Liebe Leserinnen und Leser,
Projekte sind international, sie sind vielfältig, sie sind …unsere Leidenschaft.
International, vielfältig und mit Leidenschaft dabei sindauch all unsere Referenten und Key Note Speaker, die die PM-Tage Jahr für Jahr prägen.
Einige Highlights finden Sie auf den nächsten Seiten in Interviews und Gastbeiträgen.
Viel Spaß beim Schmökern!
Ihr PM-Tage Team
3. 4 5
EINLEITUNG
Liebe Leserinnen und Leser,
Projekte sind international, sie sind vielfältig, sie sind …
unsere Leidenschaft.
International, vielfältig und mit Leidenschaft dabei sind
auch all unsere Referenten und Key Note Speaker, die die
PM-Tage Jahr für Jahr prägen.
Einige Highlights finden Sie auf den nächsten Seiten in
Interviews und Gastbeiträgen.
Viel Spaß beim Schmökern!
Ihr PM-Tage Team
4. 6 7
PM-TAGE
IN ZAHLEN
Gesamtnote
Seit 2017
ausstellerfrei
Jährliche
PM-Fachstudie
PM-Entscheider auf den PM-Tagen
als Teilnehmer und Referenten /
bei uns sprechen Entscheider zu
Entscheidern
98%
Netzwerk aus mehr als
PM-Entscheidern
15.000
12 PDUs für
beide Tage
Einziges
werbefreies
PM-Entscheider-
Forum
Themenvielfalt:
Mehr als
Branchen
20
5 Key Notes
15 Referenten
Mehr als:
6interaktive Best
Practice Workshops
begrenzt auf:
nur 250 Teilnehmer
Wir gewähren Exklusivität
PM-Tage seit
mehr als
Jahren
15
1,3
5. 8 9
meiner Einschätzung das gleiche: Auch
bei dieser Führungsaufgabe sind die
Frauen in allen Branchen derzeit in
der Minderheit. Hier sieht die eben
bereits genannte Studie übrigens
noch Forschungsbedarf – Frauen sind
in vielen sogenannten MINT-Fächern
(MINT steht für Mathematik, Informatik,
Naturwissenschaft und Technik)
überraschend gut im Projektmanagement
vertreten, gemessen am Frauenanteil in
diesen Fächern. Leider liegt hier bislang
kein belastbares Zahlenmaterial vor.
Frauen arbeiten und kommunizieren
anders als Männer. Was wird sich mit
einer höheren Frauenquote ändern? Wird
der Einzug der weiblichen Denk- und
Vorgehensweise, die es ja unbestritten
gibt, das Projektmanagement verändern?
Feldmüller: Nach meiner Meinung gibt es
Verhaltenstendenzen bei Männern wie
bei Frauen – denen aber auch nicht jede
beziehungsweise jeder genau entspricht.
Ein einzelnes Verhalten oder eine
Situation mit Geschlechtsstereotypen
– „Frauen arbeiten oder führen
anders“ – ist immer schwierig, eine
Tendenz ist aber vorhanden. Frauen
bringen zum Beispiel tendenziell
mehr Kommunikationsfähigkeit und
Sensibilität ein. Zu diesem Ergebnis
kam unsere erste Studie zur beruflichen
Situation von weiblichen und männlichen
Projektmanagern im Vergleich. Sie
kommunizieren und beteiligen sich
mehr – und dies führt zu nachhaltigeren
Prozessen und Ergebnissen.
Wobei ich die Veränderung des
Projektmanagements durch die Frauen
für ein Henne-Ei-Thema halte: Frauen
führen Projekte anders, aber Projekte
müssen zunehmend auch anders
geführt werden. Projekte werden
immer komplexer, immer mehr Projekte
müssen organisationsübergreifend und
mit internationalen Partnern geplant
und gesteuert werden. Klassisches
hierarchisches Denken führt hier nicht
zum Erfolg, die Verhaltenskompetenzen
spielen im Projektmanagement gerade in
solchen Konstellationen eine große Rolle.
Hier können viele Frauen punkten. Und
sie können gut mit Mehrdeutigkeit und
Unsicherheit umgehen und wissen,
wie man Lösungen findet, ohne
„durch die Wand zu gehen“. Beim
Projektmanagement wie in vielen anderen
gesellschaftlichen Fragen wird Beteiligung
und Geschlechtergerechtigkeit wichtiger,
und damit wird es wichtiger, mehr
Frauen für das Projektmanagement zu
gewinnen. Wo Frauen ihre Fähigkeiten
im Projektmanagement erfolgreich
einsetzen, steigen die Chancen der
Frauen insgesamt. Es handelt sich um
einen Veränderungsprozess, der beide
Geschlechter betrifft und von beiden
getragen werden wird. Und das – so würde
ich es mir wünschen – ohne dass man oder
frau ständig nur Geschlechtsstereotype
im Kopf hat.
Frauen rücken zunehmend in
Führungspositionen. Dies gilt auch fürs
Projektmanagement. Wie würden Sie
den Status quo der Frauenquote im
Projektmanagement beschreiben?
Dr. Dorothee Feldmüller: Projektmanage-
ment ist – wie Management im Allgemein-
en und wie die vielen technischen
Disziplinen, in denen Projektmanagement
eine große Rolle spielt – bislang eine
Männerdomäne. Als wir 2007 in
der GPM Deutsche Gesellschaft für
Projektmanagement die Special Interest
Group „PM-Expertinnen“ gegründet
haben, waren 13 Prozent der Mitglieder
weiblichen Geschlechts. Bis heute
konnte dieser Anteil auf 19 Prozent
gesteigert werden. Dies wird nach
unserer Einschätzung dem Potenzial und
der hohen sozialen Kompetenz, die bei
weiblichen Fach- und Führungskräften
vorhanden ist, weiterhin nicht gerecht.
InteressantsindindiesemZusammenhang
die aktuellen Analysen, die meine
Kollegin Prof. Dr. Yvonne Schoper,
Vorstandsmitglied der GPM, gemacht
hat zu genderspezifischen Karriere-
und Gehaltsunterschieden: Auch bei
dieser Studie sind ca. 20 Prozent Frauen
beteiligt gewesen. Yvonne Schoper
hat herausgefunden, dass die jungen
Frauen aufholen. Unter den jungen
Projektmanagement-Fachfrauen gibt es
einen höheren Frauenanteil von nahezu
30 Prozent, und die jungen Frauen mit
drei bis fünf Jahren Berufserfahrung sind
besser qualifiziert und verdienen sogar
etwas mehr als ihre männlichen Kollegen.
Das lässt hoffen, dass diese Generation
Y auch in späteren Berufsjahren mehr
Karrierechancen hat. Denn die Frauen,
die es heute in die erste Führungsebene
im Projektmanagement geschafft haben,
haben mit den bekannten Strukturen zu
kämpfen: deutliche Gehaltsunterschiede
zu Ungunsten der Frauen, vor allem
im variablen Anteil. Und die Quote der
Frauen mit langjähriger Berufserfahrung
liegt unter 15 Prozent.
Gilt dies für alle Branchen oder sehen Sie
deutliche Unterschiede zwischen eher
„weiblichen“ und eher „männlichen“
Branchen?
Feldmüller: Nach meinem Wissensstand
gibt es Ausbildungsrichtungen
und Branchen, in denen der
Frauenanteil höher ist – was sich
aber nicht in hohen Frauenquoten im
Management niederschlägt. Was das
Projektmanagement angeht, gilt nach
„DER FRAUENANTEIL WIRD DEM POTENZIAL
NICHT GERECHT“
INTERVIEW INTERVIEW
„Jungen Frauen mit drei bis fünf
Jahren Berufserfahrung sind
besser qualifiziert und verdienen
sogar etwas mehr als ihre
männlichen Kollegen. “ „Frauen sind kommunikationsfähiger und Frauen sind loyaler ihren Unternehmen
gegenüber.“ Das sagt Dr. Dorothee Feldmüller, Mitglied im Leitungsteam „PM-
Expertinnen“ der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement. Dies alles
spricht dafür, dass Unternehmen, die den Anteil der Frauen in Führungspositionen
im Projektmanagement steigern, langfristig davon profitieren. Noch liegt die
Quote weiblicher Führungskräfte im Projektmanagement unter 15 Prozent. Aber
es tut sich was in den Unternehmen.
6. 10 11
INTERVIEW TEILNEHMERSTIMMEN
Führungskräfteentwicklung im
Projektmanagement – An Kompetenzmodellen
besteht ein massiver Bedarf
Mein Statement zu Projektmanagement: Ein gutes
Project Management spart schlaflose Nächte und
massig viel Geld. Nur Phantasten können glauben,
es ginge auch so. Hans Werner Sinn, Deutsches Ifo Institut
”
”
Weshalb sind Kompetenzmodelle für die
Führungskräfteentwicklung im Projektma-
nagement so wichtig?
Christof Rink: Projektmanagement ist
kein klassischer Karrierepfad, und eine
Karriere als Projektmanager streben vie-
le Mitarbeiter auch nur bedingt an. Die
Herausforderung: Als Projektleiter hat
man eine Führungsposition ohne diszi-
plinarische Verantwortung, sogar über
Abteilungen hinweg. Um dies mit Erfolg
und entsprechender Projektteammoti-
vation zu meistern, sind sehr spezifische
Kompetenzen notwendig. Inzwischen gibt
es immer mehr Unternehmen, die sich
dieser Herausforderung annehmen und
entsprechende Karrieremodelle anbieten.
Bei meinen Kundenbesuchen stelle ich
jedoch immer wieder fest, dass es dabei
Probleme gibt. Eingeordnet werden die
Mitarbeiter dann beispielsweise je nach
Unternehmenszugehörigkeit als Junior
Project, Senior Project oder Programm
Manager und nicht danach, inwieweit sie
als Projektmanager qualifiziert sind, ob
sie beispielsweise an Schulungen und
Zertifizierungsmaßnahmen erfolgreich
teilgenommen haben.
Im Ergebnis ist die Aufgabe, als Leiter ein
Projekt zu übernehmen, in den Unterneh-
men keine der beliebtesten Aufgaben. Dies
führt leider immer häufiger dazu, dass es
zu Burnout-Situationen unter Projektlei-
tern kommt, weil diese sich überfordert
fühlen. Unter diesen Voraussetzungen
besteht massiver Bedarf an Kompetenz-
modellen, die zum Unternehmen und zum
jeweiligen Projektumfeld passen. Wichtig
ist, dass sowohl Projektleiter als auch
Unternehmen davon profitieren und ent-
sprechende Anreize erhalten.
Welche Kompetenzmodelle gibt es denn?
Rink: Meiner Meinung nach lassen sich
unterschiedliche Kompetenzmodelle nach
folgenden Charakteristika gliedern: Erfah-
rungsbasierte, leistungsbasierte und aus-
bildungsbasierte.
