Slides meiner Präsentation zu LegalTech an der juristischen Fakultät der Freien Universität Berlin, am 23. April 2018 - im Rahmen der Vorlesung von Prof. Felix Hartmann
2. Was ist LegalTech / LawTech?
− Digitalisierung und Transformation der Justiz
− Besserer „Access to Justice“
− Beispiele: Flightright, Do not Pay,
Nebenkostenabrechung, Abfindungsheld
− Schließung des „Digital Justice Gap“
− Gerichtsprozess: strukturierter Vortrag
− Online Dipute Resolution / Online Streitbeilegung
− „PayPal-Recht“ / „eBayRecht“
− Neue Werkzeuge: Künstliche Intelligenz (Kira, Leverton, Ross)
und Smart Contracts
− Neue Umgebungen: Blockchains
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3. Was ist LegalTech / LawTech?
Sammelbegriff:
−Entwicklung und Einsatz juristischer Software und Online-Plattformen
−verspricht unter anderem, das Rechtswesen durch Digitalisierung zu
demokratisieren.
−Hoffnung: Kann das helfen, Rechtsberatung, -findung, -anwendung und
-erzeugung zu beschleunigen, zu verbilligen, und im Durchschnitt weitaus
rechtmäßiger als vorher zu machen?
−Mittel gegen die Krise des effektiven/zügigen Zugangs für alle zur Justiz ?
−Gegensatz zur sogenannten Compliance, wo es oft eher darum geht,
unternehmensinterne Anstrengungen zu dokumentieren, dass man sich
bemüht hat, rechtmäßig zu handeln (und leider mal wieder gescheitert ist):
− Eine Vision von Legal Tech: Tatsächliche Wahrung und Durchsetzung des
Rechts, für alle.
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4. Was ist daran neu?
− Juristische Datenbanken, eDiscovery, Spracherkennung und
elektronische Kommunikation gibt es schon länger
− nun kommen AI, Prozessoptimierung und Blockchain/Smart
Contracts
- Alte Intermediäre (also Mittelsmänner, z.B. Notare, zentrale
Gegenparteien, Banken, Anwälte, Treuhänder) geraten unter
Rechtfertigungsdruck
- Gefahr, wie die Taxifahrer von Uber an den Rand gedrängt
zu werden?
- Vergleichbar? Überangebot an Autos / Mangel an Lawyers
- Neue Intermediäre drängen sich rein: Legal Coders, Legal
Technologists, Legal Engineers, Programmierer.
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5. Artificial Intelligence / Künstliche Intelligenz
− Beispiele: Leverton, Kira, Ross – Das wird allen begegnen!
− Stand der Technik:
− Software benötigt viel Trainigsmaterial
− Das beschränkt Effektivität derzeit:
− Verträge zwischen Privaten sind nicht öffentlich
− Veröffentlichungsquote von Gerichtsentscheidungen
weniger als 1% pro Jahr.
− 2015: Amtsgerichten erledigen 536.000 Zivilverfahren
− In den einschlägigen Datenbanken findet man für
2015 insgesamt 3.300 amtsgerichtliche
Entscheidungenin Zivilsachen, gerade mal 0,6 % aller
Verfahren.
− Mächtige Technik: Die künstlichen Intelligenzen lernen gerade
Jura
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6. Was ist eigentlich eine Blockchain?
efinitorische Abgrenzungen
− Blockchains
− Verhinderung des „double spend“
− Transaktionskette / chain of title
− Public / Private
BaFin:
Blockchains sind fälschungssichere, verteilte Datenstrukturen, in denen
Transaktionen in der Zeitfolge protokolliert, nachvollziehbar, unveränderlich und
ohne zentrale Instanz abgebildet sind. Mit der Blockchain-Technologie lassen
sich Eigentumsverhältnisse direkter und effizienter als bislang sichern und regeln,
da eine lückenlose und unveränderliche Datenaufzeichnung hierfür die
Grundlage schafft.
