mit einem späteren Delisting
ohne Abfindung drohen. Kleinaktionäre und auch institutionelle Investoren werden so gezwungen,
auch ein unangemessenes Übernahmeangebot anzunehmen und hätten keinerlei Rechtsschutz, eine
wirtschaftlich volle Entschädigung anhand des Ertragswertes zu erhalten. Der Entwurf verstößt damit
gegen das Eigentumsrecht aus Artikel 14 GG. Er ist eine Anleitung dafür, wie künftig Aktionäre billig
aus ertragsstarken deutschen Gesellschaften gedrängt werden können, um diese dann unter Wert zu
übernehmen. In der Konsequenz führt dies zum rabattierten Ausverkauf der deutschen Industrie,
unterstützt vom deutschen Gesetzgeber.
Die Effecten-Spiegel AG hat daher auf ihrer Internetseite www.effecten-spiegel.com ein Muster-
schreiben für Aktionäre eingestellt, um ihren jeweiligen Bundestagsabgeordneten aufzufordern,
gegen diesen Vorschlag zu stimmen.
4. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 319
Marlis Weidtmann
Vorstand der Effecten-Spiegel AG,
Postfach 102243, 40013 Düsseldorf
Tel. (0211) 683022
Fax (0211) 6912998
E-Mail: weidtmann@effecten-spiegel.de
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Börsen-Zeitung: "Schwarz-Rot ringt um Delisting"
Zum Bericht:
https://www.boersen-zeitung.de/index.php?li=1&artid=2015171003&titel=Schwarz-Rot-ringt-um-
Delisting
Anstehende Spruchverfahren & Mitteilungen
Squeeze-out bei der Swarco Traffic Holding AG eingetragen
Die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre auf die Hauptaktionärin, die SWARCO AG mit dem
Sitz in Wattens, Österreich, ist am 8. September 2015 im zuständigen Handelsregister (Amtsgericht
München) eingetragen (und am 9. bzw. 11. September 2015 bekannt gemacht) worden. Die
ordentliche Hauptversammlung der Swarco Traffic Holding AG (früher: M. Tech Technologie und
Beteiligungs AG) hatte am 23. Juli 2015 den Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen eine
Barabfindung in Höhe von EUR 6,66 je Aktie beschlossen. Die Angemessenheit dieses Bar-
abfindungsbetrags wird in einem Spruchverfahren vor dem LG München I überprüft werden.
Der nunmehr von der Hauptaktionärin angebotene Betrag in Höhe von EUR 6,66 liegt deutlich über
dem Übernahmeangebot in Höhe von EUR 4,- im letzten Jahr (siehe hierzu:
http://spruchverfahren.blogspot.de/2014/08/freiwilliges-erwerbsangebot-die.html).
Bereits zuvor war ein Delisting der Swarco Traffic Holding-Aktien beschlossen worden, vgl.
http://spruchverfahren.blogspot.de/2014/04/swarco-traffic-holding-ag-delisting-der.html.
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5. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 320
Forst Ebnath Aktiengesellschaft: Eintragung des Squeeze out-Beschlusses ins
Handelsregister
Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG
Der Beschluss der Hauptversammlung der Forst Ebnath Aktiengesellschaft (nachfolgend: FEAG) vom
4. August 2015 über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der FEAG auf die
Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Aktiengesellschaft in München (nachfolgend: Munich Re)
als Hauptaktionärin gem. §§ 327a ff. AktG wurde am 14. September 2015 in das Handelsregister der
Gesellschaft eingetragen.
Mit der Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister sind kraft Gesetzes alle
Aktien der Minderheitsaktionäre auf Munich Re übergegangen. Einzelheiten zur Auszahlung der
festgesetzten Barabfindung in Höhe von 1.807,00 Euro je auf den Inhaber lautender Stückaktie
werden von Munich Re in Kürze bekannt gegeben; die entsprechende Bekanntmachung wird im
Bundesanzeiger erfolgen.
Die Börsennotierung der Aktien der FEAG wird voraussichtlich in den nächsten Tagen eingestellt
werden. Der bis dahin noch stattfindende Börsenhandel ist ein Handel nur mit den
Barabfindungsansprüchen der Minderheitsaktionäre. Ab der Eintragung des Über-
tragungsbeschlusses in das Handelsregister verbriefen die in den Depots von Minderheitsaktionären
noch verbuchten Aktien der FEAG lediglich die genannten Barabfindungsansprüche.
Ebnath, den 14. September 2015
Der Vorstand
6. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 321
Abgeschlossene Spruchverfahren
Vergleichsweise Beendigung des Spruchverfahrens zum Squeeze-out bei der
Bayer Schering Pharma Aktiengesellschaft
Landgericht Berlin
102 O 250/08 AktG
V e r g l e i c h
zur Beendigung des Spruchverfahrens im Zusammenhang mit dem Ausschluss
der ehemaligen Minderheitsaktionäre der Schering AG
zwischen
1. - 159. (...)
- Antragsteller -
160. Rechtsanwalt Dr. Christoph Regierer, (…), Berlin
- als Vertreter der außenstehenden Aktionäre -
und
Bayer AG (vormals Bayer Schering GmbH),
(...), Leverkusen
Prozessbevollmächtige:
Rechtsanwälte Hengeler Mueller, (...), Düsseldorf
- Antragsgegnerin -
Die Antragsteller, der gemeinsame Vertreter und die Antragsgegnerin werden gemeinsam als
"Parteien" bezeichnet.
Präambel
Die Dritte BV GmbH, die später in Bayer Schering GmbH umfirmiert und dann auf die Bayer AG
verschmolzen wurde ("Antragsgegnerin"), schloss am 31. Juli 2006 mit der ehemaligen Schering AG
einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Antragsgegnerin als herrschendem
Unternehmen und der Schering AG als abhängiger Gesellschaft. Diesem Vertrag stimmte die
Hauptversammlung der Schering AG am 13. September 2006 zu. Der Zustimmungsbeschluss wurde
am 27. Oktober 2006 in das Handelsregister der Schering AG eingetragen, der Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag wurde damit wirksam.
7. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 322
In dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag verpflichtete sich die Antragsgegnerin gemäß
§ 305 AktG, auf Verlangen außenstehender Aktionäre der Schering AG deren Aktien gegen eine
Barabfindung von EUR 89,00 je Stückaktie zu erwerben. Entsprechend dem von der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß WpÜG-Angebotsverordnung zum 13. September 2006
ermittelten gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der letzten drei Monate vor der
Hauptversammlung erhöhte die Antragsgegnerin die im BGAV festgesetzte Abfindung wenige Tage
nach der Hauptversammlung auf EUR 89,36. Seitdem bietet sie allen ehemaligen außenstehenden
Aktionären der Schering AG an, ihre Aktien gegen eine Barabfindung in Höhe von EUR 89,36 je
Stückaktie zu erwerben ("BGV-Abfindungsangebot"). Das Abfindungsangebot ist nach § 305 Abs. 4
Satz 3 AktG befristet. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin denjenigen Aktionären, die von dem
Abfindungsangebot keinen Gebrauch machen wollten, für die Dauer des Vertrages gemäß § 304 AktG
eine Ausgleichszahlung in Höhe von EUR 4,60 (brutto) und EUR 3,62 (netto) für jedes volle
Geschäftsjahr angeboten.
Am 17. Januar 2007 beschloss die Hauptversammlung der Schering AG die Übertragung der Aktien
der Minderheitsaktionäre der Gesellschaft auf die Bayer AG gemäß §§ 327a ff. AktG gegen
Gewährung einer Barabfindung in Höhe von EUR 98,98 je Stückaktie der Schering AG
("Übertragungsbeschluss"). Der Übertragungsbeschluss wurde am 25. September 2008 in das
Handelsregister der Schering AG eingetragen und damit wirksam.
Ehemalige Minderheitsaktionäre der Schering AG haben ein Spruchverfahren zur Überprüfung der
Angemessenheit der Barabfindung beim Minderheitsausschluss eingeleitet, das beim Landgericht
Berlin (102 O 250/08 AktG) anhängig ist.
Zudem beantragten ehemalige Aktionäre der Schering AG die gerichtliche Überprüfung der
Angemessenheit von Ausgleich und Abfindung im Rahmen des Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrages. Das Landgericht Berlin (102 O 134/06 AktG) hat mit Beschluss vom
23. April 2013 die Barabfindung nach § 305 AktG auf EUR 124,65 je Stückaktie und den Ausgleich
gemäß § 304 AktG auf EUR 6,49 (brutto), entsprechend einem Nettobetrag von EUR 5,11 zzgl.
Solidaritätszuschlag und Körperschaftsteuer, je Stückaktie festgesetzt. Gegen diesen Beschluss haben
die Antragsgegnerin Beschwerde sowie einige Aktionäre Beschwerde bzw. Anschlussbeschwerde
eingelegt. Diese liegen nunmehr dem Kammergericht Berlin (2 W 127/13) zur Prüfung und Ent-
scheidung vor.
Die Parteien sind übereingekommen, beide Spruchverfahren im Wege des gerichtlichen Vergleichs
einvernehmlich zu beenden.
Dies vorausgeschickt vereinbaren die Parteien – unter Aufrechterhaltung ihrer jeweiligen
Standpunkte in rechtlicher und bewertungsmäßiger Sicht – auf Anraten und Empfehlung des Gerichts
im Einzelnen was folgt:
§ 1 Erhöhung der Barabfindung
(1) Die Antragsgegnerin erhöht die im Rahmen des Minderheitsausschlusses ursprünglich auf
EUR 98,98 je Stückaktie festgesetzte Barabfindung nach § 327b Abs. 1 AktG – im Wege eines echten
8. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 323
Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) – für alle ehemaligen Minderheitsaktionäre der Schering AG,
die infolge des Wirksamwerdens des Übertragungsbeschlusses aus der Gesellschaft ausgeschieden
sind, um EUR 19,02 je Stückaktie ("Erhöhungsbetrag") auf nunmehr EUR 118,00 je Stückaktie der
Schering AG. Der Erhöhungsbetrag wird ab dem 26. September 2008 (erster Tag des Zinslaufs) gemäß
§ 327b Abs. 2 1. Halbs. AktG gesetzlich verzinst, d.h. bis zum 31. August 2009 mit jährlich
2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins gemäß § 247 BGB und ab dem 1. September 2009
mit jährlich 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins gemäß § 247 BGB.
(2) Nach diesem Vergleich sind nur diejenigen ehemaligen Minderheitsaktionäre der Schering AG
anspruchsberechtigt, die infolge des Wirksamwerdens des Übertragungsbeschlusses am
25. September 2008 aus der Gesellschaft ausgeschieden sind. Alle anderen ehemaligen Minder-
heitsaktionäre, die infolge der Annahme des BGV-Abfindungsangebots aus der Gesellschaft
ausgeschieden sind, erhalten eine erhöhte Abfindung ausschließlich nach Maßgabe des Vergleichs im
Spruchverfahren zur Überprüfung der Angemessenheit von Abfindung und Ausgleich im Rahmen des
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages.
(3) Die Abtretung der Ansprüche aus diesem Vergleich an einen Zessionar, der in einem nach dem
12. November 2013 im Bundesanzeiger veröffentlichten Kaufangebot benannt wurde, ist
ausgeschlossen. Dies gilt nicht, soweit die Abtretung auf einem anderen Grund beruht als einem
nach dem 12. November 2013 veröffentlichten Kaufangebot und die Abtretung spätestens einen
Monat nach Bekanntmachung des Vergleichs gemäß § 3 der Antragsgegnerin schriftlich unter
Vorlage von Unterlagen, die den fehlenden Zusammenhang mit einem öffentlichen Kaufangebot
nach dem 12. November 2013 zweifelsfrei erkennen lassen, angezeigt wird.
(4) Die Ansprüche auf Zahlung des Erhöhungsbetrags erlöschen sechs Monate nach dem Tag, an
dem die Abwicklungshinweise gemäß § 3 bekannt gemacht wurden, soweit die Ansprüche nicht im
Einklang mit Abs. 5 geltend gemacht worden sind. In diesem Fall verjähren die Ansprüche zwölf
Monate nach Bekanntmachung der Abwicklungshinweise gemäß § 3.
(5) Nach Abs. 2 berechtigte Aktionäre, die den Erhöhungsbetrag nicht spätestens drei Monate
nach Bekanntmachung der Abwicklungshinweise gemäß § 3 erhalten haben, werden gebeten, ihren
Anspruch auf Zahlung des Erhöhungsbetrags bei der zentralen Abwicklungsstelle gemäß § 2 Abs. 1
geltend zu machen.