Als Leiter ein Projekt zu übernehmen, ist keine der beliebtesten Aufgaben.
Diese Erfahrung hat der Tiba-Consultant Christof Rink bereits in verschiedenen
Unternehmen gemacht. Woran das liegt erklärt er im Interview.
7. 12 13
Anspruch und Wirklichkeit liegen in
Sachen Corporate Social Responsibility
(CSR) oft sehr weit auseinander. In
regelmäßigen Abständen kommen
Skandale zutage, die dann durch
die weltweite Presse gehen. Welche
Erfahrungen haben Sie gemacht?
Dr. Annette Kleinfeld: Je größer ein
Unternehmen ist, je komplexer seine
Abläufe, desto schwieriger ist es,
dem eigenen Anspruch, egal welcher
Art, durchgängig gerecht zu werden.
Im Falle von CSR kommt hinzu, dass
Unternehmen darunter noch immer
höchst unterschiedliche Dinge verstehen.
Die wenigsten orientieren sich an der
neueren Definition der EU von 2011 oder
am internationalen Umsetzungsstandard
ISO 26000, wonach es bei CSR im Kern
darum geht, neben ökonomischen
gleichberechtigt auch ethische und
andere verantwortungsrelevante Para-
meter zur Grundlage der unter-
nehmerischen Zielsetzungen, vor allem
der unternehmerischen Entschei-
dungsfindung zu machen – und zwar
auf allen Ebenen! Viele verstehen
darunter lediglich, sich durch „gute
Taten“ gesellschaftlich zu engagieren
– was viele auch zweifelsohne machen
– und eine Fülle von Kennzahlen zur
sogenannten Nachhaltigkeitsperformance
zu erheben, wie sie von internationalen
Berichtstandards wie GRI gefordert
werden. Auch dies tun alle börsennotier-
ten Konzerne heute fleißig.
Davon alleine werden jedoch nicht
die informell in der gelebten
Unternehmenskultur oder formal in der
Strategie und in den Anreizsystemen
verankerten normativen Orientierungen
beeinflusst. Dafür spielen vielmehr die
historisch gewachsene Kultur und die
von den Unternehmenslenkern früher
wie heute vorgelebten Werte und
Prinzipien die zentrale Rolle. Hier sind
traditionsreiche Familienunternehmen
oder andere inhabergeführte Unter-
nehmen, die seit ihrer Gründung von den
„richtigen“ Werten geprägt worden sind,
vielfach deutlich besser aufgestellt. Und
das kann dann oft auch noch für große
Unternehmen und Konzerne gelten, wie
zum Beispiel im Falle von Bosch.
Kurzfristig richten Skandale großen
Schaden beim Image an. Welche Folgen
hat unethisches Handeln für den mittel-
bis langfristigen Unternehmenserfolg?
Kleinfeld: Image-Schäden, vor allem aber
der damit verbundene Vertrauensverlust
bei allen Anspruchsgruppen (Stakehol-
dern), wirken grundsätzlich langfristig:
„Ist der Ruf erst ruiniert“, lebt es sich als
Unternehmen nicht „völlig ungeniert“,
sondern braucht es in der Regel eine lan-
ge Zeit, bis die Glaubwürdigkeit des Un-
ternehmens und seiner Marken wieder
hergestellt ist. Nicht zuletzt aus diesem
Grund und angesichts signifikant verän-
derter Rahmenbedingungen im gesell-
schaftlichen und politischen Umfeld von
international agierenden Unternehmen
gehe ich heute so weit, zu sagen, dass
kein Unternehmen mittel- und langfristig
erfolgreich sein oder bleiben kann, wenn
es sich nicht auch an ethischen Prinzipi-
en orientiert – und zwar durchgängig und
konsequent, wie eingangs beschrieben.
Es gibt kaum eine Anspruchsgruppe – von
den eigenen Mitarbeitern über die Kun-
den und Anleger bis hin zur kritischen,
zunehmend selbst organisierten Zivilge-
sellschaft –, die von Unternehmen nicht
erwartet und einfordert, dass sie auf an-
ständige Weise nach Erfolg streben.
Wobei man nie vergessen darf, dass Un-
ternehmen gleichzeitig einem zuneh-
mend radikalen Wettbewerbsdruck aus-
gesetzt sind und die wenigsten es sich
erlauben können, Aufträge aus rein ethi-
schen Überlegungen abzulehnen. So ide-
al ist die Welt bzw. der Weltmarkt leider
nicht, auf dem wir uns bewegen. Gleich-
wohl zeigen Meta-Studien, die über einen
längeren Zeitraum durchgeführt wurden,
dass sich langfristig tatsächlich die Unter-
nehmen durchsetzen, die sich zumindest
ernsthaft um eine unternehmensethische
Balance bemühen – und ggf. das im Ein-
zelfall überlebensnotwendige Eingehen
ethisch fauler Kompromisse auch als sol-
ches wahrnehmen und künftig zu vermei-
den suchen.
Und wie steht es um die Ethik im Projekt-
management? Nehmen wir die WM in Ka-
tar als Beispiel: Korruption ist dort noch
das kleinere Problem. Sind Großprojekte
besonders anfällig für unethisches Han-
deln?
Kleinfeld: Den eigenen ethischen An-
spruch am Ende des Tages auch tatsäch-
lich umzusetzen, ist in einigen Bereichen
und Branchen eine besonders große Her-
ausforderung – ja. Märkte mit weniger sta-
bilen gesetzlichen Rahmenbedingungen
oder fundamental anderen Geschäfts-
praktiken als in Deutschland erleichtern
diese Aufgabe nicht gerade. Der arabische
Raum gehört sicherlich dazu.
Ein Unternehmen, das vorbildlich handelt
– also nach Erfolg mit Anstand strebt –,
wird sich darüber aber bereits Gedanken
machen, wenn es die strategische Grund-
satzentscheidung fällt, in solchen Märkten
aktiv zu werden – und womöglich keine
Ziele formulieren oder Projekte durchfüh-
ren, die unter den dort herrschenden Rah-
Ethik im Projektmanagement –
Chefetage muss Werte vorleben
INTERVIEW INTERVIEW
„Den fairen Umgang mit
Mitarbeitern, Kunden und Umwelt
– neudeutsch Corporate Social
Responsibility (CSR) genannt
– haben sich inzwischen viele
Unternehmen auf die Fahnen
geschrieben. Zwischen Anspruch
und Wirklichkeit liegen jedoch
häufig Welten.“
Dr. Annette Kleinfeld berät Unternehmen in Sachen CSR. Nun spricht die
renommierte Unternehmensberaterin über den Unterschied zwischen „guten
Taten“ und CSR, Skandale und deren Folgen fürs Unternehmensimage sowie
Familienunternehmen als positive Vorbilder.
8. 14 15
menbedingungen tatsächlich nur unter
Inkaufnahme von ethisch fragwürdigen
Praktiken oder Zuständen (wie Korrupti-
on oder Menschenrechtsverletzungen)
erreichbar sind. Argumente wie „das ma-
chen doch alle so“ oder „wenn wir es nicht
machen, machen es unsre Wettbewerber“
sollten dabei ernsthaft diskutiert und
mit in die Waagschale einer bewussten
Entscheidungsfindung geworfen werden,
anstatt nur stillschweigend als Grundlage
verwendet und erst dann kritisch reflek-
tiert zu werden, wenn das Ganze nicht gut
ausgegangen ist.
Die Gegenargumente sollten im Vorfeld
gehört und einbezogen werden.
Sie können sich aus Aspekten des
Reputationsrisiko-Managements ebenso
speisen wie aus dem simplen Motiv
„sowas tun wir nicht, weil es unseren
kulturell verankerten Grundwerten und
Überzeugungen widerspricht“. All dies
setzt eine gewisse ethische Reflexions-
und Argumentationskompetenz voraus,
die leider noch immer eher selten
zum Rüstzeug von Managern und
Führungskräften gehört.
Was kann jeder Projektleiter in seinem
Projekt/seinem Team tun, damit
innerhalb dieses Teams und auch mit
anderen Geschäftspartnern ein fairer
Umgang gepflegt wird?
Kleinfeld: Zu den zentralen Hebeln der
gelingenden Umsetzung einer unterneh-
mensethischen Positionierung, beispiels-
weise in Form eines Leitbilds mit konkre-
tisierendem Verhaltenskodex (Code of
Conduct), gehört genau das: Die „Über-
setzung“ der in der Regel eher abstrakten
normativen Orientierungen in das eigene
Tagesgeschäft, in die Gestaltung der eige-
nen Aufgaben und Projekte! Zum Beispiel
anhand von Fragen wie „Was bedeuten
denn Integrität und Fairness für unsren
Bereich? Welche Praktiken müssen wir
auf den Prüfstand stellen, um diesem An-
spruch gerecht zu werden? Wo geht es bei
uns schon fair zu – wo gibt es Verbesse-
rungspotenzial“?
Dem Projektleiter kommt dabei eine
doppelte Rolle zu: Zum einen muss er
deutlich machen, dass er selbst hinter
den betreffenden Werten und Prinzipien
steht, und sie im Idealfall auch selbst
vorleben! Zum anderen ist er Moderator
eines kontinuierlichen Dialogs mit seinen
Mitarbeitern, den er aktiv fördert und
initiiert und deutlich Offenheit für etwaige
Einwände oder Bedenken der Mitarbeiter
signalisiert.
Schwierig wird es für jeden Projektleiter
dann, wenn organisationsseitig ethische
Prinzipien weder auf dem Papier
noch de facto eine Rolle spielen,
sondern nur ihm persönlich wichtig
sind. Dann sind Dilemma-Situationen
vorprogrammiert zwischen dem, was
von „oben“ gefordert ist, und seinem
persönlichen ethischen Anspruch. Das
heißt nicht, dass es auf Projektebene
keine eigenen Handlungs- und vor allem
Verhaltensspielräume gibt, zum Beispiel
wie ich mit meinen Mitarbeitern umgehe,
wie ich sie führe. Aber Art und Inhalt
der Projekte können per se ethisch
fragwürdig sein. Ohne eine klare ethische
Positionierung des Unternehmens
selbst fehlen den operativen Ebenen
dann Argumentationshilfen und die
Legitimation zum Vorbringen ihrer
moralisch begründeten Bedenken und
Zweifel bezüglich bestimmter Aktivitäten.
JE BESSER DIE STIMMUNG IM TEAM,
DESTO BESSER GELINGEN PROJEKTE
Thorsten Havener, Körpersprache-Experte
” ”
INTERVIEW INTERVIEW
9. 16 17
Arme nicht verschränken, aufrecht ste-
hen und sitzen - Es gibt einige Körper-
sprache-Regeln, von denen man zumin-
dest schon gehört hat. Manch einer fragt
sich: Wird da nicht zu viel hineininterpre-
tiert?