− Smart Contracts
− Data centric contracts
− Computable contracts
− Smart contracts
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7. Smart Contracts
BaFin Smart zu Contracts:
Smart Contracts ermöglichen ein hohen Grad an
Unabhängigkeit, da die Beteiligten einer Vereinbarung sich nicht
auf einen Intermediär verlassen müssen. Hierbei werden auch
potenzielle Gefahren der Manipulation durch Dritte verringert,
da die Durchführung automatisiert durch die Blockchain-
Mechanismen verwaltet wird und nicht durch eine oder
mehrere Instanzen, die Fehler begehen oder voreingenommen
sein könnten.
Smart Contracts ermöglichen auch eine Erhöhung der
Abwicklungsgeschwindigkeit, da Softwarecode genutzt wird, um
Aufgaben zu automatisieren. So können Geschäftsprozesse
vereinfacht werden, wobei menschliche Fehler, Schnittstellen
oder Medienbrüche minimiert werden.
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8. Smart Contracts
− Computerprotokoll zur Durchführung von vertraglichen
Vereinbarungen
− Wer schließt den Vertrag?
− Die Dinge / Programm miteinander? Menschen/Jur. Pers.?
− Problembeispiel: Besitzschutzrecht nach deutschem Maßstab
− Autovermietung
− Ferienwohnung
− Spannungsverhältnis zwischen Selbstvollzug und
Gewaltmonopol
− Faustrecht und Selbstjustiz unzulässig
− Verbotene Eigenmacht?
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9. Smart Contracts
− Was ist vereinbart?
− Code is law? -> für Verbraucherverträge unzulässig –und
sonst?
− Abwicklung von Smart Contracts ist gerichtlich voll überprüfbar
− Stresstest: Halten Durchführung und Auslegung von Smart
Contracts möglicher gerichterlicher Prüfung stand?
− Gerichtsfest durch zwei Fassungen?
− Duales System = binäre Fassung (code) + verbale Fassung
(prose)
− „Die Gerichtssprache ist deutsch.“
− verbale Fassung (prose) als maßgebliche ist derzeit
rechtssichere/zweckmäßige Lösung
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10. Smart Contracts
− Es kommt nicht auf Software/Ansicht des Entwicklers an:
"Für die Auslegung [von]Erklärungen ist aber nicht auf die automatisierte
Reaktion des Computersystems abzustellen […]. Nicht das
Computersystem,
sondern die Person (oder das Unternehmen), die es als
Kommunikationsmittel nutzt, gibt die Erklärung ab oder ist Empfänger der
abgegebenen Erklärung. Der Inhalt der Erklärung ist mithin nicht danach
zu bestimmen, wie sie das automatisierte System voraussichtlich deuten
und verarbeiten wird, sondern danach, wie sie der menschliche Adressat
nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte verstehen darf."
− Entspricht §133, 157 BGB:
−bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen ist der
wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen
− BGH, Urteil vom 16. 10. 2012 – X ZR 37/12 (Flugbuchung)
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11. Beispiele
− Flugverspätungen (Prototyp der Allianz)
− Schiedsverfahren (Arbitration)
− Konvertierung von Fiatwährung in Kryptowährungen oder
Token
− Verwaltung von Waren und Ersatzteilen (Tracking)
− IoT-Datenbank zur Dokumentation von
− Verbrauchsdaten (Smart Metering)
− Verkehrs- Leitungs- und Fördernetzwerken
− Versicherungsdaten (Unwetter, Verspätungen)
− Erfassung und Verfolgung von Rechtspositionen – IP-TRacking
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12. Berühmtes Beispiel für Smart Contract gone wrong: THE DAO
− Decentralized Autonomous Organization
− Etwa 17.000 Teilnehmer - Crowdfunding, Juni 2016
− Shareholder? OHG-Gesellschafter?