§ 2 Zahlung des Erhöhungsbetrages
(1) Mit der Zahlung des Erhöhungsbetrags wird die Commerzbank AG oder ein anderes von der
Antragsgegnerin zu bestimmendes Kreditinstitut als zentrale Abwicklungsstelle beauftragt ("zentrale
Abwicklungsstelle"). Details zur zentralen Abwicklungsstelle und ihre genaue Postadresse werden in
den Abwicklungshinweisen gemäß § 3 veröffentlicht.
(2) Die im Zusammenhang mit der Zahlung des Erhöhungsbetrages anfallenden Spesen,
Provisionen und Kosten trägt die Antragsgegnerin bis zu einem Betrag von EUR 5,- je berechtigten
Minderheitsaktionär.
9. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 324
(3) Der Erhöhungsbetrag wird drei Monate nach Bekanntmachung der Abwicklungshinweise
gemäß § 3 zur Zahlung fällig und den berechtigten Minderheitsaktionären, soweit möglich, ohne
Weiteres bankmäßig gutgeschrieben.
§ 3 Bekanntmachung
Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, diesen Vergleich und Hinweise zu seiner Abwicklung
("Abwicklungshinweise") im Bundesanzeiger, in einem börsentäglich erscheinenden
Börsenpflichtblatt (nicht jedoch im Druckerzeugnis "Frankfurter Allgemeine Zeitung") und auf der
Internetplattform GSC Research AG – auf ihre Kosten – unverzüglich mit Wirksamkeit dieses
Vergleichs zu veröffentlichen.
§ 4 Wirkung des Vergleichs
(1) Mit der Erfüllung dieses Vergleichs sind sämtliche Ansprüche der aus diesem Vergleich
berechtigten Minderheitsaktionäre der Schering AG im Zusammenhang mit dem
Minderheitsausschluss, gleich welcher Art und gleich welchen Rechtsgrundes, – insbesondere auf
Barabfindung – und mit diesem Spruchverfahren insgesamt abgegolten und erledigt. Dies gilt auch
für etwaige Ansprüche auf Verzinsung des Erhöhungsbetrages.
(2) Der Vergleich wird mit seiner gerichtlichen Protokollierung oder Feststellung gemäß § 11
Abs. 4 Satz 2 SpruchG wirksam, aber nur zusammen mit dem Vergleich zur Beendigung des
Spruchverfahrens über die Angemessenheit von Abfindung und Ausgleich im Rahmen des
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vor dem Kammergericht Berlin (2 W 127/13).
(3) Mit Wirksamwerden des Vergleichs ist dieses Spruchverfahren beendet. Die Antragsteller, der
gemeinsame Vertreter und die Antragsgegnerin sind sich einig, dass dieser Vergleich hilfsweise als
außergerichtlicher Vergleich wirksam sein soll. Für diesen Fall erklären die Antragsteller und die
Antragsgegnerin das Spruchverfahren hiermit übereinstimmend für erledigt und nehmen vorsorglich
sämtliche Verfahrensanträge zurück. Der gemeinsame Vertreter stimmt den Erledigungserklärungen
durch die Antragsteller und die Antragsgegnerin sowie der vorsorglichen Rücknahme sämtlicher
Verfahrensanträge zu und verzichtet gegenüber dem Gericht unwiderruflich auf das Recht zur
Fortführung des Verfahrens.
§ 5 Kosten
(1) Die Antragsgegnerin trägt neben ihren eigenen außergerichtlichen Kosten die Gerichtskosten,
einschließlich der Kosten des gemeinsamen Vertreters, die außergerichtlichen Kosten sowie die
Kosten dieses Vergleichs nach Maßgabe dieses § 5.
(2) Die Antragsgegnerin erstattet jedem Antragsteller außergerichtliche Kosten abschließend in
Höhe von pauschal EUR 7.500,- zzgl. MwSt, soweit diese anfällt.
(3) Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des gemeinsamen Vertreters erfolgt aus einem
Gegenstandswert von EUR 7,5 Mio. gemäß der gesetzlichen Regelung. Danach erhält der
gemeinsame Vertreter die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses, Anlage 1 zum
10. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 325
RVG), die Terminsgebühr (Nr. 3104 des Vergütungsverzeichnisses, Anlage 1 zum RVG) sowie die
Einigungsgebühr (Nr. 1003 des Vergütungsverzeichnisses, Anlage 1 zum RVG). Daneben hat der
gemeinsame Vertreter Anspruch auf den Ersatz seiner Auslagen (Nr. 7000 ff. des
Vergütungsverzeichnisses, Anlage 1 zum RVG).
(4) Kostenrechnungen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller und des gemeinsamen
Vertreters sind (mit Angabe der Bankverbindung, einer Erklärung, ob der Antragsteller zum
Vorsteuerabzug berechtigt ist, und ggf. Rechnungsnummer und Umsatzsteuernummer) unter Angabe
der Kostenstelle UI20658020 und der Stichworte "Erstattung außergerichtliche Kosten für Schering-
Vergleichsverfahren" an die Bayer Aktiengesellschaft, Rechtsabteilung (Gebäude Q 26, Raum 1.008),
51368 Leverkusen, zu adressieren. Die nicht anwaltlich vertretenen Antragsteller richten ein
Anforderungsschreiben über die Kostenerstattung an die vorgenannte Stelle.
(5) Die Kostenerstattungsansprüche werden mit Bekanntmachung der Abwicklungshinweise
gemäß § 3 und Zugang der Kostenrechnung bzw. des Anforderungsschreibens gemäß vorstehendem
Absatz 4 bei der Antragsgegnerin fällig. Sie erlöschen innerhalb von sechs Monaten nach
Bekanntmachung der Abwicklungshinweise gemäß § 3, es sei denn, die Kostenrechnung ist innerhalb
dieser Frist und gemäß den Anforderungen des Abs. 4 der Antragsgegnerin zugegangen. In diesem
Fall verjähren die Kostenerstattungsansprüche zwölf Monate nach Bekanntmachung der
Abwicklungshinweise gemäß § 3. Mit der Erfüllung der Kostenerstattungsansprüche gemäß diesem
§ 5 sind alle wechselseitigen Auslagen- und Kostenerstattungsansprüche der Beteiligten erledigt. Mit
Erfüllung der Kostenerstattungsansprüche sind auch alle etwaigen sonstigen Ansprüche der Antrag-
steller und der vom gemeinsamen Vertreter vertretenen Aktionäre aus § 327b Abs. 2, letzter
Halbsatz AktG abgegolten. Die Antragsteller und der gemeinsame Vertreter verzichten auf die
Durchführung eines Kostenfestsetzungsverfahrens.