Thorsten Havener: Das ist eine gute Fra-
ge. Ja, es wird zu viel reininterpretiert,
denn nicht jede Geste hat eine Entspre-
chung, es kommt immer auf den Kontext
an. Mit wem spreche ich, worüber spreche
ich? Mit meinen Kindern nutze ich eine
andere Körpersprache als mit einem Vor-
gesetzten. Zum Beispiel die verschränk-
ten Arme: Manchmal sind sie einfach nur
bequem. Überhaupt sollte man beachten,
dass Körpersprache nur dann nicht ko-
misch rüberkommt, wenn wir nicht darü-
ber nachdenken.
In Projekten kommen Mitarbeiter zusam-
men, die sich nicht oder kaum kennen.
Worauf sollte man bei der ersten Begeg-
nung achten? Sowohl bei sich als auch
bei anderen?
Havener: Es gilt immer der Grundsatz: Je
besser die Stimmung im Team, desto bes-
ser können Projekte gelingen.
Grundsätzlich würde ich checken, wie
sich die Anderen bewegen. Lesen Sie ihre
Körpersprache, ohne zu sehr zu interpre-
tieren. Manchmal haben Menschen Ei-
genarten, die nichts zu bedeuten haben.
Will ich jedoch körpersprachlich auf eine
Wellenlänge kommen, sollte ich spiegeln.
Aber Vorsicht: Nicht nachäffen, das ist al-
bern. Es geht vielmehr darum zu schauen,
in welcher Geschwindigkeit sich beispiels-
weise das Gegenüber bewegt oder welche
Gesten er verwendet. Diese übernehme
ich dann und sorge so für eine gute Stim-
mung auf einer ganz unbewussten Ebene.
So einfach sich das anhört, es ist extrem
wirksam und kann die Stimmung deutlich
verbessern.
Wie steht es mit internationalen Teams?
Ist Körpersprache - abgesehen von be-
stimmten Eigenheiten einzelner Kultu-
ren - universell? Oder sollte man sich als
Projektmanager eines multikulturellen
Teams speziell vorbereiten?
Havener: Ich würde mich speziell vorbe-
reiten, wenn es um Gesten und Rituale
geht. Gesten sind erlernt, deshalb gibt es
kulturelle Unterschiede. Auch die Rituale
bestimmter Länder würde ich vorberei-
ten. In Japan ist es beispielsweise üblich,
Visitenkarten mit beiden Händen zu über-
geben. Ansonsten ist unsere Körperspra-
che jedoch tatsächlich universell, und das
ist ja das Schöne, dass sie uns verbindet.
Wenn wir fröhlich sind, lachen wir, das
sieht bei allen Menschen gleich aus.
Nur wenn jeder in Sachen Körpersprache
geschult ist, wie soll es dann noch mög-
lich sein, Schlüsse aus Gestik und Mimik
zu ziehen?
Havener: Ich halte nichts von diesen Me-
gaschulungen, denn Körpersprache ist
etwas ganz Natürliches, um andere Men-
schen verstehen zu können. Wichtiger ist
es, sich ein Bewusstsein zu schaffen, dass
wir die Fähigkeit, andere zu lesen, eigent-
lich bereits besitzen.
Heute kommunizieren wir über Facebook,
Twitter etc. und gehen zu selten den
Schritt zurück und machen uns bewusst,
dass da ein Mensch gegenübersitzt mit
denselben Problemen und Bedürfnis-
sen. Dieses Bewusstsein, den anderen
wahrzunehmen und vor allem wertfrei
zu nehmen, ist wichtig. Im Projekt sollte
man deshalb sein Gegenüber nicht als
Vorgesetzten oder Untergebenen sehen,
sondern als Mensch, den man wertfrei
betrachtet. Unsere Erfahrung mit ande-
ren Menschen ist meist viel größer als wir
denken.
Letztlich geht es also darum, auf sein
Bauchgefühl zu hören.
Havener: Mal so, mal so. Natürlich spielt
Intuition, das Bauchgefühl, eine Rolle. Das
Bauchgefühl ist Teil des Bewusstseins, es
macht Vorschläge. Chef bleibt aber im-
mer das Bewusstsein. Nehmen Sie also Ihr
Bauchgefühl wahr und schalten sie außer-
dem Ihren Verstand ein, dann entscheiden
Sie, ob sie auf Ihr Bauchgefühl oder auf
Ihren Verstand hören.
Havener ist einer der
besten Entertainer
des Landes, interna-
tionaler Bestsellerau-
tor mit Millionenauf-
lagen und gefragter
Kommunikations-
Experte. Er weiß, wie
Menschen kommu-
nizieren und welche
Fehler sie machen.
INTERVIEW INTERVIEW
Man kann nicht nicht kommunizieren. Aber hat gleich jede Geste, jede
Bewegung automatisch eine Bedeutung? Gerade für Projektmanager,
die in Teams mit vielen, manchmal fremden Personen zusammenarbei-
ten, ist das wichtig zu wissen. Der Körpersprache-Experte Thorsten
Havener erklärt im Interview, worauf man wirklich achten und weshalb
man manchmal besser auf sein Bauchgefühl hören sollte.
10. 18 19
Hochinteressante Key Notes, spannende
Themenvorträge und Workshops, bestes
Networking professionell organisiert.
Top Location und bemerkenswerter Service
in super Atmosphäre – großes Kino!
Horst Amann, Großprojektleiter Infrastrukturprojekte unter anderem
Deutsche Bahn AG UND Fraport AG
”
”
TEILNEHMERSTIMMENTEILNEHMERSTIMMEN
11. 20 21
„Wie Projektmanagament 4.0 Ihre Innovationen voranbringt“ - darüber sprach Chris-
toph Burkhardt, der bekannte (und derzeit wohl einzige) Innovationspsychologe, auf
den PM-Tagen 2017. Im folgenden Interview verrät er, unter welchen Voraussetzungen
Digitalisierungsprojekte gelingen können und wie man Mitarbeiter dazu bringt, innova-
tiv zu sein.
Sie sind Innovationspsychologe, der
einzige in Deutschland. Jedenfalls ge-
winnt man diesen Eindruck, wenn man
Google zu Rate zieht. Haben Sie diesen
Job selbst erfunden? Und was ist Ihre
Aufgabe?
Christoph Burkhardt: Gute Frage. Ich
habe jedenfalls noch keinen Zweiten
kennengelernt. Das ist aber auch nicht
schlecht, so sind Sie gleich automa-
tisch der beste Innovationspsychologe
Deutschlands. Als Innovation Lead und
Partner bei Plot Inc., einem Beratungs-
unternehmen mit Sitz in Palo Alto, mitten
im Silicon Valley, ist es meine Aufgabe,
Unternehmen für Innovationen fit zu ma-
chen. Also dafür zu sorgen, dass alle Vo-
raussetzungen gegeben sind dafür, dass
innovative Produkte, Dienstleistungen
oder neue Geschäftsmodelle entwickelt,
bewertet und umgesetzt werden können.
Dass Sie dafür einen Kognitionspsycho-
logen brauchen, hat damit zu tun, dass
Innovationsprojekte einer besonders
großen Unberechenbarkeit und damit ei-
nem Risiko ausgesetzt sind, während sie
gleichzeitig für das Überleben von Unter-
nehmen unabdingbar sind. Für die Kom-
plexität hinter Innovationsprojekten sind
wir als Menschen kognitiv und die meisten
Unternehmen strukturell schlecht vorbe-
reitet.
„InnovationenscheiterneheranderUmsetzung
als an der Qualität der Ideen“
INTERVIEW INTERVIEW
12. 22 23
überstehen. Sowohl für den Marathon als
auch Innovation müssen Sie trainieren,
und zwar ziemlich hart. Sie müssen sich
die Zeit nehmen, Geduld mitbringen, sich
schlechte Tage verzeihen, nicht aufgeben,
durchhalten, Gegenwind aushalten und
damit leben, dass Sie erst ganz am Ende
sehen werden, ob sich das Ganze gelohnt
hat. Wer wirklich Innovationen sehen will,
muss seine Mitarbeiter auf einen Mara-
thon vorbereiten. Die gute Nachricht ist,
dass Sie keine Marathonläufer einstellen
müssen. Innovation kann fast jeder ler-
nen. Mit dem richtigen Willen kann aus
jedem ein Innovator werden.
Projekte leben von Strukturen und Plä-
nen. Ist dieses klassische Vorgehen
überhaupt noch sinnvoll, beziehungs-
weise unter welchen Voraussetzungen
können Digitalisierungsprojekte gelin-
gen, und welche Rolle spielt dabei ein
professionelles Veränderungsmanage-
ment, das alle Mitarbeiter mit auf diese
spannende Reise nimmt?
Burkhardt: Tatsächlich braucht es im
Zyklus innovativer Projekte an einigen
Stellen mehr Freiheitsgrade, also we-
niger restriktive Planung, als im klassi-
schen Projektmanagement üblich sind.
Innovative Ideen sind nur gut, wenn sie
antifragil sind. Wenn Sie eine Kiste mit
fragilem Inhalt schütteln, zerbricht der
Inhalt. Klassisches Projektmanagement
macht aus fragilen robuste Inhalte, sodass
beim Schütteln der Kiste nichts zerbricht.
Innovationsprojekte müssen antifragil
angelegt sein. Das bedeutet, mit jedem
Schütteln der Kiste wird ihr Inhalt stabiler
und besser. Wenn innovative Ideen Stress
ausgesetzt werden, sich ständig anpassen
und so den optimalen Fit finden zu dem
Problem, das sie zu lösen versuchen, dann
sind sie antifragil. Innovationsprojekte
gelingen dann, wenn möglichst diverse
Teams möglichst viele Ideen entwickeln,
sie kollektiv effektive Entscheidungen
treffen, schnell umsetzen, experimentie-
ren und aus Fehlern lernen und sie dabei
möglichst viele Andere überzeugen ihren
Ideen zu folgen.
Die digitale Transformation mit Schlag-
worten wie „Industrie 4.0“ oder „Dis-
ruption“ ist zweifellos das Thema der
Stunde. Dem Projektmanagement fällt
dabei eine beachtliche Aufgabe zu.
Schließlich ist die digitale Transfor-
mation eines Unternehmens das Me-
ga-Projekt schlechthin. Können Inno-
vationen, wie sie mit der Digitalisierung
einhergehen, überhaupt ohne entspre-
chendes Projektmanagement gelingen?
Und worauf kommt es an?
Burkhardt: Tatsächlich scheitern we-
sentlich mehr Innovationen an der Um-
setzung als an der Qualität der Ideen.