− Anwendbares Gesellschaftsrecht
− Über USD 150 Millionen
− Kryptowährungseinheiten im Wert von etwa USD entzogen
− wegen eines zuvor weitgehend unbeachteten
Programmteils im zentralen Smart Contract
− Hack? Not a hack? Code is law – doch nicht?
− Immutable and unstoppable code?
− Bericht der SEC – Regulierung von ICOs
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13. Entschließung des Europäischen Parlaments von 2016:
- hebt hervor, dass virtuelle Währungen und die Technologie der dezentralen
Transaktionsnetzwerke (Distributed Ledger Technology, DLT) das Potenzial besitzen, einen
positiven Beitrag zum Wohlergehen der Bürger und zur wirtschaftlichen Entwicklung, etwa im
Finanzsektor, zu leisten
- weist darauf hin, dass das Potenzial von DLT, datengesteuerte Prozesse zu geringeren Kosten zu
beschleunigen, zu automatisieren und zu standardisieren, das Potenzial besitzt, die Art und
Weise, in der Vermögenswerte übertragen und Aufzeichnungen aufbewahrt werden,
grundlegend zu verändern (to alter fundamentally), was sich auf den privaten und
öffentlichen Sektor auswirkt, wobei letzterer in dreierlei Hinsicht betroffen ist: als Dienstleister,
als Aufseher und als Gesetzgeber
- weist ferner darauf hin, dass DLT eingesetzt werden könnte, um den Austausch von Daten, die
Transparenz und das Vertrauen nicht nur zwischen Regierungen und Bürgern sondern auch
zwischen Akteuren des Privatsektors und Kunden zu verbessern;
- erkennt an, dass sich das Potenzial der DLT noch entfaltet und weit über den Finanzsektor
hinausreicht, etwa in Bereiche wie „Crypto-equity Crowdfunding“ (Schwarmfinanzierung mit
„Krypto-Kapital“), Streitschlichtungsdienste, insbesondere im Finanzsektor und im
Justizwesen, intelligente Verträge („smart contracts“) in Verbindung mit digitalen
Unterschriften, Anwendungen, die einen erhöhten Datenschutz und Synergien mit der
Entwicklung des Internets der Dinge ermöglichen
- unterstreicht die Dynamik, die die Blockkettentechnologie in der Unternehmenswelt in Gang
setzt, sowie ihr Potenzial, langfristig eine Transformation in der Realwirtschaft herbeizuführen
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14. Folgen für Rechtsanwender
− Droht Jurastudierenden nun Arbeitslosigkeit?
− Wohl nein: juristisches Denken und Problemlösen wird nicht abgeschafft,
sondern transformiert:
− Es ist vielleicht sogar zu erwarten, dass es mehr juristische Arbeit geben
wird, weil mehr Sachverhalte nur maschinell vorab bearbeitet werden
können.
− Gerichte und Behörden könnten mehr Fälle schneller und richtig
bearbeiten
− Müssen Jurastudierende nun programmieren lernen?
− Kommt drauf an: Programmieren ist Engineering, Prozessoptimierung,
hat andere Logik als Rechtssystem
− Code is not law - Law ist not Code – Human Element
− Juristen und Juristen müssen aber anschlussfähig sein, verstehen
können, warum Software und Technik tun, was sie tun
− Neues Zusammenspiel zwischen Software-Engineers und Lawyers
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15. Wird gerade das Internet neu erfunden?
- Nein
- Ist das alles Hype?
- Nein, es wird aber ernsthaft mit vielerlei LegalTech-
Lösungen experimentiert.
- Global Legal Hackathon 2018
- Spirit: Als wäre es noch einmal 1994, als das Internet sich
anfing, auszubreiten.
- Es werden neue Spielregeln erstellt
- Jura bleibt aber relevant, weil Technologie nicht rechtliche und
wirtschaftliche Interessensgegensätze und Konflikte abschaffen
kann
- Neue Jobs für Juristen: KI-Ausbilder / AI Trainer etc.
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