§ 6 Sonstiges
(1) Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, alle ehemaligen Minderheitsaktionäre der Schering AG,
die gemäß § 1 dieses Vergleichs anspruchsberechtigt sind, gleichzustellen, soweit sie außerhalb
dieses Vergleichs zur Erledigung des Spruchverfahrens mit einem Antragsteller oder einem
außenstehenden Aktionär günstigere Bedingungen als in diesem Vergleich vereinbart hat oder
vereinbaren wird.
(2) Änderungen und Ergänzungen dieses Vergleichs einschließlich dieser Klausel bedürfen der
Schriftform.
(3) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vergleichs ganz oder teilweise unwirksam oder
undurchführbar sein oder werden, oder sollte sich bei Durchführung dieses Vergleichs herausstellen,
dass dieser eine Lücke enthält, so bleibt die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen dieses
Vergleichs hiervon unberührt. Anstelle der unwirksamen, undurchführbaren oder fehlenden
Bestimmung dieses Vergleichs soll eine solche angemessene oder rechtlich gültige Bestimmung
treten, wie sie die Beteiligten vernünftigerweise vereinbart hätten und die wirtschaftlich demjenigen
nahekommt, was die Beteiligten bei Abschluss dieses Vergleichs vereinbart hätten, wenn sie den
nunmehr infrage stehenden Punkt bedacht hätten.
11. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 326
(4) Der Vergleich und seine Auslegung unterliegen dem Recht der Bundesrepublik Deutschland
unter Ausschluss des internationalen Privatrechts. Für sämtliche Streitigkeiten aus oder im
Zusammenhang mit diesem Vergleich oder seiner Gültigkeit ist ausschließlich das Landgericht Berlin
zuständig, soweit gesetzlich zulässig.
Abwicklungshinweise / Technische Abwicklung der Nachbesserung
Als Zentralabwicklungsstelle für die Auszahlung der Nachbesserung fungiert die Commerzbank
Aktiengesellschaft, Kaiserplatz, 60261 Frankfurt am Main (Anschrift: Commerzbank AG, GSMO 4.1.2,
Events Domestic, 60261 Frankfurt am Main).
Nachbesserungsberechtigte ehemalige Minderheitsaktionäre der Bayer Schering Pharma
Aktiengesellschaft (zuvor firmierend als Schering Aktiengesellschaft, ISIN DE0007172009), die nach
wie vor bei dem Kreditinstitut ein Konto unterhalten, über das seinerzeit die ursprüngliche
Barabfindung im Rahmen der Übertragung der Aktien auf die Bayer Schering GmbH (vormals Dritte
BV GmbH) abgewickelt wurde, brauchen hinsichtlich der Gutschrift der Nachbesserung nichts zu
veranlassen.
Nachbesserungsberechtigte ehemalige Minderheitsaktionäre, die zwischenzeitlich ihre Bankver-
bindung gewechselt oder aus sonstigen Gründen bis drei Monate nach Bekanntmachung gemäß § 3
des vorstehend veröffentlichten Vergleichs keine Nachbesserung erhalten haben, werden gebeten,
sich möglichst umgehend an dasjenige Kreditinstitut zu wenden, über welches seinerzeit die ur-
sprüngliche Gegenleistung im Zusammenhang mit der Übertragung der Aktien der
Minderheitsaktionäre der Bayer Schering Pharma Aktiengesellschaft auf die Bayer Schering GmbH
abgewickelt wurde.
Die Vergütung der Nachbesserung in Höhe von Euro 19,02 je Aktie an die ehemaligen
Minderheitsaktionäre der Bayer Schering Pharma Aktiengesellschaft wird ab dem 26. September
2008 bis zum 31. August 2009 mit jährlich 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach
§ 247 BGB und ab dem 1. September 2009 bis zum Tag der Auszahlung der Nachbesserung mit
jährlich 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB verzinst. Die Zinsen
gelangen ohne Abzug von Abschlagsteuern zur Auszahlung, sind jedoch einkommensteuerpflichtig.
Im Hinblick auf die persönliche steuerliche Behandlung wird den berechtigten ehemaligen
Minderheitsaktionären der Bayer Schering Pharma Aktiengesellschaft empfohlen, ihren steuerlichen
Berater zu konsultieren.
Alle Zahlungen im Rahmen der Nachbesserung sind für die nachbesserungsberechtigten ehemaligen
Minderheitsaktionäre der Bayer Schering Pharma Aktiengesellschaft bis zu einem Betrag von EUR 5,-
je berechtigten Minderheitsaktionär kosten- und provisionsfrei.
im September 2015
Bayer Aktiengesellschaft
Der Vorstand
12. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 327
Vergleichsweise Beendigung des Spruchverfahrens zum Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag mit der Schering AG
Kammergericht Berlin
2 W 127/13
[Landgericht Berlin
102 O 134/06 AktG]
V e r g l e i c h
zur Beendigung des Spruchverfahrens im Zusammenhang mit dem
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen
der ehemaligen Schering AG und der Bayer AG
(vormals Bayer Schering GmbH und Dritte BV GmbH)
zwischen
1. - 127. (...)
- Antragsteller und Beschwerdegegner -
sowie
128. Rechtsanwalt Christoph Regierer,
c/o Röver Brönner Rechtsanwälte, (...), Berlin
- als gemeinsamer Vertreter der außenstehenden Aktionäre
und
129. Bayer AG (vormals Bayer Schering GmbH und Dritte BV GmbH),
(...), Leverkusen
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Hengeler Mueller, (...), Düsseldorf
- Antragsgegnerin, Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin -
Die Antragsteller, der gemeinsame Vertreter und die Antragsgegnerin werden gemeinsam als
"Parteien" bezeichnet.
Präambel
Die Dritte BV GmbH, die später in Bayer Schering GmbH umfirmiert und dann auf die Bayer AG
verschmolzen wurde ("Antragsgegnerin"), schloss am 31. Juli 2006 mit der ehemaligen Schering AG
einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der Antragsgegnerin als herrschendem
Unternehmen und der Schering AG als abhängiger Gesellschaft. Diesem Vertrag stimmte die
Hauptversammlung der Schering AG am 13. September 2006 zu. Der Zustimmungsbeschluss wurde
am 27. Oktober 2006 in das Handelsregister der Schering AG eingetragen, der Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag wurde damit wirksam.
13. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 328
In dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag verpflichtete sich die Antragsgegnerin gemäß
§ 305 AktG, auf Verlangen außenstehender Aktionäre der Schering AG deren Aktien gegen eine
Barabfindung von EUR 89,00 je Stückaktie zu erwerben. Entsprechend dem von der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gemäß WpÜG-Angebotsverordnung zum 13. September 2006
ermittelten gewichteten durchschnittlichen inländischen Börsenkurs der letzten drei Monate vor der
Hauptversammlung erhöhte die Antragsgegnerin die im BGAV festgesetzte Abfindung wenige Tage
nach der Hauptversammlung auf EUR 89,36. Seitdem bietet sie allen ehemaligen außenstehenden
Aktionären der Schering AG an, ihre Aktien gegen eine Barabfindung in Höhe von EUR 89,36 je
Stückaktie zu erwerben ("BGV-Abfindungsangebot"). Das Abfindungsangebot ist nach § 305 Abs. 4
Satz 3 AktG befristet. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin denjenigen Aktionären, die von dem
Abfindungsangebot keinen Gebrauch machen wollten, für die Dauer des Vertrages gemäß § 304 AktG
eine Ausgleichszahlung in Höhe von EUR 4,60 (brutto) und EUR 3,62 (netto) für jedes volle
Geschäftsjahr angeboten.
Am 17. Januar 2007 beschloss die Hauptversammlung der Schering AG die Übertragung der Aktien
der Minderheitsaktionäre der Gesellschaft auf die Bayer AG gemäß §§ 327a ff. AktG gegen
Gewährung einer Barabfindung in Höhe von EUR 98,98 je Stückaktie der Schering AG
("Übertragungsbeschluss"). Der Übertragungsbeschluss wurde am 25. September 2008 in das
Handelsregister der Schering AG eingetragen und damit wirksam.
Aktionäre der Schering AG haben die gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit von Ausgleich
und Abfindung im Rahmen des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages beantragt. Das
Landgericht Berlin (102 O 134/06 AktG) hat mit Beschluss vom 23. April 2013 die Barabfindung nach
§ 305 AktG auf EUR 124,65 je Stückaktie und den Ausgleich gemäß § 304 AktG auf EUR 6,49 (brutto),
entsprechend einem Nettobetrag von EUR 5,11 zzgl. Solidaritätszuschlag und Körperschaftsteuer, je
Stückaktie festgesetzt. Gegen diesen Beschluss haben die Antragsgegnerin Beschwerde sowie einige
Aktionäre Beschwerde bzw. Anschlussbeschwerde eingelegt. Diese liegen nunmehr dem
Kammergericht Berlin (2 W 127/13) zur Prüfung und Entscheidung vor.
Ein weiteres Spruchverfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung beim
Minderheitsausschluss ist beim Landgericht Berlin (102 O 250/08 AktG) anhängig. Dieses
Spruchverfahren wurde bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Spruchverfahrens zum
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ausgesetzt.
Die Parteien sind übereingekommen, beide Spruchverfahren im Wege des gerichtlichen Vergleichs
einvernehmlich zu beenden.
Dies vorausgeschickt vereinbaren die Parteien – unter Aufrechterhaltung ihrer jeweiligen Stand-
punkte in rechtlicher und bewertungsmäßiger Sicht – auf Anraten und Empfehlung des Gerichts im
Einzelnen was folgt:
§ 1 Erhöhung der Barabfindung
(1) Die Antragsgegnerin erhöht die im Rahmen des Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrages auf EUR 89,36 festgesetzte Barabfindung nach § 305 AktG – im Wege
eines echten Vertrags zugunsten Dritter (§ 328 BGB) – für alle außenstehenden Aktionäre, die das
14. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 329
Abfindungsangebot vor Wirksamwerden des Übertragungsbeschlusses am 25. September 2008
angenommen haben, um EUR 28,64 je Stückaktie ("Erhöhungsbetrag") auf nunmehr EUR 118,00 je
Stückaktie der Schering AG. Der Erhöhungsbetrag wird ab dem 26. September 2008 (erster Tag des
Zinslaufs) gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG gesetzlich verzinst, d. h. bis zum 31. August 2009 mit
jährlich 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins nach § 247 BGB und ab dem 1. September
2009 mit jährlich 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins nach § 247 BGB.
(2) Nach diesem Vergleich sind nur diejenigen außenstehenden Aktionäre anspruchsberechtigt,
die das BGV-Abfindungsangebot vor Wirksamwerden des Übertragungsbeschlusses angenommen
haben und damit aus der Gesellschaft ausgeschieden sind. Alle anderen außenstehenden Aktionäre
sind durch Wirksamwerden des Übertragungsbeschlusses aus der Gesellschaft ausgeschieden und
erhalten eine erhöhte Abfindung ausschließlich nach Maßgabe des Vergleichs im Spruchverfahren
zur Überprüfung der Angemessenheit der Barabfindung beim Minderheitsausschluss.
(3) Die Ausgleichszahlung gemäß § 304 AktG wird nicht erhöht.
(4) Die Abtretung der Ansprüche aus diesem Vergleich an einen Zessionar, der in einem nach dem
12. November 2013 im Bundesanzeiger veröffentlichten Kaufangebot benannt wurde, ist
ausgeschlossen. Dies gilt nicht, soweit die Abtretung auf einem anderen Grund beruht als einem
nach dem 12. November 2013 veröffentlichten Kaufangebot und die Abtretung spätestens einen
Monat nach Bekanntmachung des Vergleichs gemäß § 3 der Antragsgegnerin schriftlich unter
Vorlage von Unterlagen, die den fehlenden Zusammenhang mit einem öffentlichen Kaufangebot
nach dem 12. November 2013 zweifelsfrei erkennen lassen, angezeigt wird.
(5) Die Ansprüche auf Zahlung des Erhöhungsbetrags erlöschen sechs Monate nach dem Tag, an
dem die Abwicklungshinweise gemäß § 3 bekannt gemacht wurden, soweit die Ansprüche nicht im
Einklang mit Abs. 6 geltend gemacht worden sind. In diesem Fall verjähren die Ansprüche zwölf
Monate nach Bekanntmachung der Abwicklungshinweise gemäß § 3.
(6) Nach Abs. 2 berechtigte Aktionäre, die den Erhöhungsbetrag nicht spätestens drei Monate
nach Bekanntmachung der Abwicklungshinweise gemäß § 3 erhalten haben, werden gebeten, ihren
Anspruch auf Zahlung des Erhöhungsbetrags bei der zentralen Abwicklungsstelle gemäß § 2 Abs. 1
geltend zu machen.