Mit gutem Projektmanagement steigt die
Wahrscheinlichkeit für ein Gelingen von
Innovation also enorm. Problematisch
ist allerdings, dass Innovationsprojekte
mehr brauchen als Steuerung und Koor-
dination. Projektmanager 4.0 müssen be-
sonders Überzeugungsarbeit leisten und
dabei immer häufiger die Einstellungen
von Stakeholdern verändern. In den vier
Phasen eines typischen Innovationspro-
zesses – Ideation, Evaluation, Execution,
Diffusion – geht es für Projektmanager
darum, zwischen offenen Prozessen mit
Richtungswechseln und vielen Freiheits-
graden und Prozessen mit klarer Führung
und Anleitung zu balancieren. Und das ist
enorm schwierig.
So manche Innovation scheint – zumin-
dest von außen betrachtet – ein Produkt
des Zufalls zu sein. Stimmt das oder
lassen sich kreative Ideen und Innova-
tionen quasi erzwingen?
Burkhardt: Gute Ideen sind kein Zufall.
Wenn aus guten Ideen Innovationen wer-
den, ist das erst recht kein Zufall. Wenn
wir Innovation Audits bei Klienten durch-
führen, sehen wir immer wieder, dass
Zufall als die Ausrede all derjenigen funk-
tioniert, die nicht zugeben wollen, dass
Innovation enorme Anstrengungen und
Ressourcen braucht, angefangen mit ei-
ner absolut klaren Entscheidung aus dem
Top-Management. Richtig ist allerdings,
dass viele Innovationsprozesse chaoti-
scher verlaufen als viele Unternehmen
das gewohnt sind. Aber Chaos ist eben
kein Zufall. Durch gutes Innovations-
management sorgen Sie dafür, dass die
Wahrscheinlichkeit für gute Ideen dra-
matisch steigt, was wiederum die Wahr-
scheinlichkeit für den Product-Market Fit
erhöht und dafür sorgt, dass aus Ideen
Innovationen werden. Und von diesen In-
novationen werden einige das Unterneh-
menswachstum fördern und viele nicht.
Punkt ist, Sie können kreative Ideen und
Innovationen nicht erzwingen, aber Sie
können ihre Wahrscheinlichkeit drama-
tisch erhöhen. Tatsächlich verbringen al-
lerdings die meisten Unternehmen mehr
Zeit damit Innovationen zu verhindern.
Was beflügelt Unternehmen und letzt-
lich die Mitarbeiter dazu, innovativ zu
sein? Die Allianz hält eine Schafherde
auf einem Dach in München. Gerade ist
man auf der Suche nach einem Schäfer.
Damit soll eine Atmosphäre geschaffen
werden, in der Out-of-the-box-Denken
möglich ist. Kann das Ihrer Ansicht
nach funktionieren?
Burkhardt: Innovation ist wie Marathon-
laufen. Wenn Sie das nicht wirklich wollen,
werden Sie das wahrscheinlich auch nie
machen. Dazu ist es einfach zu anstren-
gend. Aber selbst wenn Sie wollen, ma-
chen teure Laufschuhe Sie nicht zum Läu-
fer. Genauso wie eine Schafherde auf dem
Dach Sie nicht zum Innovator macht. Al-
lerdings kann die Schafherde im richtigen
Moment für Out-of-the-box-Denken sor-
gen, so wie Ihre Laufschuhe im Zweifels-
fall dafür sorgen, dass Sie den Marathon
INTERVIEW INTERVIEW
13. 24 25
Die Finanzbranche unterliegt einem
enormen Wandel. Wie verändert sich
das Projektmanagement in einem der-
art disruptiven Umfeld?
Chinn-Jia Meng: Ob sich die gesamte
Branche tatsächlich in einem disruptiven
Umfeld befindet, muss man meiner An-
sicht nach differenziert sehen. Letztend-
lich handelt es sich um eine Verlagerung
der Wertschöpfungstiefe. Blickt man auf
die Verlagsbranche, der man vor einem
Jahrzehnt auch vorausgesagt hat, dass
sich vieles verändern wird, muss man
heute sagen, dass sie immer noch das
machen, was sie damals gemacht haben;
Verlage verlegen noch immer Bücher, Mu-
sikproduzenten produzieren auch weiter-
hin Musik.
Durch den technologischen Fortschritt
haben sich jedoch neue Chancen ergeben
hinsichtlich der Vertriebswege und des
Kundenservices, um nur zwei Beispiele zu
nennen. Insofern sehe ich im Wandel eher
eine Chance als eine Bedrohung. Aller-
dings müssen traditionelle Unternehmen
diese Chance auch nutzen. Was traditi-
onelle Unternehmen selbst nicht leisten
können, müssen sie auslagern oder durch
Kooperationen mit anderen Unternehmen
auffangen. Was sie selbst beherrschen,
sollten sie kontinuierlich verbessern.
Sind klassische Methoden flexibel ge-
nug, um auf die veränderten Rahmen-
bedingungen zu reagieren?
Meng: Schaut man sich die Zertifizie-
rungsprogramme an, sage ich nein. Meist
bauen diese auf einer langfristigen Pla-
nung mit einem definierten Ziel auf. Im
dynamischen Umfeld können sich diese
Ziele jedoch ständig verändern. Hier muss
man flexibler reagieren und sich jederzeit
an neue Situationen anpassen können.
Dazu dienen die agilen Methoden.
Jede Zeit hat ihre Buzzwords. Im Zeitalter der Digitalisierung fallen immer wieder
Adjektive wie „disruptiv“ und „agil“. Keine Frage, die Industrie 4.0 verändert Unter-
nehmen und Wertschöpfungsketten nachhaltig – mit Auswirkungen auch aufs Projekt-
management. Eine Branche, die in diesem Zusammenhang vor ganz besonderen Her-
ausforderungen steht, ist die Finanzbranche.
Agiles Projektmanagement: Mit Flexibilität
und Anpassungsfähigkeit zum Projekterfolg
INTERVIEW INTERVIEW
14. 26 27
Union Investment verwendet die agile
Methode. Darunter wird jedoch fälsch-
licherweise oft eine schnellere Vor-
gehensweise verstanden, der Begriff
„agil“ also falsch interpretiert. Worum
handelt es sich tatsächlich und worauf
kommt es an?
Meng: Aus Sicht des Auftraggebers wird
die agile Vorgehensweise oft als die
schnelle und günstige Variante verstan-
den. Dies ist nicht unbedingt der Fall.
Vergleicht man das mit klassischen Pro-
jekten, ist es wie ein Vergleich zwischen
Äpfeln und Birnen. Agil ist ein völlig an-
deres Vorgehen. Durch agile Methoden
hat das Management ein Tool, aufgrund
aktueller Informationen situativer über
Projektziele entscheiden zu können. Das
passt genau zu dem Umfeld, in dem wir
uns als Union Investment befinden.
Was war der auslösende Moment für die
Einführung der agilen Methode?
Meng: Bei lang laufenden klassischen
Projekten unterliegen die kundenspezi-
fischen Anforderungen sehr oft einem
stetigen Wandel. Die klassische Vorge-
hensweise ermöglicht nur bedingt eine
projekteigene Flexibilität. Demnach muss
ein Projektleiter, nachdem er einen Auf-
trag angenommen hat, klar definierte
Aufgaben abarbeiten und kann eine Än-
derung nur mittels eines klassischen Ch-
ange-Verfahrens genehmigen lassen. Un-
ser Unternehmen muss jedoch schnell auf
Marktanforderungen reagieren, weshalb
intern nach anderen Methoden gesucht
wurde. Deshalb haben wir uns schließlich
für agile Methoden entschieden.
Verbinden Sie klassische und agile Me-
thoden miteinander oder sehen sie dar-
in grundsätzlich zwei verschiedene He-
rangehensweisen?
Meng: Die agile Methode ist im Grunde ein
operatives Vorgehen, das keinen Rahmen
für die Unternehmenssteuerung bietet.
Dazu dienen weiterhin die klassischen
Methoden, die als Framework genutzt
werden können. Die unterstützenden
Maßnahmen, die zur Durchführung eines
Projektes wichtig sind, müssen teilwei-
se weiterhin mit klassischen Methoden
durchgeführt werden und sind damit der
limitierende Faktor. Agile Maßnahmen
sind deshalb als ergänzende Maßnahmen
zu den klassischen zu sehen.
27
Die Best Practices Vorträge haben mich sehr
beeindruckt und mir gute Tipps & Tricks für ein
erfolgreiches Projektmanagement gegeben.
Hakan Tatli (PMP), Project Management Domestic,
Transportation Systems, Thales Deutschland
INTERVIEWINTERVIEW TEILNEHMERSTIMMEN
Wir haben mit Chinn-
Jia Meng, Projektleiter
bei Union Investment,
über die Bedeutung
agiler Methoden
in seinem Umfeld
gesprochen – ein
Thema, worüber er
bereits auf einer
der letzten PM-Tage
gesprochen hat.
”
”
15. 28 29
Hilfsprojekte sind besonders, weil noch mehr als sonst die Kosten zählen. Auch in ande-
ren Bereichen gibt es Unterschiede. Über diese Unterschiede, aber auch Gemeinsam-
keiten, von denen sich klassische Projektmanager etwas abschauen können, sprach Dr.
Auma Obama auf den PM-Tagen 2017. Dort hielt die Schwester des ehemaligen US-Prä-
sidenten einen Vortrag über die Projekte ihrer Organisation Sauti Kuu, die Kinder in
Kenia und Deutschland unterstützt. Im folgenden Interview stellt sie die Hilfsorganisa-
tion vor.
Sie sind in Kenia aufgewachsen und zum
Studium nach Deutschland gekommen.
Wann haben Sie beschlossen, Ihre Hilfs-
organisation Sauti Kuu zu gründen?
Dr. Auma Obama: Ich wollte schon immer
mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.
Dies war dann auch der Beweggrund,
warum ich zurück nach Kenia gegangen
bin. Anfangs war ich bei einer Hilfsorga-
nisation angestellt und hatte gar nicht
die Absicht, eine eigene Organisation zu
gründen. Ich habe aber 2009 dann ent-
schieden, in Eigeninitiative neben meiner
eigentlichen Arbeit mit Kindern und Ju-
gendlichen zu arbeiten. Es ging für mich
damals darum, Hilfe zur Selbsthilfe zu bie-
ten: Die Abhängigkeit der Zielgruppe von
der Hilfe, die von außen kommt, zu lösen
und die Kinder und Jugendlichen hin zu
Eigenverantwortung und Eigeninitiative
zu bewegen.
Welche konkreten Hilfsprojekte werden
organisiert?
Obama: Um es auf den Punkt zu bringen,
wollen wir Kindern und Jugendlichen aus
sozial schwachen Familien – insbesondere
in ländlichen Gebieten und in den städti-
schen Slums in Kenia – dabei helfen, die
Stärke der eigenen Stimme zu erkennen.