§ 2 Zahlung des Erhöhungsbetrages
(1) Mit der Zahlung des Erhöhungsbetrages wird die Commerzbank AG oder ein anderes von der
Antragsgegnerin zu bestimmendes Kreditinstitut als zentrale Abwicklungsstelle beauftragt ("zentrale
Abwicklungsstelle"). Details zur zentralen Abwicklungsstelle und ihre genaue Postadresse werden in
den Abwicklungshinweisen gemäß § 3 veröffentlicht.
(2) Die im Zusammenhang mit der Zahlung des Erhöhungsbetrages anfallenden Spesen,
Provisionen und Kosten trägt die Antragsgegnerin bis zu einem Betrag von EUR 15,- je berechtigten
außenstehenden Aktionär.
15. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 330
(3) Der Erhöhungsbetrag wird drei Monate nach Bekanntmachung der Abwicklungshinweise
gemäß § 3 zur Zahlung fällig und berechtigten Aktionären, soweit möglich, ohne Weiteres bankmäßig
gutgeschrieben.
§ 3 Bekanntmachung
Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, diesen Vergleich und Hinweise zu seiner Abwicklung
("Abwicklungshinweise") im Bundesanzeiger, in einem börsentäglich erscheinenden
Börsenpflichtblatt (nicht jedoch im Druckerzeugnis "Frankfurter Allgemeine Zeitung") und auf der
Internetplattform GSC Research AG – auf ihre Kosten – unverzüglich mit Wirksamkeit dieses
Vergleichs zu veröffentlichen.
§ 4 Wirkung des Vergleichs
(1) Mit der Erfüllung dieses Vergleichs sind sämtliche Ansprüche der aus diesem Vergleich
berechtigten außenstehenden Aktionäre der Schering AG im Zusammenhang mit dem
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, gleich welcher Art und gleich welchen
Rechtsgrundes, – insbesondere auf Abfindung und Ausgleich – und mit diesem Spruchverfahren
insgesamt abgegolten und erledigt. Dies gilt auch für etwaige Ansprüche auf Verzinsung des
Erhöhungsbetrages.
(2) Der Vergleich wird mit seiner gerichtlichen Protokollierung oder Feststellung gemäß § 11
Abs. 4 Satz 2 SpruchG wirksam, aber nur zusammen mit dem Vergleich zur Beendigung des
Spruchverfahrens über die Angemessenheit der Barabfindung beim Minderheitsausschluss vor dem
Landgericht Berlin (102 O 250/08 AktG).
(3) Mit Wirksamwerden des Vergleichs ist dieses Spruchverfahren beendet, und die Festsetzung
von Abfindung und Ausgleich durch das Landgericht Berlin im Beschluss vom 23. April 2013 ist
gegenstandslos. Die Antragsteller, der gemeinsame Vertreter und die Antragsgegnerin sind sich einig,
dass dieser Vergleich hilfsweise als außergerichtlicher Vergleich wirksam sein soll. Für diesen Fall
erklären die Antragsteller und die Antragsgegnerin das Spruchverfahren hiermit übereinstimmend
für erledigt und nehmen vorsorglich sämtliche Verfahrensanträge zurück. Der gemeinsame Vertreter
stimmt den Erledigungserklärungen durch die Antragsteller und die Antragsgegnerin sowie der
vorsorglichen Rücknahme sämtlicher Verfahrensanträge zu und verzichtet gegenüber dem Gericht
unwiderruflich auf das Recht zur Fortführung des Verfahrens.
§ 5 Kosten
(1) Die Antragsgegnerin trägt neben ihren eigenen außergerichtlichen Kosten die Gerichtskosten
einschließlich der Kosten des gerichtlich bestellten Sachverständigen und des gemeinsamen
Vertreters, die außergerichtlichen Kosten sowie die Kosten dieses Vergleichs nach Maßgabe dieses
§ 5.
(2) Die Antragsgegnerin erstattet jedem Antragsteller außergerichtliche Kosten abschließend in
Höhe von pauschal EUR 7.500,- zzgl. MwSt, soweit diese anfällt.
16. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 331
(3) Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des gemeinsamen Vertreters erfolgt aus einem
Gegenstandswert von EUR 7,5 Mio. gemäß der gesetzlichen Regelung. Danach erhält der
gemeinsame Vertreter für die erste Instanz die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 des
Vergütungsverzeichnisses, Anlage 1 zum RVG) und die Terminsgebühr (Nr. 3104 des Vergütungs-
verzeichnisses, Anlage 1 zum RVG). Für die zweite Instanz (Beschwerdeverfahren) erhält der
gemeinsame Vertreter die Verfahrensgebühr (Nr. 3500 des Vergütungsverzeichnisses, Anlage 1 zum
RVG), die Terminsgebühr (Nr. 3513 des Vergütungsverzeichnisses, Anlage 1 zum RVG) sowie die
Einigungsgebühr (Nr. 1003 des Vergütungsverzeichnisses, Anlage 1 zum RVG). Daneben hat der ge-
meinsame Vertreter Anspruch auf den Ersatz seiner Auslagen (Nr. 7000 ff. des Vergütungs-
verzeichnisses, Anlage 1 zum RVG).
(4) Kostenrechnungen der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller und des gemeinsamen
Vertreters sind (mit Angabe der Bankverbindung, einer Erklärung, ob der Antragsteller zum
Vorsteuerabzug berechtigt ist, und ggf. Rechnungsnummer und Umsatzsteuernummer) unter Angabe
der Kostenstelle UI20658020 und der Stichworte "Erstattung außergerichtliche Kosten für Schering-
Vergleichsverfahren" an die Bayer Aktiengesellschaft, Rechtsabteilung (Gebäude Q 26, Raum 1.008),
51368 Leverkusen, zu adressieren. Die nicht anwaltlich vertretenen Antragsteller richten ein
Anforderungsschreiben über die Kostenerstattung an die vorgenannte Stelle.