Daher auch der Name Sauti Kuu. Das ist
ein Begriff aus dem Kisuaheli und bedeu-
tet „Starke Stimmen“. Die Kraft der eige-
nen Stimme zu erkennen, heißt auch, das
eigene Potenzial zu erkennen und mit den
Möglichkeiten, die vor Ort gegeben sind,
etwas aus seinem Leben zu machen. Un-
ser Ziel ist, dass die Kinder und Jugend-
lichen psychische, soziale und finanzielle
Eigenständigkeit erlangen. Hierzu bieten
wir Hilfe zur Selbsthilfe – etwa mittels
Workshops zur Persönlichkeitsentwick-
lung und zum Charakteraufbau.
Starke Stimmen im Projekt
INTERVIEW INTERVIEWINTERVIEW INTERVIEW
16. 30 31
Im Fokus unserer Stiftung steht derzeit
der Aufbau unseres neuen Sport- und
Ressourcenzentrum in Alego in Kenia.
Hier stellen wir den Jugendlichen – vo-
raussichtlich ab April 2017 – physischen
und mentalen Raum zur Verfügung, hier
sollen sie sich ausprobieren, ihr Talent er-
kennen, ihre Kompetenzen in Sport, in der
Ausbildung wie in der Erwerbsbefähigung
ausüben. Ziel ist, dass sie als junge Er-
wachsene sozial ausgeglichen und finan-
ziell unabhängig werden.
Neben den Projekten in Kenia bieten
Sie auch in Deutschland Hilfe. Worum
geht es hier?
Obama: Bei den Projekten in Deutschland
geht es darum, dass wir Kindern und Ju-
gendlichen zu einer starken Stimme ver-
helfen wollen. Unter dem Motto „You Are
Your Future – Lebenslust statt Lebens-
frust“ hat Sauti Kuu eine Workshop-Reihe
für Jugendliche mit sozial schwachem Hin-
tergrund gestartet. Es handelt sich zum
Teil um traumatisierte Jugendliche, die
wir mit viel Achtsamkeit da abholen, wo
sie in ihrer Entwicklung stehen – und von
wo aus sie sich weiterentwickeln können.
Wir wollen ihnen Mut machen, ihnen Per-
spektiven eröffnen, ihr Selbstwertgefühl
aufbauen. Im Mittelpunkt der Aktivitäten
im Workshop stehen auch hier wieder die
Bereiche Persönlichkeitsentwicklung, Bil-
dung, Sport und ökonomische Selbststän-
digkeit. Zusätzlich zeichnet die Sauti Kuu
Foundation Kinder und Jugendliche in
Deutschland, die ihre Stimme bereits ge-
funden haben, mit dem Act Now Jugend
Award aus. Das ist ein Preis für ehren-
amtliches Engagement in sozialen, huma-
nitären und ökologischen Projekten, der
2015 erstmals vergeben wurde und von
vielen Prominenten wie Udo Lindenberg,
dem Mitglied des Deutschen Bundestages
Wolfgang Bosbach, Nena oder Ralf Möller
unterstützt wurde. 2017 wird der Act Now
Jugend Award wieder vergeben, und wir
sind schon ganz gespannt auf viele tolle
Nominierungen hierfür.
Was ist die besondere Herausforderung
(sozialer) Projekte in einem Entwick-
lungsland wie Kenia?
Obama: Als erstes würde ich Kenia nicht
als Entwicklungsland bezeichnen. Genau
darin liegen schon das Problem und die
Herausforderung. Durch diese Bezeich-
nung wird das ganze Land als benach-
teiligt gesehen – und dies nicht nur von
außen, sondern auch von den Einheimi-
schen. Die Leute werden als Opfer gese-
hen, und sie sehen sich selbst auch als Op-
fer, die abhängig von fremder Hilfe sind.
Diese Denkweise bei den Menschen zu
ändern, war eine große Herausforderung.
Inwieweit unterstützt Ihr Bruder Ba-
rack Obama Ihr Hilfsprojekt?
Obama: Dadurch dass ich mit ihm ver-
wandt bin, werden mir Türen aufgemacht.
Allerdings muss ich mich, sobald ich durch
die Tür gegangen bin, beweisen und jeg-
liche Form der Unterstützung, die daraus
entsteht, verdienen.
Von Ihrem Bruder Barack weiß man ja,
wie Technik-affin er ist. Er zieht daraus
einem Interview zufolge sogar explizit
seine positive Weltsicht. Wie wichtig ist
Technik für Sie?
Obama: Sie ist für mich Rückgrat meiner
Arbeit. In diesem Sinne bedeutet Technik
für mich Kompetenz, Expertise und Pro-
fessionalität. Meine Leidenschaft aber ist
die menschliche, humanitäre Komponente.
Ziel der Auma Obama Foundation Sau-
ti Kuu ist ist es, weltweit benachteiligten
Kindern und Jugendlichen Perspektiven
für ein selbstständiges Leben zu geben.
Wir wollen Kindern und Jugendlichen aus
sozial schwachen Familien, insbesondere
in ländlichen Gebieten und in den städ-
tischen Slums, dabei helfen, die Stärke
der eigenen Stimme und das eigene Po-
tenzial zu erkennen. Mit neuer Kraft und
Selbstbewusstsein sollen sie Wege fin-
den, die Gegebenheiten vor Ort zu nutzen
und etwas aus ihrem Leben zu machen.
Wir versuchen, zusammen mit ihnen Struk-
turen zu schaffen, die den jungen Leuten
und ihren Familien psychisch, sozial und
finanziell zur Eigenständigkeit verhelfen.
Unser Ziel ist es, die jungen Leute dabei
zu unterstützen, positiv zur Entwicklung
ihrer Gemeinschaft beizutragen. Dabei
ist es uns besonders wichtig, den jungen
Menschen zu vermitteln, dass sie nicht
die Opfer des sozialen Systems oder ihrer
Umwelt sein müssen, sondern ihre Zukunft
selber in die Hand nehmen können.
Unsere Vision: Nachhaltige wirtschaftliche Unabhängigkeit.
Unsere Mission: Kinder, Jugendliche und Familien bei der Entde-
ckung, Entfaltung und der gezielten Nutzung ihrer eigenen Res-
sourcen und Potenziale zu unterstützen.
„Die jungen Menschen sollen
verstehen, dass sie ihr Schicksal
in die eigene Hand nehmen
können. Sie merken dann, dass
sie, wenn sie selbst mitwirken, viel
mehr erreichen können. Sie sind
motiviert und arbeiten hart. Sie
brauchen nur die Möglichkeiten
und unsere Unterstützung.“
Sauti Kuu – Starke Stimmen
INTERVIEW
17. 32 33
Die Angst deutscher Manager vor
der Digitalisierung
Aktuelle Studien stellen deutschen Un-
ternehmen in Sachen Digitalisierung
nur mittelmäßige Noten aus. Im Ver-
gleich zu ihren Wettbewerbern in den
USA oder Asien hinken sie deutlich
hinterher. Woran liegt das? Und wieviel
Zeit bleibt, um aufzuholen?
Tim Cole: Ich lebe als Deutschamerikaner
seit 50 Jahren in diesem schönen Land,
und ich lebe gerne hier. Aber ich muss
schon sagen: Viele – zu viele – deutsche
Manager haben Angst. Sie haben Angst,
Fehler zu machen, falsche Entscheidun-
gen zu treffen – und treffen deshalb lie-
ber gar keine. Und sie haben Angst vor
dem Neuen. „Ändern losst sich goar nix,
denn sonst hätten wir’s längst gemacht“,
sang einst der (Wiener) Kabarettist Ge-
org Kreisler. Was wir in Deutschland vor
allem brauchen, ist mehr Mut, denn die
Zeit drängt. In der Welt der Digitalen
Transformation ticken die Uhren im Takt
von Moore’s Law – Verdopplung alle 18
Monate. Der Mensch aber lebt nach der
analogen Zeitrechnung, und das gilt ganz
besonders für Manager und Unternehmer
hierzulande. Leider haben wir aber nicht
den Luxus, erst einmal abwarten zu kön-
nen. In der Zwischenzeit ziehen andere an
uns vorbei und die Zeit, die es braucht, bis
Deutschland seinen Ruf als eine führende
Wirtschaftsnation verloren hat, kann man
mit einer Eieruhr messen – allerdings ei-
ner digitalen!
Gibt es Unterschiede zwischen den
Branchen?
Cole: Es geht weniger um Branchen und
mehr um Einzelne. Ja, es gibt ganz tolle
junge Startups in Deutschland. Und ja,
es gibt einzelne Mittelständler und so-
gar große Unternehmen, die verstanden
haben, wohin die Reise geht. In meinem
aktuellen Buch lobe ich ausdrücklich die
Firma Robert Bosch, die sich ja selbst als
den „größten Mittelständler der Welt“ be-
zeichnet und wo es Dutzende von Projek-
ten gibt, in denen neue Organisationsfor-
men und Prozesse zumindest ausprobiert
werden. Aber auch dort dauert es meines
Erachtens viel zu lang, bis man aus dem
Probierstadium herauskommt und in den
Regelbetrieb gelangt. Das liegt auch ein
bisschen an der deutschen Gründlichkeit:
Erst wenn alles funktioniert und die letz-
ten Kinken (Seemannssprache für Knoten)
ausgebügelt sind, traut man sich damit in
die Kernprozesse. Besser wäre es, wenn
man solche Projekte kleinteiliger anlegen
und so zu schnelleren Ergebnissen kom-
men würde. Ein solches Projekt sollte auf
90 Tage angelegt sein – länger nicht.
Die digitale Transformation eines Un-
ternehmens ist ein Mega-Projekt und
sollte deshalb ganz oben aufgehängt
sein. Idealerweise gibt es im Unterneh-
men einen Chief Digital Officer, der al-
les zentral lenkt. Wie sieht die Realität
INTERVIEW INTERVIEWINTERVIEW INTERVIEW
18. 34 35
aus? Oder anders gefragt: Wie machen
es die Best Practices, die Sie kennen?
Cole: Darüber gibt es geteilte Meinungen.
Die einen fordern aggressive Führung, fa-
vorisieren also den Top-Down-Approach.
Andere wie mein Freund Ralf Volmer schei-
ben: „Wer im Kontext zur Digitalisierung
eine aggressive Führung fordert, hat nicht
verstanden, wie sich Menschen verhalten,
was die (Alten) brauchen und die (Jungen)
wollen.“ Ich gehöre auch eher zu denen,
die den Abbau hierarchischer Strukturen
fordern und auf die autonome Selbstorga-
nisation der Mitarbeiter im Team vertrau-
en. Dazu brauchen wir aber andere Chefs:
Leute, die sich als Team-Player verstehen
und in der Lage sind, ihre Arbeitsgruppen
auf gemeinsame Ziele einzuschwören
– dann allerdings auch loszulassen und
darauf zu vertrauen, dass die Mitarbeiter
selbst ihren Weg finden werden.