(5) Die Kostenerstattungsansprüche werden mit Bekanntmachung der Abwicklungshinweise
gemäß § 3 und Zugang der Kostenrechnung bzw. des Anforderungsschreibens gemäß vorstehendem
Absatz 4 bei der Antragsgegnerin fällig. Sie erlöschen innerhalb von sechs Monaten nach
Bekanntmachung der Abwicklungshinweise gemäß § 3, es sei denn, die Kostenrechnung ist innerhalb
dieser Frist und gemäß den Anforderungen des Abs. 4 der Antragsgegnerin zugegangen. In diesem
Fall verjähren die Kostenerstattungsansprüche zwölf Monate nach Bekanntmachung der
Abwicklungshinweise gemäß § 3. Mit der Erfüllung der Kostenerstattungsansprüche gemäß diesem
§ 5 sind alle wechselseitigen Auslagen- und Kostenerstattungsansprüche der Beteiligten erledigt. Mit
Erfüllung der Kostenerstattungsansprüche sind auch alle etwaigen sonstigen Ansprüche der
Antragsteller und der vom gemeinsamen Vertreter vertretenen Aktionäre aus § 327b Abs. 2, letzter
Halbsatz AktG abgegolten. Die Antragsteller und der gemeinsame Vertreter verzichten auf die
Durchführung eines Kostenfestsetzungsverfahrens.
§ 6 Sonstiges
(1) Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, alle ehemaligen außenstehenden Aktionäre der Schering
AG, die gemäß § 1 dieses Vergleichs anspruchsberechtigt sind, gleichzustellen, soweit sie außerhalb
dieses Vergleichs zur Erledigung des Spruchverfahrens mit einem Antragsteller oder einem
außenstehenden Aktionär günstigere Bedingungen als in diesem Vergleich vereinbart hat oder
vereinbaren wird.
(2) Änderungen und Ergänzungen dieses Vergleichs einschließlich dieser Klausel bedürfen der
Schriftform.
(3) Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vergleichs ganz oder teilweise unwirksam oder
undurchführbar sein oder werden, oder sollte sich bei Durchführung dieses Vergleichs herausstellen,
dass dieser eine Lücke enthält, so bleibt die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen dieses
17. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 332
Vergleichs hiervon unberührt. Anstelle der unwirksamen, undurchführbaren oder fehlenden
Bestimmung dieses Vergleichs soll eine solche angemessene oder rechtlich gültige Bestimmung
treten, wie sie die Beteiligten vernünftigerweise vereinbart hätten und die wirtschaftlich demjenigen
nahekommt, was die Beteiligten bei Abschluss dieses Vergleichs vereinbart hätten, wenn sie den
nunmehr infrage stehenden Punkt bedacht hätten.
(4) Der Vergleich und seine Auslegung unterliegen dem Recht der Bundesrepublik Deutschland
unter Ausschluss des internationalen Privatrechts. Für sämtliche Streitigkeiten aus oder im
Zusammenhang mit diesem Vergleich oder seiner Gültigkeit ist ausschließlich das Landgericht Berlin
zuständig, soweit gesetzlich zulässig.
Abwicklungshinweise / Technische Abwicklung der Nachbesserung
Als Zentralabwicklungsstelle für die Auszahlung der Nachbesserung fungiert die Commerzbank
Aktiengesellschaft, Kaiserplatz, 60261 Frankfurt am Main (Anschrift: Commerzbank AG, GSMO 4.1.2,
Events Domestic, 60261 Frankfurt am Main).
Nachbesserungsberechtigte ehemalige Aktionäre der Schering Aktiengesellschaft (ISIN
DE0007172009), die nach wie vor bei dem Kreditinstitut ein Konto unterhalten, über das seinerzeit
die ursprüngliche Barabfindung im Rahmen des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages der
Bayer Schering GmbH (vormals Dritte BV GmbH) mit der Schering Aktiengesellschaft („BGAV“)
abgewickelt wurde, brauchen hinsichtlich der Gutschrift der Nachbesserung nichts zu veranlassen.
Nachbesserungsberechtigte ehemalige Aktionäre, die zwischenzeitlich ihre Bankverbindung
gewechselt oder aus sonstigen Gründen bis drei Monate nach Bekanntmachung gemäß § 3 des
vorstehend veröffentlichten Vergleichs keine Nachbesserung erhalten haben, werden gebeten, sich
möglichst umgehend an dasjenige Kreditinstitut zu wenden, über welches seinerzeit die
ursprüngliche Barabfindung im Zusammenhang mit dem BGAV abgewickelt wurde.
Die Vergütung der Nachbesserung in Höhe von Euro 28,64 je Schering AG-Aktie an die ehemaligen
Aktionäre der Schering Aktiengesellschaft wird ab dem 26. September 2008 bis zum 31. August 2009
mit jährlich 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB und ab dem
1. September 2009 bis zum Tag der Auszahlung der Nachbesserung mit jährlich 5 Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB verzinst. Die Zinsen gelangen ohne Abzug von
Abschlagsteuern zur Auszahlung, sind jedoch einkommensteuerpflichtig. Im Hinblick auf die
persönliche steuerliche Behandlung wird den berechtigten ehemaligen Aktionären der Schering
Aktiengesellschaft empfohlen, ihren steuerlichen Berater zu konsultieren.
Alle Zahlungen im Rahmen der Nachbesserung sind für die nachbesserungsberechtigten ehemaligen
Aktionäre der Schering Aktiengesellschaft bis zu einem Betrag von EUR 15,- je berechtigten
außenstehenden Aktionär kosten- und provisionsfrei.
im September 2015
Bayer Aktiengesellschaft
Der Vorstand
19. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 334
„Es zeigt sich, dass die ermittelten Betafaktoren der Vergleichsunternehmen der Peer Group
von … (von der Antragsgegnerin beauftragter Bewerter; LK) für die relevante Vergleichs-
periode sämtlich statistisch nicht signifikant sind.“
Zu ergänzen ist dabei, dass die Beta-Ermittlung auf der Basis einer 2-jährigen Referenzperiode und
wöchentlicher Kursintervalle vorgenommen wurde.
a) Kommentieren Sie diese Aussage sowie die für sie angegebenen Befunde des obigen
Tabellenauszugs im Lichte allgemeiner mathematisch-statistischer Zusammenhänge sowie der
folgenden Tabelle, welche die Mindestbestimmtheitsmaße bei einseitigen Tests in Abhängigkeit
von Stichprobengröße und (entsprechend einseitig kalibrierter) Sicherheitswahrscheinlichkeit
zeigt:
n Sich.-W. 90,00% 95,00% 97,50% 99,00% 99,50%
52 0,0326 0,0532 0,0747 0,1035 0,1254
104 0,0161 0,0263 0,0372 0,0519 0,0633
Gehen Sie dabei insbesondere darauf ein, inwiefern die Messungsergebnisse des Sachverständigen
zutreffen können und inwiefern er die potenziell zutreffenden Befunde richtig interpretiert.