Leider sieht die Wirklichkeit heute völlig
anders aus. So verlangen beispielsweise
75 Prozent aller deutschen Chefs von ih-
ren Mitarbeitern Präsenzpflicht im Büro.
Home Office? Von wegen! Flexible Arbeits-
modelle? Nicht mit uns! Es muss sich erst
etwas in den Köpfen von denen da oben
ändern, bevor es mit dem digitalen Wandel
klappen kann.
Welche Digitalisierungsprojekte sind
aus Ihrer Sicht aktuell die dringends-
ten?
Cole: Wir müssen ganz klein und beschei-
den bei unseren Prozessen anfangen. In
jedem Unternehmen, das ich kenne, wim-
melt es vor dem, was ich gerne als „digi-
tale Inseln“ bezeichne – einzelne Systeme,
die für einen ganz bestimmten Zweck ein-
geführt worden sind und die nicht in der
Lage sind, mit anderen Systemen zu kom-
munizieren. Mein Lieblingsbeispiel ist das
CRM: Das Marketing hat es für viel Geld
angeschafft und sammelt damit wichtige
Informationen über die Kunden, deren Be-
dürfnisse und Befindlichkeiten. Aber nie-
mand sonst im Unternehmen bekommt
dieses Kundenwissen zu sehen, weil es im
Silo feststeckt. Dabei wäre es wahnsinnig
wichtig für die Kollegen, sagen wir mal, im
Vertrieb, in der Produktentwicklung oder
im Beschwerdemanagement. Stattdessen
haben wir diese teuren Datengräber, die
wir CRM nennen. Es ist zum Haare aus-
raufen! Wir müssen zuerst die Vernetzung
im eigenen Unternehmen zu Ende füh-
ren, dann können wir daran denken, uns
mit Lieferanten, Partnern und auch mit
Kunden zu vernetzen. Erst dann können
wir wirklich von einem „Internet of Ever-
ything“ träumen. Vorher bleibt das alles
Stückwerk!
Den Blick über den Tellerrand zu werfen, das ist
es, was einem diese Veranstaltung ermöglicht.
So kann man von den Lösungsansätzen ande-
rer profitieren.
Produktionsleiter eines weltweiten Industrieunternehmens
INTERVIEW TEILNEHMERSTIMMEN
Deutsche Manager haben
Angst vor Fehlern und falschen
Entscheidungen. Das sagt
der Internet-Experte Tim
Cole. Betrachtet man den
Digitalisierungsgrad hiesiger
Unternehmen, hat er (leider)
recht, denn anderen Nationen
– das bestätigen zahlreiche
Studien – hinkt Deutschland hier
hinterher.
”
”
19. 36 37
OTTO gehört zu den Vorreitern des digi-
talen Wandels in Unternehmen. Erste Er-
fahrungen wurden gemacht, Strategien
und Prozesse den neuen Anforderungen
angepasst. Eine Auswirkung: Projekte hat
das traditionsreiche Handelsunterneh-
men abgeschafft. Conny Dethloff, Division
Manager BI Agile Product and Data Ma-
nagement bei OTTO, erklärt die Hinter-
gründe im folgenden Interview.
OTTO gehört in Deutschland zu den di-
gitalen Vorreitern. Die Digitalisierung
eines Unternehmens gilt gemeinhin als
Mega-Projekt. Und in dieser Situation
wollen Sie Projekte abschaffen. Wirk-
lich?
Conny Dethloff: Digitalisierung und der
damit einhergehende Wandel in Unter-
nehmen hat etwas Kontinuierliches ohne
definierbares Ende. Dazu passen Projekte
im herkömmlichen Sinne nicht wirklich
gut in den Denkrahmen, da diese ja per
Definition einen Anfang und ein Ende ha-
ben. Von diesen Gedanken inspiriert sind
wir bei OTTO im Direktionsbereich Bu-
siness Intelligence (BI) vom Projekt- hin
zum Produktmanagement übergegangen.
Und vielleicht noch kurz zur Einordnung
dieses Bereiches innerhalb der OTTO Or-
ganisation. Wir verstehen uns als interner
Dienstleister, quasi ein Unternehmen im
Unternehmen, welcher seinen Kunden,
das sind unsere Kollegen in den Fachbe-
reichen, Produkte und Services unter-
stützt, die Entscheidungen in den Ge-
schäftsprozessen besser macht und damit
die Lebensfähigkeit von OTTO sichert.
OTTO beschäftigt sich schon seit einigen
Jahren mit dem technologischen Wan-
del. Wie und wann kam die Erkenntnis,
dass Projekte überflüssig sein könnten?
Dethloff: Wir haben festgestellt, dass
wir unsere Kunden nachhaltiger bedie-
nen können, wenn wir eine langfristige
Verantwortungsstruktur für die Services
und Produkte aufbauen und keine orga-
nisatorische Trennung zwischen der (Wei-
ter-)Entwicklung von Produkten und dem
Betrieb dieser einziehen. Unser Kunde
macht diese Trennung ja auch nicht. Wa-
rum sollten wir sie also machen?
In diesem Zuge haben wir mehrere
cross-funktionale Teams gebildet, die
letztendlich für das Produktmanagement
verantwortlich sind. Durch eine langfristi-
ge Bindung dieser Teams und damit der
Menschen zu einzelnen Produkten und
Services schaffen wir die Basis für eine
nachhaltige emotionale Bindung zu den
Ergebnissen des eigenen Denkens und
Handelns.
Der digitale Wandel bei OTTO und das
Ende klassischer Projekte
Der technologische Wandel Ihres Un-
ternehmens wird begleitet durch einen
soziologischen. Was genau steckt da-
hinter?
Dethloff: Auch hier haben wir auf Basis
unserer Beobachtungen und Wahrneh-
mungen gehandelt. Ein technologischer
Fortschritt muss stets mit einem soziolo-
gischen verbunden sein und einhergehen.
Es ist nicht förderlich, neue Produkte für
neue Entscheidungsprozesse zu entwi-
ckeln, ohne eben diese Entscheidungs-
prozesse in bestehende Geschäftsprozes-
se zu interlocken. Zieht man diesen Fakt
nicht in Betracht, sind die neu entwickel-
ten Produkte nicht passfähig und tragen
dementsprechend nicht zu besseren
Entscheidungen bei, was wiederum dann
den Produkten an sich negativ angelastet
wird.
Dem Menschen wird bei uns im Zuge der
Digitalisierung eine besondere Bedeutung
zugesprochen, was auf den ersten Blick
logisch erscheint, aber aus vielen Publi-
kationen im Netz, jedenfalls für mich, zu
wenig heraussticht. Hier reden wir dann
beispielsweise von einem neuen Ver-
ständnis und einer neuen Geisteshaltung
der Führungskräfte, wie diese sich in die
Erstellung der Produkte und Services ein-
bringen.
INTERVIEW INTERVIEW
Derzeit ist Conny Dethloff als Manager im Bereich Business Intelligence
bei der OTTO GmbH & Co KG tätig, wo er maßgeblich die digitale Reise von OTTO
im Zusammenhang mit Daten und BI vorantreibt. Seine Erkenntnisse in diesem
Kontext beschreibt er u.a. in mehreren Blogs, beispielsweise im Logbuch der
Reise des Verstehens: blog-conny-dethloff.de
20. 38 39
GASTBEITRAG VON CONNY DETHLOFF GASTBEITRAG VON CONNY DETHLOFF
Komplexität verspeist Methodik,
immer und überall
Das Frönen von Agilität in Unternehmen
nimmt in meinen Augen in letzter Zeit im-
mer skurrilere Züge an. Es ist so, als wür-
den wir vor jeder Mahlzeit das Besteck
bewundern und darüber debattieren wie
schön glänzend dieses doch ist, bevor wir
uns ans Essen heran machen. Mit diesem
heutigen Beitrag möchte ich Agilität und
damit einhergehend Methoden ein wenig
entmystifizieren.
Stellen wir uns vor, Außerirdische be-
suchen uns auf der Erde und sehen uns
Menschen das erste Mal Fahrradfahren.
Sie kennen keine Fahrräder und schon
gar nicht das Fahren auf diesen. Sie den-
ken: „Wow, das Teil hat nur 2 Räder und
die Menschen kippen nicht um. Wahn-
sinn.“ Sie beobachten uns, wie wir dieses
Kunststück wohl fertig bringen. Dabei
beobachtet einer der Außerirdischen,
wie Menschen beim Treten immer wieder
abwechselnd aus dem Sattel gehen und
sich dann wieder hinsetzen, und denkt
sich: „Das ist es. Geheimnis gelüftet.“ Er
erfindet auf Basis dieser Erkenntnis eine
Methode, wie man ab sofort Fahrradfah-
ren muss, und lehrt das seinen Kollegen.
Mittlerweile haben sie dieser Methodik
dann auch einen Namen gegeben und fei-
ern diese regelmäßig ab. Sie fragen uns
Menschen im Kontext des Fahrradfahrens
nach dieser Methodik und wir gucken sie
nur schmal an, da wir diese Methode nicht
kennen, ja noch nie von ihr gehört haben.
Die Außerirdischen wundern sich, dass
wir trotzdem Fahrradfahren können.
Erkennen Sie die Parallelen zu Agil? Was
wäre jetzt, wenn wir den Begriff „Fahrrad-
fahren“ mit „Agilsein“ tauschen? Es ver-
hält sich in meinen Augen ähnlich. Man
schaut in die Unternehmen hinein, die
erfolgreich sind. Man beobachtet so aller-
hand, was sie tun, welcher Prozesse und
Methoden sie sich bedienen etc. Versucht
man, das Beobachtete aber zu beschrei-
ben, wird es schwierig, da man den eigent-
lichen Kern eben nicht greift, warum diese
Unternehmen erfolgreich sind. Prozesse
und Methoden machen Unternehmen
nicht erfolgreich, sondern die Menschen
in den Unternehmen, die sich dieser Pro-
zesse und Methoden bedienen.
Gründe für Erfolg in komplexen Umge-
bungen kann man nicht beschreiben,
bestenfalls beobachten. Dann fällt es
aber schwer, diese Gründe für sich zu ad-
aptieren, da man dafür das Beobachtete
beschreiben müsste. Ich habe diesen Fakt
mal in einem Beitrag am Thema Führung
gespiegelt und dort die These formuliert,
dass nur schlechte Führung beschreibbar
ist, da diese Widersprüchlichkeit negiert.
Agilität hat in erster Linie nichts mit Me-
thodik zu tun. Genau. Bei Agilität geht es
in erster Linie um die Geisteshaltung der
denkenden und handelnden Menschen.
Sie möchte das gerne weiter fortführen.
Immer wieder höre ich Fragen wie:
1. Wie oft müssen wir denn nun einen
Stand-Up im Team durchführen, wirk-
lich täglich?
2. Wie lange sollte dieser dauern?
3. Dürften wir einen Sprint auch auf 3
Wochen ansetzen?
Solche Art von Fragen bezeichne ich stets
als kontextlos, da sie mit dem eigentli-
chen Sinn, der hinter Agilität steht, nichts
gemein haben. Um den Vergleich zum
Fahrradfahren noch einmal herbeizuru-
fen. Es ist so, als wenn mein Sohn beim
Erlernen des Fahrradfahrens mich gefragt
hätte, nach wie viel Minuten er denn nun
aus dem Sattel gehen sollte und nach wie
vielen Pedalumdrehungen er sich wieder
hinsetzen dürfte.
Die Kernfragen hinter Agilität sind die Fol-
genden:
1. Wer ist unser „Kunde“?
2. Welche Bedürfnisse und Wünsche hat
unser „Kunde“ und wie erkennen wir
schnell Änderungen in diesen?
3. Über welche Services und Produkte
können wir diese Bedürfnisse und Wün-
sche schnell erfüllen und warum kann
das Niemand besser als wir?
4. Wie können wir uns als Team stetig im
Sinne der Antworten der obigen Fra-
gen verbessern?
Hört man jemals die Frage „Müssen wir
agil sein?“, sollte man bedenken, dass der
Fragende eigentlich „Was bedeutet agil?“
fragen wollte. Hat man Agilität verstan-
den, weiß man, dass die Frage nach dem
„ob“ ähnlich irrelevant ist, wie die Fragen
„Müssen wir regelmäßig Nahrung zu uns
nehmen?“ oder „Ist es wichtig zu atmen?“
Agilität ist nichts Statisches und kann nur
mittels agiler Denk- und Handelsweisen
eingeführt werden.
Eine Methode ist weder agil noch nicht
agil. Eine Bewertung über Adjektive ohne
Kontext, in diesem Fall die Bewertung ei-
ner Methode, ist stets sinnentkoppelt.
Kontextlos gibt es keinen Unterschied
zwischen agil und nicht agil. Auch hier
wieder ein eingängiges Beispiel, diesmal
aus der Welt des Sports. Ein Turner ist
beweglich. Ergibt es deshalb Sinn, jeden
Fußballer, nur weil er nicht so beweglich
ist wie ein Turner, als nicht beweglich zu
titulieren? Nein, natürlich nicht. Denn es
ist essentiell, wie viel Beweglichkeit über-
„Agilität kann also nur agil
eingeführt werden. Ein
Widerspruch? Na klar. Es dreht
sich hierbei ja um Lebendigkeit.
Der Weg ist hier das Ziel. Agilität
an sich darf nie das Ziel sein,
sondern nur Mittel zum Zweck.“
21. 40 41
haupt sein muss, um erfolgreich in der je-
weiligen Sportart zu sein. Und das ist der
Kontext, den ich hier ins Spiel bringe.
Über Methodik kann man Komplexität
nicht handhaben.
Es geht um das Auswählen einer passen-
den Methode. Ein Hammer ist ja auch
nicht deshalb als Werkzeug grundsätzlich
unbrauchbar, nur weil ich mit diesem kei-
ne Schrauben in die Wand drehen kann.
Und genau für das Wählen dieser Metho-
de ist der Mensch verantwortlich, um es
klar zu sagen. Nur weil man im Projekt
oder übergreifend im Unternehmen fest-
stellt, dass man nicht agil genug ist, sollte
man niemals die Methode, wie beispiels-
weise „Wasserfall“, dafür verantwortlich
machen. Denn auch mit dieser Methode
kann man agil sein.
Nur leider schlägt uns hier allzu oft der
von mir wahrgenommene Methodizis-
mus, dem wir Menschen erlegen sind, ein
Schnippchen. Er hindert uns daran, den
eigentlichen Sinn hinter Agilität zu entde-
cken.
Komplexe Probleme sind formal-logisch
nicht beschreibbar, da Komplexität Wi-
dersprüchlichkeit impliziert, diese aber
im Rahmen unserer Logik ausgesperrt ist.
Methoden basieren nun einmal auf Logik.
Würden Methoden widersprüchlich sein,
würden wir diese negieren, da wir ihren
Mehrwert nicht sehen. Um also Metho-
den als Lösung heranziehen zu können,
müssen wir komplexe Probleme in kom-
plizierte transformieren. Diese Transfor-
mation ist für uns so normal geworden,
dass wir darüber schon gar nicht mehr
reflektieren. Die gefundene Lösung, die
ja auf dem transformierten komplizierten
Problem beruht, wenden wir dann auf das
komplexe Problem an. Dabei begehen wir
einen Kategorienfehler. Mit Begehen die-
ses Kategorienfehlers sind wir einem Teu-
felskreis aufgesessen. Teufelskreis des-
halb, weil wir es hier mit einer sich selbst
verstärkenden Schleife zu tun haben. Wir
merken, dass die gefundenen Lösungen
sehr häufig nicht die Probleme lösen.
Logisch, sie haben ja aufgrund der vor-
genommenen Transformation nichts mit-
einander zu tun. Das befeuert in uns die
Unsicherheit, die wir ja eigentlich durch
den Einsatz von Methoden beim Lösen
von Problemen überwinden wollen. Also
wird unser Verlangen nach noch mehr
Methodik und noch mehr Standards im-
mer größer. Dabei werden unsere Proble-
me nicht gelöst, sondern noch verschärft.
Ich möchte hier noch einmal betonen,
dass ich kein Gegner von Methoden bin.
Ganz und gar nicht. Wir sollten uns beim
Lösen von Problemen nur wieder mehr
vertrauen, also mehr fühlen und denken.
Fahrradfahren, um auf das Beispiel vom
Anfang zurückzukommen, lernt man
durch Fahrradfahren. Eine wichtige Regel,
der wir im privaten Leben normalerweise
unreflektiert Folge leisten, im beruflichen
Kontext allerdings häufig nicht. Hier steht
uns der Methodizismus im Weg. ETWAS
lernen, in dem man genau dieses ETWAS
tut, scheint für uns widersprüchlich, da lo-
gisch wegen der Rückbezüglichkeit nicht
abbildbar, und deshalb in Form von Me-
thoden nicht beschreibbar. Agilität kann
man also nur einführen, indem man agil
ist. Die japanische Philosophie, auf der
ja größtenteils die Ideen und Gedanken
hinter Agil beruhen, geben auch hier Auf-
schluss darüber, liegen aber oft im blinden
Fleck unseres Denkens und Handelns. Die
dortige Kampfkunst kennt drei Stufen des
Lernens (Shu-Ha-Ri), die ein Schüler von
den Anfängen bis zur Meisterschaft seiner
Kunst durchläuft.
1. „Shu“, als erste Stufe des Lernens be-
zeichnet, bedeutet so viel wie „erhalten
oder gehorchen“. Man lernt, indem man
stur gegebenen Regeln folgt. Ich spre-
che hier auch gerne von einem kontext-
losen Befolgen von Prozessen.
2. „Ha“, die zweite Stufe, lässt sich über-
setzen mit „(auf)brechen, frei werden,
abschweifen“. Hier geht es darum, die
kontextlosen Regeln und Standards
zu interpretieren und auf den Kontext
abgestimmt zu variieren. Dazu gehört
also, den Sinn und Zweck der einzuset-
zenden Methoden zu verstehen, um so
über das reine Befolgen dieser hinaus
zu kommen.
3. „Ri“, als dritte und höchste Stufe,
schließlich bedeutet „verlassen, tren-
nen, abschneiden“. Hiermit ist gemeint,
die gegebenen Muster hinter sich zu
lassen um, von eigenen Impulsen ge-
steuert, eigene Wege zu gehen. Die
Erfahrung und das Beherrschen der
Regeln ist dabei die Voraussetzung, um
sich als Mensch im jeweiligen befindli-
chen Kontext unabhängig von Metho-
den zu machen.
Im Rahmen der dritten Stufe hat man also
so viel Methodenkenntnis erlangt, dass
man diese im Sinne des Erfolgs bewusst
nicht mehr einsetzt. Wir Menschen der
westlichen Gesellschaft bleiben häufig
auf der ersten Stufe „Shu“ stehen, da der
Übergang von der ersten Stufe zur zwei-
ten durch die durchgeführte Transforma-
tion von „komplex“ zu „kompliziert“ beim
Lösen von Problemen im Wege steht.
„Das Auswählen der passfähigen
Methode geht nur über die
passende Geisteshaltung. Agilität
hat nichts mit der eingesetzten
Methode zu tun, sondern einzig
und allein mit der Geisteshaltung
der Menschen, die ein Problem
lösen.“
„Wir suchen viel zu oft die
Lösung im „Außen“, als erst
einmal im „Innern“. So wird der
Mensch Werkzeug der Methode.
Methoden verhindern eine
Verantwortungsübernahme für
Misserfolg und stehen damit dem
Lernen im Wege. Methoden sollen
Mittel sein, niemals Zweck.“
GASTBEITRAG VON CONNY DETHLOFF GASTBEITRAG VON CONNY DETHLOFF
22. 42 43
Großprojekte beherrschen in den Medi-
en meist damit die Schlagzeilen, dass
sie länger dauern als geplant. Der Lui-
se-Kiesselbach-Tunnel in München war
sogar schneller fertig. Lag es an der
langen Vorlaufphase – erste Überlegun-
gen über die Notwendigkeit eines Tun-
nels im Münchner Südwesten gab es ja
schon in den Siebziger Jahren – oder
kann das Münchner Baureferat einfach
besser planen?
Johann Wittmann: Für Großprojekte ist
in der Regel ein „kleiner“ Zeitpuffer für
unvorhergesehene Ereignisse vorgese-
hen. Dieser musste in unserem Fall un-
ter anderem aufgrund von konsequenter
Terminplanung und -steuerung nicht in
Anspruch genommen werden. Ohne über-
heblich sein zu wollen: Die Fertigstellung
war eine Punktlandung.
Nach dem ersten Bürgerentscheid in
München 1996 wurde mit der Tunnelpla-
nung für zwei Tunnels neu begonnen.
Diese wurden zeitgleich geplant. Der
Richard-Strauss-Tunnel wurde dann von
2003 bis 2009 realisiert. Der Luise-Kies-
selbach-Tunnel wurde 2002/2003 aus fi-
nanziellen Gründen zurückgestellt. An der
langen Vorlaufzeit lag es somit nicht, da
der Richard-Strauss-Tunnel auch pünkt-
lich fertiggestellt wurde.
Gab es unvorhergesehene Situationen,
die den Zeitrahmen zu gefährden droh-
ten?