Als Variation zu diesem Befund wird nachfolgend ein Zitat aus dem Bewertungsgutachten im Rahmen
eines aktuellen österreichischen Squeeze Out hinterfragt. Dort liest man u.a.:
„Als letzten (sic!) Analyseschritt wurde überprüft, ob die statistische Signifikanz (r2
;
Bestimmtheitsmaß) bei einem Beobachtungszeitraum von 2 Jahren und der Regression
wöchentlicher Renditen gegen den größten lokalen Index über 20% liegt.“
b) Kommentieren Sie dieses Zitat im Hinblick auf die verwendeten statistischen Begriffe sowie
Daten und zeigen Sie – auch unter Verwendung der Tabelle aus Teil a) – die Konsequenz auf, die
sich aus einer Forderung eines r2
von mehr als 20% ergibt.
20. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 335
Lösungen:
a) Ein negatives R2
ist unmöglich, weshalb sich für das Beta der K… AG jeder weitere Kommentar
erübrigt.
Der Betafaktor der R… AG ist hinsichtlich des R2
dagegen durchaus möglich, allerdings widerspricht
die Signifikanzaussage der abgedruckten Tabelle der Aufgabenstellung. Selbst wenn man
unangemessener Weise anstatt des einseitigen den zweiseitigen t-Test vornehmen würde und dann
wegen der Symmetrieeigenschaft der t-Verteilung für das 95%-Niveau den abgedruckten Wert für
97,5% heranziehen müsste sowie für das 99%-Niveau den Wert für 99,5%, wären bei 104
Wochenrenditen für die zwei Jahre 0,09 noch deutlich über den geforderten 0,0633.
Was schließlich die durchgängig fehlende Signifikanz trotz des „+“-Zeichens betrifft, kann sich der
Sachverständige allenfalls auf die Irrelevanz dieses Befunds wegen des monierten negativen R2
berufen, um den inneren Widerspruch zu umgehen!
b) „Statistische Signifikanz“ betrifft das Irrtums- bzw. komplementär formuliert Sicherheitsniveau,
mit dem induktiv statistische Aussagen getroffen werden können. Das Signifikanzniveau be-
zeichnet dabei die Irrtumswahrscheinlichkeit (regelmäßig 1% oder 5%, seltener 0,5% oder 10%)
bzw. die Sicherheitswahrscheinlichkeit (korrespondierend 99% oder 95%, seltener 99,5% oder
90%), unter der diese Aussagen gemacht werden. Die Größenordnung von 20% stellt jedenfalls
kein übliches Signifikanzniveau dar.
Vermutlich ist der Wert auch nicht so gemeint, denn nach „Signifikanz“ stehen in der Klammer zwei
weitere Bezeichnungen für einen Begriff, der eine induktiv-statistische Bedeutung aufweist. Das
Bestimmtheitsmaß oder r2
(meistens jedoch R2
wie im ersten Teil der Aufgabe) bezeichnet bei einer
Regression den Teil der Varianz, der durch das verwendete Modell erklärt werden kann. Er liegt
zwischen 0 und 1 bzw. 0% und 100%. Bei der Standardschätzung des Beta-Faktors kommt nun eine
univariate Regression zum Einsatz, für die natürlich auch immer ein Bestimmtheitsmaß ermittelt
wird. Insofern könnte bezüglich dieser Größe ein Mindestwert von 20% gemeint sein.
Eine solche Festlegung wäre indessen gerade unter dem proklamierten Aspekt der statistischen
Signifikanz völlig unsinnig. Bei einer univariaten Regression besteht nämlich zwischen der Signifikanz
des Steigungsparameters, hier also des Schätzwerts für den Beta-Faktor, und dem Bestimmtheitsmaß
ein elementarer mathematischer Zusammenhang; vgl. Knoll/Ehrhardt/Bohnet, CFO aktuell 2007, S.
201 ff. Wenn man nun – wie im Zitat betont – wöchentliche Renditen über einen zweijährigen
Zeitraum regressiert, bedeutet eine Vorgabe von 20% für das Bestimmtheitsmaß r2
für die Testgröße
t der statistischen Signifikanz
52104
2,01
2,0
2
1 2
n
r
r
t
mit n = Zahl der Wochenrenditen.
21. Spruchverfahren aktuell - Nr. 16/2015 SpruchZ 2015 Seite 336
Ein Wert von mehr als 5 bei einem dreistelligen Stichprobenumfang korrespondiert mit einer Irrtums-
bzw. Sicherheitswahrscheinlichkeit, die in einschlägigen Tabellierungen regelmäßig nicht mehr er-
fasst wird. In der abgedruckten Tabelle erkennt man dies daran, dass beim Signifikanzniveau von
99,5% Sicherheitswahrscheinlichkeit für den einseitigen Test gerade einmal ein Bestimmtheitsmaß
von 0,0633 oder 6,33% vorliegen muss. Wollte man die Vorgabe des Zitats zum Standard erheben,
könnten in vielen Bereichen induktiv-statistischer Untersuchungen keine signifikanten Aussagen
getroffen werden. Dass gerade bei hohen Beta-Faktoren teilweise noch höhere Bestimmtheitsmaße
resultieren, schränkt die allgemeine Bedeutung dieses Befunds u.a. wegen des mathematischen
Zusammenhangs zwischen dem Beta-Faktor und dem Bestimmtheitsmaß, vgl. nochmals
Knoll/Bohnet/Ehrhardt, a.a.O., nicht ein. Vielmehr gilt: Wenn man einzelne Peers aufgrund fehlender
Signifikanz ausschließt und deren Aktien aufgrund dieses mathematischen Zusammenhangs ein
unterdurchschnittliches Beta aufweisen, resultiert eine Verzerrung des gesamten Schätzwerts nach
oben, vgl. Ziemer, ZBB 2012, S. 50 ff., und mithin eine Quelle für systematische Unterbewertungen.
Kurzum: Die im Zitat zum Ausdruck kommende methodische Programmatik ist nicht nur begrifflich
wirr, sondern auch inhaltlich völlig abwegig.
Fazit: Die Beispiele belegen, dass die Beta-Ermittlung nicht nur in Deutschland einen Fundus für
methodische Stilblüten bietet. Inwieweit solche Stilblüten bewusst kreiert werden, lässt sich aus
verständlichen Gründen höchstens in Ausnahmefällen nachweisen. Immerhin ergeben sich in diesem
Bereich damit aber auch noch weitere „Fälle“, von denen einige in den nächsten SpruchZ-Ausgaben
näher beleuchtet werden.