Wittmann: Ja, die gab es. Probleme gab
es bei der Ausführungsplanung, weil bei-
spielsweise Statik- sowie Schall- und Be-
wehrungspläne baubegleitend erstellt
werden. Dann kann es leicht passieren,
dass mehr Zeit gebraucht wird, weil bei-
spielsweise längere Bohrpfähle oder mehr
Stahl benötigt werden.
Außerdem konnte der Boden vorweg
nur punktuell untersucht werden. Wir
mussten uns deshalb mit aufwändigeren
Gründungen, Grundwassereinflüssen und
Altlasten auseinandersetzen. Schließlich
arbeitet man bei Großprojekten ja mit bis
zu 25 Unternehmen gleichzeitig zusam-
men. Dies führte immer wieder zu Termi-
nänderungen.
Großprojekte: Was München besser
macht als Berlin oder Hamburg
INTERVIEW INTERVIEW
Was haben Sie Ihrer Ansicht nach letz-
ten Endes besser gemacht als viele
andere Verantwortliche von Großpro-
jekten, deren Fertigstellung sich verzö-
gert?
Wittmann: Ich will nicht sagen, dass wir
es besser gemacht haben, aber folgende
Punkte haben wir für eine erfolgreiche
Abwicklung vorausgesetzt:
• Klasse Team mit großer Fachkunde, bei
der jeder fast alles macht
• Klare Projektstrukturen sowie Verant-
wortungs- und Entscheidungskompe-
tenz (durchgehende Projektleitung) – Ei-
ner hat den „Hut“ auf!
• Partnerschaftliche Projektabwicklung
Auftraggeber – Auftragnehmer, mitein-
ander reden (z.B. wöchentliche Bespre-
chungen mit allen Beteiligten, umfassen-
de Dokumentation der Gespräche etc.)
• Konsequente Termin- und Kostenpla-
nung sowie Verfolgung
• Gesellschaftliche Akzeptanz (Bürgerein-
bindung)
• Kostenansatz für Restrisiken berück-
sichtigen
Gibt es irgendwelche Lessons Learned,
die Sie teilen möchten?
Wittmann: Wir haben Wert auf mensch-
liche Aspekte gelegt, auf einen ehrlichen
Umgang miteinander. Außerdem braucht
man Mut, Entscheidungen zu treffen. Und
dabei gilt: Wer entscheidet, macht auch
Fehler.
„Da die Ausschreibung
europaweit erfolgte, gab es
Einsprüche, die den Arbeitsablauf
beeinflusst haben. Dann kamen
noch Planungsänderungen hinzu,
weil wir die Planungen an neue
Richtlinien und Vorschriften
anpassen mussten.“
Was Berlin nicht gelingt, hat München bereits hinbekommen: Die termingenaue
Fertigstellung eines Großprojektes! Der Projektleiter im Baureferat, Johann
Wittmann, verantwortlich für den Bau der Münchner Stadttunnel, erklärt im
Interview sein Erfolgsgeheimnis.
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„Ein Pedant wird weder an der Börse
noch im Projekt erfolgreich sein“
INTERVIEW INTERVIEW
Schaut man sich die Bilder des Frankf-
urter Börsenparketts an, gewinnt man
den Eindruck, dass Börsenmakler eben-
so wie Projektmanager vor allem den
Überblick in komplexen Situationen
behalten müssen. Wie gelingt das am
besten?
Dirk Müller: Es geht darum, möglichst
die eigene Sichtweise zu reflektieren. An
der Börse geht es häufig um Emotionen,
bei Projektmanagern ist das nicht anders:
Mal euphorisch, mal voller Sorgen. Es ist
elementar, sich darüber im Klaren zu sein,
dass man Situationen weder zu pessimis-
tisch noch zu optimistisch bewerten darf.
Wer für ein Thema brennt, der neigt dazu.
Behalten Sie einen realistischen Blick auf
die Situation. Man sieht das an der Börse
ebenso wie bei Unternehmensübernah-
men, wo sich aufgrund einer Euphorie
ein Hype entwickelt und Unternehmen zu
horrenden Preisen aufgekauft werden, die
der Realität widersprechen und nüchtern
nicht zu erklären sind.
Beide müssen außerdem akzeptieren
lernen, dass sie Fehler machen, und Ent-
scheidungen mit einer 50-prozentigen
Wahrscheinlichkeit falsch sein werden.
Leider gelten Fehler als Makel, werden
vertuscht oder anderen untergeschoben.
An der Börse ist das tödlich. Man muss
sich bewusst machen, dass Fehler selbst
dann passieren, wenn man alles bedacht
hat. Zum Beispiel deshalb, weil Dinge pas-
sieren können, die nicht vorhersehbar wa-
ren oder Situationen derart komplex sind,
dass gar nicht alle relevanten Informatio-
nen gesammelt werden können.
Entscheidungen mögen sich morgen oder
in einer Woche als völlig falsch herausstel-
len; wichtig ist es dann aber, sich den Feh-
ler einzugestehen. An der Börse gehe ich
sonst pleite, Projekte werden an die Wand
gefahren. Elementar ist also, sich immer
wieder in Frage zu stellen: Der weise Mann
schwankt, nur der Narr ist sich sicher.
Börsenhändler müssen – wie Projekt-
manager auch – gut mit Zahlen umge-
hen können, diese binnen kürzester Zeit
einordnen und verarbeiten können. Das
liegt auf der Hand. Wie sieht es aber mit
Soft Skills aus?
Müller: Dazu gehört neben dem, was ich
bereits gesagt habe, die Bereitschaft,
eine 80:20-Situation zuzulassen. Das be-
deutet: Ich werde nie alle Informationen
haben, nichts kann bis ins letzte Detail
geklärt werden. Unter Umständen müs-
sen Entscheidungen schnell getroffen
werden. Das gilt an der Börse ebenso wie
in Projekten. Oftmals ist es besser, eine
schnelle Entscheidung mit nur 80 Prozent
der Informationen zu treffen und 20 Pro-
zent Restrisiko in Kauf zu nehmen, als zu
versuchen, 100 Prozent Informationen zu
bekommen und das Projekt scheitern zu
lassen, weil niemand eine Entscheidung
trifft. Natürlich braucht man Informatio-
nen, aber an einem gewissen Punkt muss
es auch gut sein.
Der Job als Börsenmakler und die Tä-
tigkeit als Projektmanager eint, dass
häufig unter hohem Zeitdruck weitrei-
chende Entscheidungen gefällt werden
müssen. Was empfiehlt der Börsenmak-
ler dem Projektmanager?
Müller: Schnellen Entscheidungen dür-
fen Sie nie nachtrauern. Wer eine einmal
getroffene Entscheidung bedauert, ver-
schwendet Zeit. Natürlich muss man aus
falschen Entscheidungen lernen; nacht-
rauern und sich ärgern ist jedoch der fal-
sche Weg.
Wirtschaftskrise in China, Ölpreis im
Keller und Donald Trump im Weißen
Haus. Was sagen Sie dazu?
Müller: Wir laufen auf eine extrem gefähr-
liche Situation zu. Das, was sich auf dem
eurasischen Kontinent gerade zusam-
menbraut, erinnert schwer an einen per-
fekten Sturm. Wir haben schwerwiegende
Probleme auf dem gesamten eurasischen
Kontinent, die vordergründig gar nicht in
Zusammenhang zu stehen scheinen, hin-
tergründig jedoch sehr wohl, und die sich
gegenseitig dramatisch verschärfen.
Wir haben einerseits China vor einer dra-
matischen Entwicklung, die aus meiner
Sicht noch immer brutal unterschätzt
wird. Ich habe bereits 2014 davor ge-
warnt. China kommt in ganz, ganz schwe-
res Fahrwasser, so wie es keiner für mög-
lich gehalten hätte. Diese Gefahr dürfen
wir nicht unterschätzen, denn die Frage
ist nicht ob sie kommt, sondern wann.
Wenn kein Wunder geschieht, hat dies
tiefgreifende Konsequenzen für unsere
wirtschaftlichen Entwicklungen.
Von welchen Entwicklungen sprechen
Sie?
Müller: Das könnte eine Rezession in Chi-
na sein, die sich über den ganzen Kon-
tinent zieht und die über das, was wir
2008/2009 gesehen haben, hinausgeht.
Parallel dazu haben wir den Nahen Os-
ten in Flammen, die arabische Halbinsel
in größten Schwierigkeiten aufgrund des
niedrigen Ölpreises. Dabei geht es nicht,
wie vielfach in den Medien kolportiert,
um Machtspiele um Marktanteile mit den
Amerikanern; es geht um viel mehr. Bleibt
An der Börse geht es zuweilen hektisch zu. Im Projektmanagement ist das nicht
anders. Ein Grund für uns, nach weiteren Parallelen zu suchen und zu fragen, was
Projektmanager von Börsenmaklern lernen können. Rede und Antwort stand uns der
Börsenexperte und „Mr. Dax“, Dirk Müller.
„Manchmal ist eine schnell
gefällte Entscheidung besser als
eine nicht gefällte. Eine gewisse
Lockerheit ist deshalb ein
wichtiger Soft Skill. Ein Pedant
wird im Projektmanagement
ebenso wie an der Börse nicht
erfolgreich sein.“
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der Ölpreis so niedrig wie jetzt, wird Sau-
di-Arabien bald keine Währungsreserven
mehr haben. Wir reden an der Börse über
einen möglichen Zahlungsausfall des Mär-
chenlandes Saudi-Arabien.
Gleichzeitig sehen wir Russland massiv
unter Druck. Einerseits wegen des Öl-
preises, andererseits durch die politische
Isolation. Ein riesiger Spieler innerhalb
des arabischen Kontinents ist damit in
Schwierigkeiten, die Türkei vor bürger-
kriegsähnlichen Zuständen, Europa in ei-
ner Flüchtlingskrise, wo wir nicht wissen,
was in den nächsten Monaten daraus er-
wächst.
INTERVIEW
„Wir haben einen eurasischen
Kontinent in größten
existenziellen Schwierigkeiten,
die sich gegenseitig durchaus
verstärken können. Die
Herausforderungen sind
immens.“
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Wer auf diese Veranstaltung kommt, den
erwarten nette Kollegen aus unterschiedlichsten
Branchen, die die gleichen Probleme umtreiben.
Hier kann jeder etwas mitnehmen.
Dirk Müller, Fachmann für Börse und Finanzen
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TEILNEHMERSTIMMEN
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PDU HOW TO?
PDU HOW TO
Die beste Veranstaltung zum Projekt-
management, die ich je besucht habe, vor
allem wegen der Praktiker-für-Praktiker-
Ausrichtung.
Harald Scholze, Prozess- und Projektberater, Hochschule München
TEILNEHMERSTIMMEN
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